• Sollen wir vor den Apokryphen warnen oder vor denen, die vor den Apokryphen warnen?

2. Die apokryphischen Bücher wurden in den wahren christlichen Gemeinden während der ersten vier Jahrhunderte (wo es noch keine RKK gab) nicht unter den heiligen Büchern zugelassen.

Das ist entweder eine glatte Lüge oder ein großer Irrtum. Beides kann man aus den Schriften der frühen Christen widerlegen. Da aber die allermeisten Christen nie die Schriften der frühen Christen der ersten vier Jahrhunderte lesen, kommt man mit solchen Lügen heute leider sehr weit.

Es fällt auf, dass dieses Argument oft von den ersten vier Jahrhunderten spricht, so als gäbe es in den ersten vier Jahrhunderten noch keine Römisch-Katholische-Kirche, die ja von den Leuten abgelehnt wird, die die Apokryphen ablehnen. Das stimmt aber nur für die ersten drei Jahrhunderte, denn in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts wurde die RKK von Kaiser Konstantin gegründet. Als Datum kann man das Konzil von Nizäa, 325 n.Chr., ansetzen. Deswegen meint man, wenn man von den frühen Christen spricht, auch nur jene vor Nizäa, auf englisch Ante-Nice-Fathers.

Und es fällt auch auf, dass hier wie üblich kein Beweis von den Gegnern der Apokryphen vorgelegt wird. Hätten sie recht, gäbe es ein Schriftstück oder ein ganzes Buch aus den ersten drei Jahrhunderten, das die Apokryphen verurteilt, und sie würden es nennen. Denn die frühen Christen waren alles andere als schreibfaul. Sie schrieben dutzende Bücher gegen alle Sorten von Irrlehrern und deren Bücher! Es gibt Warnungen vor den häretischen Schriften der Gnostiker, genauso wie vor den hebräischen Schriften der Juden, aber keine Warnung vor den Apokryphen. Im Gegenteil, maßgebliche frühchristliche Lehrer wie Irenäus, Origenes und Hippolytus von Rom, die sich jahrelang mit den Schriften beschäftigten und viele Bücher gegen die Häresien schrieben, verteidigen die Septuaginta und lehren, dass sie das von Gott inspirierte Wort ist.

Wie kommen Leute dann heute überhaupt zu der Aussage, dass die Apokryphen damals nicht unter den heiligen Büchern zugelassen waren?

Sie ist entweder frei erfunden oder basiert auf einem schweren Irrtum, weil heute geglaubt wird, dass die frühen Christen genauso dachten wie die späten Christen heute. Das stimmt in vielen Fällen überhaupt nicht, auch dann nicht, wenn sie die selben Worte verwenden. So einen Fall haben wir hier. Denn die frühen Christen benannten tatsächlich einige Bücher als „apokryphisch“ und verurteilten diese und warnten davor. Das waren aber die Bücher der Gnostiker. Frühchristliche Lehrer wie Hippolytus studierten diese häretischen Bücher der Irrlehrer und deckten sie auf und veröffentlichten deren Inhalt, um sie bloßzustellen damit die Christen gewarnt seien. Denn das Wort „apokryphisch“ kommt aus dem Griechischen (apokryphos) und bedeudet „versteckt“ oder „geheim“. Die Gnostiker hatten nämlich Geheimlehren und geheime Bücher für ihre geweihten Mitglieder. Diese gnostischen Bücher nannten die frühen Christen apokryphisch. Aber heute meinen die späten Christen mit dieser Bezeichnung jene Bücher, die alle in der Septuaginta waren zur Zeit Christi und der frühen Christen. Nie im Traum hätten die frühen Christen daran gedacht, die Bücher der Septuaginta als apokryph zu bezeichnen, denn die waren in ihren Augen alle heilig und gehörten zur Schrift! Heute herrscht leider viel Unwissenheit, Verwirrung und Desinformation im späten Christentum über das frühe Christentum.

Die Wahrheit ist, dass die frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte alle apokryphischen Bücher als heilige Schrift anerkannten und zitierten - und auch noch einige andere darüber hinaus! Erst im vierten Jahrhundert begann ein Umdenken zu Ungunsten der Apokryphen, ab da wo die Institution RKK sich einbildete, den Bibelkanon per Dogmen festlegen zu müssen. Da aber die meisten heutigen Christen nicht die geringste Ahnung von Kirchgeschichte haben und nie die Schriften der frühen Christen der ersten vier Jahrhunderte lasen, kommt man mit solch einer Lüge heute leider sehr weit im ungebildeten Christentum, und sie erscheint glaubwürdiger, je mehr Leute sie glauben und verbreiten. Das ist ein typisches Wesen der Lüge. Sie braucht viele Stimmen, damit man sie glaubt. Die Wahrheit bleibt aber Wahrheit, auch wenn nur einer sie sagt.

Man kann diese Lüge spielend leicht aufdecken, denn sie ist eine absolut formulierte, die durch einen einzigen Gegenbeweis notgedrungen in sich zusammenbricht. So wie wenn jemand sagen würde: „Alle Schwäne sind weiß“. Die These kann auch niemand beweisen, weil niemand je alle Schwäne der Welt vorzeigen kann, aber man kann sie sehr leicht widerlegen. Es reicht ein einziger schwarzer Schwan, um diese Behauptung ins Reich der Lügen zu verbannen. Denn wenn es einen schwarzen Schwan gibt, ist es nicht wahr, dass alle Schwäne weiß sind.

Wir bräuchten also nur einen einzigen „Schwan“ um die fett gedruckte Lüge auffliegen zu lassen. Tatsächlich haben wir aber so viele „Schwäne“, dass hier kein Platz ist, um alle zu zeigen. Denn es haben in Wahrheit alle christlichen Gemeinden der ersten drei Jahrhunderte alle Bücher, die heute mit dem Schmähbegriff „Apokryphen“ in den Dreck gezogen werden, als heilige, inspirierte Schrift anerkannt. Praktisch jeder frühchristliche Autor hat diese Bücher als „Schrift“ bezeichnet und genauso zitiert wie den Rest der Heiligen Schrift. Und das begann natürlich schon im ersten Jahrhundert:

Klemens von Rom zitierte in seinem 1.Klemensbrief das Buch Weisheit, das Buch Jesus Sirach und mit Begeisterung nicht nur das Buch Judith, sondern führt Judith sogar als erste in seiner Liste der vorbildlichen Frauen an, noch vor Esther:

Viele Frauen haben, gestärkt durch die Gnade Gottes, manch männliche Tat vollbracht. Die gesegnete Judith bat bei der Belagerung ihrer Vaterstadt die Ältesten, man möge sie hinausgehen lassen in das Lager der Feinde, Und aus Liebe zum Vaterlande und zu ihrem eingeschlossenen Volke ging sie hinaus, sich selbst in Gefahr stürzend, und der Herr übergab den Holophernes in die Hand eines Weibes. (1. Klemensbrief LV,4)

Klemens, der persönlich vom Apostel Paulus gelehrt wurde, wusste, dass Judith gesegnet war und durch die Gnade Gottes handelte. Und sie wurde im ersten Jahrhundert allen gläubigen Frauen der christlichen Gemeinde in Rom und Korinth und überall sonst auf der Welt als Vorbild gelehrt. Die selbe Judith wird von „Bibellehrern“ im 21. Jahrhundert jedoch dämonisiert und als „Argument“ gegen die Apokryphen an den Pranger gestellt. Wessen Schüler sind diese späten „Lehrer“ und wessen Geist spricht durch sie? In Klemens wohnte eindeutig derselbe Geist wie in Petrus und Paulus, er wurde von Apostel Paulus bestätigt und von Apostel Petrus als Bischof in Rom eingesetzt, und so war Klemens hochgeachtet und galt der Klemensbrief für die Christen der ersten drei Jahrhunderte als inspirierte Schrift, genauso wie die zwei Bücher des anderen schreibenden Paulusschülers Lukas (Lukasevangelium, Apostelgeschichte). Aber im vierten Jahrhundert, als Klemens, Petrus, Paulus und die anderen Zeugen des ersten Jahrhunderts seit drei Jahrhunderten tot waren, wurde der Klemensbrief aus der Reihe der inspirierten Schriften entfernt, mit fadenscheinigen Argumenten, die wir hier nicht ausführen wollen. Zum Bibelkanon und dessen Entstehung wird es einen eigenen Beitrag geben.

Welcher Geist weht in den Kritikern und Gegnern von Klemens? Klemens jedenfalls zitierte auch inbrünstig Barnabas.

Barnabas schrieb noch vor Klemens einen Brief, den Barnabasbrief, der im ersten Jahrhundert bereits in den Gemeinden auflag und als inspiriertes Wort Gottes gelehrt und zitiert wurde. Klemens zitierte ihn und auch die Apostellehre zitierte Barnabas seitenweise. Barnabas wiederum zitierte ganz selbstverständlich die Bücher Weisheit, Enoch, Jesus Sirach, das vierte Buch Esdras, Tobit, Judith und die Makkabäer. Dabei verwob er „apokryphe“ Bücher mit den großen Propheten als wären sie aus ein und demselben Mund:

Es sagt nämlich der Prophet zu Israel:

„Wehe ihrer Seele, da sie einen bösen Ratschluß gefaßt haben wider sich selbst, indem sie sprachen: Fesseln wollen wir den Gerechten, da er uns im Wege ist.“ (Barnabasbrief VI,7)

Dieser Satz ist eine Kombination von Jesaja 3,9-11 und Weisheit 2,12. Das machten die frühen Christen übrigens gerne, dass sie verschiedene Stellen der Schrift miteinander zu einer Gesamtaussage verwoben, so wie das ihr Herr Jesus ihnen vormachte und sie lehrte. Für moderne Leser und Lehrer, die darin nicht mehr unterwiesen wurden, ist das verwirrend, ja sogar verstörend. Interessant ist, das sie das aber nur bei den „Apokryphen“ stört, nicht bei den Evangelien und anderen Büchern des Neuen Testaments, wo das im selben Stil geschieht.

Die Apostellehre, oder auch Didache, wurde laut Überlieferung von den Aposteln selbst geschrieben und lag bereits im ersten Jahrhundert in den Gemeinden auf. Sie ist die erste Gemeindeordnung des Christentums überhaupt. Darin zitieren die Apostel seitenweise den Barnabasbrief und bestätigen ihn somit als inspiriert. Außerdem zitieren sie Tobit und Weisheit und lassen Jesus Sirach anklingen. Besonders ein Satz stößt protestantischen Lehrern seit jeher sauer auf:

Wenn du etwas in deinen Händen hast, so gib es als Sühne für deine Sünden. (Didache IV,6)

Hier zitiert die Didache den Barnabasbrief und beide miteinander wiederum das Buch Tobit. Für manche riecht das verdächtig nach Ablasshandel. Wir kommen später noch darauf zurück.

Das waren nur drei Zeugen aus dem 1. Jahrhundert, dem Jahrhundert in dem die Apostel noch lebten und über die Gemeinden und die gesunde Lehre wachten. Aber diese drei haben es schon in sich! Heute sind sie in gewissen Kreisen heiß umstritten und werden als unecht bezeichnet (wie übrigens auch der zweite Petrusbrief, der zweite und dritte Johannesbrief und andere, die aber im Neuen Testament aller Bibeln sind). Doch alle drei Schriften stammen von Apostelschülern oder den Aposteln selbst und waren bei den frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte angesehen und als inspirierte Heilige Schrift anerkannt.

Das änderte sich erst nach der Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert, wo die Karten neu gemischt wurden und plötzlich Bücher abgewertet und diskreditiert wurden, die davor als göttlich inspiriert galten. Ein Trend, der bis heute stärker wurde. Tatsächlich gibt es viele frühchristliche Bücher aus dem zweiten und dritten Jahrhundert, die alle apokryphen Bücher mit einer auffallenden Selbstverständlichkeit lehrmäßig zitieren und als „die Schrift“ bezeichnen.

Daher kann man die oben getätigte Aussage getrost als glatte Lüge bezeichnen, die noch dazu dumm daher kommt, denn jeder Mensch, der lesen kann, kann sie spielend entlarven, indem er sich einfach frühchristliche Texte durchliest. Wir haben die hier als Zeugen genannten drei Schriften in einem eigenen Buch (BRIEFE DER APOSTELZEIT) herausgebracht, mit vielen Fußnoten und Parellelstellen als Hilfe. Somit kann sich jeder selbst ein Bild davon machen und hat keine Ausrede mehr, er hätte keinen Zugang zu den frühchristlichen Schriften und müsse daher auf „die Experten“ vertrauen.

Es fällt auf, dass an gewissen Wendepunkten in der Kirchengeschichte die „apokryphen“ Bücher offenbar jemand störten. Sie wurden daher schrittweise heruntergestuft bis zur Eliminierung. Das haben wir bereits in einem eigenen Beitrag aufgezeigt: Apokryphen.