Der Jakobusbrief ist das erste schriftliche Werk des Christentums und wurde spätestens 45 n. Chr. von Jakobus dem Gerechten geschrieben. Dieser Jakobus war nicht nur der erste Bischof von Jerusalem, sondern auch der leibliche Bruder von unserem Herrn Jesus Christus. Er war zwar keiner der zwölf Apostel, arbeitete aber mit ihnen eng zusammen, speziell mit Petrus und Johannes, und galt als Moralinstanz für jung und alt, Juden und Christen, daher auch sein Beiname. Sein grausamer, öffentlicher Märtyrertod erschütterte ganz Jerusalem, die Bevölkerung schrieb entrüstete Briefe deswegen an den Statthalter und sogar an den Kaiser. Und als Jerusalem bald darauf von den Römern brutal belagert und dem Erdboden gleichgemacht wurde, sahen das viele Menschen als Gottes Strafe für den Mord an Jakobus dem Gerechten. Sogar der jüdische Historiker Flavius Josephus berichtete darüber (Die Details und Quellen dazu sind in unserer Biographie von Jakobus zu finden).
Entsprechend hohes Ansehen und Gewicht hatte der Jakobusbrief in der Urgemeinde und dem frühen Christentum und war über viele Jahre hinweg der Goldstandard und die Leitlinie für das christliche Leben lange bevor die Evangelien geschrieben wurden. Das ältestes Evangelium, das Matthäusevangelium, wurde 7-10 Jahre nach dem Jakobusbrief geschrieben. Das Lukasevangelium und das Markusevangelium wurden nochmal weitere 10 Jahre später verfasst und das Johannesevangelium ist fast ein halbes Jahrhundert jünger als der Jakobusbrief. Das zeigt vielleicht ein wenig die Relationen und in welcher Reihenfolge diese Bücher gelesen und gelehrt wurden im ersten Jahrhundert, dem Jahrhundert der Apostel und der Urchristen.
Der Jakobusbrief konzentriert sich auf die Praxis des christlichen Lebens und liefert jede Menge Richtlinien wie die christliche Religion richtig zu praktizieren ist. Ferner spricht er deutliche Warnungen und Abgrenzungen zu den bereits aufkommenden Irrlehren und falschen Vorstellungen aus, die den Glauben nur als Theorie oder Erkenntnis (Gnosis) sehen wollten, ganz ohne Werke (Glaube allein), oder die den Reichtum und Wohlstand als erstrebenswerten Segen sahen (Wohlstandsevangelium). Allen diesen Irrlehren erteilte Jakobus in seinem Brief eine klare Absage, ja sogar Fluchworte, ganz im Sinne seines Bruders Jesus Christus, der das ebenfalls tat, wie später die Evangelisten bestätigend niederschrieben.
Erst tausendfünfhundert Jahre später wagte ein deutscher Mönch den Jakobusbrief zu kritisieren und runterzumachen:
In Summa: das Evangelium des Johannes und sein erster Brief, die Briefe des Paulus, insbesondere der an die Römer, Galater, Epheser und der erste Brief des Petrus, das sind die Bücher, die dir Christus zeigen und dich alles lehren, was dir zu wissen not und selig ist, ob du schon kein ander Buch und Lehre nimmer sehest noch hörest. Darum ist der Jakobusbrief eine rechte stroherne Epistel gegen sie; da er doch keine evangelische Art an sich hat. Doch davon weiter in andern Vorreden. (Dr. Martin Luther, Vorrede zum Neuen Testament)
In den erwähnten Vorreden setzte Luther seinen Versuch, den Jakobusbrief zu vernichten, mit vielen Worten und theologischen Verrenkungen fort. Martin Luther maßte sich also an zu beurteilen, was eine evangelische Art ist, und schuf damit eine Begriffsdefinition, die später seiner Kirche den Namen geben sollte, völlig losgelöst von der Frage, wie die Evangelisten das selbst beurteilten. Und der Begriff „stroherne Epistel“ spielt auf einen Abschnitt im 1.Korintherbrief an, worin Paulus lehrt, dass das Werk eines jeden Gemeindeältesten am Gerichtstag im Feuer geprüft werde ob es verbrenne oder bestehen bleibe:
Wenn aber jemand auf diesen Grund Gold, Silber, kostbare Steine, Holz, Heu, Stroh baut, so wird das Werk eines jeden offenbar werden; der Tag wird es zeigen, weil es durchs Feuer geoffenbart wird. Und welcher Art das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben. Wenn jemandes Werk, das er darauf gebaut hat, bleibt, so wird er Lohn empfangen; wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden erleiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. (1.Kor 3,12-15 SCH2000)
Stroh ist das minderwertigste Material, das Paulus erwähnte, weil es sofort im Feuer verbrennt und also null Ewigkeitswert hat. Und als solches Stroh verurteilte Martin Luther den Jakobusbrief und spielte sich damit auch noch als Richter über eine der Säulen der Urgemeinde und dessen Lehrbrief (Epistel) auf. Das war ganz und gar nicht im Sinne des Paulus, der stets Jakobus ehrte und sich ihm unterstellte. Zum Beispiel als Irrlehrer aus Jerusalem die Gemeinden, die Paulus gründete, verwirrten und durcheinander brachten. Paulus zog mit einigen Brüdern nach Jerusalem um die Sache mit Jakobus, Petrus und den anderen Ältesten dort zu klären und Jakobus hatte am Ende des Tages das letzte Wort und sprach das Machtwort, dem auch Paulus gehorchte:
Darum urteile ich, dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten auflegen soll, sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten. (Apg 15,19-21 SCH2000)
Paulus hatte nie auch nur einen kritischen oder zurechtweisenden Satz gegen Jakobus geschrieben, auch nicht in dem von Martin Luther ins Treffen geführte Vers aus dem Römerbrief:
So kommen wir nun zu dem Schluss, dass der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt wird, ohne Werke des Gesetzes. (Röm 3,28 SCH2000)
Diesen Satz musste Luther erst wie folgt verfälschen, damit er gegen Jakobus gerichtet war:
So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. (Röm 3,28 LUT1545)
Erst durch das eigenmächtige Hinzufügen des kleinen aber alles verändernden Wortes „allein“ schuf Martin Luther einen Konflikt zwischen Paulus und Jakobus, denn Jakobus schrieb:
So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein. (Jak 2,24 SCH2000)
Jakobus schrieb „allein“, Paulus jedoch nicht! Und so brachte den Widerspruch erst Martin Luther. Nicht Paulus widersprach Jakobus, sondern Martin Luther und sein Lehrsatz sola fide (allein Glaube), der bis heute das Glaubensfundament der Protestanten ist. Doch dieser Lehrsatz steht in Wahrheit in keiner Schrift des Neuen Testaments, sondern allein in den Lutherbibeln.
Die Autorität, Weisheit und Gerechtigkeit von Jakobus war aber zu seinen Lebzeiten über jeden Zweifel erhaben und sein Lehrbrief wurde von den Gemeinden der ersten Jahrhunderte mit Ehrfurcht gelesen und befolgt. Da der Jakobusbrief wie bereits erwähnt das erste Buch des Neuen Testaments war, kann er keine anderen Bücher des Neuen Testaments zitieren, denn die gab es noch nicht. Stattdessen zitierte Jakobus das Alte Testament und besonders gerne dessen Spätschriften, die man heute Apokryphen nennt und war darin anderen frühchristlichen Autoren ein Vorbild.