• geschrieben von: Paulus
  • Erscheinungsjahr: 61

Tertullian vermutete, dass Barnabas den Hebräerbrief schrieb (Tertullian, De pudicitia Über die Ehrbarkeit (BKV), 20. Kap.). Doch damit stand er alleine da. Die frühe Kirche sah Paulus als den Verfasser des Hebräerbriefes.

Eusebius von Cäseräa kommentiert die Diskussion um die Autorschaft:

In diesem Briefe [gemeint ist der 1.Klemensbrief] führt Klemens zahlreiche Gedanken und selbst wörtliche Zitate aus dem Hebräerbriefe an, wodurch er deutlich beweist, daß diese Schrift nicht erst neueren Datums war, und begreiflicherweise zu der Meinung Anlaß gab, der Hebräerbrief gehörte zu den Schriften des Apostels. Man behauptet nämlich, Paulus habe in seiner Muttersprache an die Hebräer geschrieben, und die Übersetzung dieser Schrift habe entweder der Evangelist Lukas oder der erwähnte Klemens besorgt. Letztere Annahme dürfte die wahrscheinlichere sein wegen der Ähnlichkeit des Stiles im Klemens- und Hebräerbrief und wegen der Verwandtschaft der Gedanken in beiden Schriften. (Eusebius von Caesarea (260-339) Historia Ecclesiastica, Kirchengeschichte (BKV), Drittes Buch38. Kap. Der Brief des Klemens und die fälschlich ihm zugewiesenen Schriften)

Wir erfahren hier drei interessante Aspekte:

  1. Der Hebräerbrief wurde bereits von Klemens von Rom zitiert und muss daher schon früh entstanden sein, früher als viele spätere Gelehrte glauben wollen.
  2. Der Hebräerbrief weist mit dem 1.Klemensbrief eine „Verwandtschaft der Gedanken“ auf und beide sind sich im Stil derart ähnlich, dass ein gemeinsamer Autor naheliegt.
  3. Der Hebräerbrief ist im ersten Jahrhundert in zwei Sprachen erschienen: zunächst auf Hebräisch, geschrieben von Paulus, dann auf Griechisch übersetzt von einem Paulusschüler. Hier gelten Lukas und Klemens als die wahrscheinlichsten Übersetzer.

Doch Eusebius hat noch mehr recherchiert über den Brief:

In den Hypotyposen gibt Clemens, um es kurz zu sagen, gedrängte Auslegungen der ganzen Bibel, ohne die bestrittenen Schriften wie den Brief des Judas, die übrigen katholischen Briefe, den Brief des Barnabas und die sog. Petrusapokalypse zu übergehen. Den Hebräerbrief weist er Paulus zu, behauptet aber, er sei an die Hebräer in hebräischer Sprache geschrieben worden, Lukas habe den Brief sorgfältig übersetzt und dann an die Griechen weitergeleitet. Daher komme es, daß die Sprache dieses Briefes dieselbe Färbung zeige wie die der Apostelgeschichte. Daß dem Briefe nicht die Worte „Paulus, der Apostel“ vorgesetzt seien, habe seinen guten Grund, „Denn“ — so erklärt er — „da er an die Hebräer schrieb, die gegen ihn voreingenommen waren und ihn verdächtigten, so war es ganz begreiflich, daß er nicht schon am Anfange durch Nennung seines Namens abstieß.“ Sodann fügt Clemens bei: „Da ferner, wie der selige Presbyter sagte, der Herr als Apostel des Allmächtigen an die Hebräer gesandt worden war, so betitelt sich Paulus, als zu den Heiden gesandt, aus Bescheidenheit nicht als Apostel der Hebräer. Er unterläßt es aus Ehrfurcht vor dem Herrn und weil er, der Lehrer und Apostel der Heiden, über seinen Beruf hinaus an die Hebräer schrieb.“ (Eusebius von Caesarea (260-339) Historia Ecclesiastica Kirchengeschichte (BKV), Sechstes Buch, 14. Kap. Die (Heilige) Schrift nach Klemens).

Hier sehen wir, dass auch Clemens von Alexandria bestätigt, dass der Hebräerbrief von Paulus geschrieben wurde, und er erklärt auch den Grund, warum Paulus sich darin nicht selbst nannte und den Brief auf Hebräisch schrieb, was ungewöhnlich war. Auch den Übersetzer Lukas bestätigt Clemens.

Eusebius hat auch bei Origenes etwas über den Hebräerbrief gefunden:

In seinen Homilien zum Hebräerbrief äußert sich Origenes über denselben also: „Jeder, der Stile zu unterscheiden und zu beurteilen versteht, dürfte zugeben, daß der Stil des sog. Hebräerbriefes nichts von jener Ungewandtheit im Ausdruck zeigt, welche der Apostel selber eingesteht, wenn er sich als ungeschickt in der Rede, d. i. im Ausdruck, bezeichnet, daß der Brief vielmehr in seiner sprachlichen Form ein besseres Griechisch aufweist. Daß die Gedanken des Briefes Bewunderung verdienen und hinter denen der anerkannten Briefe des Apostels nicht zurückstehen, dürfte ebenfalls jeder als richtig zugeben, der mit der Lektüre des Apostels vertraut ist.“ Später bemerkt Origenes noch: „Ich aber möchte offen erklären, daß die Gedanken vom Apostel stammen, Ausdruck und Stil dagegen einem Manne angehören, der die Worte des Apostels im Gedächtnis hatte und die Lehren des Meisters umschrieb. Wenn daher eine Gemeinde diesen Brief für paulinisch erklärt, so mag man ihr hierin zustimmen. Denn es hatte seinen Grund, wenn die Alten ihn als paulinisch überliefert haben. Wer indes tatsächlich den Brief geschrieben hat, weiß Gott. Soviel wir aber erfahren haben, soll entweder Klemens, der römische Bischof, oder Lukas, der Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte, den Brief geschrieben haben.“ So viel hierüber. (Eusebius von Caesarea (260-339) Historia Ecclesiastica Kirchengeschichte (BKV), Sechstes Buch, 25. Kap. Die kanonischen Bücher nach Origenes)

Wir sehen, über den Hebräerbrief wurde offenbar ab dem dritten Jahrhundert diskutiert. Origenes erkennt eindeutig den Geist des Paulus in dem Brief und anerkennt ihn also als paulinisch, meint aber, dass er von einem Paulusschüler niedergeschrieben wurde, der die Worte von Paulus im Ohr hatte. Und erneut fallen die Namen Klemens von Rom und Lukas. Das wird auch so gewesen sein, denn so entstanden ja normalerweise die Paulusbriefe. Paulus konnte aufgrund einer Sehschwäche kaum lesen und schreiben, und diktierte daher seine Briefe. Oft wird der Schreiber am Ende des Briefes namentlich genannt, oder der schreibende Co-Autor am Anfang. Ferner bezeugt Origenes, dass der Hebräerbrief in den Gemeinden als paulinisch angesehen war und von den Alten entsprechend überliefert wurde. Und das blieb er auch als dieser Brief schließlich in die Bibel aufgenommen und zu den Paulusbriefen gereiht wurde.

Erst Martin Luther heizte die Diskussion wieder an, indem er Paulus als Autor bestritt und den Hebräerbrief insgesamt schlecht redete:

Mich düncket / es sey eine Epistel von vielen stücken zusamen gesetzt / vnd nicht einerley ordentlich handele.

Das es offenbar ist /sie sey eines trefflichen gelerten Mannes / der ein Jünger der Apostel gewesen / viel von jnen gelernet / vnd fast im glauben erfaren / vnd in der Schrifft geübt ist. Vnd ob er wol nicht den Grund legt des glaubens /wie er selbs zeuget / Cap. vj. welchs der Apostel ampt ist / So bawet er doch fein drauff / Gold / Silber /Edelsteine / wie S. Paulus. j. Cor iij. sagt. Derhalben vns nicht hindern sol / ob vieleicht etwa Holtz / Stro oder Hew / mit vnter gemenget werde / sondern solche feine lere mit allen ehren auffnemen. On das man sie den Apostolischen Episteln nicht aller dinge gleichen mag. (Martin Luther, Vorrede zum Hebräerbrief, 1545)

Für alle, die das alte Lutherdeutsch nicht gut verstehen, hier eine Zusammenfassung in heutiger Sprache:

  • Martin Luther ist überzeugt, dass der Hebräerbrief von keinem Apostel geschrieben wurde und auch nicht den Briefen der Apostel das Wasser reichen kann.
  • Es sei ein Brief, der für Luther aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt scheint, nicht alle auf gleicher Höhe.
  • Geschrieben wurde er in Luthers Augen zwar von keinem Apostel, aber von einem gelehrten Mann, der ein Jünger der Apostel gewesen und in der Schrift geübt sei, der aber nicht den Grund des Glaubens lege sondern nur darauf fein baue.
  • In Anlehnung an das Gerichtsszenario, das Paulus im 1.Korintherbrief Kapitel 3 schildert, sei der Hebräerbrief nicht nur aus Gold, Silber und Edelstein, sondern auch Holz, Stroh und Heu darunter gemischt, urteilt Luther. Dieses Urteil scheint Luther zu lieben, denn er bezeichnet an anderer Stelle auch den Jakobusbrief als „stroherne Epistel“.

Deswegen ist in keiner Lutherbibel der Hebräerbrief bei den Paulusbriefen (wie das jedoch über 1000 Jahre lang davor üblich war), sondern wurde von Luther ganz nach hinten geschoben, hinter die Johannesbriefe. Damit hat Martin Luther aktiv in den Bibelkanon, der im 4. Jahrhundert festgelegt wurde, eingegriffen und ihn verändert. Nicht nur im Neuen Testament übrigens.

Vergleicht man nur mal das Zeugnis, das Origenes (siehe oben) dem Hebräerbrief ausstellt, nämlich, dass er „Bewunderung“ verdiene „und hinter denen der anerkannten Briefe des Apostels nicht zurückstehe“ und dass das „jeder als richtig zugeben“ müsse, „der mit der Lektüre des Apostels vertraut ist“ mit jenem abwertenden Urteil, das Martin Luther diesem Brief ausstellt, so fällt nicht nur auf, dass sie gegensätzlicher Meinung sind, sondern auch nicht gleichermaßen „mit der Lektüre des Apostels vertraut“ sein können, wie Origenes betont. Damit hat Origenes Leute wie Martin Luther schon ein Jahrtausend im Voraus zurechtgewiesen und eines besseren belehrt. Doppelt interessant, wenn man weiß, das Martin Luther Origenes kannte, las und zitierte! Egal, wie man die Urteile, die einander quasi die Kompetenz absprechen, sieht, eines ist offensichtlich: die beiden Herren können nicht den selben Geist gehabt haben. Denn hier geht es ja immerhin um keine geringere Frage als jene, ob der Heilige Geist den Brief inspirierte oder nicht. Der Eine sagt ja, der Andere nein. Wer hat nun Recht? Wer hat nun den Geist der Wahrheit, den Heiligen Geist?