• Sollen wir vor den Apokryphen warnen oder vor denen, die vor den Apokryphen warnen?

3. Die Apokryphen enthalten märchenhafte Aussagen, die den „kanonischen“ Schriften nicht nur widersprechen, sondern sogar in sich selbst widersprüchlich sind. In den beiden Makkabäer-Büchern beispielsweise wird an drei verschiedenen Stellen der Tod von Antiochus Epiphanes angesprochen und dreimal kommt er auf unterschiedliche Weise zu Tode.

Das ist das witzigste Argument von allen und man fragt sich, ob dessen Verfechter jemals in die Bibel gesehen haben? Denn das ist kein Unterschied zum Rest der Heiligen Schrift, die an vielen Stellen märchenhaft erscheint und sich widerspricht. In den Büchern Moses wird beispielsweise dreimal von der Enstehung der Zehn Gebote berichtet und dreimal mit unterschiedlichem Wortlaut, obwohl sie doch in Stein gemeißelt waren, wie es heißt.

Die ganze Bibel ist vom ersten Buch Genesis bis zum letzten Buch Offenbarung vollgestopft mit märchenhaften Aussagen. Es ist die Rede von Riesen, Drachen, Einhörnern, vielköpfigen Ungeheuern und sprechenden Tieren. Es wird von in der Sonne ausgebleichten Skeletten erzählt, wie sie wieder Muskeln, Sehnen und Haut bekommen, sich erheben und zu einer Armee werden, oder wie Holzstäbe zu Schlangen werden und umgekehrt. Es wird berichtet, wie die Sonne tagelang nicht untergeht. Man liest wie ein Mann auf einem stürmischen See spaziert, Wasser in Wein verwandelt, tausende Menschen mit zwei Fischen und fünf Broten ernährt, und am Ende noch 12 Körbe voll davon übrig bleiben, und wie er schließlich auf einer Wolke in den Himmel schwebt. Ein anderer Mann wird von einem feurigen Wagen abgeholt und in den Himmel begleitet. Geschichten wie die Arche Noah, Jona im Fischbauch, die Teilung des Meeres und des Jordans oder auch die Schöpfung, wo die Frau aus einer Rippe des Mannes geformt wird, haben schon viele Märchenerzähler inspiriert und tragen dazu bei, dass die ganze Bibel oft als pures Märchenbuch gesehen wird und andererseits als ernsthafter historischer Beleg von den meisten Wissenschaftlern, auch von den meisten Bibelwissenschaftlern, abgelehnt wird. Und dann will sich jemand über „märchenhafte“ Erzählungen in den Apokryphen aufregen? Echt jetzt?

Was soll „märchenhaft“ überhaupt für ein Kriterium sein und wem soll es dienen? Wo Gott wirkt, geschehen nun mal Wunder! Und auch der Teufel schläft nicht und zeigt, was Dämonen so alles können. Aber für viele Menschen sind Gott und erst Recht der Teufel schon Märchenfiguren. Wer Berichte darüber als märchenhaft empfindet, der sollte die Bibel erst gar nicht öffnen. Nüchtern betrachtet gibt es in den Apokryphen weniger märchenhafte Passagen als im Rest der Heiligen Schrift.

Auch von unterschiedlichen, widersprüchlichen Versionen der selben Geschichte ist die ganze Bibel voll. Es beginnt schon im ersten Buch in den ersten beiden Kapiteln. Im ersten Kapitel erschafft Gott zuerst die Tiere und danach Adam. Im zweiten Kapitel ist es genau umgekehrt. Wird deswegen das Buch Genesis als apokryph bezeichnet und als uninspiriertes Märchenbuch verunglimpft und aus der Bibel geworfen?

Es geht weiter mit dem zweiten Buch Moses. Dort bekommt Moses in Kapitel 20 am Berg Sinai die berühmten 10 Gebote von Gott höchstpersönlich auf Steintafeln. Auf Basis dieser Gebote will Gott einen Bund mit Israel errichten. Dann zerbricht Moses die Tafeln. Es kommt daher in Kapitel 34 zur Wiederholung. Ein zweites Mal steigt Moses auf den Berg und bekommt ein zweites Mal die Gebote, anhand derer Gott mit Israel einen Bund schließen will, aber Gott schreibt sie diesmal nicht selbst auf Steintafeln sondern befiehlt Mose diese (!) Gebote auf zwei neue Steintafeln aufzuschreiben. Es sind aber andere Gebote als in Kapitel 20! Die sind so eklatant anders, dass viele Übersetzer und Bibelkommentare meinen, es wären gar nicht die 10 Gebote, die Moses hier bekommen hat. Doch der Text stimmt ihnen nicht zu. Noch verwirrender wird die Geschichte, wenn man ins fünfte Buch Moses, dem Deuteronomium, sieht. Dort gibt es in Kapitel 5 eine dritte Version der 10 Gebote. Sie ist jener aus Exodus 20 viel ähnlicher als der aus Exodus 34, aber weicht dennoch davon ab. Von Heiligen Worten, die in Stein gemeißelt sind, sollte man sich etwas anderes erwarten können, nämlich Wort für Wort den selben Wortlaut. Heute kursieren deswegen mehrere unterschiedliche Versionen der „10 Gebote“ in der Welt herum, nicht einmal die Reihenfolge ist „genormt“. Jede Glaubensrichtung, jede Religion, die sich auf das Gesetz Moses bezieht, hat ihre eigene Fassung. Wieso stört diese Diskrepanz in den Büchern Moses nicht ebenso, wie wenn sie in den Makkabäerbüchern stünde? Wieso spricht man nicht allen abweichenden Dekalogen (10 Geboten) die göttliche Inspiration ab? Und welche Fassung ist nun die von Gott? Auch dieses Thema hätte sich einen eigenen Beitrag verdient und könnte sogar ein Buch füllen.

Oder im Neuen Testament:

Matthäus schreibt den Stammbaum Jesu auf. Lukas macht das auch, aber er stimmt überhaupt nicht mit Matthäus überein. Jesus hat in den zwei Stammbäumen zwei verschiedene Großväter väterlicherseits, die auf unterschiedliche Söhne von König David zurück gehen. Bei Matthäus ist es Salomo, bei Lukas ist es Nathan! Noch dazu widerspricht der Stammbaum von Lukas in den Geschlechtern von Noah bis Abraham auch noch dem hebräischen Alten Testament. Lukas hat einen Namen mehr (nämlich 10 zwischen Noah und Abraham) aufgeschrieben als im ersten Buch Moses der heutigen Bibeln steht (dort sind es nur 9).

  • Inspiriert der Heilige Geist widersprüchliche Stammbäume des Sohnes Gottes?
  • Kann der Heilige Geist nicht zählen?
  • Verwechselt der Heilige Geist Salomo mit Nathan?

Kreative Lehrer versuchen die augenscheinlichen Widersprüche so aufzulösen, indem sie vorschlagen, der Stammbaum bei Lukas sei gar nicht von Jesu Vater Joseph, sondern von seiner Mutter Maria. Damit machen sie aber Lukas zu einem Lügner, denn Lukas schrieb definitiv und explizit Joseph in den Stammbaum - und nicht Maria! Außerdem erklärt das noch nicht den Fehler zwischen Noah und Abraham! Sollen wir demzufolge das Lukasevangelium als fehlerhaftes Lügenevangelium oder apokryph bezeichnen und allenfalls als nicht inspiriert aus der Bibel werfen? Mit jedem anderen „apokryphen“ Evangelium, das sich solche Fehler erlaubte, hätte man eiskalt so verfahren. Wir müssen übrigens nicht neue Antworten auf alte Fragen erfinden. Die Unterschiede in den Stammbäumen waren schon den frühen Christen bekannt und ebenso die richtige Erklärung. Auch dazu wird es einen eigenen Beitrag geben, der Gottes Licht in das Dunkel bringt.

Hinzu kommt, dass das Lukasevangelium die Geschichte mit den zwei Übeltätern, die links und rechts von Jesus gekreuzigt wurden, so erzählt, dass ein Verbrecher Jesus verspottete und der andere aber Jesus verteidigte und deswegen von Jesus ins Paradies aufgenommen wurde. Das Matthäusevangelium und Markusevangelium berichten ebenfalls von der Geschichte, sagen aber einstimmig, dass beide Verbrecher Jesus verspotteten. Es ist bei ihnen auch keine Rede von einem geretteten Übeltäter, der mit Jesus ins Paradies käme. Das ist ein Widerspruch, der – wenn er in den „Apokryphen“ stünde - veruteilt würde und als weiteres Argument für deren Uninspiriertheit gälte, aber welche Konsequenzen zieht man bei Lukas für seine vielen Widersprüche zu anderen Büchern der Bibel (wir haben noch gar nicht alle aufgezählt)?

Warum stören Widersprüche nur in den sogenannten Apokryphen, die verhältnismäßig wenige Widersprüche aufweisen, aber nicht in anderen biblischen Büchern, wo Widersprüche viel häufiger vorkommen? Warum versucht man krampfhaft die einen Widersprüche nach allen Regeln der Kunst wegzudiskutieren um die entsprechenden Bücher als inspiriert zu verteidigen und die anderen aber reflexartig als Argument willkommen zu heißen um gewisse Bücher als nicht inspiriert zu verurteilen? Das Messen mit zweierlei Maß war und ist immer ein Merkmal von Heuchlern.

Außerdem haben wir in Sachen Todesursache in den letzten Jahren gelernt, dass unterschiedliche Erzählungen normal sind. Es gibt eine politisch korrekte Todesursache, die medial verlautbart wird, weiters eine nach rascher Autopsie (Leichenbeschau), und dann vielleicht noch eine andere nach tiefgehender, gründlicher Obduktion. Und neuerdings eine vierte im Labor, die nur einem bestimmten PCR-Test folgt, ohne den Toten selbst zu untersuchen. So wurden weltweit Millionen Krebstote, Verkehrsunfalltote, Selbstmörder, Lungenenzündungstote, Herzinfarkttote, Schlaganfalltote, Aidstote und Grippetote offiziell zu Covidtoten erklärt und in die Statistik aufgenommen, wenn sie einen positiven Covidtest aufwiesen kurz vor oder nach (!) dem Tod. Die wenigsten Christen erhoben dagegen Einspruch, sondern ließen sich diese tendenziöse Vorgangsweise auftischen.

Auch in der langen Weltgeschichte gab es immer wieder verschiedene Versionen der Todesursache prominenter Personen, je nachdem wie es politisch oder gesellschaftlich passte. Peinliche, unsittliche Krankheiten und Tode wurden gegebenenfalls umgeschrieben zu salonfähigen. Selbstmorde wurden zu Morden erklärt und umgekehrt, je nachdem wer es verlautbarte und wem es diente. Das ist doch alles nichts neues in der Menschheitsgeschichte. Vertuschen und Täuschen ist so alt wie die Menschheit. Und oft ist die wahre Todesursache gar nicht so leicht auszumachen. Überhaupt in der Antike. Wie viele verschiedene Versionen gibt es zur Todesursache von Alexander dem Großen? Oder von den Aposteln? Wie viele Diskussionen und Uneinigkeit gibt es bis heute sogar zur wahren Todesursache von Wolfgang Amadeus Mozart?

Anstatt uns über unterschiedliche Erzählungen oder Widersprüche in der Heiligen Schrift oder mancher ihrer Bücher zu mokieren, sollten wir lernen, die Hintergründe zu ergründen. Wie und warum kam es zu der unterschiedlichen Erzählung und was will uns der Autor damit sagen? Was will Gott uns dadurch sagen? Auch hier können wir sehr viel – wenn nicht sogar alles - von den frühen Christen lernen. Sie sahen die Unterschiede viel präziser als wir, denn sie lasen sie in der Originalsprache und sie kannten die göttlichen Antworten. Denn sie hatten die richtige Überlieferung von den Aposteln und hatten von ihnen gelernt, die Schrift durch Christi Augen zu lesen, geistlich zu deuten und zu verstehen und erschlossen somit tiefsinnige Zusammenhänge, die allen menschlich gesinnten, oberflächlichen Lesern damals wie heute verborgen bleiben.

Tatsächlich sind alle Bücher der Makkabäer äußerst wertvolle und sinnstiftende Geschichtsbücher für das Judentum genauso wie für das Christentum. Sowohl Jesus als auch die Apostel bezogen sich darauf. Auch das werden wir in einem eigenen Beitrag erläutern.