Viele Christen und Juden glauben heute, dass Jesus und seine Apostel auf Hebräisch lehrten und in den jüdischen Synagogen Hebräische Heilige Schriften lagen. Denn sie waren ja alle Juden und müssten daher logischerweise Hebräisch gesprochen haben. Nicht alles, was heute logisch klingt, ist aber damals wahr gewesen.
Wenn Paulus auf seinen Missionsreisen in eine Stadt kam, die eine Synagoge hatte, so ging er in die Synagoge um dort zu lehren und die Juden zu bekehren. Dabei zitierte er laufend die Heiligen Schriften und bewies so den Juden anhand ihrer eigenen Schriften, dass sie auf dem falschen Weg waren, weil sie den ihnen verheißenen Messias abgelehnt und gekreuzigt hatten, anstatt sich ihm anzuschließen. In welcher Sprache diskutierte Paulus aber in den Synagogen mit den Juden und welche Schriften zitierte er in welcher Sprache?
Leider glauben heute offenbar viele Bibelgesellschaften, dass die Juden in den Synagogen zur Zeit Jesu Hebräische Heilige Schriften hatten und deswegen verwenden sie für die Übersetzung des Alten Testaments ihrer Bibel einen Hebräischen Grundtext, den sogenannten Masoretentext (MT). Wer hat das aber überprüft, ob das überhaupt richtig ist? Wo sind die Beweise? Wir werden hier zeigen, wie man das macht.
Im Neuen Testament sind hunderte Zitate aus dem Alten Testament. Wir brauchen also nur nachzusehen, ob der Hebräische Masoretische Text zitiert wurde, oder die Griechische Septuaginta.
Paulus in der Synagoge in Antiochia in Pisidien
Wie gewohnt betrat Paulus am Sabbat die Synagoge und bekam nach der Lesung des Gesetzes und der Propheten die Gelegenheit zu den versammelten Männern zu sprechen. Er nützte die Gelegenheit und begann mit der den Juden bestens bekannten Geschichte ihrer Vorfahren, die in ihren Heiligen Schriften überliefert ist. Dann leitete er über zu Johannes dem Täufer und schließlich zu Jesus wie er gekreuzigt wurde und aber von Gott auferweckt wurde. Um das zu bekräftigen zitierte er zwei Psalmen und zwei Propheten. Hier ein Ausschnitt aus der Rede von Paulus:
Und wir verkündigen euch das Evangelium, dass Gott die den Vätern zuteilgewordene Verheißung an uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesus erweckte, wie auch im zweiten Psalm geschrieben steht: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt«. Dass er ihn aber aus den Toten auferweckte, sodass er nicht mehr zur Verwesung zurückkehren sollte, hat er so ausgesprochen: »Ich will euch die heiligen Gnadengüter Davids geben, die zuverlässig sind«. Darum spricht er auch an einer anderen Stelle: »Du wirst nicht zulassen, dass dein Heiliger die Verwesung sieht«. [Apostelgeschichte13,32-35, SCH2000]
Schauen wir uns die drei bis hierher zitierten Stellen in der selben Bibel im Alten Testament an und vergleichen wir sie mit der Septuaginta Deutsch:
SCH2000 (Masoretentext) | LXX Deutsch | |
---|---|---|
Psalm 2,7 | »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. | Mein Sohn bist du; ich habe dich heute gezeugt. |
Jesaja 55,3 | Denn ich will euch einen ewigen Bund gewähren: die Gnadengüter Davids, die zuverlässig sind. | Und ich will mit euch einen ewigen Bund schließen: die heiligen Gnadenerweise an David, die zuverlässigen. |
Psalm 16,10 | ... denn du wirst meine Seele nicht dem Totenreich preisgeben und wirst nicht zulassen, dass dein Getreuer die Verwesung sieht. | .. denn du wirst meine Seele nicht der Unterwelt preisgeben noch zulassen, dass dein Frommer die Vernichtung (o. Verwesung) sieht. |
Auf den ersten Blick scheint alles richtig zitiert zu sein, und das Alte Testament, das auf dem Masoretentext basiert, mit dem Neuen Testament übereinzustimmen.
Auf dem zweiten Blick könnten ein paar kleine, aber feine Unterschiede auffallen. Etwa, dass Paulus von heiligen Gnadengütern spricht, wenn er Jesaja zitiert. Die sind im Masoretentext nicht heilig. Weiters schreibt Psalm 16,10 im Masoretentext nicht dein Heiliger, sondern dein Getreuer. Die LXX Deutsch übersetzt dein Frommer, was deutlich näher einem Heiligen ist. Die kleine Unschärfe liegt in dem Fall aber nur an den deutschen Übersetzern. Denn liest man die Apostelgeschichte im Griechischen Grundtext, sieht man, dass alle Zitate von Paulus identisch sind mit der Septuaginta:
Apg 13,33 (nur Zitat): | υιός μου ει συ εγώ σήμερο γεγέννηκά σε |
Psalm 2,7 in der LXX: | υιός μου ει συ εγώ σήμερο γεγέννηκά σε |
Apg 13,34 (nur Zitat): | δώσω υμίν τα όσια Δαβίδ τα πιστά |
Jesaja 55,3 in der LXX: | τα όσια Δαυίδ τα πιστά |
Apg 13,35 (nur Zitat): | δώσεις τον όσιόν σου ιδείν διαφθο άν |
Psalm 16,10 in der LXX: | δώσεις τον όσιόν σου ιδείν διαφθο άν |
Auch wenn man nicht Griechisch kann, ist unschwer zu erkennen, dass Paulus exakt den Wortlaut der Septuaginta (LXX) zitierte. Die Schlüsselworte heilig (όσια, Apg 13,24 und Jesaja 53,3) und dein Heiliger (τον όσιόν σου, Apg 13,35 und Psalm 16,10) stimmen Zeichen für Zeichen überein (fett markiert) im Gegensatz zum MT. Auch das Zitat aus Psalm 2 ist Wort für Wort völlig identisch mit der LXX. Es ist somit eindeutig, welche Schrift Paulus zitierte.
Noch deutlicher wird es, wenn man sich den Propheten ansieht, mit dem Paulus seine Rede krönend abschließt:
So habt nun acht, dass nicht über euch kommt, was in den Propheten gesagt ist: »Seht, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte, denn ich tue ein Werk in euren Tagen, ein Werk, dem ihr nicht glauben würdet, wenn es euch jemand erzählte!« [Apg 13,41, SCH2000]
Paulus zitiert hier den Prophet Habakuk. In der selben Bibel (Schlachter 2000) liest sich der Prophet allerdings so:
Seht euch um unter den Heidenvölkern und schaut umher; verwundert und entsetzt euch! Denn ich tue ein Werk in euren Tagen — ihr würdet es nicht glauben, wenn man es erzählte! [Hab 1,5, SCH2000]
Was fällt auf? Habakuk wendet sich demnach gar nicht an die Juden, er nennt sie auch nicht Verächter, sondern er bezieht seine Aussage auf die Heidenvölker! Er droht auch nichts an, sondern sagt nur, dass sich die Juden umsehen und entsetzen sollen. Warum genau wird gar nicht erklärt. Kein Wort von einer Zunichtemachung. Hat Paulus Habakuk verdreht und auf den Kopf gestellt? Hätten da die Männer in der Synagoge nicht sofort protestieren müssen, weil Paulus den Prophet tendenziös zitiert und seine Aussage verdreht? Bei Habakuk passiert den Heidenvölkern anscheinend etwas entsetzliches, Paulus hingegen münzt das aber auf die Juden in der Synagoge um und warnt sie mit den eindringlichen Worten „So habt nun acht, dass nicht über euch kommt, was in den Propheten gesagt ist“. Und er nennt die Juden Verächter! Das sind harte Worte, die Habakuk gar nicht gebraucht, oder?
Das Problem ist hier wie so oft der Masoretentext, den die Schlachter 2000 - wie fast alle anderen Bibeln auch - als Grundtext für das Alte Testament verwendet. Aber Paulus kannte und meinte nicht den Masoretentext, sondern die Septuaginta:
Seht, ihr Verächter, schaut zu und nehmt Befremdliches mit Befremden wahr und verschwindet, denn ich vollbringe ein Werk in euren Tagen, das ihr gewiss nicht für wahr halten werdet, wenn es einer berichtet! [Habakuk 1,5, Septuaginta Deutsch]
Damit ist eindeutig, dass Paulus die Septuaginta in der Synagoge zitierte! Es kam ja auch kein Protest von den frommen Männern und Schriftgelehrten der Synagoge, weil Paulus etwa verkehrt zitiert hätte. Nein, er machte das korrekt, sie kannten den Text, weil die Septuaginta in allen Synagogen damals auflag, sie war die Heilige Schrift der Juden seit Jahrhunderten, und es war ja genau der Wortlaut der LXX, den Paulus brauchte, um den Juden vor Augen zu führen, dass Habakuk in Wahrheit sie ermahnte und als Verächter bezeichnete, die zunichte gemacht würden, wenn sie nicht glauben würden was ihnen Paulus erzählte. Habakuk prophezeit ursprünglich also tatsächlich den Juden etwas Entsetzliches, dass sie nämlich zunichte gemacht (oder verschwinden) würden, und nicht den Heidenvölkern. Das gefiel den Juden, die Jesus Christus ablehnten, nicht und es dauerte nicht lange, bis sie begannen auch die Septuaginta abzulehnen, mit der die Christen (und allen voran Paulus) ihnen ihren bevorstehenden Untergang bewiesen. Und so schrieben sie ihre eigenen Heiligen Schriften auf Hebräisch, und entschärften und verdrehten bei der Gelegenheit gleich alle Stellen, die die Juden anklagten, so wie jene in Habakuk. Damals gab es diesen konstruierten Hebräischen Masoretentext aber noch nicht und so konnte Paulus den Juden noch die Septuaginta entgegen halten und sie damit ermahnen. Heute geht das nicht mehr, denn heute lehnen die Juden (und nebenbei bemerkt die meisten Christen) die Septuaginta ab und sehen stattdessen den Masoretentext als die wahre Heilige Schrift Gottes an. Welch ein verhängnisvoller Irrtum!
Es sollte auch jedem Bibelleser auffallen, dass in allen Bibeln im NT die Verächter drin stehen. Darauf baute ja Paulus seine Argumentation auf und die blieb uns in der Apostelgeschichte überall erhalten:
Apostelgeschichte 13,41 | Habakuk 1,5 | |
LUT2017 | Seht nun zu, dass nicht über euch komme, was in den Propheten gesagt ist (Habakuk 1,5): 41 »Seht, ihr Verächter, und wundert euch und werdet zunichte! Denn ich tue ein Werk zu euren Zeiten, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt.« | Schaut hin unter die Völker, seht und verwundert euch! Denn ich will etwas tun zu euren Zeiten, was ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird. |
ELB | »Seht, ihr Verächter, und wundert euch und verschwindet! Denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt.« | Seht euch um unter den Nationen und schaut zu und stutzt, ja, staunt! Denn ich wirke ein Werk in euren Tagen – ihr glaubtet es nicht, wenn es erzählt würde. |
Hfa | ›Ihr Verächter der Wahrheit! Wacht auf aus eurer Gleichgültigkeit und erschreckt zu Tode. Was ich noch zu euren Lebzeiten geschehen lasse, würdet ihr nicht für möglich halten, wenn andere es euch erzählten.‹ « | »Seht euch einmal unter den Völkern um! Ja, schaut genau hin, und ihr werdet aus dem Staunen nicht mehr herauskommen! Was ich noch zu euren Lebzeiten geschehen lasse, würdet ihr nicht für möglich halten, wenn andere es euch erzählten. |
ZÜ | Schaut hin, ihr Verächter, wundert euch und geht dahin, denn ein Werk wirke ich in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht für möglich halten werdet, wenn euch jemand davon erzählt. | Seht euch um unter den Nationen und schaut hin, und entsetzt euch, erstarrt! Denn in euren Tagen tut einer ein Werk, ihr werdet es nicht glauben, wenn es euch erzählt wird. |
GN | ›Schaut her, ihr Verächter, wundert euch und geht zugrunde! Denn in euren Tagen werde ich etwas tun – wenn es euch jemand erzählte, ihr würdet es ihm nicht glauben!‹« | Der Herr antwortet: »Seht euch einmal um unter den Völkern! Ihr werdet staunen! Es tut sich etwas, ihr werdet es erleben. Wenn es euch jemand erzählen würde, ihr würdet ihm nicht glauben. |
NeÜ | Schaut her, ihr Verächter, wundert euch und verschwindet! Denn schon bald werde ich etwas tun, das ihr nicht glauben würdet, wenn es euch jemand erzählte.'" | Seht euch unter den Völkern um, / staunt und erstarrt! / In eurer Zeit geschieht etwas, / das ihr nicht glauben würdet, wenn es jemand erzählt. |
EÜ2016 | Schaut hin, ihr Verächter, staunt und vergeht! Denn ich vollbringe in euren Tagen eine Tat - würde man euch von dieser Tat erzählen, ihr glaubtet es nicht. | Seht auf die Völker, schaut hin, / staunt und erstarrt! / Denn gewiss vollbringt er in euren Tagen ein Werk / - würde man euch davon erzählen, ihr glaubtet es nicht. |
MENG | ›Seht, ihr Verächter, verwundert euch und vergeht! Denn ein Werk vollführe ich in euren Tagen, ein Werk, das ihr gewiß nicht glauben würdet, wenn jemand es euch erzählte.‹« | Sehet euch um unter den Völkern und blickt umher: werdet starr und staunet! Denn ein Werk vollführt er in euren Tagen – ihr werdet es nicht glauben, wenn man es euch erzählt. |
An dieser Gegenüberstellung verschiedener Bibelübersetzungen sieht man eindeutig: Es liegt nicht an der Unfähigkeit der Übersetzer, sondern am Grundtext. Denn im Neuen Testament schaffen sie es alle, die Verächter richtig zu übersetzen. Das würden sie auch im Alten Testament schaffen, hätten sie den richtigen Grundtext. Und so kommt es, dass alle Bibeln, die dem Masoretentext folgen, nur einmal das Wort Verächter beinhalten, und zwar genau an der Stelle in der Apostelgeschichte, wo Paulus Habakuk zitiert. Leser dieser Bibeln müssen zwangsläufig glauben, dass Paulus dieses Wort aus der Luft gegriffen hat, denn in ihren Bibeln kommt es sonst nicht vor, schon gar nicht bei Habakuk.
In Wahrheit hat Habakuk das Wort aber nicht nur einmal geschrieben, sondern im nächsten Kapitel ein zweites Mal:
Aber der Weinberauschte und der Verächter ist ein prahlerischer Mann; bestimmt nichts wird der fertigbringen, der seine Seele weit macht wie die Unterwelt, und dieser kann wie der Tod nicht gesättigt werden; und er wird an sich ziehen alle Nationen und er wird an sich ziehen alle Völker.« [Hab. 2,5, LXX Deutsch]
Auch der Prophet Zefanja spricht über die Verächter und meint damit die Juden:
Ihre Propheten sind Windbeutel, Verächter; ihre Priester entweihen das Heilige und freveln gegen das Gesetz. [Zef. 3,4, LXX Deutsch]
All das erfährt man aber nur in der Septuaginta. Das ist tragisch, denn Paulus wusste, dass das wahre prophetische Wort, das damals wie heute nur in der LXX zu finden ist, im Begriff war sich an seinen jüdischen Zuhörern zu erfüllen. Und es passte perfekt. Denn die Juden erwiesen sich tatsächlich als Verächter des Christus und Seiner Nachfolger. Nur wenige ließen sich von Paulus überzeugen. Mit dem Masoretentext hingegen wäre er aufgeschmissen gewesen, denn mit dem kann man die Juden an der Stelle gar nicht warnen oder aufrütteln, denn der Hebräische masoretische Text kennt keine Jüdischen Verächter, sondern ist stattdessen gegen die Heidenvölker geschrieben. Ein Schelm, wer da böses denkt.