Das Wort Religion kommt in der Bibel vor und ist daher biblisch.

Unser Wort Religion kommt vom lateinischen Wort religio. Es bedeutet auf Deutsch dasselbe wie auf Latein, nämlich Religion. Und das trifft auch auf alle anderen Sprachen zu, die dieses lateinische Wort ebenfalls in ihre Sprache holten, wie etwa Englisch, Französisch, Spanisch und natürlich Italienisch. 

In der lateinischen Bibel, der sogenannten Vulgata, kommt das Wort religio im Alten Testament in 14 Versen vor und im Neuen Testament in 7 Versen. Insgesamt in 21 Versen in der ganzen Bibel. Die Verteilung sieht konkret so aus:

Bereich Buch Verse Stellenangabe
Altes Testament Exodus 3 12,26.43; 29,9
  Leviticus 2 7,36; 16,31
  Numeri 1 19,2
  Esther 2 8,17; 9,27
  Jesus Sirach 3 1,17.18.26
  Daniel 1 3,90
  2. Makkabäer 2 6,11; 12,43
Summe AT 14  
Neues Testament Apostelgeschichte 4 2,5; 10,2; 13,50; 26,5
  Kolosser 1 2,18
  Jakobus 2 1,26.27
Summe NT 7  
Gesamtsumme 21  

Diese Verteilung sieht man allerdings nur in der Vulgata. Alle anderen Bibelübersetzungen weichen davon ab. Zum Beispiel sind es in der King James Version nur 6 Verse, in der New International Version 10 Verse, in der spanischen Nueva Biblia Viva 34 Verse, in der französischen Nueva Versión Internacional 13 Verse und in der italienischen La Parole è Vita sogar 50 Verse.

In den wichtigsten deutschen Bibeln kommt das Wort Religion jedoch überhaupt nicht vor und daher glauben viele deutschsprachige Christen, dass Religion nicht biblisch sei. Das ist aber ein großer Irrtum. Er liegt einerseits an den Übersetzern und andererseits an den Grundtexten, aus denen übersetzt wird. Denn die meisten Bibeln übersetzen heute nicht mehr den lateinischen Text der Vulgata, sondern greifen auf die älteren griechischen und hebräischen Grundtexte zurück, aus denen auch die Vulgata übersetzt wurde. Und dort gibt es verschiedene Begriffe für das Wort Religion, die man auch anders übersetzen kann, wenn man will. Die wichtigsten werden wir uns nun ansehen.

Im Neuen Testament gibt es im griechischen Grundtext das Wort thrēskeia (θρησκεία, G2356). Richtig übersetzt heißt es Religion, mit der Bedeutung „religiöse Anbetung“ oder „rituelle Anbetung“. Das Wort meint eine sich wiederholende Handlung oder Haltung, in der man sich fortwährend befindet. Normalerweise ein Leben lang. Es hat nichts mit einer Theorie oder Theologie zu tun, sondern mit einer Praxis, die sich wiederholend andauert. Der Begriff thrēskeia ist in der Bibel nicht auf die christliche Religion beschränkt, sondern wird auch auf andere Religionen angewandt.

Thrēskeia steht viermal im NT (Apg 26,5; Kol 2,18; Jak 1,26.27) und sein Adjektiv thrēskos einmal (Jak 1,26). Somit stehen Religion und religiös insgesamt fünfmal im Neuen Testament, in drei verschiedenen Büchern, geschrieben von drei verschiedenen Autoren.

Es ist also ein Wort, das nicht nur ein Autor exklusiv verwendete, sondern alle Apostel und Christen vom Beginn an - und zwar ausschließlich im positiven Sinne (das zeigen wir noch). Aber das ist leider nicht in jeder Übersetzung sichtbar. Sehen wir uns dazu den einen Vers an, wo beide Wörter vorkommen, in verschiedenen Sprachen und Übersetzungen zum Vergleich, nämlich Jakobus 1,26:

Wenn jemand meint, er diene Gott (o: er sei religiös), und zügelt nicht seine Zunge, sondern betrügt sein Herz, dessen Gottesdienst (o: Religion) ist vergeblich. (Jakobus 1,26, ELB)

Was fällt auf?

Erstens ist der Satz im Präsens geschrieben, also genau in der Zeitform, die eine fortwährende, sich wiederholende Handlung beschreibt. Jakobus hat also den oben beschriebene Bedeutungsumfang des Wortes richtig erfasst und wirklich gemeint.

Zweitens hat der Übersetzer die richtige Übersetzung „religiös“ und „Religion“ nur in die Fußnoten (Klammern) gesetzt, sie aber im normalen Bibeltext umschrieben mit „Gottesdienst“ oder „Gott dienen“. Übrigens haben wir die Elberfelder Übersetzung deswegen genommen, weil sie wenigstens so ehrlich ist, in Fußnoten darauf hinzuweisen, dass es „Religion“ und „religiös“ heißen sollte. Das machen die anderen deutschen Übersetzungen nicht:

Bibelübersetzung Jakobus 1,26
Einheitsübersetzung 2016 Wenn einer meint, er diene Gott, aber seine Zunge nicht im Zaum hält, sondern sein Herz betrügt, dessen Gottesdienst ist wertlos.
Lutherbibel 2017 Wenn jemand meint, er diene Gott, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern betrügt sein Herz, so ist sein Gottesdienst nichtig.
Schlachter 2000 Wenn jemand unter euch meint, fromm zu sein, seine Zunge aber nicht im Zaum hält, sondern sein Herz betrügt, dessen Frömmigkeit ist wertlos.
Zürcher Bibel Wer meint, fromm zu sein, seine Zunge aber nicht im Zaum hält, sondern sein Herz betrügt, dessen Frömmigkeit ist leerer Wahn.
Gute Nachricht Wenn jemand meint, Gott zu ehren, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, ist seine ganze Gottesverehrung wertlos und er betrügt sich selbst.
Hoffnung für alle Wer sich für fromm hält, aber seine Zunge nicht zügeln kann, der macht sich selbst etwas vor. Seine Frömmigkeit ist nichts wert.
Neue evangelistische Übersetzung Wenn jemand sich einbildet, Gott zu dienen, aber seine Zunge nicht im Zaum hält, der macht sich selbst etwas vor. Sein Dienst für Gott hat keinen Wert.
Neues Leben Wenn ihr behauptet, Gott zu dienen, aber eure Zunge nicht im Zaum halten könnt, betrügt ihr euch nur selbst, und euer Dienst für Gott ist wertlos.
Neue Genfer Übersetzung Wenn jemand sich für fromm hält, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, betrügt er sich selbst, und seine Frömmigkeit ist nichts wert.
Menge Bibel Wenn jemand Gott zu dienen meint und dabei seine Zunge nicht im Zaume hält, vielmehr sein Herz betrügt, dessen Gottesdienst [Frömmigkeit] ist nichtig.
Das Buch Wenn jemand meint, dass er so lebt, wie es Gott gefällt, dabei aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, der betrügt sein eigenes Herz, und seine Gottesverehrung ist leeres Gerede.

Das sind die wichtigsten 10 deutschen Bibeln. Mann kann noch alle anderen nachschlagen und wird feststellen, dass die deutschen Bibelübersetzungen sich anscheinend entschieden haben, das Wort thrēskeia nicht zu übersetzen sondern zu umschreiben. Und das macht noch dazu jede Bibel auf ihre Art. Manche nennen es Gottesverehrung, andere Gottesdienst, wieder andere Frömmigkeit oder Dienst für Gott oder etwas in der Art. Aber keine schreibt Religion. Wirklich keine? Doch, wir fanden drei kleine Bibeln, die dem deutschen Mainstream tapfer Widerstand leisten und Klartext schreiben:

Benjamin Fotteler, 2020 Falls jemand unter euch meint religiös zu sein, obwohl er seine Zunge nicht im Zaum hält, sondern sein Herz täuscht, dessen Religion ist nichtig.
Leander van Ess, 1859 Hält sich Jemand für religiös und zügelt seine Zunge nicht, sondern täuscht sein Herz, dessen Religion ist ohne Werth.
Gerhard Kautz, 2020 Wenn jemand meint, religiös zu-sein~, (obwohl/und dabei) nicht ´seine` Zunge am Zügel führend, sondern ´sein` Herz täuschend, diese Religion (ist) nichtig.

Wieso deutscher Mainstream? Weil das - wieder einmal - die erdrückende Mehrheit der deutschen Übersetzungen betrifft. In allen anderen Sprachen übersetzen die meisten und wichtigsten Bibeln thrēskeia korrekt mit Religion:

Sprache Bibelübersetzung Jakobus 1,26
Latein Vulgata Si quis autem putat se religiosum esse, non refrenans linguam suam, sed seducens cor suum, hujus vana est religio.
Englisch King James If any man among you seem to be religious, and bridleth not his tongue, but deceiveth his own heart, this man's religion is vain.
Englisch Darby If any one think himself to be religious, not bridling his tongue, but deceiving his heart, this man’s religion is vain.
Englisch World English Bible If anyone among you thinks himself to be religious while he doesn’t bridle his tongue, but deceives his heart, this man’s religion is worthless.
Englisch Young's Literal Translation  If any one doth think to be religious among you, not bridling his tongue, but deceiving his heart, of this one vain is the religion
Englisch English Standard Version  If anyone thinks he is religious and does not bridle his tongue but deceives his heart, this person's religion is worthless. 
Englisch American Standard Version If any man thinketh himself to be religious, while he bridleth not his tongue but deceiveth his heart, this man's religion is vain. 
Englisch New International Version Those who consider themselves religious and yet do not keep a tight rein on their tongues deceive themselves, and their religion is worthless.
Englisch Wycliffe And if ony man gessith hym silf to be religiouse, and refreyneth not his tunge, but disseyueth his herte, the religioun of him is veyn.
Englisch Webster Bible If any man among you seemeth to be religious, and bridleth not his tongue, but deceiveth his own heart, this man’s religion is vain.
Englisch The Scriptures If anyone among you thinks he is religious, and does not bridle his tongue but deceives his own heart, this one’s religion is worthless.
Französisch Sacy Bible  Si quelqu’un d’entre vous se croit être religieux, et ne retient pas sa langue comme avec un frein, mais séduit lui-même son coeur, sa religion est vaine et infructueuse.
Französisch Augustin Crampon  Si quelqu`un s`imagine être religieux sans mettre un frein à sa langue, il s`abuse lui-même et sa religion est vaine.
Italienisch IT Se uno pensa d’esser religioso, e non tiene a freno la sua lingua ma seduce il cuor suo, la religione di quel tale è vana.
Italienisch DIO Se alcuno pare esser religioso fra voi, e non tiene a freno la sua lingua, ma seduce il cuor suo, la religion di quel tale è vana.
Italienisch La Sacra Bibbia Nuova Riveduta 2006 Se uno pensa di essere religioso, ma poi non tiene a freno la sua lingua e inganna se stesso, la sua religione è vana.
Spanisch RV Si alguno piensa ser religioso entre vosotros, y no refrena su lengua, sino engañando su corazón, la religión del tal es vana.
Spanisch RVA Si alguien parece ser religioso y no refrena su lengua, sino que engaña a su corazón, la religión del tal es vana.
Spanisch ESC Si alguno piensa ser religioso entre vosotros, y no refrena su lengua, sino que engaña su corazón, la religión del tal es vana
Spanisch Lateinamerikanische Bibel Si alguno se cree muy religioso, pero no controla sus palabras, se engaña a sí mismo y su religión no vale.
Spanisch NVI Si alguien se cree religioso pero no le pone freno a su lengua, se engaña a sí mismo, y su religión no sirve para nada.

Und so weiter. Die Liste könnte - speziell bei den englischen Bibeln - noch lange so fortgesetzt werden. Hier ergibt sich ein Gesamtzustand wie wir ihn schon bei anderen Begriffen (z.B. bei Königreich Gottes) hatten: International übersetzt die große Mehrheit der Bibeln übereinstimmend korrekt. Doch die deutschen Bibeln tanzen auffallend aus der Reihe indem sie alternative Formulierungen bemühen. Man muss auf Deutsch lange suchen bis man die richtigen Worte findet, denn nur eine handverlesene, fast unbekannte Minderheit liefert treu den korrekten Wortlaut. Woran das liegt, wäre sicherlich mal spannend zu untersuchen, ist hier aber nicht das Thema.

Zurück zu Religion und dem oben zitierten Vers von Jakobus. Dazu sei gesagt, dass der Jakobusbrief das älteste Buch im Neuen Testament ist. Er wurde schon sehr früh in Jerusalem geschrieben und war der einzige Lehrbrief, mit dem die Urgemeinde jahrelang unterrichtet wurde, als es noch nichts anderes schriftliches von den Aposteln gab. Der Autor dieses Briefes war der erste Bischof von Jerusalem höchstpersönlich, ein damals sehr angesehener Mann, nämlich Jakobus der Gerechte, der leibliche Bruder unseres Herrn Jesus Christus. Wenn der also die Worte Religion und religiös benützte, dann exakt in dem Sinne, wie er sie von seinem Bruder Jesus gelehrt und vorgelebt bekam! Und er hängte auch noch einen Satz an, mit dem er erklärte, wie die richtige Religion aussehen muss:

(Eine) reine und unbesudelte Religion bei dem Gott und Vater ist diese: Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis aufzusuchen~ (um zu helfen, und) sich-selbst unbeschmutzt zu-bewahren~ von der Welt. (Jak 1,27, Gerhard Kautz, Studienübersetzung )

Hier lehrt Jakobus eindeutig eine praktische Handlung, die Gott gefällt, weil Er sie geboten hat. Es geht um das Halten der Gebote Gottes, konkret um das Gebot, sich um Witwen und Waisen zu kümmern und Bedrängten und Bedürftigen zu helfen. Beides lehrte Jesus. Und so lehrten es die Apostel ebenso. Deswegen war das natürlich Teil der Religion der Urgemeinde. Die Apostel konzentrierten sich sogar so stark darauf, dass sie andere wichtige Aufgaben vernachlässigten:

In jenen Tagen aber, als die Zahl der Jünger wuchs, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Hilfeleistung übersehen wurden. Da beriefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen, um bei den Tischen zu dienen. Darum, ihr Brüder, seht euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die ein gutes Zeugnis haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind; die wollen wir für diesen Dienst einsetzen, wir aber wollen beständig im Gebet und im Dienst des Wortes bleiben! (Apostelgeschichte 6,1-4)

So wurden die ersten Diakone im Christentum eingesetzt. Aber das allein ist nicht alles, was Jakobus zum Thema Religion sagte. Er schloss seine Erläuterung mit dem globalen Gebot ab, sich von der Welt unbeschmutzt und rein zu bewahren. Auch das lehrte bereits Jesus und lehrten die Apostel ebenso und lebten es vor.

Zum Beispiel Petrus:

Darum, Geliebte, weil ihr dies erwartet, so seid eifrig darum bemüht, dass ihr als unbefleckt und tadellos vor ihm erfunden werdet in Frieden! (2.Petrus 3,14)

Oder Paulus:

Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden und das Ehebett unbefleckt; die Unzüchtigen und Ehebrecher aber wird Gott richten! (Hebräer 13,4)

Oder Jesus:

Doch du hast einige wenige Namen auch in Sardes, die ihre Kleider nicht befleckt haben; und sie werden mit mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind es wert. (Offenbarung 3,4)

Daher kommt auch der Ruf zur Absonderung von der Welt:

Zieht nicht in einem fremden Joch mit Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu schaffen? Und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial überein? Oder was hat der Gläubige gemeinsam mit dem Ungläubigen? Wie stimmt der Tempel Gottes mit Götzenbildern überein? Denn ihr seid ein Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: »Ich will in ihnen wohnen und unter ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein«. Darum geht hinaus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an! Und ich will euch aufnehmen, und ich will euch ein Vater sein, und ihr sollt mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige. (2. Korinther 6,14-18)

Das ist die Religion, die Gott uns im Alten und Neuen Testament gebietet. Wir müssen uns von der Welt absondern, um uns nicht mit ihr zu beflecken, sondern uns unbefleckt und rein zu halten. Das lehrten Jesus Christus, Seine Apostel und ihre Nachfolger und sie alle waren darin gute Vorbilder. Viele Passagen im NT drehen sich darum, wie und warum das zu machen ist. Ausgangspunkt ist Jesu Grundsatzansage in der Bergpredigt:

Niemand kann zwei Herren dienen, denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon! (Matthäus 6,24)

Religion heißt, Gott zu dienen. Niemand kann zwei Herren dienen, sagt Jesus Christus, und daher müssen wir uns für einen entscheiden und auch nur eine Religion haben. Jakobus hat uns das in den zwei Versen kurz zusammengefasst. Er hat ein positives Verständnis von Religion und praktizierte sie wie alle anderen treuen Nachfolger Christi.

Doch das Wort Religion ist im Neuen Testament nicht allein für das Christentum reserviert. So spricht Paulus vor König Aggripa von der Religion der Juden:

Mein Lebenswandel von Jugend auf, den ich von Anfang an unter meinem Volk in Jerusalem führte, ist allen Juden bekannt; da sie mich von früher her kennen (wenn sie es bezeugen wollen), dass ich nach der strengsten Richtung unserer Religion gelebt habe, als ein Pharisäer. (Apostelgeschichte 26,4-5, SCH2000)

Hier steht wieder das griechische Wort thrēskeia. Doch an der Stelle - wo es nicht ums Christentum geht - übersetzt es die Schlachter 2000 und andere große deutsche Übersetzungen plötzlich mit Religion. Ist das nicht interessant und aufschlussreich?

Im Neuen Testament wird dasselbe Wort thrēskeia aber auch für heidnische Religionen und Irrlehren benützt:

Um den Kampfpreis soll euch niemand bringen, der seinen eigenen Willen tut in scheinbarer Demut und Anbetung der Engel, der auf das eingeht, was er in Visionen gesehen hat, grundlos aufgeblasen von der Gesinnung seines Fleisches, und nicht festhält das Haupt, von dem aus der ganze Leib, durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst. (Kolosser 2,18-19, ELB)

An der Stelle schreiben die deutschen Übersetzer „Anbetung“ oder „Verehrung“ von Engeln. Nur Benjamin Fotteler spricht von „religiöser Verehrung der Engel“.

In der Vulgata steht an der Stelle aber Religion: 

nemo vos seducat volens in humilitate et religione angelorum quae non vidit ambulans frustra inflatus sensu carnis suae

Aber sonst wagt es kaum eine Übersetzung an der Stelle von Religion zu sprechen. Wenn es um Engelverehrung geht, will man offenbar nicht an Religion denken. Zumindest heute nicht. Zur Zeit des Neuen Testaments war das für die Griechisch und Latein sprechenden Christen aber offenbar kein Problem. Denn sie schrieben thrēskeia (Griechisch) oder religione (Latein) an der Stelle. Das lag aber nicht an einem Mangel an Worten, denn in beiden Sprachen hätte es auch andere Begriffe gegeben. Zum Beispiel das griechische Wort latreia. Es heißt Anbetung, Verehrung oder Dienst für Gott und kommt oft in der Bibel vor, im AT genauso wie im NT. Jesus benützte es auch für falsche Religionen:

Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen; es kommt sogar die Stunde, wo jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu erweisen. Und dies werden sie euch antun, weil sie weder den Vater noch mich kennen. (Johannes 16,2-3)

Das ist eine starke, richtungsweisende Aussage von Christus. Er lehrte Seine Jünger nicht nur, dass sie verfolgt, ausgestoßen und hingerichtet werden würden (was dann auch genauso geschah), sondern dass dies deswegen geschah, weil die Täter eine falsche Religion hatten. Denn diese tun es, weil sie glaubten, dass sie (ihrem) Gott damit einen Dienst erweisen würden. Sie erweisen damit aber nicht dem Vater im Himmel einen Dienst, denn den kennen sie genauso wenig wie Seinen Sohn Jesus Christus. Sie dienen einem falschem Gott mit einer falschen Religion. Damit sagt Jesus schon im Voraus, wie Er jene Menschen beurteilt, die Seine Jünger so behandeln werden. Und jeder kann in der Kirchengeschichte sehen, wer es war, der die wahren Nachfolger Christi bis heute aus der Synagoge (damit meinte Jesus zunächst die jüdische Synagoge, aber in Folge auch alle anderen Glaubensgemeinschaften, denn das griechische Wort sunagoge bedeutet Versammlung bzw. Gemeinschaft von Gläubigen) ausschloss, verfolgte und tötete. Wahre Christen sind dabei nie die Täter, sondern immer die Opfer. Die Lehre Christi wirft somit ein beschämendes Licht auf die vielen Religionskriege der letzten zweitausend Jahre im Namen „Gottes“. Es sind immer die falschen Religionen, die die richtige, wahre verfolgen.

Denn es gibt genauso viele Religionen wie es verschiedene Götter gibt in der Welt. Wir können uns entscheiden, wem wir dienen und welche Religion wir ausüben. So wie Jesus betonte, dass wir nicht zwei Herren dienen können. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. Das ist religiös gemeint. Die meisten Menschen dienen heute dem Mammon und haben somit die falsche Religion. So hat am Ende jeder Mensch eine Religion - ob bewusst oder unbewusst. 

Auch im Griechischen Alten Testament ist das Wort latreia mehrmals in dem Sinne in Verwendung. Zum Beispiel hier:

Du sollst von allen Worten, die ich dir heute gebiete, nicht weggehen, weder nach rechts noch nach links, um hinter anderen Göttern herzuziehen, sie (gottesdienstlich) zu verehren. (Dtn 28,14 Septuaginta Deutsch)

Wenn dein Herz sich aber abwendet und du nicht hinhörst, sondern, irregeleitet, dich anbetend vor anderen Göttern hinwirfst und sie gottesdienstlich verehrst, tue ich dir heute kund, dass ihr völlig zugrunde gehen und gewiss nicht viele Tage leben werdet in dem Land, in das hinein ihr dort den Jordan überschreitet, um es als Erbbesitz zu erhalten. (Dtn 30,17+18 Septuaginta Deutsch)

Aber natürlich steht dieses Wort im Alten Testament auch für die wahre, richtige Religion. Das erste Mal kommt es im Buch Exodus vor:

Und wenn dann eure Kinder zu euch sagen: Was habt ihr da für einen Dienst?, so sollt ihr sagen: Es ist das Passah-Opfer des HERRN, der an den Häusern der Kinder Israels verschonend vorüberging in Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete! — Da neigte sich das Volk und betete an. (2.Mose 12,26+27, SCH2000)

Die Vulgata schreibt in Vers 26 Religion:

et cum dixerint vobis filii vestri quae est ista religio

Die Septuaginta Deutsch übersetzt den ganzen Satz so:

Und es soll (so) sein: Wenn euch eure Söhne fragen: »Was ist das für ein Brauch?« so sollt ihr ihnen sagen: »Ein Opfer ist dieses Pascha für den Herrn, der die Häuser der Israeliten in Ägypten beschützte, als er die Ägypter schlug, unsere Häuser aber errettete.« Und das Volk beugte sich nieder und betete an.

Gott hat also eine fortwährend sich wiederholende Handlung geboten, die manche als „Brauch“ übersetzen, andere als „Dienst“, die aber eigentlich Religion ist.

Gott hat Religion geboten und der Mensch ist ein religiöses Wesen. Das bezeugt die gesamte Heilige Schrift. Und die gesamte Menscheitsgeschichte sowieso. So sind wir geschaffen. Jeder Mensch betet gottesdienstlich irgendeinen Gott an. Früher sah das vielleicht anders aus als heute. Heute nennt man das vielleicht nicht mehr Gottesdienst oder Religion, aber das Prinzip bleibt gleich. Manche Religionen wurden moderner oder sind erst in der Moderne entstanden. Auch die Namen der Götter haben sich vielleicht geändert, aber dahinter stecken die selben Götter wie in der Antike. Heute sagt man zum Beispiel nicht mehr Mammon, sondern Reichtum, Wohlstand oder Geld. Aber immer noch dienen viel zu viele Menschen diesem Gott und unterwerfen ihm ihr ganzes Leben, ihre Gedanken und Entscheidungen. Und das nennt die Bibel auch Religion. Über die modernen Götter und Götzendienste werden wir einen eigenen Beitrag verfassen. Hier geht es nur um den Begriff Religion und wie er vom Vater im Himmel und Seinem Sohn verstanden und daher im Wort Gottes verwendet wird.

Wir dürfen also bei dem biblischen Wort Religion nicht nur an eine bestimmte Religion denken, sondern müssen aufmerksam sein und unterscheiden lernen zwischen den vielen verschiedenen Religionen und dann die einzig wahre Religion in der Schrift erkennen und ihr folgen. Die wahre ist die, die zum Leben führt. Sie wurde von Jesus Christus praktiziert, gelehrt und an Seine Apostel weitergegeben. Alle anderen Religionen führen ins Verderben, in die Zerstörung von Leib und Seele, in die ewige Verdammnis.

Den frühen Christen war das sehr bewusst. Sie praktizierten deswegen die einzig wahre Religion und versuchten sie allen anderen Menschen zu erklären und vorzuleben. Das ist im Prinzip der rote Faden durch alle frühchristlichen Bücher. Manche Bücher und Briefe wurden sogar nur einzig und allein aus diesem Grund geschrieben. Zum Beispiel der Brief an Diognet. Er beginnt mit folgenden Worten:

Du hast, wie ich sehe, mein vortrefflichster Diognet, einen ungewöhnlichen Eifer, die Religion der Christen kennen zu lernen, und erkundigst dich über sie sehr genau und sorgfältig, was das für ein Gott ist, dem vertrauend und dienend sie alle die Welt geringschätzen und den Tod verachten und weder die von den Griechen anerkannten Götter als solche ansehen noch dem Aberglauben der Juden huldigen; ferner was das für eine Liebe ist, die sie untereinander hegen; endlich, warum diese neue Lebensart und Gottesverehrung erst jetzt und nicht viel früher in die Welt getreten ist.

Ich begrüße diesen deinen Wunsch herzlich und bitte Gott, der uns die Sprache und das Gehör verleiht, um die Gabe für mich, so zu sprechen, damit ich vor allem höre, dass du erbaut worden bist, und für dich, so zu hören, damit ich, der ich rede, keinen Grund zum Bedauern habe, es getan zu haben. (Des Mathetes Brief an Diognet, Kapitel I)

Wer die Religion der Christen kennenlernen will, als sie noch unverdorben, strahlend und echt war, dem sei dieser Brief wärmstens ans Herz gelegt. Er hat immer noch die selbe Gültigkeit wie im zweiten Jahrhundert. Wir haben ihn, gemeinsam mit zwei anderen wertvollen Briefen, in einem Sammelband herausgebracht: BRIEFE DER VERTEIDIGUNG.

Im Überblick

Bibelübersetzungen
Deutsche und Englische Bibeln mit Eckdaten und Beschreibungen

Historische Persönlichkeiten
Biographien und Erklärungen zu Persönlichkeiten rund um die Kirchengeschichte aus und neben der Bibel

Bücher
Biblische und anderen Bücher der Kirchengeschichte