Beginnen möchte ich die Wortbetrachtung mit einer Schlüsselstelle, die in allen Bibeln vorhanden ist, weil sie im Neuen Testament steht.
Als Jesus nach einer vierzigtägigen Fastenzeit in der Wüste vom Teufel versucht wurde, war seine erste Antwort an den Teufel jene:
Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes hervorgeht!« [Mt 4,4, SCH2000]
Das ist ein mittlerweile weltberühmtes Zitat, das laut Jesus offenbar irgendwo geschrieben steht. Die Frage ist, wo? Freundliche Bibeln verweisen auf 5.Mose 8,3:
Und er demütigte dich und ließ dich hungern und speiste dich mit dem Manna, das weder du noch deine Väter gekannt hatten, um dich erkennen zu lassen, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern dass er von all dem lebt, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht. [5.Mo 8,3, SCH2000]
So steht es in allen gängigen Bibeln im Alten Testament. Jedem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass die Formulierung „von einem jeden Wort“, die Jesus zitierte, dort aber gar nicht steht, sondern stattdessen nur „von all dem“. Hat Jesus hier frei interpretiert und aus „von all dem“ einfach ein „von jedem Wort“ gemacht? Das wäre theoretisch sein Recht, denn interpretieren ist nicht verboten. Aber dann dürfte er nicht sagen „es steht geschrieben“. Denn geschrieben steht es so nicht! Und genau diesen Fehler hätte ihm der Teufel garantiert unter die Nase gerieben. Was wäre das für ein Triumpf für den Erzfeind Gottes gewesen, wenn der „Sohn Gottes“ das „Wort Gottes“ gar nicht richtig kannte?! Nicht mal den Pharisäern gegenüber hätte sich Christus so ein schlampiges Zitat leisten dürfen. Selbstverständlich hat Jesus aber nie schlampig zitiert und kannte stattdessen das Wort Gottes sehr genau. Aber er zitierte eben nicht unsere Bibeln heute, die den Masoretentext als Grundlage des Alten Testaments wählen, sondern die Septuaginta:
Und er peinigte dich und ließ dich Hunger leiden und er speiste dich mit Manna, das deine Väter nicht gekannt hatten, um dir kundzutun, dass der Mensch nicht vom Brot allein leben kann, sondern dass der Mensch von jedem Wort leben wird, das aus dem Mund Gottes herausgeht. (Deuteronomion 8,3, Septuaginta Deutsch)
Hier haben wir den vollständigen Wortlaut, den Jesus zitierte. Jesus hat also nicht etwas hinzu gedichtet was eigentlich gar „nicht geschrieben steht“, sondern er hat die Septuaginta zitiert, denn nur in ihr steht es geschrieben! Im Masoretentext und allen Bibeln, die ihm vertrauen, steht es nicht geschrieben. Einige moderne Übersetzungen leiten Jesu Zitat sogar so ein: „In der Schrift heißt es: ...“ oder „In den Heiligen Schriften steht:..“ Zum Beispiel:
Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. (Einheitsübersetzung 2016)
Sie haben den Wortlaut Jesu doch nicht richtig in ihren Alten Testamenten stehen, es fehlt das Wort:
Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des HERRN spricht. (Einheitsübersetzung 2016)
Damit überführen sie sich eigentlich schon von selbst, dass sie nicht die Heiligen Schriften sind. Denn wären sie die Heiligen Schriften, dann stünde in ihnen der richtige Wortlaut, den Jesus zitierte als er sagte „In den Heiligen Schriften steht ...“ oder „Es steht geschrieben...“ Das ist besonders tragisch im Falle der Einheitsübersetzung 2016, die ja die einzige deutschsprachige „Bibel“ der Römisch-Katholischen Kirche ist. Somit hat die RKK gar keine Bibel auf Deutsch, die von Jesus Christus als solche bestätigt und anerkannt ist. Aber die RKK wird nicht müde zu betonen, dass sie die Bibel bis heute bewahrt hat und rechnet sich das als Alleinstellungsmerkmal zu. Das stimmt aber höchstens für ihre „Urbibel“, die lateinische Vulgata, die im Alten Testament tatsächlich überwiegend die Septuaginta als Grundtext verwendet. Sie hat an der Stelle auch richtig „von jedem Wort” (in omni verbo) stehen. Der Vollständigkeit halber möchten wir an dieser Stelle erwähnen, dass es in manchen Kreisen der RKK auch wieder ein wachsendes Bewusstsein für die LXX gibt. Aber warum hat man in den letzten Jahrhunderten dennoch auf den MT gesetzt?
Der Unterschied ist nicht unerheblich. Sowohl Mose als auch Jesus legen wert auf jedes Wort, das aus dem Mund Gottes herauskommt. Mose schrieb diesen Text mit Sorgfalt, die Gelehrten die diese Worte für die Septuginta ins Griechische übersetzten taten dies mit Sorgfalt, und Jesus zitierte wiederum die Septuaginta mit Sorgfalt. Was haben aber die Bibelgesellschaften und modernen Schriftgelehrten seit ein paar Jahrhunderten daraus gemacht, die lieber einem fremden Text vertrauen, der es nicht so genau nimmt und das Schlüsselwort „Wort” hier einfach unter den Tisch fallen lässt?
Und es ist auch der Name Gottes ein anderer. Jesus sprach vom Mund Gottes genauso wie es die Septuaginta tut, der Masoretentext hingegen schreibt vom Mund des HERRN. Das sind sowohl im Hebräischen als auch Griechischen als auch Deutschen nicht zufällig sondern bewusst zwei verschiedene Wörter. Sie stehen für verschiedene Namen Gottes, die uns auch verschiedenes sagen sollten. Das auszuführen, sprengt den Rahmen dieser Betrachtung und werden wir an einer anderen Stelle tun. Nur soviel vorab: das Hebräische Wort für „Gott“ ist Elohim (אלהים) und das Griechische theos (θεός). Das Wort, das im Deutschen HERR geschrieben wird (beachte die Blockbuchstaben), ist im Hebräischen das sogenannte Tetragram, also die vier Buchstaben JHWH mit denen der unaussprechliche Name Gottes (יהוה) geschrieben wurde. Die Hebräer sprachen ihn aus Ehrfurcht nie aus, sondern stattdessen „Adonai“, was „Herr“ bedeutet. Das Griechische Wort dafür ist kurios (κύριος). Die Begriffe Gott und HERR werden nicht zufällig in der Bibel verstreut, sondern mit Bedacht und Absicht, manchmal gemeinsam, manchmal allein. In jedem Fall macht schon diese Stelle deutlich, dass die Juden zur Zeit Jesu die Septuaginta als Heilige Schrift hatten und nicht den Masoretentext der heute in den Bibeln ist. Und so hat Gott sein Wort tatsächlich bis heute durch die Septuaginta bewahrt und gibt uns durch Seinen Sohn Jesus Christus einen untrüglichen Hinweis, welche Schrift Sein wahres Wort ist und welche hingegen verfälscht wurde.
Ein anderes Detail am Rande: Das Wort „Wort” hat gerade für die Christen einen tiefen, geistlichen Sinn, denn es ist ein Name Christi und beschreibt eine seiner wichtigsten Eigenschaften. Johannes nannte ihn gleich von Beginn seines Johannesevangeliums an „das Wort” (Griechisch: Logos):
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. [Joh 1,1]
Die frühen Christen benützten das Wort logos oft und gerne, wenn sie von ihrem Herrn Jesus sprachen. Das missfiel den Juden, die Jesus als Messias ablehnten. Und so verwundert es nicht wirklich, dass sie das Wort „Wort” aus ihrem Masoretentext gestrichen haben an einer messianischen Stelle, die Jesus zitierte und auf sich bezog. Wie überhaupt der Masoretentext ein durchwegs jesusfeindlicher ist, während die Septuaginta viel deutlicher, öfter und wortwörtlicher Zeugnis von Jesus Christus gibt. Das werden wir noch in vielen anderen Beiträgen zeigen.
Alle Autoren des Neuen Testaments hatten die Septuaginta als Heilige Schrift und zitierten sie. Deswegen haben wir in allen Bibeln hunderte Zitate aus der Septuaginta im Neuen Testament. Den wenigsten Bibellesern und „Christen“ ist das aber bewusst.
„Christen“ übrigens deswegen unter Anführungszeichen, weil ein Christ eigentlich ein Nachfolger Christi sein sollte. Das ist die ursprüngliche Bedeutung. Nun ist ein Nachfolger aber jemand, der genau das liest, tut und lehrt was sein Meister las, tat und lehrte. Wenn also Jesus Christus die Septuaginta las, zitierte und daraus lehrte und lebte, sollte das jeder, der sich Nachfolger Christi nennt, genauso tun. Die meisten aber, die sich heute „Christen“ nennen, kennen nicht mal die LXX und folgen ganz anderen Meistern nach, die ihnen andere Heilige Schriften vorlegen und andere Bücher zum Lesen geben, die in der Regel die LXX nicht nur ignorieren sondern sogar verwerfen.
Es gibt aber noch weitere feine Unterschiede an der Stelle zwischen der Septuaginta und unseren Alten Testamenten: Gott wird im Masoretentext freundlicher dargestellt, geschönt. Während in den meisten Bibeln Gott nur „demütigt“ und „hungern“ lässt, verwendet die Septuaginta deutlich stärkere Wörter. Dort peinigt Gott und lässt Hunger leiden. Gott peinigt also absichtlich und gezielt seine Kinder und lässt sie leiden. Und genau das tat er auch mit seinem Sohn. Genau an dieser Stelle hier. Denn Gott schickte seinen Sohn in die Wüste, damit er leiden müsse. Aber zu welchem Zweck? Und was ist das für ein Gott? Wir müssen gar nicht lange nach der Antwort suchen. Jesus hat uns schon darauf hingewiesen mit seinem Zitat. Wir müssen nur schon etwas weiter vorn anfangen zu lesen, also den Kontext beachten:
Und du sollst dich des ganzen Weges erinnern, den dich der Herr, dein Gott, in der Wüste geführt hat, damit er dich peinige und dich versuche und so erkannt werde, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote hältst oder nicht. Und er peinigte dich und ließ dich Hunger leiden und er speiste dich mit Manna, das deine Väter nicht gekannt hatten, um dir kundzutun, dass der Mensch nicht vom Brot allein leben kann, sondern dass der Mensch von jedem Wort leben wird, das aus dem Mund Gottes herausgeht. (Deuteronomion 8,2+3, LXX Deutsch)
Wir haben in diesem alten Vers schon alles drin stehen, was Jesus gerade eben erlebte und durchmachen musste. Es ist nicht nur eine Beschreibung der Erlebnisse, die das Volk Israel mit Gott machte, sondern auch eine Prophetie auf Christus hin: er wurde in die Wüste geführt, er wurde dort versucht und wurde dort gepeinigt und musste Hunger leiden. Es diente dazu, dass Jesu Herz erkannt wurde ob er Gottes Gebote hält oder nicht. Und um Jesus kundzutun, dass er nicht vom Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes herausgeht.
Und genau das alles hat Jesus richtig erkannt und darum hat er genau diese Stelle dem Teufel genannt, um ihm zu zeigen, dass alles nach Plan verläuft. Jesus wich keinen Millimeter vom Weg ab, den Gott schon Tausende Jahre davor festgelegt hatte. Und Jesus zeigte genau diesen Weg auch den Menschen. Auch Jesus peinigte seine Schüler und ließ sie Hunger leiden, damit sie genau das auch lernten und erkannten: Ich erinnere an die Begebenheit, wo Jesus drei Tage lang am Berg predigte. Er gab seinen Zuhörern nichts zu essen während dieser Zeit. Sie litten alle Hunger. Doch sie erlebten, dass sie nicht von Brot allein lebten, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Christi herausging. Nach diesen drei Tagen waren die Menschen so hungrig und dem Ende nahe, dass Jesus befürchtet, sie würden auf dem Heimweg sterben. So schlimm hatte Jesus es kommen lassen.
Wer kann sich diese Pein vorstellen heute? Ich faste zwei Tage jede Woche nach dem Vorbild der frühen Christen. Ich leide also regelmäßig Hunger. Aber nur jeweils einen Tag! Drei Tage am Stück Hunger zu leiden kann ich mir gar nicht vorstellen! Umso weniger kann es sich jemand vorstellen, der noch nie wirklich tagelang gehungert oder gefastet hat. Wenn ich dann Leute erlebe, wie oberflächlich und lächelnd sie solche Stellen in der Bibel lesen und auslegen, obwohl sie gar nicht wissen was Hunger oder Fasten für Leiden und Pein bereiten, dann sehe ich vor Augen, was Petrus meinte als er schrieb, dass die Unwissenden die Schriften zu ihrem eigenen Verderben verdrehen (2.Petr 3,16).
Jesus lässt diese Menschen also drei Tage lang absichtlich Hunger leiden, peinigt sie, um sie zu prüfen und etwas zu lehren, genau wie Gott schon das Volk Israel und seinen Sohn in der Wüste ebenso peinigte und Hunger leiden ließ. Und genau wie Gott danach seine Kinder sättigte, hat es auch Jesus getan: er versorgte dann die ganze Menschenmenge mit einem Wunder. Berühmt ist diese Geschichte unter dem Titel „die wunderbare Brotvermehrung“ oder „die Speisung der Viertausend“ und steht im Matthäusevangelium Kapitel 15. Leider wird diese Geschichte heute meist so erzählt, als ob Jesus nur die Nöte von Menschen stillen wollte und daher hungrige Menschen satt machte. Dass aber genau dieser Jesus erst schuld war an dem Hunger der Menschen, indem er sie tagelang lehrte ohne sie weggehen zulassen, das wird nicht erzählt. Und somit geht eine wesentliche geistliche Aussage verloren: dass der Mensch nicht vom Brot allein leben kann, sondern dass der Mensch von jedem Wort leben wird, das aus dem Mund Gottes herausgeht.
Zuallererst versorgte sie Jesus ausschließlich mit dem Wort Gottes. Tagelang. Und dann erst mit Brot für den Bauch. Die meisten Christen würden es heute umgekehrt machen: Erst die Menschen sättigen und ihnen dann das Wort Gottes bringen. Und damit verdrehen sie die Schriften zu ihrem eigenen Schaden.
Abgesehen davon, dass man heute wohl kaum noch viertausend Menschen finden würde, die bereit wären drei Tage lang im Freien auf einem Berg ohne Nahrung einem Vortrag zu folgen. Wenn ich mir ansehe, wie heute Bibelschulen und Lehrvorträge abgehalten werden, sind die völlig anders konzipiert: klimatisierte Wohlfühlräume mit schöner Deko, angenehmem Licht, gemütlich gepolsterten Sitzen und kurze Vorträge mit ausreichenden Pausen, wo man sich bei Kaffee und Kuchen erfrischen und entspannen kann. Abendessen und Frühstücksbuffet inklusive. Und wenn ihnen dann gesagt würde, sie leben nicht von Brot allein, würden sie vielleicht bedächtig nicken. Aber hätten sie es verstanden? Hätten sie es gelernt? Am eigenen Leib?
Alle echten Jünger Jesus haben es aber gelernt. Die Apostel litten oft Hunger und Durst und allerlei körperliche Qualen. Und deren Schülern erging es ebenso. Paulus schreibt:
Bis zur jetzigen Stunde leiden wir sowohl Hunger als auch Durst und sind nackt und werden mit Fäusten geschlagen und haben keine bestimmte Wohnung und mühen uns ab und arbeiten mit unseren eigenen Händen. Geschmäht, segnen wir; verfolgt, dulden wir; gelästert, reden wir gut zu; wie Unrat der Welt sind wir geworden, ein Abschaum aller bis jetzt. Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich dies, sondern ich ermahne euch als meine geliebten Kinder. (1.Kor 4,11-14)
So lässt Gott seine Kinder peinigen und leiden. Bis heute. Um ihnen kundzutun dass der Mensch nicht vom Brot allein leben kann, sondern dass der Mensch von jedem Wort leben wird, das aus dem Mund Gottes herausgeht. Bis heute.