Apostel Johannes

Er war der Lieblingsjünger Jesu und zweitfleißigste Autor des Neuen Testamentes.

Johannes war gemeinsam mit seinem älteren Bruder Jakobus Sohn des Zebedäus und ihrem Vater Zebedäus Fischer in Galiläa. Von dort berief Jesus sie:

Und als er von dort weiterging, sah er in einem Schiff zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und dessen Bruder Johannes, mit ihrem Vater Zebedäus ihre Netze flicken; und er berief sie. Da verließen sie sogleich das Schiff und ihren Vater und folgten ihm nach. (Mt 4,21-22)

Zur Zeit seiner Berufung war Johannes noch ein Knabe und damit der jüngste der 12 Jünger Jesu. Er wird deswegen traditionell auf Gemälden und Zeichnungen ohne Bart dargestellt. Auf der anderen Seite lebte er aber am Längsten von allen Aposteln und starb im hohen Greisenalter, wo er auch noch Autor von fünf biblischen Büchern wurde. Deswegen wählte ich ein Gemälde, wo er als schreibender Greis dargestellt wird, mit dem römisch-katholischen Attribut des Adlers, worauf ich an anderer Stelle näher eingehe. Er und sein Bruder waren übrigens das zweite Brüderpaar, das Jesus an diesem Tag am See berief. Er und sein Bruder Jakobus erhielten von Jesus die Bezeichnung „Donnersöhne“, was wohl ihrem Temperament geschuldet war:

Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus, denen er den Beinamen »Boanerges« gab, das heißt Donnersöhne (Mk 3,17)

Die zwei „Donnersöhne“ waren gemeinsam mit Petrus der engste Kreis der Vertrauten von Jesus, wobei Johannes in seinem Evangelium oft darauf hinweist, dass er der Jünger war, „den Jesus liebte“. Er war also der Lieblingsjünger Jesu, der auch beim sogenannten letzten Abendmahl an der Brust des Herrn Jesus lag und von ihm erfuhr, wer der Verräter sein werde: 

Einer von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tisch an der Brust Jesu. Diesem nun winkt Simon Petrus, zu erfragen, wer es wohl sei, von dem er rede. Jener lehnt sich an die Brust Jesu und spricht zu ihm: Herr, wer ist es? Jesus antwortete: Der ist es, für den ich den Bissen eintauchen und ihm geben werde. Und als er den Bissen eingetaucht hatte, nimmt er ihn und gibt ihn dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot  (Joh 13,23-26)

Am Berg der Verklärung Jesu waren auch nur Johannes, sein Bruder Jakobus, und Petrus Augenzeugen:

Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und den Jakobus und den Johannes zu sich und führt sie allein beiseite auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verklärt, und seine Kleider wurden glänzend, sehr weiß wie Schnee, wie kein Bleicher auf Erden sie weiß machen kann.
Und es erschien ihnen Elia mit Mose, die redeten mit Jesus.
Und Petrus begann und sprach zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind! So lass uns drei Hütten bauen, dir eine und Mose eine und Elia eine! Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren voller Furcht. Da kam eine Wolke, die überschattete sie, und aus der Wolke kam eine Stimme, die sprach: Dies ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören!
Und plötzlich, als sie umherblickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein.
Als sie aber vom Berg herabgingen, gebot er ihnen, niemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Sohn des Menschen aus den Toten auferstanden sei.
Und sie behielten das Wort bei sich und besprachen sich untereinander, was das Auferstehen aus den Toten bedeute. (Mk 9,2-13)

Vor der Auferstehung Christi durften die drei Auserwählten niemand von dieser Begebenheit erzählen. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Johannes Geheimwissen zu sehen bekam, das er nicht so ohne weiteres weitergeben durfte. Später, im hohen Alter von knapp 100 Jahren, wurde er von seiner Exilinsel Patmos in den Himmel entrückt und bekam dort allerlei Geheimnisse zu sehen. Einige davon durfte er nicht aufschreiben:

Und als die sieben Donner ihre Stimmen hatten vernehmen lassen, wollte ich schreiben; da hörte ich eine Stimme aus dem Himmel, die zu mir sprach: Versiegle, was die sieben Donner geredet haben, und schreibe diese Dinge nicht auf! (Offb 10,4)

Das, was er aufschreiben durfte, ist uns in seinem Buch der Offenbarung erhalten geblieben. Im Greisenalter schrieb Johannes neben seiner Offenbarung noch weitere 4 Bücher und ist also insgesamt Verfasser von 5 biblischen Büchern. Damit ist er der zweitfleißigste Autor im Neuen Testament, gleich hinter Paulus, von dem 14 Briefe ins Neue Testament aufgenommen wurden.

Johannes hatte gleich mehrere Ämter inne. Erstens war er ein Jünger Jesu der ersten Stunde, er gehörte gemeinsam mit seinem Bruder Jakobus und den Brüdern Petrus und Andreas zu den ersten vier Jüngern, die Jesus berief. Dann gehörte er gemeinsam mit seinem Bruder Jakobus und Petrus zum Kreis der drei engsten Vertrauten von Jesus. Nach Christi Auferstehung wurde er von Jesus Christus zum Apostel berufen. Später wurde er Bischof von Ephesus und im Greisenalter auch noch Evangelist als er das vierte Evangelium schrieb und damit die Zahl der vier Evangelien voll machte.

Johannes war auch der einzige Jünger, der nach Jesu Gefangennahme seinem Herrn bis in den inneren Palast des Hohenpriesters folgte. Petrus musste vor der Tür warten, bis Johannes ihn hineinführte:

Simon Petrus aber folgte Jesus nach, und der andere Jünger. Dieser Jünger war mit dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus hinein in den Hof des Hohenpriesters. Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da ging der andere Jünger hinaus, der mit dem Hohenpriester bekannt war, und redete mit der Türhüterin und führte Petrus hinein. (Joh 18,15-16)

Wie überhaupt Johannes und Petrus sehr vieles gemeinsam zu zweit erlebten. Sie wuchsen gemeinsam am See auf, wo sie beide Fischer waren und berufen wurden. Etliche weitere Situationen in der Bibel erleben sie zu zweit. Wie das Bereiten des letzten Abendmahles (Lk 22,7-13). Oder nach der Auferstehung Christi liefen beide zum Grab von Jesus. Johannes war wegen seiner Jugend schneller, aber wartete respektvoll auf den älteren Petrus:

Nun gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und begaben sich zu dem Grab. Die beiden liefen aber miteinander, und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst zum Grab, und er beugte sich hinein und sah die leinenen Tücher daliegen, ging jedoch nicht hinein. Da kommt Simon Petrus, der ihm folgte, und geht in das Grab hinein und sieht die Tücher daliegen und das Schweißtuch, das auf seinem Haupt war, nicht bei den Tüchern liegen, sondern für sich zusammengewickelt an einem besonderen Ort. Darauf ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und er sah und glaubte. (Joh 20,3-8)

Auch waren es Johannes und Petrus, die gemeinsam die erste Heilung eines Menschen (er war gelähmt) nach Pfingsten bewirkten und dafür vom Hohen Rat verhört und eingeschüchtert wurden:

Es geschah aber am folgenden Morgen, dass sich ihre Obersten und Ältesten und Schriftgelehrten in Jerusalem versammelten, auch Hannas, der Hohepriester, und Kajaphas und Johannes und Alexander und alle, die aus hohepriesterlichem Geschlecht waren. Und sie stellten sie in ihre Mitte und fragten sie: Durch welche Kraft oder in welchem Namen habt ihr das getan? Da sprach Petrus, vom Heiligen Geist erfüllt, zu ihnen: Ihr Obersten des Volkes und ihr Ältesten von Israel, wenn wir heute wegen der Wohltat an einem kranken Menschen verhört werden, durch wen er geheilt worden ist, so sei euch allen und dem ganzen Volk Israel bekannt gemacht, dass durch den Namen Jesu Christi, des Nazareners, den ihr gekreuzigt habt, den Gott auferweckt hat aus den Toten, dass dieser durch Ihn gesund vor euch steht. Das ist der Stein, der von euch, den Bauleuten, verworfen wurde, der zum Eckstein geworden ist. Und es ist in keinem anderen das Heil ; denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir gerettet werden sollen! Als sie aber die Freimütigkeit von Petrus und Johannes sahen und erfuhren, dass sie ungelehrte Leute und Laien seien, verwunderten sie sich; und sie erkannten, dass sie mit Jesus gewesen waren. Da sie aber den Menschen bei ihnen stehen sahen, der geheilt worden war, konnten sie nichts dagegen sagen. Da befahlen sie ihnen, aus dem Hohen Rat hinauszugehen, und beratschlagten miteinander und sprachen: Was sollen wir mit diesen Menschen tun? Denn dass ein offenkundiges Zeichen durch sie geschehen ist, das ist allen Bewohnern von Jerusalem bekannt, und wir können es nicht leugnen. Aber damit es sich nicht weiter unter dem Volk verbreitet, wollen wir ihnen ernstlich drohen, damit sie künftig zu keinem Menschen mehr in diesem Namen reden! Und sie ließen sie rufen und geboten ihnen, überhaupt nicht mehr in dem Namen Jesus zu reden noch zu lehren. Aber Petrus und Johannes antworteten ihnen und sprachen: Entscheidet ihr selbst, ob es vor Gott recht ist, euch mehr zu gehorchen als Gott! Denn es ist uns unmöglich, nicht von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben! Sie aber drohten ihnen noch weiter und ließen sie frei, weil sie wegen des Volkes keinen Weg fanden, sie zu bestrafen; denn alle priesen Gott über dem, was geschehen war. Der Mensch, an dem dieses Zeichen der Heilung geschehen war, war nämlich über 40 Jahre alt. (Apg 4,5-22)

Johannes war einer der drei, die Jesus an seinem letzten Abend mit sich nahm, um zu wachen und zu beten:

Da kommt Jesus mit ihnen zu einem Grundstück, das Gethsemane genannt wird. Und er spricht zu den Jüngern: Setzt euch hier hin, während ich weggehe und dort bete! Und er nahm Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus mit sich; und er fing an, betrübt zu werden, und ihm graute sehr. Da spricht er zu ihnen: Meine Seele ist tief betrübt bis zum Tod. Bleibt hier und wacht mit mir! (Mt 26,36-38)

Johannes wurde auch noch eine andere, symbolträchtige Ehre zuteil: er, der jüngste aller Jünger Jesu, bekam unterm Kreuz von Jesus die Obsorge für die Mutter Jesu übertragen:

Als nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Darauf spricht er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. (Joh 19,26-27)

Diese Begebenheit wird oft zitiert und leider auch oft missverstanden. Römisch-Katholische Theologen und Historiker sehen in dieser Handlung einen heiß ersehnten Beweis, dass Jesus keine leiblichen Brüder hatte, denn wenn er welche gehabt hätte, so sagen sie, hätte Jesus seine Mutter nicht Johannes übertragen brauchen, sondern hätten sich die anderen leiblichen Söhne von Maria um sie kümmern müssen. Ja, nach jüdischem Recht wäre das so gewesen. Aber Jesus ging es um etwas anderes, was tendenziöse Theologen und Historiker übersehen: er hatte nur ungläubige, spöttische Brüder, die auch gar nicht mitkamen zu seiner Kreuzigung, Maria stand da allein mit Johannes und ein paar anderen Frauen. Jesus wollte seine Mutter in guten, gläubigen Händen wissen. Also blieb nur Johannes, der sowieso Jesu Lieblingsjünger war. In dem Kontext übersehen die Römisch-Katholischen Theologen übrigens noch einen anderen auffallenden Aspekt: Johannes, der später ganze fünf biblische Bücher schrieb, erwähnt darin kaum Maria, obwohl er sich von dem Tag der Kreuzigung ja ständig um sie kümmern musste und sicherlich sehr viel über sie wusste. Er war aber offenbar alles andere als ein Marienverehrer. Er würdigt Maria kaum in seinen Schriften. In seinen Briefen und der Offenbarung verliert er kein Wort über sie. Nur zweimal kommt sie in seinem Johannesevangelium vor: einmal bei der Hochzeit von Kana und dann bei der Kreuzigung wo Jesus zu ihr sagt: „Frau, siehe, dein Sohn!“ Jesus spricht sie nicht einmal mit dem warmen Ausdruck „Mutter“ an, nicht mal als er stirbt, sondern nennt sie distanziert „Frau“. Die selbe Anrede übrigens schon bei der Hochzeit von Kana:

Jesus spricht zu ihr: Frau, was habe ich mit dir zu tun? Meine Stunde ist noch nicht gekommen! (Joh 2,4)

So kann man also Johannes trefflich gegen die so beliebten Argumente und Dogmen der RKK verwenden. Oder anders ausgedrückt: an ihm kann man sehen, wie verblendet ganze Kirchen seine Schriften lesen. Und damit ist nicht nur die RKK gemeint, sondern auch die Lutherische, die auf dem Johannesevangelium, das Martin Luther weit über alle anderen Evangelien erhob, ebenso Irrlehren aufbaut. Aber dazu an einer anderen Stelle mehr. Kurzum: Johannes ist ein Jünger und Apostel Jesu, der immer schon für Spannungen und auch Streitereien sorgte. Auch unter den Jüngern, etwa wenn es darum ging, wer zur Rechten Christi sitzen darf oder ob Johannes überhaupt sterben würde:

Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sprachen: Meister, wir wünschen, dass du uns gewährst, um was wir bitten! Und er sprach zu ihnen: Was wünscht ihr, dass ich euch tun soll? Sie sprachen zu ihm: Gewähre uns, dass wir einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen dürfen in deiner Herrlichkeit! Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet! Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, womit ich getauft werde? Und sie sprachen zu ihm: Wir können es! Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, womit ich getauft werde; aber das Sitzen zu meiner Rechten und zu meiner Linken zu verleihen, steht nicht mir zu, sondern [es wird denen zuteil], denen es bereitet ist. Und als die Zehn es hörten, fingen sie an, über Jakobus und Johannes unwillig zu werden. (Mk 10,35-41)

Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus liebte, der sich auch beim Abendmahl an seine Brust gelehnt und gefragt hatte: Herr, wer ist’s, der dich verrät? Als Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was ist aber mit diesem? Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach! Daher kam nun dieses Wort auf unter den Brüdern: Dieser Jünger stirbt nicht! Und doch hat Jesus nicht zu ihm gesagt, er sterbe nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Das ist der Jünger, der von diesen Dingen Zeugnis ablegt und dies geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. (Joh 21,20-24)

Die Auslegung, dass Jesus gemeint hätte, dass Johannes nie sterben würde, hielt sich hartnäckig unter den Aposteln und den ersten Gemeinden und schien mit jedem Jahr, das Johannes länger lebte als alle anderen Aposteln, bestätigt. Tatsächlich war er es, der alle anderen Aposteln und viele frühe Christen weit überlebte, was menschlich betrachtet nicht so erstaunlich war, da er ja der jüngste von allen war (siehe oben). Tatsächlich starb aber kein Apostel eines natürlichen Todes und wurden die meisten relativ jung durch Hinrichtungen aus ihrem Leben gerissen. Und so ist es schon erstaunlich und kommt fast einer Sonderstellung gleich, dass Johannes der einzige Apostel war, der eines natürlichen Todes starb. Wegen seines langen Lebens, das praktisch das ganze 1.Jahrhundert währte, war er über die Jahrzehnte ein verlässlicher und wertvoller Augenzeuge vom Leben und Wirken Jesu Christi, auf den man immer zurück greifen konnte, wenn Unklarheiten oder Fragen auftauchten. Johannes lehrte wie alle anderen Aposteln fleißig jeden Tag und bildete so über die Jahrzehnte viele Schüler und ganze Gemeinden aus. Er betrachtete und behandelte sie dabei wie seine Kinder, was man auch sehr schön in seinen Briefen sehen kann. Einige von ihnen sind uns bis heute bekannt und haben selbst wertvolle Schriften verfasst, etwa Polykarp. Es sind auch etliche Geschichten und Anekdoten über Johannes überliefert worden von den frühen Christen. Zwei davon möchte ich zum Abschluss hier anführen.

Die erste ist uns von Irenäus überliefert, der ein Schüler des Polykarp von Smyrna war, der ein Schüler des Johannes war, und somit eine unterbrechungsfreie Überlieferungskette zu Johannes aufweisen kann. Er schreibt, wie sein Lehrer Polykarp eine Begebenheit über Johannes und den damals bekannten Irrlehrer Cerinth erzählte:

Noch leben die, welche ihn erzählen hörten, daß Johannes, der Schüler des Herrn, einst in Ephesus ein Bad nehmen wollte; wie er aber drinnen den Cerinth erblickte, sprang er ungebadet aus dem Bade heraus, indem er sagte, er fürchte, daß das Bad einstürze, wenn Cerinth, der Feind der Wahrheit, drinnen sei. So begegnete auch einst Polykarp dem Markion, und als dieser ihn fragte: „Kennst du mich?“ antwortete er ihm: „Ich kenne dich, du Erstgeborener des Satans!“ Eine solche Furcht hatten die Apostel und ihre Schüler, auch nur ein Wort mit denen zu wechseln, die die Wahrheit geschändet hatten. Sagt doch auch Paulus: „Einen ketzerischen Menschen meide, wenn du ihn einmal zurechtgewiesen hast, und wisse, daß ein solcher verkehrten Sinnes ist und frevelhaft und durch sich selbst verurteilt“ (Irenäus, Contra Haereses Gegen die Häresien (BKV), Drittes Buch, 3.Kapitel: Was wahre Tradition ist)

Die zweite ist uns von Klemens via Eusebius von Cäseräa überliefert:

„Vernimm ein Geschichtchen! Doch nein, kein Geschichtchen, sondern wirkliche Geschichte. Sie handelt von Johannes, dem Apostel. Sie ist der Tradition entnommen und steht historisch fest. 

Als Johannes nach dem Tode des Tyrannen von der Insel Patmos nach Ephesus zurückgekehrt war, besuchte er auf Wunsch auch die umliegenden Gegenden, um entweder Bischöfe einzusetzen oder ganze Gemeinden einzurichten oder aus den vom Geiste bezeichneten Männern einen einheitlichen Klerus aufzustellen. Nachdem er nun nach Ankunft in einer nicht ferngelegenen Stadt, deren Namen einige wissen wollen, zunächst die Brüder getröstet hatte, erblickte er schließlich einen jungen Menschen von schönem Körperbau, vornehmer Haltung und feurigem Gemüte. Das Auge auf den Bischof gerichtet, sagte Johannes: ‚Diesen Menschen empfehle ich dir von ganzem Herzen und rufe die Gemeinde und Christus zu Zeugen an.’ Der Bischof nahm den jungen Menschen zu sich und versprach alles; Johannes aber wiederholte seine Worte unter Anrufung der gleichen Zeugen.

Sodann kehrte dieser nach Ephesus zurück; der Presbyter aber nahm den ihm empfohlenen Jüngling in sein Haus auf, erzog ihn, beschützte ihn, pflegte ihn und erteilte ihm schließlich die Taufe. Sodann ließ er in seiner großen Sorgfalt und Wachsamkeit etwas nach, da er ihm das letzte Schutzmittel, das Siegel des Herrn, gespendet hatte. Der Jüngling, zu früh die Freiheit genießend, geriet in die verderbliche Gesellschaft einiger müßiger, liederlicher und an das Böse gewöhnter Altersgenossen. Zunächst gewannen sie ihn durch reiche Schmaußereien, dann nahmen sie ihn auch mit, wenn sie nachts auf Diebstahl ausgingen; schließlich verlangten sie von ihm noch Schlimmeres. Der Jüngling gewöhnte sich allmählich an diese Dinge, und lebhaft wie er war, wandte er sich gleich einem wilden, feurigen Pferde vom rechten Wege ab, biß in die Zügel und stürzte ungestüm in den Abgrund. Da er den Glauben an die Erlösung in Gott endgültig aufgegeben hatte, sann er nicht mehr nur auf kleine Sünden. Er verlangte, da er nun doch verloren sei, nach großen Vergehen und nach dem gleichen Schicksal, das den anderen drohte. Er gründete mit Hilfe seiner Altersgenossen eine Räuberbande, von welcher er gerne als der Gewalttätigste, Blutdürstigste und Schlimmste den Hauptmann machte.

Nach einiger Zeit wurde Johannes aus irgendeinem Anlaß wieder (in die Stadt) gerufen. Nachdem er die Geschäfte, derentwegen er gekommen war, erledigt hatte, sagte er: ‚Wohlan, o Bischof, gib mir zurück, was ich dir anvertraut habe! Ich und Christus haben es dir übertragen, wofür die Kirche, der du vorstehst, Zeuge ist. Der Bischof erschrak zunächst, da er meinte, er sei wegen Gelder, die er nicht (anvertraut) erhalten hatte, angeklagt worden. Einerseits konnte er, da er ja (kein Geld) erhalten hatte, (den Worten) nicht glauben, anderseits durfte er aber auch dem Johannes nicht mißtrauisch begegnen. Als aber dieser erklärte: ‚Den Jüngling fordere ich zurück und die Seele des Bruders’, seufzte der Greis tief auf, weinte und sprach: ‚Er ist gestorben’. ‚Wie kam dies, und welchen Todes ist er gestorben?’ Der Bischof antwortete: ‚Er ist für Gott tot. Denn er ist ein schlimmer, verkommener Mensch und sogar ein Räuber geworden. Den Berg hat er nun gegen die Kirche eingetauscht und sich gleichgesinnten Kampfnaturen zugesellt.’ Da zerriß der Apostel sein Gewand, schlug sich unter lautem Klagen an den Kopf und rief: ‚Ich habe dich als Wächter über die Seele des Bruders zurückgelassen. Doch stelle man mir nun ein Pferd und einen Wegführer zur Verfügung!’ Und wie er war, ritt er von der Kirche weg zur Stadt hinaus.

Als Johannes in den Bereich der Räuber gekommen war, wurde er von ihren Vorposten angehalten. Er floh nicht, noch bat er um Schonung, sondern rief: ‚Ich bin gekommen, weil ich euch wollte. Führet mich zu eurem Hauptmann!’ Dieser empfing ihn erst, nachdem er sich bewaffnet hatte. Als er aber in dem Ankömmling den Johannes erkannte, wandte er sich scheu zur Flucht. Johannes aber, sein hohes Alter vergessend, lief ihm eiligst nach und schrie: ‚Mein Sohn, warum fliehst du vor mir, deinem Vater, einem wehrlosen Greise? Erbarme dich meiner, o Sohn! Fürchte dich nicht! Immer noch bleibt dir die Hoffnung auf das Leben. Ich will für dich bei Christus eintreten. Wenn es notwendig ist, gehe ich gerne für dich in den Tod, wie der Herr für uns in den Tod gegangen ist. Für dich will ich mein Leben hingeben. Halte! Glaube! Christus hat mich gesandt.’ Als der Räuber diese Worte hörte, blieb er zunächst mit gesenktem Blicke stehen. Dann warf er die Waffen weg und vergoß zitternd bittere Tränen. Er umarmte den Greis, der vor ihm stand, entschuldigte sich, so gut er konnte, unter Seufzern und empfing durch seine Tränen eine zweite Taufe. Nur seine rechte Hand hielt er verborgen, Johannes aber verbürgte sich unter Eid dafür, daß er für ihn beim Erlöser Verzeihung erlangt habe, drang mit Bitten in ihn, fiel vor ihm auf die Knie nieder und küßte ihm die rechte Hand, um zu zeigen, daß sie durch seine Reue gereinigt wäre. Dann führte er ihn zur Kirche zurück. In ständigen Gebeten flehte er um Begnadigung, durch andauerndes Fasten machte er sich zu seinem Kampfgenossen, und durch zahlreiche gewinnende Worte besänftigte er sein Gemüt. Er verließ ihn, wie man erzählt, nicht eher, als bis er ihn der Kirche wiedergegeben und ein herrliches Beispiel wahrer Buße, ein schönes Denkmal der Wiedergeburt, ein Siegeszeichen der sichtbaren Auferstehung aufgestellt hatte.“ (Eusebius von Cäseräa, Historia Ecclesiastica Kirchengeschichte (BKV), Drittes Buch, 23. Kap. Das Leben des Apostels Johannes )

Diese wahre Geschichte lässt erkennen, warum Jesus den Beinamen „Donnersöhne“ für Johannes und seinen Bruder wählte. Johannes erwies sich bis ins hohe Greisenalter als wahrer Donnersohn, der mit viel Leidenschaft und Lärm auftrat und nicht locker ließ. Gewaltig.

Schließlich ist auch das Martyrium des Johannes überliefert worden. Martyrium? Schrieb ich nicht weiter oben, dass Johannes eines natürlichen Todes starb? Ja, aber das heißt nicht, dass nicht ein Versuch unternommen wurde, ihn qualvoll hinzurichten. Tatsächlich wurde er zunächst vom Kaiser Domitian zum grausamen Tod durch Sieden in heißem Öl verurteilt. Johannes empfand durch ein Wunder Gottes das Sitzen in dem kochenden Öl aber nur wie ein erfrischendes Bad. Als das der abergläubische Kaiser sah, verstand er es als ein Zeichen der Götter, dass Johannes nicht getötet werden durfte, und verbannte ihn stattdessen ins Exil auf die Insel Patmos. Überliefert wird uns bis heute diese Geschichte in der „Legenda Aurea“ (die Goldene Legende), das populärste und am weitesten verbreitete religiöse Volksbuch des Mittelalters, weit mehr gelesen als die Bibel. Verfasst wurde es durch den Erzbischof von Genua, Jacobus de Voragine. Viele namhafte Künstler der Mittelalters bis hin zur Romantik ließen sich davon inspirieren und so gibt es zahlreiche Gemälde von dem Martyrium des Apostels Johannes. So auch Albrecht Dürer, der Ende des 15.Jahrhunderts seinen Zyklus über die Apokalypse des Johannes mit dem Martyrium des Johannes einleitete, das hier zu sehen ist. 

Auf seiner Exilinsel Patmos schrieb Johannes dann seine berühmte Apokalypse, heute besser bekannt unter dem Namen Offenbarung.

Die Legenda Aurea erzählt auch, was sich während und nach dem Exil abspielte. Zum Beispiel die Geschichte von der in Ephesus lebenden gottesfürchtigen Drusiana. Diese kümmerte sich um die Armen und wünschte sich sehnlichst, noch zu Lebzeiten Johannes mit ihren Augen zu sehen. Jedoch starb sie. Johannes durfte, nachdem der Kaiser Domitian wegen seiner Grausamkeiten getötet wurde und der Senat dessen Gebote widerrief, wieder aus dem Exil zurückkehren. So ging er nach Ephesus, wo die Volksmenge ihm die tote Drusiana entgegentrug.

Da hieß Johannes die Bahre hinsetzen und hieß den Leichnam aufbinden und sprach „Mein Herr Jesus Christus erwecke dich, Drusiana: steh auf und geh in dein Haus und bereite mir zu essen“. Da stund sie auf und ging mit Ernst, das Gebot des Apostels zu erfüllen. (Die Legenda Aurea S.52) 

Sein Tod selbst soll ein friedlicher und bewusster gewesen sein. Er legte sich zum Sterben hin und segnete seine Jünger und Gemeinde.