• Sollen wir vor den Apokryphen warnen oder vor denen, die vor den Apokryphen warnen?

Gegen die Apokryphen werden immer wieder die selben Argumente vorgebracht. Sie zeugen von Unwissenheit und Scheinheiligkeit und nicht wenige davon sind erfunden oder sogar frech erlogen, wie wir zeigen werden.

Was der Begriff Apokryphen überhaupt bedeutet, wie er historisch entstand, und welche Bücher heute damit konkret gemeint sind, haben wir in einem eigenen Beitrag in unserem Lexikon erklärt: Apokryphen.

In diesem Beitrag werden wir der Reihe nach den üblichen Gegenargumenten auf den Zahn fühlen und schauen, ob die Kritik an den Apokryphen selbst einer kritischen Überprüfung überhaupt standhält.


1. Die Apokryphen sind eine Sammlung uninspirierter, unechter Bücher.

Das ist eigentlich kein Argument, sondern eine Behauptung. Sie kommt immer ohne Beweisführung daher und das aus gutem Grund: Es gibt keinen Beweis dafür. Am Ende ist es höchstens eine Glaubensfrage, über die trefflich gestritten werden kann. Genauso kann man das Gegenteil behaupten, dass nämlich die Apokryphen eine Sammlung inspirierter, echter Bücher sind. Und das ist aber beweisbar, dazu kommen wir noch.

Die entscheidenden Fragen dabei sind:

  1. Was ist das Kriterium für echt und unecht und wer befindet darüber?
  2. Wer hat die Kompetenz zu urteilen, welche Bücher inspiriert sind?

Beleuchten wir nun diese beiden Fragen.

I. Was ist das Kriterium für echt und unecht und wer befindet darüber?

Die Begriffe „echt“ und „unecht“ werden in der Kunst und Literatur verwendet, um zu klären, ob ein Werk von demjenigen stammt, von dem es vorgibt zu stammen. Also zum Beispiel ob ein Rembrandt-Gemälde wirklich von Rembrandt ist oder eine Mozart-Oper wirklich von Mozart oder, um zum Thema Bibel zu kommen, ob der zweite und dritte Johannesbrief wirklich von Johannes geschrieben wurde. Das wird heute tatsächlich von vielen Historikern und Bibelwissenschaftlern angezweifelt und war schon zur Zeit der frühen Christen ein Thema.

Wenn die Johannesbriefe nicht wirklich von Johannes geschrieben wurden, nennt man sie „unechte Johannesbriefe“. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie falsch oder verwerflich oder nicht von Gott inspiriert wären, sondern eben nur, dass sie von jemand anderem geschrieben wurden. So etwas war in der Antike nicht selten und kommt auch heute noch vor. Viele Autoren schreiben auch heute noch unter anderem Namen (z.B. Künstlernamen), schreiben im Namen von Dritten oder überhaupt anonym. Auch der berühmte Bibelübersetzer Martin Luther versteckte sich jahrelang hinter einem Pseudonym namens „Junker Jörg“. Das erschwert die Beurteilung, ob ein Schriftstück echt oder unecht ist.

Heute wird die Echtheit von übrigens sehr vielen biblischen Büchern angezweifelt. Für die meisten „Experten“ steht heute fest, dass die fünf Bücher Moses alle unecht sind. Als Beweis führen sie u.a. an, dass Mose sie gar nicht schreiben konnte, weil er kein Alphabet hatte, schon gar nicht ein Hebräisches. Das sei damals noch nicht erfunden worden, sagen sie. Die ganze Streiterei ist unter dem Begriff „Die Mose Kontroverse“ in der Fachwelt bekannt und es gibt eine sehr gute Dokumentation des preisgekrönten Filmemachers Timothy Mahoney darüber.

Und ja, es stimmt, dass bereits die frühen Christen diskutierten, welche Bücher echt und welche unecht seien. Das geschah aber nicht, um diese Bücher abzuwerten oder aus den Gemeinden zu werfen. Im Gegenteil, es waren einige Bücher, die als unecht galten, im frühen Christentum hoch angesehen und wurden als Lehrbücher in den Gemeinden eingesetzt. Das wird heute von Unwissenden übersehen.

Wir müssen mit dem Begriff „unecht“ also sehr vorsichtig und seriös umgehen und dürfen ihn nicht gleichsetzen mit negativen Begriffen wie „falsch“, „gefälscht“, „irregeleitet“ oder „nicht anerkannt“. Denn die frühen Christen anerkannten auch unechte Bücher.  Und nach ihnen, im vierten Jahrhundert, wurden mehrere dieser unechten Bücher in den offiziellen Kanon des Neuen Testaments der neuen Kirche unter Führung von Kaiser Konstantin aufgenommen. Dieser Kanon gilt bis heute für fast alle Christen als korrekt und verbindlich. Aber er enthält einige Bücher, die damals schon als unecht galten. Wir werden die Entstehung des Bibelkanons in einem eigenen Beitrag beleuchten und erklären und wollen hier nur noch erwähnen, dass solche Diskussionen bezeichnender Weise erst Jahrhunderte nach dem Tod der Autoren entstanden, als alle Zeugen längst tot waren. Und hier sind wir am Kern: Wer den echten Autor kennt, muss nicht darüber diskutieren. Zur Zeit als die Bücher geschrieben wurden, kannte man deren echte Autoren. In vielen Fällen wurden aber leider nicht deren Namen aufgeschrieben und in den anderen Fällen, wurde das Jahrhunderte später angezweifelt. Wenn wir die Wahrheit erfahren wollen, müssen wir also zurück an den Ursprung gehen, in die Zeit, wo wir noch wissende Zeugen finden und nicht bloß zweifelnde Unwissende. Und wir müssen uns ansehen, wie die frühen Gemeinden mit diesen Büchern umgingen. Die Praxis sagt mehr als tausend Konzile.

II. Wer hat die Kompetenz zu urteilen, welche Bücher inspiriert sind?

Die Römisch-Katholische-Kirche schreibt seit ihrer Entstehung im 4. Jahrhundert diese Kompetenz dem „demokratischen“ Beschluss aller anwesenden Bischöfe auf römischen Kirchenkonzilen unter dem Vorsitz von weltlichen Herrschern (damals Kaiser Konstantin) zu. Frei nach dem Motto „die Mehrheit der Bischöfe kann nicht irren“. Dass Gegenstimmen eingeschüchtert und mit Gewalt verfolgt und hingerichtet wurden, wird oft verschwiegen. Dass durch die gezielte Auswahl der geladenen Bischöfe das gewünschte Endergebnis des Konzils sichergestellt wird, wird ebenso verschwiegen.

Die Protestanten erachten dafür sogar allein eine Einzelperson kompetent, nämlich den deutschen Mönch Dr. Martin Luther im 16. Jahrhundert.

Und in den Freikirchen erachtet sich beinahe jeder selbst kompetent und berufen darüber zu befinden, was von Gott inspiriert ist und was nicht.

Das sind aber alles menschliche Versuche sich über Gott zu erheben. Im Prinzip verhalten sich solche Menschen nicht anders als die heidnischen Religionen, wo Menschen entschieden, wer und wie die Götter sind und was sie können.

Bei den wahren Juden und frühen Christen war das hingegen ganz anders: da war Gott allein derjenige, der festlegte, was von Ihm kommt und inspiriert ist. Kein Menschen darf und kann darüber befinden. Gott braucht und schickt auch keine menschlichen „Sachverständigen“, die Gottes Wort beurteilen oder bestätigen. Das macht Gott allein auf Seine Art. Er tat das im Alten Testament durch seine Propheten. Ein für allemal aber tat Er das durch Seinen Sohn Jesus Christus, der einerseits die Heilige Schrift des Alten Testaments bestätigte und heiligte, nämlich die Septuaginta, und der andererseits persönlich Seine Apostel berief und unterwies und ihnen allein göttliche Vollmacht gab für die Bücher des Neuen Testaments. Die von Christus bevollmächtigten Apostel wirkten im ersten Jahrhundert und bestätigten vor ihrem Tod die komplette inspirierte Schrift und gaben diese an ihre Schüler weiter. Somit wurde die Frage im ersten Jahrhundert geklärt und abgeschlossen. Sie bedarf keiner weiteren Diskussion. Deswegen ist jeder spätere Versuch daran zu rütteln oder herumzudoktern, sei es im 4., 16. oder 21. Jahrhundert, gottlos.

Wenn wir die göttliche Wahrheit erfahren wollen, müssen wir also zurück zur Quelle gehen, zu Gottes Sohn Jesus Christus. Auf Ihn müssen wir schauen und auf Seine Apostel im ersten Jahrhundert und auf diejenigen, die die Lehre der Apostel noch kannten, lehrten und befolgten – das sind die frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte - und nicht auf Konzile nach der Konstantinischen Wende, und schon gar nicht auf menschliche Meinungen von Einzelpersonen ab dem 16. Jahrhundert, die sich über die frühen Christen, und damit über die überlieferte Lehre der Apostel, hinwegsetzen.

Die Kirchengeschichte lehrt uns übrigens, dass die Heilige Schrift ab dem 4. Jahrhundert bis heute immer dünner wurde. In allen modernen „Bibeln“ des 21. Jahrhunderts fehlt mittlerweile mehr als ein Drittel der Texte, die die frühen Christen im zweiten Jahrhundert von den Aposteln und deren Schüler übernahmen, lasen, zitierten, lehrten, als inspiriert betrachteten, bewahrten und gegen alle Angriffe des Teufels verteidigten. Davon sind wir heute weit entfernt. Über die Entstehung des Bibelkanons und die damit einhergehende systematische Ausdünnung des Wortes Gottes werden wir einen eigenen Beitrag verfassen. Das würde hier zu weit führen. Hier sei nur festgehalten, dass in der breiten Masse des Christentums seit rund 1700 Jahren sukzessive Wort Gottes verloren geht, mit steigender Tendenz. Nur eine winzige Minderheit kennt und bewahrt noch das Wort Gottes in seinem vollen, ursprünglichen Umfang. Genau das ist eine zu erwartende Begleiterscheinung des großen Abfalls von Gott in der Endzeit.


2. Die apokryphischen Bücher wurden in den wahren christlichen Gemeinden während der ersten vier Jahrhunderte (wo es noch keine RKK gab) nicht unter den heiligen Büchern zugelassen.

Das ist entweder eine glatte Lüge oder ein großer Irrtum. Beides kann man aus den Schriften der frühen Christen widerlegen. Da aber die allermeisten Christen nie die Schriften der frühen Christen der ersten vier Jahrhunderte lesen, kommt man mit solchen Lügen heute leider sehr weit.

Es fällt auf, dass dieses Argument oft von den ersten vier Jahrhunderten spricht, so als gäbe es in den ersten vier Jahrhunderten noch keine Römisch-Katholische-Kirche, die ja von den Leuten abgelehnt wird, die die Apokryphen ablehnen. Das stimmt aber nur für die ersten drei Jahrhunderte, denn in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts wurde die RKK von Kaiser Konstantin gegründet. Als Datum kann man das Konzil von Nizäa, 325 n.Chr., ansetzen. Deswegen meint man, wenn man von den frühen Christen spricht, auch nur jene vor Nizäa, auf englisch Ante-Nice-Fathers.

Und es fällt auch auf, dass hier wie üblich kein Beweis von den Gegnern der Apokryphen vorgelegt wird. Hätten sie recht, gäbe es ein Schriftstück oder ein ganzes Buch aus den ersten drei Jahrhunderten, das die Apokryphen verurteilt, und sie würden es nennen. Denn die frühen Christen waren alles andere als schreibfaul. Sie schrieben dutzende Bücher gegen alle Sorten von Irrlehrern und deren Bücher! Es gibt Warnungen vor den häretischen Schriften der Gnostiker, genauso wie vor den hebräischen Schriften der Juden, aber keine Warnung vor den Apokryphen. Im Gegenteil, maßgebliche frühchristliche Lehrer wie Irenäus, Origenes und Hippolytus von Rom, die sich jahrelang mit den Schriften beschäftigten und viele Bücher gegen die Häresien schrieben, verteidigen die Septuaginta und lehren, dass sie das von Gott inspirierte Wort ist.

Wie kommen Leute dann heute überhaupt zu der Aussage, dass die Apokryphen damals nicht unter den heiligen Büchern zugelassen waren?

Sie ist entweder frei erfunden oder basiert auf einem schweren Irrtum, weil heute geglaubt wird, dass die frühen Christen genauso dachten wie die späten Christen heute. Das stimmt in vielen Fällen überhaupt nicht, auch dann nicht, wenn sie die selben Worte verwenden. So einen Fall haben wir hier. Denn die frühen Christen benannten tatsächlich einige Bücher als „apokryphisch“ und verurteilten diese und warnten davor. Das waren aber die Bücher der Gnostiker. Frühchristliche Lehrer wie Hippolytus studierten diese häretischen Bücher der Irrlehrer und deckten sie auf und veröffentlichten deren Inhalt, um sie bloßzustellen damit die Christen gewarnt seien. Denn das Wort „apokryphisch“ kommt aus dem Griechischen (apokryphos) und bedeudet „versteckt“ oder „geheim“. Die Gnostiker hatten nämlich Geheimlehren und geheime Bücher für ihre geweihten Mitglieder. Diese gnostischen Bücher nannten die frühen Christen apokryphisch. Aber heute meinen die späten Christen mit dieser Bezeichnung jene Bücher, die alle in der Septuaginta waren zur Zeit Christi und der frühen Christen. Nie im Traum hätten die frühen Christen daran gedacht, die Bücher der Septuaginta als apokryph zu bezeichnen, denn die waren in ihren Augen alle heilig und gehörten zur Schrift! Heute herrscht leider viel Unwissenheit, Verwirrung und Desinformation im späten Christentum über das frühe Christentum.

Die Wahrheit ist, dass die frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte alle apokryphischen Bücher als heilige Schrift anerkannten und zitierten - und auch noch einige andere darüber hinaus! Erst im vierten Jahrhundert begann ein Umdenken zu Ungunsten der Apokryphen, ab da wo die Institution RKK sich einbildete, den Bibelkanon per Dogmen festlegen zu müssen. Da aber die meisten heutigen Christen nicht die geringste Ahnung von Kirchgeschichte haben und nie die Schriften der frühen Christen der ersten vier Jahrhunderte lasen, kommt man mit solch einer Lüge heute leider sehr weit im ungebildeten Christentum, und sie erscheint glaubwürdiger, je mehr Leute sie glauben und verbreiten. Das ist ein typisches Wesen der Lüge. Sie braucht viele Stimmen, damit man sie glaubt. Die Wahrheit bleibt aber Wahrheit, auch wenn nur einer sie sagt.

Man kann diese Lüge spielend leicht aufdecken, denn sie ist eine absolut formulierte, die durch einen einzigen Gegenbeweis notgedrungen in sich zusammenbricht. So wie wenn jemand sagen würde: „Alle Schwäne sind weiß“. Die These kann auch niemand beweisen, weil niemand je alle Schwäne der Welt vorzeigen kann, aber man kann sie sehr leicht widerlegen. Es reicht ein einziger schwarzer Schwan, um diese Behauptung ins Reich der Lügen zu verbannen. Denn wenn es einen schwarzen Schwan gibt, ist es nicht wahr, dass alle Schwäne weiß sind.

Wir bräuchten also nur einen einzigen „Schwan“ um die fett gedruckte Lüge auffliegen zu lassen. Tatsächlich haben wir aber so viele „Schwäne“, dass hier kein Platz ist, um alle zu zeigen. Denn es haben in Wahrheit alle christlichen Gemeinden der ersten drei Jahrhunderte alle Bücher, die heute mit dem Schmähbegriff „Apokryphen“ in den Dreck gezogen werden, als heilige, inspirierte Schrift anerkannt. Praktisch jeder frühchristliche Autor hat diese Bücher als „Schrift“ bezeichnet und genauso zitiert wie den Rest der Heiligen Schrift. Und das begann natürlich schon im ersten Jahrhundert:

Klemens von Rom zitierte in seinem 1.Klemensbrief das Buch Weisheit, das Buch Jesus Sirach und mit Begeisterung nicht nur das Buch Judith, sondern führt Judith sogar als erste in seiner Liste der vorbildlichen Frauen an, noch vor Esther:

Viele Frauen haben, gestärkt durch die Gnade Gottes, manch männliche Tat vollbracht. Die gesegnete Judith bat bei der Belagerung ihrer Vaterstadt die Ältesten, man möge sie hinausgehen lassen in das Lager der Feinde, Und aus Liebe zum Vaterlande und zu ihrem eingeschlossenen Volke ging sie hinaus, sich selbst in Gefahr stürzend, und der Herr übergab den Holophernes in die Hand eines Weibes. (1. Klemensbrief LV,4)

Klemens, der persönlich vom Apostel Paulus gelehrt wurde, wusste, dass Judith gesegnet war und durch die Gnade Gottes handelte. Und sie wurde im ersten Jahrhundert allen gläubigen Frauen der christlichen Gemeinde in Rom und Korinth und überall sonst auf der Welt als Vorbild gelehrt. Die selbe Judith wird von „Bibellehrern“ im 21. Jahrhundert jedoch dämonisiert und als „Argument“ gegen die Apokryphen an den Pranger gestellt. Wessen Schüler sind diese späten „Lehrer“ und wessen Geist spricht durch sie? In Klemens wohnte eindeutig derselbe Geist wie in Petrus und Paulus, er wurde von Apostel Paulus bestätigt und von Apostel Petrus als Bischof in Rom eingesetzt, und so war Klemens hochgeachtet und galt der Klemensbrief für die Christen der ersten drei Jahrhunderte als inspirierte Schrift, genauso wie die zwei Bücher des anderen schreibenden Paulusschülers Lukas (Lukasevangelium, Apostelgeschichte). Aber im vierten Jahrhundert, als Klemens, Petrus, Paulus und die anderen Zeugen des ersten Jahrhunderts seit drei Jahrhunderten tot waren, wurde der Klemensbrief aus der Reihe der inspirierten Schriften entfernt, mit fadenscheinigen Argumenten, die wir hier nicht ausführen wollen. Zum Bibelkanon und dessen Entstehung wird es einen eigenen Beitrag geben.

Welcher Geist weht in den Kritikern und Gegnern von Klemens? Klemens jedenfalls zitierte auch inbrünstig Barnabas.

Barnabas schrieb noch vor Klemens einen Brief, den Barnabasbrief, der im ersten Jahrhundert bereits in den Gemeinden auflag und als inspiriertes Wort Gottes gelehrt und zitiert wurde. Klemens zitierte ihn und auch die Apostellehre zitierte Barnabas seitenweise. Barnabas wiederum zitierte ganz selbstverständlich die Bücher Weisheit, Enoch, Jesus Sirach, das vierte Buch Esdras, Tobit, Judith und die Makkabäer. Dabei verwob er „apokryphe“ Bücher mit den großen Propheten als wären sie aus ein und demselben Mund:

Es sagt nämlich der Prophet zu Israel:

„Wehe ihrer Seele, da sie einen bösen Ratschluß gefaßt haben wider sich selbst, indem sie sprachen: Fesseln wollen wir den Gerechten, da er uns im Wege ist.“ (Barnabasbrief VI,7)

Dieser Satz ist eine Kombination von Jesaja 3,9-11 und Weisheit 2,12. Das machten die frühen Christen übrigens gerne, dass sie verschiedene Stellen der Schrift miteinander zu einer Gesamtaussage verwoben, so wie das ihr Herr Jesus ihnen vormachte und sie lehrte. Für moderne Leser und Lehrer, die darin nicht mehr unterwiesen wurden, ist das verwirrend, ja sogar verstörend. Interessant ist, das sie das aber nur bei den „Apokryphen“ stört, nicht bei den Evangelien und anderen Büchern des Neuen Testaments, wo das im selben Stil geschieht.

Die Apostellehre, oder auch Didache, wurde laut Überlieferung von den Aposteln selbst geschrieben und lag bereits im ersten Jahrhundert in den Gemeinden auf. Sie ist die erste Gemeindeordnung des Christentums überhaupt. Darin zitieren die Apostel seitenweise den Barnabasbrief und bestätigen ihn somit als inspiriert. Außerdem zitieren sie Tobit und Weisheit und lassen Jesus Sirach anklingen. Besonders ein Satz stößt protestantischen Lehrern seit jeher sauer auf:

Wenn du etwas in deinen Händen hast, so gib es als Sühne für deine Sünden. (Didache IV,6)

Hier zitiert die Didache den Barnabasbrief und beide miteinander wiederum das Buch Tobit. Für manche riecht das verdächtig nach Ablasshandel. Wir kommen später noch darauf zurück.

Das waren nur drei Zeugen aus dem 1. Jahrhundert, dem Jahrhundert in dem die Apostel noch lebten und über die Gemeinden und die gesunde Lehre wachten. Aber diese drei haben es schon in sich! Heute sind sie in gewissen Kreisen heiß umstritten und werden als unecht bezeichnet (wie übrigens auch der zweite Petrusbrief, der zweite und dritte Johannesbrief und andere, die aber im Neuen Testament aller Bibeln sind). Doch alle drei Schriften stammen von Apostelschülern oder den Aposteln selbst und waren bei den frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte angesehen und als inspirierte Heilige Schrift anerkannt.

Das änderte sich erst nach der Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert, wo die Karten neu gemischt wurden und plötzlich Bücher abgewertet und diskreditiert wurden, die davor als göttlich inspiriert galten. Ein Trend, der bis heute stärker wurde. Tatsächlich gibt es viele frühchristliche Bücher aus dem zweiten und dritten Jahrhundert, die alle apokryphen Bücher mit einer auffallenden Selbstverständlichkeit lehrmäßig zitieren und als „die Schrift“ bezeichnen.

Daher kann man die oben getätigte Aussage getrost als glatte Lüge bezeichnen, die noch dazu dumm daher kommt, denn jeder Mensch, der lesen kann, kann sie spielend entlarven, indem er sich einfach frühchristliche Texte durchliest. Wir haben die hier als Zeugen genannten drei Schriften in einem eigenen Buch (BRIEFE DER APOSTELZEIT) herausgebracht, mit vielen Fußnoten und Parellelstellen als Hilfe. Somit kann sich jeder selbst ein Bild davon machen und hat keine Ausrede mehr, er hätte keinen Zugang zu den frühchristlichen Schriften und müsse daher auf „die Experten“ vertrauen.

Es fällt auf, dass an gewissen Wendepunkten in der Kirchengeschichte die „apokryphen“ Bücher offenbar jemand störten. Sie wurden daher schrittweise heruntergestuft bis zur Eliminierung. Das haben wir bereits in einem eigenen Beitrag aufgezeigt: Apokryphen.


3. Die Apokryphen enthalten märchenhafte Aussagen, die den „kanonischen“ Schriften nicht nur widersprechen, sondern sogar in sich selbst widersprüchlich sind. In den beiden Makkabäer-Büchern beispielsweise wird an drei verschiedenen Stellen der Tod von Antiochus Epiphanes angesprochen und dreimal kommt er auf unterschiedliche Weise zu Tode.

Das ist das witzigste Argument von allen und man fragt sich, ob dessen Verfechter jemals in die Bibel gesehen haben? Denn das ist kein Unterschied zum Rest der Heiligen Schrift, die an vielen Stellen märchenhaft erscheint und sich widerspricht. In den Büchern Moses wird beispielsweise dreimal von der Enstehung der Zehn Gebote berichtet und dreimal mit unterschiedlichem Wortlaut, obwohl sie doch in Stein gemeißelt waren, wie es heißt.

Die ganze Bibel ist vom ersten Buch Genesis bis zum letzten Buch Offenbarung vollgestopft mit märchenhaften Aussagen. Es ist die Rede von Riesen, Drachen, Einhörnern, vielköpfigen Ungeheuern und sprechenden Tieren. Es wird von in der Sonne ausgebleichten Skeletten erzählt, wie sie wieder Muskeln, Sehnen und Haut bekommen, sich erheben und zu einer Armee werden, oder wie Holzstäbe zu Schlangen werden und umgekehrt. Es wird berichtet, wie die Sonne tagelang nicht untergeht. Man liest wie ein Mann auf einem stürmischen See spaziert, Wasser in Wein verwandelt, tausende Menschen mit zwei Fischen und fünf Broten ernährt, und am Ende noch 12 Körbe voll davon übrig bleiben, und wie er schließlich auf einer Wolke in den Himmel schwebt. Ein anderer Mann wird von einem feurigen Wagen abgeholt und in den Himmel begleitet. Geschichten wie die Arche Noah, Jona im Fischbauch, die Teilung des Meeres und des Jordans oder auch die Schöpfung, wo die Frau aus einer Rippe des Mannes geformt wird, haben schon viele Märchenerzähler inspiriert und tragen dazu bei, dass die ganze Bibel oft als pures Märchenbuch gesehen wird und andererseits als ernsthafter historischer Beleg von den meisten Wissenschaftlern, auch von den meisten Bibelwissenschaftlern, abgelehnt wird. Und dann will sich jemand über „märchenhafte“ Erzählungen in den Apokryphen aufregen? Echt jetzt?

Was soll „märchenhaft“ überhaupt für ein Kriterium sein und wem soll es dienen? Wo Gott wirkt, geschehen nun mal Wunder! Und auch der Teufel schläft nicht und zeigt, was Dämonen so alles können. Aber für viele Menschen sind Gott und erst Recht der Teufel schon Märchenfiguren. Wer Berichte darüber als märchenhaft empfindet, der sollte die Bibel erst gar nicht öffnen. Nüchtern betrachtet gibt es in den Apokryphen weniger märchenhafte Passagen als im Rest der Heiligen Schrift.

Auch von unterschiedlichen, widersprüchlichen Versionen der selben Geschichte ist die ganze Bibel voll. Es beginnt schon im ersten Buch in den ersten beiden Kapiteln. Im ersten Kapitel erschafft Gott zuerst die Tiere und danach Adam. Im zweiten Kapitel ist es genau umgekehrt. Wird deswegen das Buch Genesis als apokryph bezeichnet und als uninspiriertes Märchenbuch verunglimpft und aus der Bibel geworfen?

Es geht weiter mit dem zweiten Buch Moses. Dort bekommt Moses in Kapitel 20 am Berg Sinai die berühmten 10 Gebote von Gott höchstpersönlich auf Steintafeln. Auf Basis dieser Gebote will Gott einen Bund mit Israel errichten. Dann zerbricht Moses die Tafeln. Es kommt daher in Kapitel 34 zur Wiederholung. Ein zweites Mal steigt Moses auf den Berg und bekommt ein zweites Mal die Gebote, anhand derer Gott mit Israel einen Bund schließen will, aber Gott schreibt sie diesmal nicht selbst auf Steintafeln sondern befiehlt Mose diese (!) Gebote auf zwei neue Steintafeln aufzuschreiben. Es sind aber andere Gebote als in Kapitel 20! Die sind so eklatant anders, dass viele Übersetzer und Bibelkommentare meinen, es wären gar nicht die 10 Gebote, die Moses hier bekommen hat. Doch der Text stimmt ihnen nicht zu. Noch verwirrender wird die Geschichte, wenn man ins fünfte Buch Moses, dem Deuteronomium, sieht. Dort gibt es in Kapitel 5 eine dritte Version der 10 Gebote. Sie ist jener aus Exodus 20 viel ähnlicher als der aus Exodus 34, aber weicht dennoch davon ab. Von Heiligen Worten, die in Stein gemeißelt sind, sollte man sich etwas anderes erwarten können, nämlich Wort für Wort den selben Wortlaut. Heute kursieren deswegen mehrere unterschiedliche Versionen der „10 Gebote“ in der Welt herum, nicht einmal die Reihenfolge ist „genormt“. Jede Glaubensrichtung, jede Religion, die sich auf das Gesetz Moses bezieht, hat ihre eigene Fassung. Wieso stört diese Diskrepanz in den Büchern Moses nicht ebenso, wie wenn sie in den Makkabäerbüchern stünde? Wieso spricht man nicht allen abweichenden Dekalogen (10 Geboten) die göttliche Inspiration ab? Und welche Fassung ist nun die von Gott? Auch dieses Thema hätte sich einen eigenen Beitrag verdient und könnte sogar ein Buch füllen.

Oder im Neuen Testament:

Matthäus schreibt den Stammbaum Jesu auf. Lukas macht das auch, aber er stimmt überhaupt nicht mit Matthäus überein. Jesus hat in den zwei Stammbäumen zwei verschiedene Großväter väterlicherseits, die auf unterschiedliche Söhne von König David zurück gehen. Bei Matthäus ist es Salomo, bei Lukas ist es Nathan! Noch dazu widerspricht der Stammbaum von Lukas in den Geschlechtern von Noah bis Abraham auch noch dem hebräischen Alten Testament. Lukas hat einen Namen mehr (nämlich 10 zwischen Noah und Abraham) aufgeschrieben als im ersten Buch Moses der heutigen Bibeln steht (dort sind es nur 9).

  • Inspiriert der Heilige Geist widersprüchliche Stammbäume des Sohnes Gottes?
  • Kann der Heilige Geist nicht zählen?
  • Verwechselt der Heilige Geist Salomo mit Nathan?

Kreative Lehrer versuchen die augenscheinlichen Widersprüche so aufzulösen, indem sie vorschlagen, der Stammbaum bei Lukas sei gar nicht von Jesu Vater Joseph, sondern von seiner Mutter Maria. Damit machen sie aber Lukas zu einem Lügner, denn Lukas schrieb definitiv und explizit Joseph in den Stammbaum - und nicht Maria! Außerdem erklärt das noch nicht den Fehler zwischen Noah und Abraham! Sollen wir demzufolge das Lukasevangelium als fehlerhaftes Lügenevangelium oder apokryph bezeichnen und allenfalls als nicht inspiriert aus der Bibel werfen? Mit jedem anderen „apokryphen“ Evangelium, das sich solche Fehler erlaubte, hätte man eiskalt so verfahren. Wir müssen übrigens nicht neue Antworten auf alte Fragen erfinden. Die Unterschiede in den Stammbäumen waren schon den frühen Christen bekannt und ebenso die richtige Erklärung. Auch dazu wird es einen eigenen Beitrag geben, der Gottes Licht in das Dunkel bringt.

Hinzu kommt, dass das Lukasevangelium die Geschichte mit den zwei Übeltätern, die links und rechts von Jesus gekreuzigt wurden, so erzählt, dass ein Verbrecher Jesus verspottete und der andere aber Jesus verteidigte und deswegen von Jesus ins Paradies aufgenommen wurde. Das Matthäusevangelium und Markusevangelium berichten ebenfalls von der Geschichte, sagen aber einstimmig, dass beide Verbrecher Jesus verspotteten. Es ist bei ihnen auch keine Rede von einem geretteten Übeltäter, der mit Jesus ins Paradies käme. Das ist ein Widerspruch, der – wenn er in den „Apokryphen“ stünde - veruteilt würde und als weiteres Argument für deren Uninspiriertheit gälte, aber welche Konsequenzen zieht man bei Lukas für seine vielen Widersprüche zu anderen Büchern der Bibel (wir haben noch gar nicht alle aufgezählt)?

Warum stören Widersprüche nur in den sogenannten Apokryphen, die verhältnismäßig wenige Widersprüche aufweisen, aber nicht in anderen biblischen Büchern, wo Widersprüche viel häufiger vorkommen? Warum versucht man krampfhaft die einen Widersprüche nach allen Regeln der Kunst wegzudiskutieren um die entsprechenden Bücher als inspiriert zu verteidigen und die anderen aber reflexartig als Argument willkommen zu heißen um gewisse Bücher als nicht inspiriert zu verurteilen? Das Messen mit zweierlei Maß war und ist immer ein Merkmal von Heuchlern.

Außerdem haben wir in Sachen Todesursache in den letzten Jahren gelernt, dass unterschiedliche Erzählungen normal sind. Es gibt eine politisch korrekte Todesursache, die medial verlautbart wird, weiters eine nach rascher Autopsie (Leichenbeschau), und dann vielleicht noch eine andere nach tiefgehender, gründlicher Obduktion. Und neuerdings eine vierte im Labor, die nur einem bestimmten PCR-Test folgt, ohne den Toten selbst zu untersuchen. So wurden weltweit Millionen Krebstote, Verkehrsunfalltote, Selbstmörder, Lungenenzündungstote, Herzinfarkttote, Schlaganfalltote, Aidstote und Grippetote offiziell zu Covidtoten erklärt und in die Statistik aufgenommen, wenn sie einen positiven Covidtest aufwiesen kurz vor oder nach (!) dem Tod. Die wenigsten Christen erhoben dagegen Einspruch, sondern ließen sich diese tendenziöse Vorgangsweise auftischen.

Auch in der langen Weltgeschichte gab es immer wieder verschiedene Versionen der Todesursache prominenter Personen, je nachdem wie es politisch oder gesellschaftlich passte. Peinliche, unsittliche Krankheiten und Tode wurden gegebenenfalls umgeschrieben zu salonfähigen. Selbstmorde wurden zu Morden erklärt und umgekehrt, je nachdem wer es verlautbarte und wem es diente. Das ist doch alles nichts neues in der Menschheitsgeschichte. Vertuschen und Täuschen ist so alt wie die Menschheit. Und oft ist die wahre Todesursache gar nicht so leicht auszumachen. Überhaupt in der Antike. Wie viele verschiedene Versionen gibt es zur Todesursache von Alexander dem Großen? Oder von den Aposteln? Wie viele Diskussionen und Uneinigkeit gibt es bis heute sogar zur wahren Todesursache von Wolfgang Amadeus Mozart?

Anstatt uns über unterschiedliche Erzählungen oder Widersprüche in der Heiligen Schrift oder mancher ihrer Bücher zu mokieren, sollten wir lernen, die Hintergründe zu ergründen. Wie und warum kam es zu der unterschiedlichen Erzählung und was will uns der Autor damit sagen? Was will Gott uns dadurch sagen? Auch hier können wir sehr viel – wenn nicht sogar alles - von den frühen Christen lernen. Sie sahen die Unterschiede viel präziser als wir, denn sie lasen sie in der Originalsprache und sie kannten die göttlichen Antworten. Denn sie hatten die richtige Überlieferung von den Aposteln und hatten von ihnen gelernt, die Schrift durch Christi Augen zu lesen, geistlich zu deuten und zu verstehen und erschlossen somit tiefsinnige Zusammenhänge, die allen menschlich gesinnten, oberflächlichen Lesern damals wie heute verborgen bleiben.

Tatsächlich sind alle Bücher der Makkabäer äußerst wertvolle und sinnstiftende Geschichtsbücher für das Judentum genauso wie für das Christentum. Sowohl Jesus als auch die Apostel bezogen sich darauf. Auch das werden wir in einem eigenen Beitrag erläutern.


4. Die Apokryphen beinhalten Lehren, die nicht mit der Bibel vereinbar sind.

Gleich vorweg: Dieses Argument ist tendenziös und verblendet. Es erhebt die eigene, selbst gewählte Theologie zum Maßstab und geht von einer „Bibel“ aus, die aber in der Form die Apostel weder hatten noch als Heilige Schrift bezeichnet hätten. 

Es erinnert mich an meinen Kunstgeschichtelehrer. Er zeigte uns alte antike griechische Statuen und blieb besonders lange bei der berühmten Venus von Milo stehen. Er sah sie lange andächtig an und schwärmte von ihrer Vollkommenheit. Ich kann mich noch erinnern, wie einige von uns Schülern sich wunderten, denn die Statue hatte aus unserer Sicht einen großen Mangel: es fehlten ihr beide Arme! Als wir ihn darauf hinwiesen wurde der Lehrer ärgerlich. Er meinte, es hätten schon viele Banausen versucht dieser Statue Arme zu verpassen, aber das wertete die Venus von Milo ab, sie sei ohne Arme perfekt. Die Wahrheit ist aber, dass der Schöpfer dieser weltberühmten Statue, die heute im Louvre steht, sie nicht so machte wie sie heute da steht! Diese Venusstatue war ursprünglich mit Armen gemacht und verlor sie im Laufe ihrer Jahrtausende langen Geschichte. Sie wurde beschädigt. Inzwischen haben sich aber so viele an ihren armlosen Anblick gewöhnt, dass sie verstört reagieren, wenn man ihnen sagt, die Statue sei verstümmelt und es fehle was. Genauso ist es mit der Heiligen Schrift. Sie war ursprünglich vollständig, ist heute aber verstümmelt, es fehlt etwas. Ihr wurden einige Bücher abgetrennt, so wie der Venus von Milo die Arme. Aber die meisten reagieren wie mein Kunstgeschichtelehrer. Sie haben sich an den verstümmelten Anblick gewöhnt und halten ihn sogar für perfekt und vollkommen. Die Wahrheit kennt aber nur der, der die Geschichte kennt und das Werk so sieht, wie es sein Schöpfer gemeint und gemacht hat.

Oder anders ausgedrückt: Wären die Apokryphen noch genauso in allen Bibeln wie zur Zeit der Apostel, würden sie hervorragend mit der Bibel vereinbar sein, denn dann würden wir heute die Bibel anders lesen und verstehen. Und wir würden sehen, wie Jesus und die Autoren des Neuen Testaments die Apokryphen lasen und lehrten. Ab dem Moment aber wo bestimmte Bücher als „Apokryphen“ verunglimpft, abgesondert und entfernt wurden, waren sie nicht nur unsichtbar, sondern verlor die Bibel ihr ursprüngliches Gleichgewicht und bekam eine Schlagseite. Es wurden ja gezielt jene Bücher als „apokryph“ verschmäht, die nicht mehr in die gewünschte Theologie passten. Ähnlich machte es Dr. Martin Luther auch mit anderen Büchern, die er nicht aus der Bibel werfen durfte, wie zum Beispiel Jakobusbrief, Hebräerbrief, Matthäusevangelium, Markusevangelium und Lukasevangelium. Sie sind mit Luthers Lehre nicht vereinbar und so schwächte er sie mit vielen Worten in seinen Vorreden und sogar mit einer Umstellung des Kanons im Neuen Testament ab, sodass die meisten Christen heute hauptsächlich das Johannesevangelium und den Römerbrief lesen und diese über alle anderen Bücher des Neuen Testaments stellen. Diesen zwei Büchern wird der Rest untergeordnet. Das ergibt eine Tendenz, einen neuen Fokus, eine neue Ausrichtung der Heiligen Schrift, wie sie von Anfang an nicht vorhanden war. Und genauso ist es mit den „Apokryphen“ ab dem vierten Jahrhundert schrittweise geschehen. Das haben wir bereits in dem Beitrag über die Apokryphen vertieft.

Korrekt formuliert müsste das „Argument“ in der Überschrift so heißen:

„Die Apokryphen beinhalten Lehren, die nicht mit unserer Lehre und unserer Bibel vereinbar sind“.

Das wäre ehrlich und würde die Sache auf den Punkt bringen. Aber mit der Lehre der Apostel und der Heiligen Schrift der Apostel, sind die Apokryphen vereinbar, denn sie sind ein Teil davon.

Da sind wir wieder bei der alles entscheidenden Frage: Wer legt die richtige Lehre und das wahre Wort Gottes fest?

  • Sind es die Theologen im 21. Jahrhundert?
  • Oder die im 16. Jahrhundert?
  • Oder die im 4. Jahrhundert?
  • Oder doch nur allein der Sohn Gottes im 1. Jahrhundert und Seine Apostel, die Er eigens dazu ausgebildet, berufen und bevollmächtigt hat?

Und noch eine Frage muss gestellt werden: Wird die richtige Lehre verbindlich überliefert oder ist sie eine Frage der persönlichen Auslegung?

Auf all diese Fragen gaben die Apostel klare Antworten. Es sind aber leider andere, als jene, die man heute für wahr hält. Und dazu gehört auch die Frage, welcher Text von Gott inspiriert ist. Das erkennt man nicht, wenn man alle Texte und Bücher der eigenen Theologie und Schriftauslegung unterwirft. Die von Gott inspirierte Schrift ist gegeben, dass sie uns überführt und zurechtweist und erzieht – nicht umgekehrt. Wer glaubt beurteilen zu können oder zu dürfen, ob ein Buch mit der Bibel vereinbar ist, der geht die Sache schon verkehrt an. Denn dann lässt er sich nicht von der Schrift belehren, sondern versucht die Schrift zu belehren und sie so abzuändern, wie sie ihm passt. Und genau das führte ja zu den Schriftverfälschungen und Kanondebatten seit Jahrtausenden. Auch darüber könnte man noch viel sagen.

Wir wollen uns nun aber ein paar konkreten Beispielen widmen, wo die Apokryphen angeblich mit der Bibel unvereinbar sind:

4.1) Basis für die Lehre des Fegefeuers

Das kann man kurz abweisen. Nirgendwo in der Heiligen Schrift wird das Fegefeuer gelehrt. Das geschieht weder im 1. Korinther 3 noch im 2. Makkabäer 12, die beide sehr gerne dafür missbraucht werden. In Wahrheit hat sich die Lehre des Fegefeuers über tausend Jahre durch mystische Offenbarungen entwickelt, wie die RKK selbst zugibt (z.B. hier Erzdizöse Wien. Das Fegefeuer). Diese Lehre kommt nicht aus der Schrift, sondern ist eine Offenbarungslehre, meist durch Marienerscheinungen und Prophetinnen. Und damit ist sie weit weg von der Lehre der Apostel und der Lehre der Makkabäer, die beide nie auf Marienerscheinungen oder Prophetinnen gründeten und die beide auch nicht das Fegefeuer kannten.

Außerdem ist jede Formulierung wie „Basis für die Lehre des …“ höchst ungeistlich und unverständig. Denn jedes noch so wahre und inspirierte Wort Gottes kann und wird als Basis auch für falsche Lehren herangezogen werden. Dafür kann aber das Wort Gottes nichts! Somit richtet sich dieses Argument sowieso selbst. Für wie viele Irrlehren wurden schon die Paulusbriefe, allen voran der Römer und der erste Korinther, herangezogen!? Werden sie deswegen aus der Bibel geworfen?

4.2) Gebet für Tote

Auch hierfür wird das Buch 2. Makkabäer an den Pranger gestellt. Darin kommt ein Gebet für gefallene Krieger nach der Schlacht vor. Es verwirrt und verstört viele Christen heute - vor allem lutherisch geprägte.

Dazu könnte man vieles sagen und der Platz wäre hier nicht genug, denn tatsächlich sagen auch andere biblische Bücher etwas darüber, auch im Neuen Testament, und die frühen Christen hatten auch eine Lehre und Praxis dazu, aber - und das ist hier der Punkt - es geht in der Stelle bei den Makkabäern gar nicht um eine Lehre. Es ist ein Geschichtsbericht. Und es ist eine einmalige Geschichte mit einem ganz bestimmten Anlass. Es wird auch nicht für alle gefallenen Krieger gebetet, sondern nur für bestimmte. Auch die Makkabäer pflegten keine Totengebete auf jedem Begräbnis. Dazu gibt es überhaupt keine Tradition, keine Lehre, keine Überlieferung, keine Berichte. Auch nicht in den vielen Makkabäerbriefen.

Es war ein historischer Sonderfall, der aber heute für eine Unterstellung oder sogar Irrlehre missbraucht wird. Wenn man alle Sonderfälle zu Normalfällen macht, dann sind wir nicht dort, wo die Makkabäer oder die Apostel oder die frühen Christen waren, sondern dann sind wir dort wo die Gnostiker und heutigen Christen sind: bei einem unüberschaubaren Chaos von vielen verschiedenen, einander widersprechenden Lehrmeinungen und Konfessionen. Das Christentum hat im 21. Jahrhundert mittlerweile mehr als 40.000 verschiedene Konfessionen und Glaubensrichtungen! Und da sind wir von ganz allein hingekommen, ohne Apokryphen! Es wäre also vielleicht längst an der Zeit umzudenken und zurück zu gehen zum Ursprung, zu den Aposteln und frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte, denn damals gab es tatsächlich nur eine christliche Lehre - und die bezog die Bücher der Makkabäer mit ein!

4.3) Erlösung durch Werke und Ablässe

Hier werden meist zwei Bücher an den Pranger gestellt. Es geht um folgende Stellen:

„Ein flammendes Feuer wird das Wasser auslöschen, und Barmherzigkeit (Almosen) wird Sünden sühnen.“ (Jesus Sirach 3,30 LXX Deutsch)
„Gut ist ein Gebet mit Fasten und Almosen und Gerechtigkeit; besser das Wenige mit Gerechtigkeit (zu geben) als viel mit Ungerechtigkeit. Besser ist es, Almosen zu geben, als Gold anzuhäufen. Barmherzigkeit errettet vom Tode, und sie reinigt jede Sünde. Die Barmherzigkeit tun, werden mit Leben gesättigt werden.“ (Tobit 12,8-9, LXX Deutsch)

Wer lesen kann, der lese. Weder Erlösung noch Ablass kommt in den Zitaten von Jesus Sirach und Tobit vor. Das könnte schon zum Nachdenken bringen, ob da nicht die eigene Theologie den Apokryphen-Gegnern im Wege steht. Wissen sie überhaupt was Erlösung ist? Das wissen übrigens die meisten Christen heute nicht und hängt mit ihrer Theologie zusammen, die von jener der Apostel abweicht (siehe dazu: Warum musste Jesus so unmenschlich leiden und sterben?).

Hier geht es eigentlich um Sühnung von Sünden. Die wird nicht nur in Jesus Sirach und Tobit gelehrt, sondern auch in etlichen anderen Büchern der Schrift, im AT und NT, und nicht selten im Zusammenhang mit Barmherzigkeit bzw. Almosen.

Petrus schrieb:

Vor allem aber habt innige Liebe untereinander; denn die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken. (1.Petr 4,8)

Die frühen Christen haben diese Aussage von Petrus mit Jesus Sirach, Tobit und anderen ähnlichen Stellen zusammen gebracht. Zum Beispiel im 2. Klemensbrief aus dem 2. Jahrhundert:

Gut ist nun Almosen als Buße für die Sünde; Fasten ist besser als Gebet, mehr als beides ist das Almosen; denn die Liebe deckt eine Menge Sünden zu, das aus gutem Gewissen kommende Gebet errettet von dem Tode. Glückselig jeder, der in diesen (Tugenden) vollkommen erfunden wird; das Almosen nämlich macht die Sünde leichter. (2. Klemensbrief 16,4)

Die meisten heutigen Christen sind eher ratlos oder haben falsche Vorstellungen in der Hinsicht, was Petrus wirklich meinte, denn sie kennen Jesus Sirach und Tobit nicht. Hier würden diese beiden Bücher helfen den Petrusbrief zu erhellen. Die oben erwähnte Apostellehre (Didache) und der Barnabasbrief lehren diesen Gedanken ebenfalls. Denn die tätige Liebe oder auch Liebesgabe war nach dem Schriftverständnis der Apostel Almosen geben. Almosen und Barmherzigkeit sind auf Griechisch das selbe Wort (ἐλεημοσύνη, eleimosyni). So verstand es auch Paulus im 1.Kor 16,3 und 2.Kor 8,4ff. Über Almosen lehrten die frühen Christen viel und sie praktizierten es großzügig und freigiebig und wussten, dass sie damit auch Sünden gutmachen konnten. Ein Handel war das aber nie, schon gar nicht ein Ablasshandel. Almosen gibt man nebenbei bemerkt nicht einer Institution, auch nicht, wenn sie sich „Kirche“ nennt.

Diese Lehre entspricht also voll und ganz der Lehre Jesu und der Apostel. Heute haben viele „Christen“ ein gestörtes Verhältnis zu Almosen geben und der Sühne von Sünden. Daran ist nicht nur die RKK mit ihrem Ablasshandel schuld, sondern auch Martin Luther mit seiner hysterischen Gegenreaktion. Beide Kirchen fallen vom Pferd, die eine auf der linken Seite, die andere auf der rechten. Fest im Sattel saßen nur die Apostel und deren Schüler, die frühen Christen, die noch die gesunde Lehre kannten und praktizierten. Und zu dieser passen die Bücher Jesus Sirach und Tobit hervorragend; siehe auch unseren Beitrag Schätze im Himmel sammeln.

An der Stelle muss man vielleicht einmal erwähnen, dass es tendenziöse und schlechte Übersetzungen von Jesus Sirach und Tobit gibt, genauso wie vom Rest der Bibel. Auch hier gilt: so nah wie möglich am Grundtext bleiben, die einzelnen Worte gut verstehen und von den frühen Christen oder – wenn verfügbar – von den Aposteln selbst erklären lassen. Wie haben die Apostel diese Stellen zitiert und praktiziert? Das ist eine vielleicht überraschende Frage für Menschen, die bisher geglaubt haben, dass die Apostel nie die Apokryphen zitierten. Denen können wir nur sagen: Ihr wurdet falsch unterwiesen. Wir führen das in einer eigenen Beitragsserie zu dem Thema vor: Apokryphen, auf die sich das NT bezieht.

Lange Rede kurzer Sinn: Eine Erlösung durch Werke lehrt die Schrift nirgendwo, auch nicht in den Büchern Tobit oder Jesus Sirach. Eine Gerechtigkeit durch Werke, lehrt die Schrift aber an vielen Stellen in vielen Büchern und diese lehrte auch Jesus Christus in den Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas und in der Offenbarung. Am deutlichsten schreibt es sein leiblicher Bruder Jakobus der Gerechte:

So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein. (Jakobus 2,24)

Wem diese Lehre nicht gefällt und sie nicht in der Bibel haben will, der muss also nicht nur die Apokryphen aus der Bibel hinauswerfen, sondern auch das Matthäusevangelium, Markusevangelium, Lukasevangelium und den Jakobusbrief. Genau das wollte übrigens Martin Luther. Seither läuft die Diskussion im Christentum verkehrt herum. Es wird von vielen Christen das Verständnis von Martin Luther als Maßstab herangezogen, wie er die Bibel sah und wie er die Apokryphen beurteilte, aber nicht wie Jesus Christus und seine Apostel es taten.

4.4) Maria wurde sündlos geboren (unbefleckte Empfängnis)

Für diese Anschuldigung wird das Buch Weisheit an den Pranger gestellt wegen der folgenden zwei Verse:

„Ein wohlgestaltetes Kind war ich gewesen mit guter geistiger Anlage, oder vielmehr: Gut veranlagt begann ich mein Leben in einem unverdorbenen (wörtl. unbefleckten) Leib.“ (Weisheit 8:19-20, LXX Deutsch)

Sollen wir Mitleid bekommen mit Leuten, die nicht sinnerfassend lesen können, aber solche Sätze für die gewünschten Aussagen verdrehen? Mit Leuten, die offenbar nicht wissen, was „unbefleckt“ in der Schrift bedeutet und wie oft es als Synonym für unverdorben und rein gemeint ist? Es sagt nichts über eine jungfräuliche Empfängnis aus, auch nicht über eine sündlose Geburt. Übrigens musste auch Maria ein Reinigungsopfer nach der Geburt von Jesus bringen, wie Lukas berichtet. Sie hat also ganz normal geboren, wie jede andere Frau auch, und musste sich dafür genauso reinigen. Die Geburt von Jesus war also nicht reiner als irgend eine andere. Das nur am Rande bemerkt. Ein unbefleckter Leib, ist ein vor Gott reiner, unverdorbener Körper mit einer ebensolchen Seele. Das hat nichts mit der Geburt zu tun, sondern mit dem Lebenswandel! Darüber sprechen die Bücher Weisheit und Tobit und haben wahrlich einiges zu sagen. Diese beiden Bücher sollte jeder lesen, um zu lernen, wie man sich unbefleckt hält. Auch Paulus schrieb darüber:

Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden und das Ehebett unbefleckt; die Unzüchtigen und Ehebrecher aber wird Gott richten! (Hebr 13,4)

Paulus hat hier auch nicht über jungfräuliche Schwangerschaften phantasiert oder auf Maria angespielt. Auch hier dürfte die Theologie des Lesers ihm selbst im Wege stehen. Außerdem ist es kein Kavaliersdelikt, Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen und für fadenscheinige Beweisführungen zu missbrauchen! So etwas war und ist stets die Vorgangsweise von Irrlehrern und diese haben die Apostel scharf verurteilt. Unser dringender Rat: Lernt lesen und die Worte der Schrift richtig verstehen und lest im ganzen Zusammenhang, mindestens das ganze Kapitel, am besten das ganze Buch. Mit dem „ich“ ist in dem Vers übrigens König Salomo gemeint, wie auch das ganze Buch im Original „Sophia Salomos“ heißt, auf Deutsch die Weisheit Salomos. Wer im Buch Weisheit eine unbefleckte Empfängnis von Maria sehen will, dem kann man nicht mehr helfen.

Interessant ist, dass ausgerechnet jene heiligen Bücher das Wort „unbefleckt“ verwenden, die heute von den meisten Christen als unheilig betrachtet und verschmäht werden. Weisheit und Hebräerbrief zitierten wir bereits. Zum Abschluss ein Zitat aus dem ebenso herabgewürdigten Jakobusbrief:

Eine reine und makellose Frömmigkeit (wörtl. Religion) vor Gott, dem Vater, ist es, Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis zu besuchen und sich von der Welt unbefleckt zu bewahren. (Jak 1,27)

4.5) Es werden unmoralische Praktiken gelehrt wie Lügen, Selbstmord, Meuchelmord und magische Beschwörungen.

Genauso wie in Genesis, Exodus, Josua, Richter, den Königtümern (von den Masoreten Samuel genannt), den Evangelien und der Apostelgeschichte – um nur ein paar andere biblische Geschichtsbücher zu nennen, wo das genauso und noch schlimmer getan wird.

Aber keines der beschuldigten Bücher lehrt diese Dinge. Sondern sie kommen darin vor, weil sie in der Geschichte der Menschheit nunmal vorkommen. Das Wort Gottes berichtet ehrlich und ungeschönt was die Menschen machen, auch was das Volk Gottes und sogar manche Männer Gottes machen. Da ist auch viel Unmoral dabei: Ehebruch, Inzest, Brudermord, Vatermord, Kindermord, Menschenopfer, Betrug, Lüge, mörderische Hinterhalte, verlogene Friedensangebote, Massenmorde, Blutrache, Totenbeschwörungen, Wahrsagerei, Zauberei und natürlich auch Selbstmorde. In dem Punkt unterscheiden sich die sogenannten apokryphischen Geschichtsbücher überhaupt nicht von den anderen Geschichtsbüchern der Heiligen Schrift. Sie alle berichten von diesen Dingen, sie lehren sie aber nicht. Das ist ein feiner Unterschied.

4.5.a) Selbstmord

Keine Ahnung, welches apokryphe Buch Selbstmord lehren soll, aber ich kenne ein biblisches Buch, wo man sagen könnte, dass es Selbstmord lehrt, nämlich das Buch Richter. Dort begeht Simson, unterstützt von der Kraft Gottes (!), bewusst einen Selbstmord, der tausende andere Menschen mit in den Tod reißt:

Simson aber rief den HERRN an und sprach: Herr HERR, denke an mich und gib mir Kraft, Gott, noch dies eine Mal, dass ich mich mit einem Mal für meine beiden Augen räche an den Philistern! Und er umfasste die zwei Mittelsäulen, auf denen das Haus ruhte, und stemmte sich gegen sie, gegen die eine mit seiner rechten und gegen die andere mit seiner linken Hand, und sprach: Ich will sterben mit den Philistern! Und er neigte sich mit aller Kraft. Da fiel das Haus auf die Fürsten und auf alles Volk, das darin war, sodass es mehr Tote waren, die er durch seinen Tod tötete, als die er zu seinen Lebzeiten getötet hatte. (Richter 16,28-30)

Ein absichtlicher Selbstmord, um einen Massenmord auszuüben! Und das nur als Rache für sein Augenlicht. Durch Simsons Selbtmord starben sogar mehr Menschen als er zu Lebzeiten tötete, und Simson hatte schon zu Lebzeiten tausende Menschen erschlagen und niedergemetzelt im Alleingang! Lehrt hier das Buch Richter nicht Selbstmord und obendrein blinde Rache und Massenmord? Passt das für die Menschen in die Bibel, die gegen die Apokryphen sind? In den Apokryphen findet man solche Geschichten und Lehren jedenfalls nicht! Ganz im Gegenteil!

Das Buch Tobit berichtet sogar, wie eine selbstmordgefährdete Frau genau aus dem Grund dann doch nicht Selbstmord begeht aus Ehrfurcht vor Gott, weil sie weiß, dass es Sünde ist, und sich stattdessen lieber im Gebet an Gott wendet und ihre Verzweiflung in Seine Hände legt.

Als sie das hörte, wurde sie sehr betrübt, sodass sie sich erhängen wollte. Und sie sprach: Ich bin doch das einzige Kind meines Vaters. Wenn ich das tue, ist das eine Schande für ihn, und ich werde seine grauen Haare mit Schmerz in die Unterwelt hinabbringen.

Und sie betete am Fenster und sagte: Gepriesen bist du, Herr, mein Gott, und gepriesen (ist) dein heiliger und ehrenvoller Name in Ewigkeiten; es mögen dich preisen alle deine Werke in Ewigkeit.
Und nun, Herr, habe ich meine Augen und mein Angesicht zu dir gewandt.
Befiehl, mich von der Erde zu erlösen und dass ich nicht länger Schmähung hören muss.
Du weißt, Herr, dass ich rein bin von jeder Sünde mit einem Mann und dass ich weder meinen Namen noch den Namen meines Vaters im Lande meiner Gefangenschaft befleckt habe. Ich bin das einzige (Kind) meines Vaters, und er hat kein (anderes) Kind, das ihn beerben könnte, noch einen nahen Bruder, noch hat dieser einen Sohn, dass ich mich ihm als Frau erhalten müsste. Schon sieben sind mir verloren gegangen. Wozu dient mir das Leben? Und wenn es dir nicht gefällt, mich sterben zu lassen, so wollest du doch auf mich blicken und dich meiner erbarmen und mich nicht mehr Schmach hören lassen. (Tobit 3,10-15, LXX Deutsch)

Tobit ist ein Buch voller Gebete und Treue zu Gott in schwerer Zeit, zur Nachahmung geschrieben. Es ist also eine vorbildliche Lehre gegen Selbstmord in den Apokryphen zu finden, die allen Juden und Christen gut täte zu kennen und nachzuahmen. Dann gäbe es keine Selbstmorde heute in diesen beiden Religionen! Doch beide haben weitgehend dieses Buch aus ihren heiligen Büchern gestrichen – und die schlechten Früchte davon sind unübersehbar.

4.5.b) Lügen

Auch hier werden keine Beispiele der Kritiker genannt, welche konkrete Stelle in den Apokryphen sie meinen. Aber mir fallen wieder jede Menge biblische Geschichten ein, wo gelogen wird, dass sich die Balken biegen!

Abraham verabredet mit seiner Frau Sara eine Lüge, wo sie beide so tun, als wäre Sara die unverheiratete Schwester von Abraham, damit er nicht umgebracht wird:

Und als er nahe an Ägypten war, sprach er zu Sarai, seiner Frau: Siehe, ich weiß, dass du eine schöne Frau bist. Wenn dich nun die Ägypter sehen, so werden sie sagen: Das ist seine Frau, und werden mich umbringen und dich leben lassen. So sage doch, du seist meine Schwester, auf dass mir’s wohlgehe um deinetwillen und ich am Leben bleibe um deinetwillen.  (1. Mose 12,11-13)

Sara wurde daraufhin natürlich in das Haus des Pharao gebracht um seine Frau zu werden, Abraham bekam noch schöne Geschenke für sie vom Pharao, doch kurz vor der Hochzeitsnacht schritt Gott ein und verhinderte das. Diese Lügengeschichte zog Abraham sogar zweimal durch (Gen 12 in Ägypten und Gen 20 bei Abimelech) und sein Sohn Isaak wiederholte das mit seiner Frau Rebekka. Tolle biblische Lehre, oder?

Oder sehen wir uns die Hure Rahab an, die nur durch pure Lügen die Kundschafter Israels rettete:

Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land zu erkunden. Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie. Und sie sprach: Ja, es sind Männer zu mir hereingekommen, aber ich wusste nicht, woher sie waren. Und als man das Stadttor schließen wollte, da es finster wurde, gingen die Männer hinaus, und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. Jagt ihnen eilends nach, dann werdet ihr sie ergreifen. Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt, die sie auf dem Dach ausgebreitet hatte. (Josua 2,3-6)

Als Dank wird sie dafür als einzige aus Jericho am Leben gelassen, alle anderen Bewohner der Stadt werden von den Israeliten gnadenlos getötet. Rahab wurde von Gott sogar so geehrt, indem sie in den Stammbaum von Gottes Sohn Jesus kam!

Lüge zahlt sich also aus in der Bibel, oder? Sie rettet Leben und bringt es zu Ehren, oder? Oder sollen wir die Bücher Josua und Genesis aus der Bibel werfen, weil sie nicht zur biblischen Lehre passen? Bei den Apokryphen ist ja genau das das Argument. Wiederum: Messen mit zweierlei Maß.

4.5.c) Das Buch Tobit fördert Zauberei

Mit „Zauberei“ meinen die Kritiker Anweisungen, die der Engel Raphael dem jungen Tobias vor seiner Hochzeitsnacht mit Sarra gibt:

Und wenn du in das Brautgemach hineingehst, wirst du Glut vom Räucherwerk nehmen und von dem Herzen und der Leber des Fisches darauflegen und wirst es in Rauch aufgehen lassen. Und der Dämon wird (ihn) riechen und fliehen und nicht mehr wiederkommen in alle Ewigkeit. Wenn du aber zu ihr hingehst, erhebt euch beide und ruft zu dem barmherzigen Gott, und er wird euch retten und barmherzig sein. Fürchte dich nicht, denn dir war sie von Ewigkeit her bereitet, und du wirst sie retten, und sie wird mit dir ziehen. Und ich bin fest überzeugt, dass du aus ihr Kinder haben wirst. Und als Tobias dies hörte, liebte er sie und seine Seele hing an ihr gar sehr. (Tobit 6,17-18)

Das soll Zauberei sein? Soll man so eine Verurteilung als dumme Unwissenheit werten oder als Gotteslästerung? Wenn diese Anweisung Zauberei ist, dann ist es auch jene:

Sie sollen es gegen Abend schlachten. Und sie sollen etwas von dem Blut nehmen und es anbringen an die beiden Pfosten und am Türsturz in den Häusern, in denen sie es essen wollen. Und sie sollen die Fleischstücke in dieser Nacht verzehren. Am Feuer Geröstetes und ungesäuerte Brote auf Bitterkräutern sollen sie essen. Ihr sollt davon nichts Rohes und in Wasser Gekochtes essen, sondern nur am Feuer geröstete Stücke, den Kopf mitsamt den Füßen und den Eingeweiden. Ihr sollt nichts davon übrig lassen bis zum Morgen, und keinen Knochen von ihm sollt ihr zerbrechen. Was aber bis zum Morgen von ihm übrig bleibt, sollt ihr im Feuer verbrennen. So aber sollt ihr es verzehren: Eure Lenden (sollen dabei) gegürtet sein und die Schuhe an euren Füßen und die Stäbe in euren Händen. Und ihr sollt es in Eile essen: Es ist ein Pascha für den Herrn. Und ich werde durch das Land Ägypten ziehen in dieser Nacht und jede Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom Menschen bis zum Vieh, und an allen Göttern der Ägypter werde ich Rache nehmen: ich, der Herr. Und das Blut soll als Zeichen für euch an den Häusern sein, in denen ihr seid, und ich werde das Blut sehen und euch schützen, und keinen Vernichtungsschlag wird es unter euch geben, wenn ich zuschlage im Land Ägypten. (Exodus 12,6-13)

Diese beiden Anweisungen haben in der Tat viel gemeinsam: Sie wurden den Menschen von Gott gegeben um Tod zu verhindern. In beiden Fällen muss der Mensch etwas grausiges tun, in beiden Fällen muss ein Tier geschlachtet und ausgeweidet werden, in beiden Fällen müssen Teile des Tieres als Zeichen an bestimmten Stellen im Haus angebracht werden. Der Unterschied ist nur, dass in dem einen Fall ein Fisch geschlachtet wird und im anderen ein Lamm, und dass der Tod in dem einen Fall direkt von Gott (oder vom Todesengel – auch hier hat die Bibel unterschiedliche Erzählungen) kommt, im anderen Fall von einem Dämon. In beiden Fällen stank das Haus unangenehm. Einmal nach frischem Lammblut, im anderen nach geräucherter Fischleber. Und in beiden Fällen fehlen Zaubersprüche oder magische Beschwörungen, durch die das überhaupt erst zur Zauberei werden könnte. Aber in beiden Fällen müssen die Menschen es genauso machen wie Gott befiehlt, ohne „Künstlerfreiheit“. Und in beiden Fällen ist es weder eine okkulte Handlung noch ein Zauber, der den Todesengel oder Dämon vertreibt, sondern in Wahrheit der treue Gehorsam der Menschen, die Gott vertrauen und Seine Anweisungen befolgen ohne Wenn und Aber.

Der Hintergrund von der Geschichte im Buch Exodus ist der Tod, den Gott an aller menschlichen Erstgeburt in Ägypten in jedem Haus ausführen wird, mit Ausnahme von den Häusern, die sich an die eben zitierte Anweisung penibel halten. Bis heute wird jedes Jahr mit dem Passafest daran gedacht im Judentum. Auch Jesus wiederholte dieses Ritual Jahr für Jahr mit seiner Familie.

Der Hintergrund der Geschichte im Buch Tobit ist, dass Sarra von einem Dämon besessen ist, der alle Männer, die sie heiratet, in der Hochzeitsnacht tötet. Ihre Eltern mussten schon sieben Männer tot aus dem Schlafgemach Sarras tragen und beerdigen. Das war übrigens der Grund für die oben erwähnte Verzweiflung, die Sarra beinahe zum Selbstmord trieb. Doch Sarra betete zu Gott und dieser schickte seinen Erzengel Raphael um Tobias mit Sarra zusammenzubringen und das Problem mit dem Dämon zu lösen. Vor der Hochzeitsnacht gibt der Engel also Tobias die genannten Anweisungen. Die Hochzeitsnacht verlief dann so:

Als sie aber aufgehört hatten zu speisen, führten sie Tobias zu ihr. Der aber erinnerte sich beim Hineingehen der Worte Raphaels und nahm die Glut des Räucherwerks und legte das Herz des Fisches und die Leber darauf und ließ sie in Rauch aufgehen. Als aber der Dämon den Geruch wahrnahm, floh er in die obersten Gegenden Ägyptens, und der Engel fesselte ihn (dort). Als aber beide eingeschlossen waren, erhob sich Tobias vom Lager und sagte: Steh auf, Schwester, wir wollen beten, auf dass der Herr uns barmherzig sei. Und Tobias begann zu sagen: Gepriesen bist du, Gott unserer Väter, und gepriesen (ist) dein heiliger und herrlicher Name in Ewigkeit. Es sollen dich preisen die Himmel und alle deine Geschöpfe. Du hast Adam erschaffen und ihm als Hilfe Eva, als Stütze seine Frau gegeben. Aus diesen erstand das Geschlecht der Menschen. Du hast gesagt: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, wir wollen ihm eine Hilfe schaffen, die ihm gleich ist.« Und nun, Herr, nicht aus unreiner Begierde nehme ich diese meine Schwester, sondern aus reiner Gesinnung. Befiehl, dass ich Gnade finde und mit dieser zusammen alt werde. Und sie sagte mit ihm: Amen. Und beide legten sich für die Nacht schlafen. (Tobit 8,1-9)

Die ganze Geschichte im Buch Tobit ist ein Lehrstück, wie man sich Gott zuwendet, anvertraut und von Ihm führen lässt und wie Gott im Hintergrund wunderbar wirkt. In der Geschichte werden mehrere Erzählstränge miteinander verwoben und einander unbekannte Menschen von Gott zusammen geführt. Gott zeigt uns im Buch Tobit, wie Er im Hintergrund arbeitet und wie Er Menschen, die zu Ihm beten, einbezieht in Seine Fügungen, ähnlich wie in der Apostelgeschichte. Es ist auch das einzige Buch im Alten Testament, das erklärt, wie Dämonen wirken und ausgetrieben werden können: nämlich nicht durch menschliche Zauberei, sondern nur mit Gottes Hilfe. Und es gibt uns einen tiefen Einblick in die Arbeit von Gottes Engeln.

Die Juden zur Zeit Christi kannten das Buch Tobit und hatten daraus die Realität gelernt, dass es Dämonen gibt und dass diese Menschen besitzen. Und dass kein Mensch selbst etwas dagegen tun kann. Darum wunderten sie sich nicht, als Jesus immer wieder sagte, dass jemand einen Dämon hatte (im Gegenteil, die Juden sagten auch über Jesus, dass er einen Dämon hatte), sondern sie verwunderten sich nur, als sie sahen, wie Jesus Dämonen am laufenden Band austrieb. Das war neu und ein Gottesbeweis. Denn sie wussten, dass nur Gott Dämonen austreiben kann – und das lernten sie aus dem Buch Tobit!

Vom Buch Tobit lernten die Juden und frühen Christen auch, dass Engel in Gestalt anderer Menschen erscheinen und sich für sie ausgeben können und die Menschen es daher nicht wissen können, ob sie einem Engel begegnen, der ihnen hilft. Vor dem Hintergrund versteht man auch die Anweisung von Paulus:

Vernachlässigt nicht die Gastfreundschaft; denn durch sie haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt. (Hebr 13,2)

Tobias wusste nämlich die ganze Zeit über nicht, dass er von einem Engel geführt, beschützt und beraten wurde. Und die Eltern von Sarra nahmen ihn bei sich im Haus auf, ohne zu wissen, dass sie einen Engel beherbergten. Darauf nimmt Paulus im Hebräerbrief Bezug.

Der Engel Raphael führte Tobias genau zu dem einen Fisch, der die Leber hatte, deren Gestank den Dämon vertreiben konnte. Ähnlich zu der Geschichte, wo Petrus von Jesus zu dem Fisch geführt wird, der im Maul exakt die Münze hatte, die den Betrag der geforderten Tempelsteuer bezahlte (Mt 17,24-27). Es ist eine Frage des Vertrauens und Gehorsams Gott gegenüber, dann werden lächerlich anmutende Anweisungen auf einmal zum Segen und entfalten Gottes Hilfe. Wichtig in beiden Geschichten ist, dass nicht der Mensch sich irgendein ihm passendes Ritual ausdenkt und Gott dann bittet, dass der „mit ihm sei“, sondern genau umgekehrt: Gott schafft an und der Mensch muss es genauso wie von Gott befohlen tun. Sonst wird nichts daraus. Gottes Segen und Hilfe gibt es nur bei Gehorsam.

Das ist im Prinzip die Botschaft der ganzen Heiligen Schrift, besonders eindrücklich im Buch Tobit illustriert. Gott kann mit Leichtigkeit jeden Dämon nachhaltig für immer vertreiben, aber der Mensch muss sich zuvor Gott unterordnen und gehorsam sein. Darum sagte auch Jesus:

„Diese Art kann durch nichts ausfahren außer durch Gebet und Fasten.“ (Mk 9,29)

Und darum befahl sein Bruder Jakobus:

„So unterwerft euch nun Gott! Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch.“ (Jak 4,7)

Erst die Unterwerfung unter Gott schlägt den Teufel in die Flucht. In der Geschichte haben das beide beteiligte Menschen, Tobias und Sarra, getan in der Hochzeitsnacht. Das Gebet zu Gott war dabei übrigens die zentrale Anweisung, die sie befolgten. Es ist kein Hokuspokus und auch keine von Gott verbotene Geisterbeschwörung wie bei den Zauberern, sondern eine reine (unbefleckte!) Zuwendung und Unterwerfung unter Gott.

Jeder, kann sich selbst davon überzeugen und das Buch Tobit kostenlos am bibleserver nachlesen in vier verschiedenen deutschen Bibelübersetzungen: in der Lutherbibel 2017, in der Einheitsübersetzung 2016, in der Gute Nachricht und natürlich in der Menge Bibel.

Übrigens: Wer sich von ekligen Ritualen abstoßen lässt, der wird auch mit Jesus Christus keine Freude haben. Blinden spie Jesus auch mal ins Gesicht. Oder er mischte aus Speichel und Erde einen Brei und strich ihn auf die blinden Augen und schickte den Blinden so zugerichtet zu einem gewissen Teich, dass er sich dort wasche. Das sind Rituale, die man auch als Zauberei oder Aberglaube interpretieren kann, wenn man will. Stünde das in einem apokryphen Buch, würde man behaupten, das sei nicht Jesus sondern ein Schamane, denn Jesus bräuchte doch nur ein Wort zu sagen, und der Blinde wäre geheilt. Aber das steht im Johannesevangelium 9,6ff und Jesus heilte in dem Fall (und vielen anderen) nicht mit nur einem Wort. Bei Gott hat alles einen pädagogischen Zweck, Er macht was Er will, und fordert unsere gehorsame, kompromisslose Liebe. Davon legen die „Apokryphen“ ein übereinstimmendes, praktisches Zeugnis ab. Zauberei wird aber nicht gefördert.

„Und glückselig ist, wer nicht Anstoß nimmt an mir!“ (Mt 11,6)


5. Das apokryphische Buch Jesus Sirach ist ein Buch über einen falschen Messias. Sein Name war Jesus Bar Sirach und er lebte ungefähr 200 Jahre vor Jesus von Nazareth.

An dieser Behauptung ist alles falsch, um nicht zu sagen erlogen, und es drängt sich die Frage auf, ob der Mensch das Buch Jesus Sirach überhaupt je gelesen hat? Falls ja, muss er ein verstockter Analphabet sein, um dann so eine Desinformation darüber zu verbreiten, oder aber er hat mit Absicht böswillig verleumdet. Egal welche der beiden Möglichkeiten zutrifft, beide sprechen gegen ihn, widerstreben Gott, und gefallen am Ende nur dem Teufel.

Jesus Christus musste mit vielen Gegnern streiten und ihre falschen Meinungen widerlegen, ebenso taten das die frühen Christen. Aber die Gegner hatten damals wenigstens noch ein gewisses Bildungsniveau und brachten halbwegs durchdachte Argumente und waren so intelligent, dass sie bemerkten, wenn sie widerlegt wurden. Doch dieses „Argument“ hier ist an Dummheit und Unwissenheit kaum zu überbieten sodass man befürchten muss, dass die Widerlegung gar nicht verstanden wird, weil sie die Auffassungsgabe des Gegners übersteigt. Das ist heutzutage tatsächlich ein großes Übel in einer Zeit, wo Nachrichten extra „in einfacher Sprache“ gehalten werden, damit sie von den „bildungsfernen Schichten“, wie man heute sagt, vielleicht verstanden werden.

Die Ironie an der Sache ist, dass sich das Buch Jesus Sirach auch explizit an Ungebildete und Analphabeten richtet und für sie geschrieben wurde. Sie gehören zum Zielpublikum und sollten durch dieses Buch weise und gebildet werden:

Da uns viele und große (Dinge) durch das Gesetz und die Propheten und die anderen, die auf sie gefolgt sind, gegeben sind, derentwegen es nötig ist, Israel (seiner) Erziehung und Weisheit (wegen) zu loben, und da es nötig ist, dass nicht allein die, die lesen (können), einsichtig werden, sondern dass die Lernbegierigen auch den Illiteraten hilfreich sein können im Lesen und Schreiben, ging mein Großvater Jesus, der sich über die Maßen selbst dem Lesen des Gesetzes und der Propheten und der übrigen Bücher der Väter hingab und sich in ihnen eine angemessene Fertigkeit verschaffte, daran, auch selbst etwas aufzuschreiben von dem, was zur Erziehung und Weisheit gehört, damit sich die Lernbegierigen auch dafür einbinden ließen und desto mehr hinzufügen könnten durch das gesetzmäßige Leben.

Das ist ein Auszug aus dem Prolog des Buches, der deutlich macht, worum es geht: es ist ein Weisheitsbuch, das zur Erziehung und Bildung der Menschen geschrieben ist, wobei die „Lernbegierigen“ mit diesem Buch auch den „Illiteraten“ hilfreich sein können im Lesen und Schreiben. Mit anderen Worten: Das Buch ist auch geschrieben, um den Analphabeten lesen und schreiben beizubringen und sie nebenbei Weisheit zu lehren. Es ist also eine Art Schulbuch für alle Altersstufen und Bildungsklassen. Der Prolog endet mit den Worten:

ich brachte viele schlaflose Nächte und Sachverstand in der Zwischenzeit (dafür) auf, das Buch zu Ende zu bringen und herauszugeben, und (so auch) für die (etwas zu leisten), die in der Fremde begierig sind zu lernen, dass sie sich (ihre) Gesinnung (so) zurichten lassen, gesetzestreu zu leben.

Wir erfahren hier gleich vorweg, wer das Zielpublikum ist und was das Ziel des Buches ist. Das Buch wurde geschrieben für die Lernbegierigen in der Fremde (also außerhalb von Judäa) und das Ziel des Buches ist, dass sie ihre Gesinnung so zurichten lassen, dass sie gesetzestreu leben. Der Kern sind das jüdische Gesetz und die Propheten, die in dem ganzen Buch hoch gehalten werden und als Basis der Weisheitslehre dienen.

Jesus Sirach ist in Wahrheit eines der bedeutendsten Bücher der jüdischen Literatur aus der Zeit vor Christus. Es wurde auch „Sophia Sirach“ genannt, auf Deutsch „Weisheit Sirachs“ und wurde auch noch von den Juden zur Zeit Christi hoch geschätzt und galt als heilige Schrift und das blieb in gewissen jüdischen Kreisen bis ins hohe Mittelalter so. Aber andere jüdische Kreise, später nannte man sie Masoreten, entwickelten einen blinden Hass auf alle griechischen Schriften und begannen in den Jahrhunderten nach Christus deswegen mit der Erstellung einer eigenen hebräischen heiligen Schrift. Denn zur Zeit Christi gab es nur die Septuaginta, und die war auf Griechisch. Die Masoreten strichen alle Bücher, von denen sie glaubten, dass sie nie Hebräisch sondern immer nur Griechisch waren, aus ihrer neuen Heiligen Schrift, dem heute sogenannten „Masoretentext“. Auch das Buch Jesus Sirach wurde deswegen entfernt – und das nicht ohne Protest auch von gewissen Juden, die wussten, dass dieses Buch ein heiliges von Gott inspiriert war. Es sind Diskussionen auch im Judentum über die Entfernung von Jesus Sirach überliefert.

Eine weitere Ironie an der Sache ist auch hier wieder die Unwissenheit – oder die Verstocktheit – der Gegner: denn das Sirachbuch war in Wahrheit ursprünglich in hebräischer Sprache geschrieben worden von dem Mann, dessen Name es trägt: Jesus Ben Sirach (Jesus, Sohn des Sirach). Er war ein jüdischer Weisheitslehrer und schrieb auf Hebräisch. Es gab also in Wahrheit gar keinen Grund, dieses Buch aus dem Hebräischen Kanon zu entfernen! Da waren die Masoreten von ihrer eigenen Verblendung verführt und gingen in die Irre. Blinde Blindeführer nannte Jesus Christus bereits ihre Vorfahren, die Pharisäer. Aber weil die große Mehrheit der Juden in der Zerstreuung gar kein Hebräisch konnte, wurde das Buch Jesus Sirach zwei Generationen später von seinem Enkel ins Griechische übersetzt und kam so in die griechische Septuaginta. Davon spricht der übersetzende Enkel in seinem Prolog:

Lasst euch also ermahnen, mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit die Lektüre zu betreiben und Nachsicht zu haben in den (Fällen), bei denen wir versagt zu haben scheinen, obwohl wir uns gemäß der Übersetzungskunst um (bestimmte) Redewendungen für einige (Leser) emsig bemüht haben. Denn dasselbe ist in sich nicht gleichbedeutend, wenn es in Hebräisch gesagt ist und wenn es in eine andere Sprache übertragen wird. Nicht allein aber nur das, sondern auch das Gesetz selbst und die Prophezeiungen und die sonstigen Bücher haben einen nicht geringen Unterschied in Bezug auf das in ihnen Gesagte.

Der Übersetzer möchte also das Vermächtnis seines Großvaters ehren und übersetzen und weist sehr ehrlich auf den „nicht geringen Unterschied“ hin, den die vormals Hebräischen Texte nach der Übersetzung ins Griechische aufweisen, weil die Sprachen so unterschiedlich sind, und schildert seine Nöte und schlaflose Nächte beim Ringen nach den richtigen Worten. Und er bittet um Nachsicht, wo ihm das nicht perfekt gelang. Ein sehr demütiger aber aufschlussreicher Prolog, der uns auch zurückhaltender machen sollte, wenn wir Übersetzungen vertrauen. Jede Übersetzung birgt eine Gefahr der Verfälschung in sich. Aber sie ist oft wichtig, so wie in dem konkreten Fall damals, weil die meisten Juden nicht mehr Hebräisch konnten und es also dringend notwendig war, die hebräische heilige Schrift in eine Sprache zu übersetzen, die damals alle Juden verstanden, nämlich Griechisch! Und das war schon im zweiten Jahrhundert vor Jesus so! Wenn da schon kaum noch Hebräisch gesprochen wurde, kann man sich vielleicht vorstellen wie schlecht diese Sprache dann zweihundert Jahre später zur Zeit Christi verstanden wurde und wie wichtig deswegen Griechisch war für die Juden, aber auch die frühen Christen! Das Hebräisch des Alten Testamentes war im Volk verloren und nur noch in sehr gebildeten Kreisen erhalten geblieben, so wie im 16. Jahrhundert Latein in der Römisch-Katholischen-Kirche. Das verstand auch kein normaler Bürger mehr, sondern war die elitäre Geheimsprache des Klerus. Die deutschen Bibelübersetzer im 15. und 16. Jahrhundert machten im Prinzip das Selbe wie der Enkel von Jesus Sirach und alle anderen Übersetzer im 2. Jahrhundert v. Chr. Sie übersetzten die Heilige Schrift von einer bereits toten Sprache in die lebendige Alltagssprache des Volkes, damit das Volk die Schrift lesen und verstehen konnte.

Dieser Jesus Sirach hatte aber nie behauptet der Messias zu sein, und wurde weder von den Juden noch den frühen Christen je so bezeichnet. Das ist eine glatte Lüge, die vielleicht dem modernen Irrtum geschuldet ist, dass jeder „Jesus“ ein Messias sei. Das ist aber schon so dumm, dass man nur noch den Kopf schütteln kann. Tatsächlich war Jesus ein weit verbreiteter Männername im Alten wie im Neuen Testament. Viele Männer hießen so. Auch in der Bibel. Es gab übrigens zur Zeit Christi auch ein zweites Buch im Alten Testament mit dem Namen „Jesus“. Jesus von Nazareth las also im Buch „Jesus“ und im Buch „Jesus Sirach“. Das Buch „Jesus“ wurde erst nach der Konstantinische Wende im 4. Jahrhundert umbenannt in „Josua“, denn die neu entstandene Kirche wollte den Namen „Jesus“ nun für den Christus reservieren. Was eigentlich auch nur ein Scheinargument war, denn es blieben trotzdem andere Männer mit Namen Jesus in der Bibel stehen. Es folgte Hieronymus wohl auch in dem Punkt den Masoreten, die Jesus hassten. So wurde aus Jesus, dem Begleiter und Nachfolger Moses, Josua. Durch diese Umbenennung wurden jedoch Lehren und Zusammenhänge unsichtbar und zunichte gemacht, die den frühen Christen (und Juden!) aber in ihrer Heiligen Schrift vor Augen standen.

Zum Beispiel: Mose führt das Volk Gottes nur bis an den Rand des gelobten Landes. Hinein führt allein Jesus! Mose bleibt draußen. Das war für die frühen Christen ein deutliches Symbol für die Bedeutung der beiden Bündnisse und ihrer Aufgaben. Der Bund mit Mose führt das Volk zur Grenze, man kann von da nur in das gelobte Land hinüber schauen. So wie Mose es tat. Aber wirklich hinüber gehen, den Jorden durchschreiten und ankommen im verheißenen Land, das geht nur mit Jesus! In der Septuaginta sah das jeder Jude und Christ, bis die Vulgata und der Masoretentext dem ein Ende setzten indem sie so taten, als wären Jesus und Josua immer schon zwei verschiedene Namen gewesen. Es wurden übrigens auch andere Bücher umbenannt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück zum Buch Jesus Sirach: es ist ein bemerkenswertes Bindeglied zwischen AT und NT. Es lobt und ehrt das Gesetz und die Propheten des Alten Testamentes, versorgt seine Leser mit einer strukturierten Liste von Weisheitssprüchen (ähnlich denen von Salomo) und Glaubenshelden, gibt einen Crashkurs in Geschichte, und enthält aber bereits Aussagen und Lehren, die später Jesus daraus zitieren und vertiefen wird (darüber machten wir eigene Beiträge: Kranke besuchen, Wende dich nicht abSünden vergeben, Viele Worte um nichts, Der reiche Narr). Dieses Buch bereitete also die Juden auf den Christus und seine Lehren vor. Das haben übrigens alle „Apokryphen“ gemeinsam: sie sind messianischer und neutestamentlicher als die meisten anderen Bücher des Alten Testaments. Tatsächlich war das Buch Jesus Sirach in den ersten drei Jahrhunderten hoch geschätzt, viel gelesen und oft zitiert!

Hier das Schlusswort des Autors des Buches:

Erziehung zu Verständnis und Wissen habe ich in diesem Buch aufgeschrieben, Jesus, der Sohn des Sirach, des Eleazar, des Jerusalemers, der die Weisheit von seinem Herzen hat hervorsprudeln lassen.

Selig, der nach diesen Dingen leben wird und der – sie auf sein Herz legend – weise gemacht werden wird. Denn wenn er sie tut, wird er zu allem Kraft haben, weil die Furcht des Herrn seine Spur ist. | Und den Frommen hat er Weisheit gegeben. | Gepriesen sei der Herr in Ewigkeit. Es möge geschehen. | Es möge geschehen.


6. Auf kein einziges der apokryphischen Bücher wird im Neuen Testament jemals Bezug genommen, dagegen aber hunderte Male auf das Alte Testament.

Das ist erstens heuchlerischer Unsinn und zweitens FakeNews, wie man heute sagen würde. Heuchelei, weil man demnach noch viele andere Bücher aus der Bibel werfen müsste. Der heute so beliebte Psalm 23 hätte dann nichts in der Bibel verloren, denn niemand zitierte ihn im Neuen Testament. Er war bei den Autoren des NT offenbar gar nicht beliebt, vielleicht auch gar nicht inspiriert? Hier sieht man, wohin dieser Unsinn führt und welche Heuchelei dahinter steckt. Und FakeNews deswegen, weil sehr wohl auf apokryphische Bücher Bezug genommen wird im Neuen Testament. Es gibt Zitate, aber sie werden nicht erkannt.

Hinter all diesen heuchlerischen Scheinargumenten steckt viel geistliche Gehirnwäsche. Es wurde viel Anstrengung und Zeit aufgebracht bis man die Leute endlich soweit hatte, dass sie das glaubten und auf so einen Unsinn überhaupt einstiegen. Dabei half es, dass man den meisten Menschen ihre Lust am Lesen und Geschichte Lernen abgewöhnen konnte.

Das funktioniert so: Man verstecke gewisse Bücher Schritt für Schritt indem man ihnen einen schlechteren Platz in der Bibel zuweist, am Besten irgendwo im Anhang, den niemand liest, benenne sie dann mit Schimpfworten sie zu diskreditieren, entferne sie schließlich komplett aus den Bibeln mitsamt allen Bezügen auf sie, und lasse das ein paar Jahrhunderte einsickern und wirken. Danach frage man die Leute, ob diese Bücher in die Bibel gehören und dort überhaupt zitiert werden. Jeder normale Bibelleser verneint das nun brav. Ziel erreicht. Um die hartnäckigen Gegenstimmen zu überzeugen, starte man eine aggressive Hetzkampagne, Lügen und Desinformation inklusive. Diese Vorgehensweise ist alt und nicht nur in Sachen „Apokryphen“ überaus erfolgreich.

Hätten wir aber heute die selbe Heilige Schrift wie in den ersten drei Jahrhunderten, wo all die Bücher noch drin wären, und wo die vielen Bezüge und Parallelstellen im Neuen Testament genauso redlich und akkribisch markiert wären wie zu den anderen Büchern des Alten Testaments, dann könnte jeder Bibelleser sehen, dass die Autoren des Neuen Testaments auch auf die sogenannten Apokryphen Bezug nahmen (Wir zeigen die vielen Bezüge aus Platzgründen in eigenen Beiträgen hier: Apokryphen, auf die sich das NT bezieht). Und es würde das Wort „Apokryphen“ gar nicht geben. Denn das wurde ja nur geschaffen als Kampfwort gegen diese Bücher, um sie zu verstecken und loszuwerden.

Aber heute fällt den meisten Bibellesern ja nicht mal mehr auf, dass die „hunderten“ Zitate im Neuen Testament gar nicht auf den Text des Alten Testaments, der in ihren Bibeln ist, Bezug nehmen, sondern auf die Septuaginta, die nicht in ihren Bibeln ist. Da sind wir wieder bei der Unaufmerksamkeit und schlechten Lesefertigkeit der heutigen Leser, die für solche Erkenntnisse gar nicht mehr ausreichen. Wir haben zu diesem Thema ein eigenes Kapitel auf unserer Website eingerichtet, wo wir laufend neue Beiträge verfassen, die genau auf diese Diskrepanz hinweisen und sie aufzeigen: Septuaginta versus Masoretentext.


7. Das Buch Judith ist historisch falsch

Das ist der vielleicht „gebildetste“ Einwand gegen die Apokryphen, denn man muss ein gewisses Geschichtswissen mitbringen, um die historischen Widersprüche in dem Buch zu bemerken und sich in Folge dann daran zu stoßen. Dementsprechend selten wird dieses Argument vorgebracht. Es fehlt in den meisten herkömmlichen Listen gegen die Apokryphen und erreichte mich erst etliche Monate nachdem ich den Beitrag veröffentlicht hatte. Ich war anfangs verblüfft (darauf komme ich noch zurück) und danach traurig (auch darauf komme ich noch) und in jedem Fall entschlossen, dieses Gegenargument auch noch zu beantworten und meinen Beitrag damit zu ergänzen.

Worum geht es also? Die Kritiker sagen, dass in dem Buch Judith (oder Judit) Falschinformation hinsichtlich historisch gesicherter Fakten verbreitet wird. Es geht um Namen. Zum Beispiel wird Nebukadnezzar, der in der Septuaginta immer Nabuchodonosor heißt, als »König der Assyrer« bezeichnet und in Ninive lokalisiert. Beides ist historisch nicht korrekt. Der historische Nebukadnezzar war weder König der Assyrer noch in Ninive. Ferner sorgen die persischen Namen des Oberfeldherrn Holophernes und des Eunuchen Bagoas, genauso wie die Bezeichnung von Provinzgouverneuren als Satrapen für ein Wirrwarr von verschiedenen Sprachen und Völkern, das der bekannten Geschichte dieser Hochkulturen widerspricht. Abgesehen davon tauchen diese Herren nirgendwo sonst im Umfeld des historischen Nebukadnezzar auf, obwohl sie laut dem Buch Judith hohe Posten innegehabt und ihm nahe gestanden haben sollen. Das veranlasst viele Gelehrte zu dem Urteil, dass Judith keine historisch wahre Geschichte ist, sondern eine frei erfundene Lehrgeschichte, wie eine Parabel, ein Märchen oder ein Gleichnis, aber von einem eher ungeschickten Lehrer ersonnen, der geschichtlich alles durcheinander brachte. Doch das wäre dann ein menschliches Machwerk und nicht vom Heiligen Geist inspiriert und somit hätte es keinen Platz in der Heiligen Schrift.

Andere Gelehrte entgegnen jedoch, dass man gar nicht so gebildet sein muss, um die Ungereimtheiten und historischen Fehler zu bemerken. Jeder Halbgebildete könne sie erkennen. Sie seien so offensichtlich, dass eine Absicht dahinter stecken muss. Welche Absicht könnte das aber sein und warum sollte der Heilige Geist das ausgerechnet bei Judith und nirgendwo sonst tun? Gehen wir diesen Fragen also auf den Grund. Es wird sich lohnen.

Wie immer wollen wir bei der frühen Kirche beginnen, bei den Aposteln und ihren Schülern. Sie wurden in der ungetrübten Wahrheit unterwiesen, sie hatten unbestritten den Heiligen Geist, und sie hatten ebenso noch die unverfälschte Heilige Schrift, so wie Jesus Christus sie zitierte und ihnen öffnete. Dabei fällt in Sachen Judith auf, dass sie sehr früh schon wörtlich erwähnt und zitiert wird, nämlich von Klemens von Rom, dem persönlichen Schüler von Apostel Paulus und Apostel Petrus. Er schrieb in seinem Brief an die Korinther:

Viele Frauen haben, gestärkt durch die Gnade Gottes, manch männliche Tat vollbracht. Die gesegnete Judith bat bei der Belagerung ihrer Vaterstadt die Ältesten, man möge sie hinausgehen lassen in das Lager der Feinde, und aus Liebe zum Vaterlande und zu ihrem eingeschlossenen Volke ging sie hinaus, sich selbst in Gefahr stürzend, und der Herr übergab den Holophernes in die Hand eines Weibes. (Erster Klemensbrief, LV, 3-5)

Klingt das so als würde Klemens das Buch Judith als eine Geschichtsfälschung sehen und raten, sie lieber nicht zu lesen? Nein, ganz im Gegenteil! Er schreibt von einer Reihe vorbildlicher und lobenswerter Frauen in der Heiligen Schrift und beginnt seine Aufzählung sogar mit Judith, gefolgt von Esther. Er beschreibt ihre Geschichte als wäre sie selbstverständlich historisch wahr und bestätigt ebenso den heute umstrittenen Namen Holophernes. Er erzählt keine Märchen sondern lehrt Geschichte und was man daraus lernen soll, ganz im Stile vom Herrn Jesus und allen anderen guten christlichen Lehrern nach Ihm.

Bedenken wir außerdem, wann Klemens diesen Brief schrieb. Das war zu einer Zeit als die christlichen Gemeinden noch frisch und sogar live die Lehre der Apostel zur Verfügung hatten, weil noch mindestens ein Apostel (nämlich Johannes) lebte und leibhaftig in den Gemeinden lehrte und Jünger ausbildete. Die Gemeinden erinnerten sich noch lebhaft an all die anderen Aposteln, hatten deren Klang und Worte noch in den Ohren, und wurden von deren fähigsten Schülern geführt und unterwiesen. Einer davon war Klemens, der von Petrus persönlich als Bischof von Rom eingesetzt wurde. Der 1.Klemensbrief galt in der frühen Kirche deswegen sogar als inspiriertes Wort Gottes und wurde überall gelesen und gelehrt. Er genoß eine hohe Autorität und lag in allen Gemeinden der ersten drei Jahrhunderte zur Lehre auf. Er wurde erst im vierten Jahrhundert abgewertet und nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen. Da konnte sich Klemens nicht mehr dagegen wehren und auch die Apostel, seine persönlichen Lehrer, keinen Einspruch mehr erheben.

Warum störten sich aber die frühen Christen nicht an den offensichtlich falschen Namen und Bezeichnungen im Buch Judith? Waren sie so ungebildet, dass ihnen das vielleicht gar nicht auffiel? Keineswegs! Aber sie hatten ein anderes Mindset als ihre Kritiker. Und diese Kritiker gab es schon damals, nicht erst heute! Die schärfsten Kritiker der frühen Christen kamen von Anfang an aus dem Judentum. Die Pharisäer, Sadduzäer und jüdischen Schriftgelehrten stritten ja nicht nur mit Jesus, sondern später auch mit Seinen Nachfolgern, weil sie meinten, sie würden die Schrift besser kennen und verstehen, und sahen auf die frühen Christen spottend herab. Damit beeindruckten sie aber nur die Irrlehrer, allen voran die Gnostiker, die ins selbe Horn stießen und die Christen verspotteten. Die frühchristlichen Lehrer wehrten sich gegen beide Seiten mit entsprechenden Büchern, in denen sie ihre Kritiker schriftlich widerlegten und belehrten. Hier ein spannender Auszug von Tertullian aus seinem Buch „Gegen die Juden“, der auch unser Thema erhellt:

Denn auch dies ist keine Neuheit für die göttliche Schrift, dass sie sinnbildlich eine Namensübertragung verwendet, die auf der Parallelität von Verbrechen beruht. So nennt sie eure Herrscher „Herrscher von Sodom“ und euer Volk das „Volk von Gomorrha“ (Jesaja 1,10), obwohl diese Städte schon längst untergegangen waren. Und an anderer Stelle sagt sie durch einen Propheten zum Volk Israel: „Dein Vater war ein Amoriter und deine Mutter eine Hethiterin“ (Hesekiel 16,3), von deren Rasse sie nicht abstammten, sondern (wurden ihre Söhne genannt) wegen ihrer Ähnlichkeit in der Gottlosigkeit, die Gott von alters her durch den Propheten Jesaja Seine eigenen Söhne genannt hatte: „Ich habe Söhne gezeugt und erhöht“ (Jesaja 1,2.) So wird auch Ägypten bei diesem Propheten manchmal als die ganze Welt verstanden, wegen des Aberglaubens und Fluches. So ist auch Babylon in unserem [Buch der Offenbarung von] Johannes ein Bild für die Stadt Rom (Offenbarung Kapitel 14-18), die ebenso groß und stolz auf ihre Herrschaft und den Triumph über die Heiligen ist. In diesem Sinne bezeichnete die Schrift die Weisen [aus dem Morgenland] auch als „Samariter“ – „das Raubgut“ von dem, was sie mit den Samaritern gemeinsam hatten, wie wir sagten – Götzendienst vor dem Herrn. (Sie fügt hinzu), „vor“ außerdem, „dem König der Assyrer“ (Jesaja 8,4 nach der LXX), - vor dem Teufel, der sich bis zu dieser Stunde für den Herrscher hält, wenn er die Heiligen von der Religion Gottes abbringt. (Tertullian, An Answer to the Jews, Chapter IX; https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-33/versions/an-answer-to-the-jews/divisions/10)

In diesem Abschnitt geht es eigentlich darum, dass die Juden die Christen verhöhnten, weil die Christen Jesus für den verheißenen Messias hielten und verkündeten. Das war aus Sicht der Juden eine Torheit, schon allein deswegen, weil Jesus den falschen Namen hatte. Der verheißene Name des Messias sei „Emmanuel“, nicht aber „Jesus“, spotteten die schriftgelehrten Juden. Wir haben diese Debatte in einem eigenen Beitrag erläutert: Und sie werden ihm den Namen »Emmanuel« geben.

Tertullian konterte, dass Gott in Seiner Schrift immer wieder historische Namen von Personen, Ländern und Städten auch auf andere Personen und Orte anwandte, und zwar in einem symbolischen Sinn. Typischerweise machte das Gott immer mit Namen, die wegen ihrer Gräuel und Verbrechen berüchtigt waren und die Er normalerweise bereits hart bestraft hatte, um andere zu warnen, die auf dem selben Weg unterwegs sind. Dieses Vergleichen mit abschreckenden historischen Namen war eine übliche Praxis der Propheten Gottes, um das Volk zu warnen. Und diese Praxis übernahmen auch der Sohn Gottes und Seine wahren Schüler. Deswegen verstanden die frühen Christen solche Namen nicht als historische Angaben, sondern als Sinnbilder. Davon gibt es Beispiele im Neuen Testament. Deswegen war ich verblüfft, wie viele Christen heute das nicht erkennen.

Dass die Juden das Neue Testament nicht lesen, mag mit ein Grund sein, warum sie symbolische Codenamen nicht kennen, aber die Christen sollten sie doch kennen, oder nicht? Aber auch die Juden haben eigentlich keine Ausrede, denn der „König der Assyrer“ ist so ein sinnbildlicher Begriff, den bereits der Prophet Jesaja in genau der messianischen Prophetie verwendete, die von den Juden gerne hergenommen wird, weil dort der Name „Emmanuel“ vorhergesagt wird. Die Juden sollten also die Stelle gut kennen und auch den Begriff „König der Assyrer“ sinnbildlich verstehen können. Doch sie tun es nicht. Sie sind verstockt, lehrten die Apostel.

Aber ihre Gedanken wurden verstockt; denn bis zum heutigen Tag bleibt beim Lesen des Alten Testamentes diese Decke unaufgedeckt, die in Christus weggetan wird. (2.Korinther 3,14)

Die Schrift muss geistlich gelesen und verstanden werden, und das ist nur dem möglich, der sich durch den Sohn Gottes die Augen öffnen ließ. Die Juden hatten von Anfang an Schwierigkeiten die Worte Gottes geistlich zu verstehen. Darum verstanden sie auch Jesu Worte nicht und lehnten Ihn ab. Seinen Jüngern öffnete Jesus aber die Augen und das Verständnis für die Schriften.

Da öffnete er ihnen das Verständnis, damit sie die Schriften verstanden (Lukas 24,45)

Die frühen Christen wurden von den Aposteln in der richtigen Lehre und Lesung der Schrift unterwiesen und gaben sich große Mühe, den verstockten Juden in dieser Hinsicht Nachhilfe zu geben. So wie wir das hier bei Tertullian sehen. Er macht das über mehrere Kapitel hinweg, indem er die Juden belehrt, dass sie die Schriften nicht wörtlich lesen dürfen, sondern sinnbildlich, geistlich verstehen müssen. Das gleiche Problem hatten, wie schon erwähnt, die Gnostiker. An diese schrieb Tertullian fast wortgleich dieselbe Entgegnung, denn einflussreiche Gnostiker wie etwa Marcion übernahmen die Argumentation der Juden eins zu eins. Wir haben also etliche Bücher aus dem frühen Christentum, die das über viele Kapitel Schritt für Schritt sehr gut und eindrücklich erklären und uns zeigen, wer diejenigen waren, die das nicht verstehen wollten, nämlich die Irrlehrer aus dem Judentum und aus der Gnosis. Das könnten heute alle Christen wissen, wenn sie die frühen Christen lesen würden anstatt den Irrlehrern von damals zu folgen. Das machte mich traurig.

Es gibt aber auch positive Beispiele heute. Zum Beispiel das Skript „Geschichtsbücher des Alten Testaments und die darin bezeugte biblische Heilsgeschichte“ von Dr. Ludwig Neidhart und dessen Kapitel „Zur Historischen Einordnung der Judit-Geschichte“. Hier einige Auszüge daraus:

Nach Meinung einiger beschreibt das Buch keine wirkliche Geschichte, sondern ist ein „religiöser Roman“ bzw. ein Gleichnis. Eine solche Auffassung ist nach dem Urteil der Kirche zulässig, wenn sich klar erweisen lässt, dass der Verfasser keine wahre Geschichte erzählen wollte. Im Fall der Judit-Geschichte deuten die Details (z.B. die ausführliche Genealogie Judits in Jdt 8,1 oder die genauen geographischen Angaben), darauf hin, dass der Verfasser sehr wohl eine Geschichte im eigentlichen Sinn überliefern wollte, wenngleich er mit gleichnishaften Decknahmen (wie „Nebukadnezar von Assyrien“) arbeitet. Nun gibt es zahlreiche Vorschläge, den feindlichen König mit dem Decknamen „Nebukadnezar von Assyrien“ zu identifizieren und damit die Judit-Geschichte historisch einzuordnen ... Die Vermutung, dass es sich bei dem feindlichen König um den persischen König Artaxerxes III. Ochus (359–338 v. Chr.) handelt, hat schon Sulpicius Severus um 400 n. Chr. in seiner Historia Sacra (2,24) ausgesprochen. Dafür gibt es gute Argumente:

Die Geschichte spielt zu einer Zeit, wo der Hohepriester und die Ältesten das Kommando haben (Jdt 4,6–8; 15,8), es also keinen König gibt. In Jdt 16,10 sind die Feinde als Meder und Perser gekennzeichnet (nicht als Assyrer und Babylonier). Nach Jdt 5,18– 19 liegen für Israel die Zerstörung des Tempels, die Invasion fremder Mächte und die Zerstreuung unter fremde Völker in der Vergangenheit. Demnach befinden wir uns also in nachexilischer Zeit (nach 538 v. Chr.) Nach Jdt 4,3 war das Volk jüngst aus der Gefangenschaft heimgekehrt und hatte kürzlich den Tempel neu eingeweiht. Dies trifft für den vorgeschlagenen Zeitansatz zu, sofern man „jüngst“ auf über 150 Jahre dehnen darf. Allerdings könnten für die Juden um 342 v. Chr. damit auch Ereignisse der allerjüngsten Vergangenheit im Blick gewesen sein: Nach Eusebius’ Chronik (und ihr folgend auch nach Hieronymus) hat Artaxerxes III. im zweiten Jahre der 105. Olympiade (359/58 v. Chr.) Juden ins Exil nach Hyrcania deportiert (eine Landschaft südlich des Kaspischen Meeres), von denen kurz darauf einige zurückgekehrt sein könnten; das setzt eine Invasion voraus, bei welcher auch der Tempel erneut entweiht worden sein könnte. Es gibt weitere Andeutungen unter den antiken Autoren für eine solche Invasion.

Außer Holofernes ist auch der Name seines Eunuchen Bagoas, der in Jdt 12,11 vorkommt, persischen Ursprungs, und historisch ist tatsächlich ein Eunuch Bagoas bezeugt, welcher unter Artaxerxes III. den hohen Rang eines Chiliarchen einnahm, der den König 338 v. Chr. tötete und selbst 336 v. Chr. von König Darius II. vergiftet wurde (so Diodorus Siculus, ein Historiker des 1. Jh. v. Chr., in seiner Bibliotheca Historica 17,5). Auch Josephus nennt in Jüd. Alt. 11,7,1 einen Bagoas, der „den Tempel entweihte“ und „Feldherr des anderen Artaxerxes“ war. Nach Jdt 1,1 startete der feindliche König im 12. Jahr seiner Regierung Krieg gegen einen „medischen“ König „Arphaxad“. Auch wenn dieser König nicht bekannt ist, führte Artaxerxes III. seit 346/45 v. Chr. (im 13., also um das 12. Jahr seiner Regierung) tatsächlich mehrere Feldzüge gegen Satrapenaufstände. Nach Jdt 2,1 begann er schließlich in seinem 18. Jahr den entscheidenden Feldzug gegen die Länder des Wesens, bei dem auch Israel angegriffen wurde; tatsächlich führte Artaxerxes III. in seinem 18. Jahr 342/1 v. Chr. einen (erfolgreichen) Feldzug gegen Ägypten, bei dem der Eunuch Bagoas dabei war (Diodorus 16,47,3). Bei diesem erfolgreichen zweiten Ägyptenfeldzug kann er (ebenso wie bei dem ersten erfolglosen um 351 v. Chr.) nach Israel gekommen sein.

Es spricht nichts dagegen, im Rahmen dieser Vorgänge eine (Teil-)Niederlage des persischen Heeres in Israel anzunehmen, auf dem ein gewisser Holofernes starb. Tatsächlich erklärt Diodorus Siculus (31,19,2–4), dass der kappadokische Satrapenkönig Ariarathes I. einen Bruder namens Holofernes hatte, den er so liebte, dass er ihn in die höchsten Positionen beförderte: Er half den Persern in ihrem Ägyptenfeldzug, kehrte mit Ehrenabzeichen heim, welche König Ochus ihm für seine Tapferkeit verlieh, und starb in seinem Heimatland, bevor Alexander das Perserreich eroberte (also wohl noch unter Artaxerxes III.). Hier passt zu dem Holofernes des Juditbuchs seine Teilnahme am Krieg in hoher Position und sein Tod um diese Zeit, nicht aber die ehrenhafte Heimkehr und der Tod in der Heimat. Aber gesetzt dem Fall, dieser Holofernes ist tatsächlich der von Judit in Israel enthauptete Mann, so könnte Diodorus’ Quelle die Überführung der Leiche in die Heimat und ihre dortige Bestattung als ehrenhafte Heimkehr in die Heimat und dortigen Tod beschrieben haben, um die Niederlage zu kaschieren. (https://www.ludwig-neidhart.de/Downloads/BibelGeschichtsbuecher.pdf)

Dr. Neidhart hat also nicht nur verstanden, dass es sich bei den umstrittenen Namen im Buch Judith um „gleichnishafte Decknamen“ handelt, sondern schaffte es auch, historische Personen damit zu identifizieren, auf die die Geschichte passt. Er macht das unter Berücksichtigung antiker Historiker und zeigt, dass es sehr wohl möglich ist, eine Harmonie zwischen dem Buch Judith und der tatsächlichen Geschichte herzustellen.

Kurz gesagt: Das Buch Judith erzählt eine wahre Geschichte, verwendet aber teilweise Codenamen, die sinnbildlich zu verstehen und anzuwenden sind auf historische Personen und Orte, so wie der Heilige Geist das immer wieder tat im AT und NT. Den frühen Christen war diese Praxis von ihren Lehrern, den Aposteln, her vertraut und sie bezeichneten das Buch Judith daher genau wie alle anderen Bücher der Septuaginta als „die Schrift“ und behandelten und lehrten es als inspiriertes Wort Gottes.


Fazit

Lässt man die ungebildeten und erfundenen Argumente gegen die Apokryphen weg, bleiben nur noch welche, die sich um die Moral drehen. Die wirklich unmoralischen und „unbiblischen“ Geschichten stehen aber nur in den von allen anerkannten biblischen Büchern! Die werden von allen  „bibeltreuen“ Menschen aber geschluckt. Doch auf die viel harmloseren Geschichten in den Apokryphen wird empört mit dem Finger gezeigt. Da wird aus der Mücke ein Elefant gemacht. Oder, wie Jesus es ausgedrückt hat:

Ihr blinden Führer, die ihr Mücken aussiebt, aber Kamele verschluckt! (Mt 23,24)

So eine Vorgangsweise ist also ein Erkennungszeichen für blinde Führer und für Heuchler, wie Jesus sie im nächsten Satz nennt. Man muss also in Wahrheit vor den Warnern warnen, die vor den Apokryphen warnen! Diese sind die gefährlichen Führer, die alle in die Irre führen. Gott hasst das Messen mit zweierlei Maß, wie wir auch im ersten Beitrag über die Apokryphen erwähnten. Wir sollten uns davon nicht verführen lassen. Außerdem zeugen alle diese Einwände gegen die Apokryphen von einem spöttischen, scheinheiligen, respektlosen Geist, der sich anmaßt über das Wort Gottes zu urteilen und das - in den meisten Fällen - ohne es auch nur gelesen zu haben. Das ist keine kleine Sünde. Schlecht oder falsch unterwiesen zu sein ist das Eine, aber sich aus dieser unwissenden Position ein Urteil anzumaßen, ist das Andere. Die Apokryphen warnen genau davor:

Ohne Anteil an Erkenntnis lehre nicht (Sir 3,25, Septuaginta Deutsch)

Wir sind mitten im großen Abfall und der großen Finsternis, die um sich greift. Das muss uns bewusst werden. Vieles an Wissen und Erkenntnis ging verloren und vieles will man heute auch gar nicht mehr wissen, sondern ist stolz darauf, neue Wege zu gehen, will an die „neuesten Erkenntnisse“ glauben oder sich von denen führen lassen. Auch im Christentum. Die faulen Früchte davon haben wir nun überall. Auch in Sachen Bibel, deren Text und deren Umfang. Und es geht in dem Stil weiter. Die ersten Bibeln werden bereits politisch korrekt neu geschrieben, es werden Arbeitsgruppen gebildet, die die Bibel nach diskriminierenden Aussagen untersuchen und zensieren, und die Sprache „gerecht“ anpassen. Es herrscht längst der Zeitgeist auch in den Bibelverlagen. Und es stehen ja nicht nur biblische Bücher auf der roten Liste, sondern auch weltliche Klassiker, die Jahrhunderte lang als empfehlenswerte Literatur galten, sogar als pädagogisch wertvoll, und die Generationen prägten, gerade auch in ihren moralischen und gesellschaftlichen Vorstellungen. Das wird nun alles mit Gewalt abgeschafft und geändert. Und es begann schon vor Jahrhunderten mit den „Apokryphen“ der Bibel. Die waren die ersten, die nicht passten und entfernt wurden. Dahinter steckt der selbe Geist. Auch dazu hätten die „apokryphischen“ Bücher einiges zu sagen und könnten uns lehren, wie man den falschen Geist hinter dem staatlichen Druck, der gegen Gott gerichtet ist, erkennt und sich in Gottes Augen richtig verhält. Das ist zum Beispiel der rote Faden durch die Makkabäerbücher.

Aber es gibt zum Abschluss auch positive Nachrichten: die Zahl der Menschen, die aufwachen und die Lügen durchschauen, wird immer größer. Es gibt seit einigen Jahren ein steigendes Interesse an den frühen Christen und an den heiligen Schriften, die sie hatten. Deswegen wurde die Septuaginta auch erstmals seit langer Zeit wieder auf Deutsch übersetzt und heraus gebracht. Und es gibt die Bibliothek der Kirchenväter kostenlos für jeden abrufbar im Internet. Früher brauchte man beinahe schon Geheimwissen und gute Beziehungen, um zu diesen Schriften zu kommen. Heute stehen sie jedem Suchenden mit wenigen Mausklicks zur Verfügung. Wer suchet der findet. Auch die Apokryphen kann man auf online Bibelservern in mehreren Übersetzungen lesen und sich selbst ein Bild davon machen (am bibleserver des ERF sind die Lutherbibel 2017, die Einheitsübersetzung 2016, die Gute Nachricht und die Menge Bibel mit Apokryphen ausgestattet). Am Ende siegt immer die Wahrheit, egal wie lange und finster davor die Zeit der Lüge und Unwissenheit ist. Auch das lehrt uns die Geschichte und es steht in einem apokryphen Buch:

„Über alles aber siegt die Wahrheit.“ (1. Esdras 3,12, Septuaginta Deutsch)

Wir werden auch auf dieser Website und in Büchern weiterhin darüber aufklären und Berichte und alte Texte der frühen Christen bringen, die uns die Geschichte vor Augen führen und wieder lebendig machen, solange es uns möglich ist. Denn die finstersten Zeiten stehen uns noch bevor – auch das wissen wir aus der Schrift. Und da schließt sich der Kreis. Denn die Apokryphen wurden in einer Zeit geschrieben, wo die meisten Juden glaubten, Gott habe sie verlassen und sei ferne. Das glauben auch heute die meisten Bibelleser, die eine „Lücke“ von vierhundert Jahren zwischen dem letzten Prophet des AT und dem ersten Prophet des NT sehen wollen. Sie denken es sei eine finstere Lücke wo Gott schwieg. Wo kein Prophet auftrat. Wo nichts passierte. Das denken sie nur, weil sie die Apokryphen nicht lesen. Denn die berichten von jener Zeit und zeigen, dass Gott auch da sprach und stark am Wirken war. Was alles an Geschichtswissen verloren geht, wenn man die Apokryphen nicht liest, haben wir im anderen Beitrag  erläutert, in Kapitel 6: Apokryphen - Warum sind diese Bücher wichtig?.