Das Wort Evangelist kommt im Neuen Testament dreimal mal vor und ist somit biblisch.

Es kommt vom Griechischen Wort euaggelistēs (εὐαγγελιστής, G2099) und bedeutet übersetzt soviel wie „Überbringer des Evangeliums” oder „Prediger des Evangeliums”. Daraus haben sich im Laufe der Kirchengeschichte zwei verschiedene Begriffsbedeutungen ergeben.

Im engsten Sinne - und das entspricht der erstgenannten Bedeutung - werden nur jene vier Männer damit gemeint, die Evangelien geschrieben haben und uns somit zu „Überbringern des Evangeliums” geworden sind. Dazu weiter unten.

Im biblischen Sprachgebrauch werden damit aber generell alle Prediger des Evangeliums verstanden, was aus den drei Stellen im Neuen Testament, wo dieses Wort vorkommt, deutlich wird:

Am folgenden Tag aber zogen wir, die wir Paulus begleiteten, fort und kamen nach Cäsarea; und wir gingen in das Haus des Evangelisten Philippus, der einer von den Sieben war, und blieben bei ihm. (Apg 21,8)

Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer (Eph 4,11)

Du [gemeint ist Timotheus] aber bleibe nüchtern in allen Dingen, erdulde die Widrigkeiten, tue das Werk eines Evangelisten, richte deinen Dienst völlig aus! (2.Tim 4,5)

Im Neuen Testament werden also namentlich Philippus und Timotheus als Evangelisten gennant. Keiner von beiden schrieb aber je ein Evangelium. Ja, uns ist überhaupt kein Schriftstück von einem der beiden bekannt. Sie sind keine Autoren des Neuen Testaments. Aber sie predigten mündlich fleißig das Evangelium und das reichte den Autoren und Lehrern des NT, sie Evangelisten zu nennen.

Später wurde der Begriff Evangelist aber enger verstanden, und er wurde nur noch auf jene vier Männer angewandt, die uns schriftlich die Evangelien brachten. Interessanter weise werden diese vier Evangelisten aber gar nicht namentlich als Autoren in ihren eigenen Evangelien genannt, sondern erfahren wir nur von späteren Textzeugen wer die Evangelien wirklich schrieb. Es sind diese vier Männer:

Matthäus schrieb das Matthäusevangelium, Markus das Markusevangelium, Lukas das Lukasevangelium und Johannes das Johannesevangelium.

Alle diese vier Evangelien wurden im ersten Jahrhundert geschrieben, verteilt und in den Gemeinden vorgelesen. Sie wurden von Aposteln geschrieben oder von deren Apostelschülern, den sogenannten Apostolischen Vätern. Sie wurden somit alle von den Aposteln autorisiert. Später entstanden noch viele andere Evangelien, die aber aus verschiedensten Gründen von den frühen Christen und ihren Gemeinden nicht anerkannt und nicht verwendet wurden. Sie waren eben nicht von Aposteln autorisiert worden. Darüber hinaus waren die wichtigsten zwei Gründe, dass sie erstens unecht und zweitens gnostischer Herkunft waren, und somit von Irrlehrern geschrieben wurden.

Warum es ausgerechnet nur vier Evangelien gibt und dass diese Zahl kein Zufall, sondern Gottes lang ersonnener Plan ist, erklärt Irenäus:

Denn es versteht sich, daß es weder mehr noch weniger als diese Evangelien geben kann. Da es nämlich in der Welt, in der wir uns befinden, vier Gegenden und vier Hauptwindrichtungen gibt und die Kirche über die ganze Erde ausgesät ist, das Evangelium aber die Säule und Grundfeste der Kirche und ihr Lebenshauch ist, so muß sie naturgemäß auch vier Säulen haben, die von allen Seiten Unsterblichkeit aushauchen und die Menschen wieder beleben. Daraus ergibt sich, daß das Wort, als Urheber des Weltalls, thronend über den Cherubinen und alles umfassend, als es den Menschen sich offenbarte, uns ein viergestaltiges Evangelium gab, das aber von einem Geiste zusammengehalten wird. Wie auch David im Verlangen nach seiner Ankunft ausruft: „Der du thronest über den Cherubinen, erscheine!“ Die Cherubim nämlich haben vier Gesichter, und diese ihre Gesichter sind die Abbilder der Heilseinrichtung des Sohnes Gottes. Denn „das erste Tier“, heißt es, „ist ähnlich einem Löwen“, um seine Kraft, Herrschaft und königliche Art auszudrücken; „das zweite ähnlich einem jungen Stiere“, um seine Opfer- und Priesterstellung anzuzeigen; „das dritte hat das Angesicht eines Menschen“, um seine Ankunft in Menschengestalt aufs deutlichste zu bezeichnen; „das vierte ist ähnlich einem fliegenden Adler“, um die Gnadengabe des auf die Kirche ausströmenden Geistes kundzutun.

Die Evangelien nun passen zu den Wesen, auf denen Christus sitzt. Denn das Evangelium nach Johannes betont seine uranfängliche, wirksame und ruhmvolle Geburt aus dem Vater, indem es sagt: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts gemacht worden“. Und wie seine Person, so ist auch sein Evangelium voller Zuversicht. Das Evangelium nach Lukas aber mit dem priesterlichen Charakter beginnt mit dem Priester Zacharias, wie er Gott opfert. Denn schon wurde das gemästete Kalb zubereitet, das wegen der Rückkehr des jüngeren Sohnes geschlachtet werden sollte. Matthäus dann verkündet seine menschliche Geburt mit den Worten: „Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams ... Und mit der Geburt Jesu Christi verhielt es sich folgendermaßen“. Dieses Evangelium hat also die menschliche Gestalt, und in seinem ganzen Verlauf ist der sanfte und demütige Mensch beibehalten worden. Markus aber beginnt mit dem prophetischen Geist, der auf die Menschen von oben herabkam, und sagt: „Anfang des Evangeliums, wie geschrieben steht beim Propheten Isaias“ und zeigt die fliegende und beflügelte Gestalt des Evangeliums. Deshalb ist seine Botschaft knapp und vorwärtseilend, wie das der prophetische Charakter mit sich bringt. — Gerade so das Wort Gottes: Mit den Patriarchen vor Moses verkehrte es auf göttliche und majestätische Art, mit denen unter dem Gesetze nach seiner priesterlichen Stellung, als Mensch sodann sandte es die Gabe des himmlischen Geistes auf die ganze Erde, indem es mit seinen Flügeln uns beschützte.

Wie also die Heilsordnung des Sohnes Gottes, so auch die Gestalt der Tiere, und wie die Gestalt der Tiere, so auch der Charakter des Evangeliums. Viergestaltig die Tiere, viergestaltig das Evangelium, viergestaltig die Heilsordnung des Herrn. Daher also wurden auch vier allgemeine Bündnisse der Menschheit gegeben, das erste nach der Sintflut mit Noe bei dem Regenbogen, das zweite mit Abraham unter dem Zeichen der Beschneidung, das dritte bei der Gesetzgebung durch Moses, das vierte, das den Menschen erneuert und in sich alle zusammenfaßt, in dem die Menschen erhoben und zu dem himmlischen Reich emporgetragen werden, ist das Evangelium unseres Herrn Jesu Christi. (Irenäus († um 200) Contra Haereses Gegen die Häresien (BKV), Drittes Buch 11,8 Die vier Evangelien als Ganzes)

Anhand dieser Abhandlung kann man gut sehen, wie hochgeistlich die frühen Christen und Apostelschüler alles in den Heiligen Schriften betrachteten und zusammenführten zu einem stimmigen Gesamtwerk Gottes. Irenäus erklärt hier tiefgründig und ausführlich, warum die frühen Christen den vier Evangelisten vier Lebewesen als Attribute zuschrieben und welche. Es sind exakt dieselben Lebewesen der vier Gesichter der vier himmlischen Wesen, die Gottes Thron umgeben, beschrieben in der Offenbarung des Johannes (Off 4,7). Da Irenäus eine unterbrechungsfreie Überlieferungskette bis hin zu dem Apostel Johannes aufweist, kann man ihm vertrauen, dass er diese Einsicht über die vier Wesen der vier Gesichter von seinem Lehrer überliefert bekam, wie auch alles andere, was er lehrte und wusste.

Übrigens beschreibt bereits der Prophet Hesekiel diese vier lebendigen Himmelswesen mit je vier Gesichter im Alten Testament (Hes 1,10) und wurden diese Gesichter traditionell als Banner den Anführerstämmen der vier Abteilungen des Volkes Israel, wie es sich in der Wüste rund um die Stiftshütte lagerte und aufbrach (4.Mose 2), zugeordnet (siehe Tabelle unten). Auch hier ergibt sich - genau wie Irenäus schreibt - eine göttliche Einheit in Form, Symbolik und Zahl des Alten Testaments mit dem Neuen Testament. Diese Einheit der Heiligen Schriften betonten alle frühen Christen. Später kam man davon leider ab und gingen viele Kirchen neue Wege, indem sie einzelne Bücher über andere erhoben oder einzelne Bücher sogar ablehnten und die Gesamtheit und Einheit der beiden Testamente insgesamt verneinten und gegeneinander ausspielten.

Auch die Zuordnung der Evangelisten zu den vier Gesichtern wurde nach der Konstantinischen Wende von verschiedenen lateinischen Theologen immer wieder in Frage gestellt und geändert. Durchgesetzt hat sich in der Römisch-Katholischen Kirche schlussendlich Hieronymus mit seiner Umverteilung (siehe Tabelle unten). Auch das ist wieder einmal ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich die Lehrer nach Nizäa von denen vor Nizäa absichtlich abhoben, emanzipierten und neue Wege gingen, und bis heute bestimmend sind für die große Mehrheit der Kirchen und Christen heute.

Tabelle: Die Attribute der Evangelisten und wie sie im Laufe der Jahrhunderte verändert wurden

Wesen Evangelisten gemäß Irenäus (2.Jh.) Evangelisten gemäß Hieronymus (4.Jh.) Bündnisse Stämme Israels
Löwe Löwe Johannes  Markus Noah Juda, Issachar, Sebulon O
Stier Stier Lukas  Lukas Abraham Dan, Asser, Naphtali N
Mensch Mensch Matthäus  Matthäus Mose Ruben, Simeon, Gad S
Adler Adler Markus  Johannes Jesus Christus Ephraim, Manasse, Benjamin W

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      Abkürzung für Einheitsübersetzung 2016

    • Evangelist

      Das Wort Evangelist kommt im Neuen Testament dreimal mal vor und ist somit biblisch .

    • Evangelium

      Evangelium kommt 80 mal in der Bibel vor, davon 77 mal im Neuen Testament. Das Verb dazu („evangelisieren“) kommt weitere 77 mal in der Bibel vor. Somit ist es eindeutig ein...