Das Markusevangelium, oder auch Evangelium nach Markus, wurde vom Evangelist Markus in Rom verfasst, wobei wir den Autor nicht aus dem Buch selbst erfahren, sondern von den frühen Christen. Das haben übrigens alle vier Evangelien gemeinsam.
Das Markusevangelium wurde etwa ab dem Jahr 63 geschrieben, und somit gute 10 Jahre nach dem Matthäusevangelium, mit dem es so große Ähnlichkeiten hat, dass sich bei vielen Menschen hartnäckig die Meinung hält, Markus hätte einfach nur bei Matthäus abgeschrieben und diesen gekürzt. Das ist aber völlig falsch. Im Markusevangelium stehen sogar Details, die sonst in keinem anderen Evangelium stehen, auch nicht im Matthäusevangelium (siehe unten). Um die Wahrheit zu erfahren, müssen wir die frühen Christen konsultieren. Ohne sie wüssten wir ja nicht einmal, dass Markus der Autor des Evangeliums ist, und noch weniger wie und warum er es schrieb. Denn eines ist klar: im Gegensatz zu Matthäus war Markus weder ein Apostel noch ein Augen- und Ohrenzeuge von Jesus Christus. Woher hatte er also den Stoff für sein Buch? Fragen wir, wie gesagt, dazu die frühen Christen.
Irenäus berichtet:
Nicht eher nämlich zogen sie (gemeint sind die Apostel) aus bis an die Grenzen der Erde, allen die frohe Botschaft zu bringen und den himmlischen Frieden den Menschen zu verkünden, als unser Herr von den Toten auferstanden war und sie alle die Kraft des Heiligen Geistes empfangen hatten, der über sie kam. Dadurch empfingen sie die Fülle von allem und die vollkommene Erkenntnis, und so besitzt auch jeder einzelne von ihnen das Evangelium Gottes, Matthäus verfaßte seine Evangelienschrift bei den Hebräern in hebräischer Sprache, als Petrus und Paulus zu Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche gründeten. Nach deren Tode zeichnete Markus, der Schüler und Dolmetscher Petri, dessen Predigt für uns auf. (Irenäus von Lyon (130-202), Gegen die Häresien (BKV) Drittes Buch, 1. Kapitel: Die Apostel im Vollbesitz der Wahrheit, 1)
Petrus war in Rom. Dort wurde Latein gesprochen. Das beherrschte Petrus nicht. Und so wurde Markus, der ein Jünger von Petrus war, der Dolmetscher von Petrus in Rom. Aber wir erfahren noch ein anderes wichtiges Detail. Die Quelle von Markus für sein Evangelium war eben nicht das Matthäusevangelium, sondern die Predigten seines Lehrers Petrus, die dieser in Rom hielt, und die Markus für die Römer übersetzte und niederschrieb. So entstand das Markusevangelium.
Clemens von Alexandria weiß das auch noch:
Markus war der Nachfolger des Petrus. Petrus predigte öffentlich in Rom vor einigen Reitern Cäsars das Evangelium und führte viele Zeugnisse für Christus an. Damit sie sich das Gesprochene merken konnten, was von Petrus gesagt wurde, schrieb Markus alles auf, was man das Evangelium nach Markus nennt. (Fragments Of Clemens Lexandrinus., I.—From The Latin Translation Of Cassiodorus, I.—Comments3713 On The First Epistle Of Peter. p573)
Papias, ein Schüler der Apostelschüler, erinnert sich:
Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, daß er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen. (Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte (BKV), Drittes Buch, 39. Kap. Die Schriften des Papias.)
Zur Entstehung des Markusevangeliums berichtet Eusebius von Cäseräa:
So sehr erleuchtete das Licht der Religion die Herzen der Zuhörer des Petrus, daß sie sich nicht damit begnügen wollten, ihn ein einziges Mal nur gehört zu haben, sie wollten von der Lehre seiner göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher wandten sie sich mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des Evangeliums, den Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen. Und sie standen nicht eher von den Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So wurden sie die Veranlassung zum sog. Markusevangelium. Nachdem Petrus durch eine Offenbarung des Geistes von dem Vorfalle Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im sechsten Buche seiner Hypotyposen berichtet, und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis überein. Petrus gedenkt des Markus in seinem ersten Briefe, den er in Rom selbst verfaßt haben soll was er selbst andeutet, indem er diese Stadt bildlich Babylon nennt, wenn er sagt: „Es grüßt Euch die miterlesene Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn.“ (Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte (BKV), Zweites Buch, 15. Kap. Das Evangelium nach Markus)
Somit haben wir einige Zeugen dafür, dass Markus kein Kopierer von Matthäus war, sondern die Predigten des Petrus mitschrieb und ein Buch daraus machte: Das Evangelium nach Markus. Das ist sehr aufschlussreich. Denn so sehen wir, was und wie Petrus predigte, und dass es verblüffend ähnlich, stellenweise sogar wortgleich, mit dem war, was Matthäus in sein Evangelium schrieb. Aber ist das wirklich so verblüffend? Nein! Denn die Apostel waren alle eins miteinander, hatten denselben Geist bekommen und davor viele Jahre lang dieselbe Lehre vom selben Meister, nämlich ihrem Herrn Jesus, genossen. Es ist also nicht verblüffend sondern sogar zu erwarten, dass sie alle das selbe Evangelium lehrten und predigten. Und so kommt im Markusevangelium genauso wie im Matthäusevangelium das Wort Gnade nicht vor. Das Wort Gnade war also weder für den Apostel Petrus, noch für den Apostel Matthäus relevant um das Evangelium zu verkünden und das obwohl sie in total verschiedenen Ländern predigten, mit verschiedenen Sprachen und Kulturen! Und auch Markus zog mit seinem Evangelium, nachdem er es fertig geschrieben hatte, los und missionierte damit ein ganzes, großes Land:
Markus soll als erster in Ägypten das von ihm niedergeschriebene Evangelium gepredigt und in Alexandrien selbst als erster Kirchen gegründet haben. So groß war schon beim ersten Beginnen die Menge der daselbst gläubig gewordenen und in größter Enthaltsamkeit und strengster Entsagung lebenden Männer und Frauen, daß Philo ihr Leben, ihre Zusammenkünfte, ihre Mahlzeiten und die ganze übrige Lebensführung einer schriftlichen Darlegung würdigte. Philo soll unter Klaudius in Rom mit Petrus, als er damals den Bewohnern predigte, verkehrt haben. (Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte (BKV), Zweites Buch, 16. Kap. Markus predigt zuerst den Bewohnern von Ägypten die christliche Erkenntnis)
Zum Abschluss eine (nicht vollständige) Liste der Dinge, die wir nicht wüssten, wenn es das Markusevangelium nicht gäbe:
- Gleichnis vom aufgehenden Same (4,26-29).
- Jesu Heilung eines Taubstummen (7,31-37).
- Jesu etappenweise Heilung eines Blinden in Bethsaida (8,22-26).
- Überlieferung und Übersetzung hebräischer bzw. aramäischer Worte (3,17. 5,41. 7,11.34. 15,22.34).
- persönliche Details über Petrus. Zum Beispiel dass er nicht wusste, was er sagte (9,6).