• Wie der Teufel Juden und Christen mit einem messianischen Text verblenden kann
Interlinearübersetzungen LXX und MT

Das Kapitel 53 aus dem Prophet Jesaja ist ein göttlicher Textzeuge des vorhergesagten leidenden Messias und wird daher besonders gerne zu Ostern gelesen. Es sind aber davon zwei verschiedene Grundtexte im Umlauf, die so gegensätzlich sind, dass nur einer von Gott sein kann. Welcher ist es?

Viele Menschen glauben, dass alle Bibeln aus dem selben „Urtext“ übersetzt werden. Das wäre schön und fände aber nur in einer guten Welt statt, wo niemand Interesse an Verdrehung, Fälschung und Manipulation hat. Und wo alle redlich nur die eine Wahrheit von Gott verkünden und bewahren. Diese Welt wird es eines Tages geben, existiert aber heute nicht. Heute zählen menschliche Meinungen oft mehr als die göttliche Wahrheit, leider auch unter Christen. In der Regel wird versucht durch gefällige Übersetzung und gezielte Textauswahl die eigene Lehrmeinung sichtbar zu machen und unter die Leute zu bringen.

Und so gibt es verschiedene Grundtexte, aus denen Bibeln übersetzt werden. Die Auswahl des Grundtextes entscheidet bereits über den Bibeltext noch bevor dann die Übersetzer ans Werk gehen und nochmal den Text verändern können. Für das Alte Testament (AT) gibt es im Prinzip zwei verschiedene Grundtexte: den hebräischen Masoretentext (kurz MT) und die griechische Septuaginta (kurz LXX). In den meisten zeitgemäßen Bibeln wird der MT als Grundlage für die Übersetzung des Alten Testamentes verwendet. Und so lesen die meisten heutigen Christen ihr Leben lang nur den Masoretentext im AT und kennen nur dessen Wortlaut. Das war aber nicht von Anfang an so.

Der Wortlaut aber, den wir lesen, lernen und beten, beeinflusst direkt oder indirekt unser Gottesbild und unseren Glauben. 

Wir zeigen und besprechen das in vielen unserer Beiträge und möchten das nun hier vertiefen anhand von Jesaja 53, indem wir Vers für Vers beide Grundtexte gegenüber stellen, die Unterschiede heraus arbeiten, und zeigen, welchen der beiden Texte Jesus und Seine Apostel verwendeten und damit klären, welcher der beiden Texte vom Heiligen Geist inspiriert ist. Jene Menschen, die glauben, es sei egal welcher Grundtext herangezogen würde, denn beide seien gleich gut oder gleich schlecht, können in dieser Abhandlung heraus finden, ob ihre Meinung stimmt.

Eine letzte Erklärung vorweg: da keiner der beiden Grundtexte in Deutsch geschrieben wurde, sind wir in beiden Fällen auf Deutsche Übersetzungen angewiesen, die auch schon tendenziös oder allenfalls fehlerhaft seien können. Darauf verweisen wir an kritischen Stellen. Als Deutsche Übersetzung des Masoretentextes verwenden wir die Schlachter 2000 Bibel (SCH2000). Sie können aber gerne jede andere Bibel heranziehen und selbst vergleichen. In 99,9% der Fälle wird ihre deutschsprachige Bibel den Masoretentext haben. Wir zeigen Ihnen aber gleich beim ersten Vers, wie Sie das selbst treffsicher mit einem Blick sehen können. Als Deutsche Übersetzung der Septuaginta verwenden wir die Septuaginta Deutsch (LXX Deutsch). Auf geht's!


Jesaja 53,1:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
1

Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und der Arm des HERRN, wem ist er geoffenbart worden?

Herr, wer glaubte unserer Botschaft? Und der Arm des Herrn – wem wurde er geoffenbart?

Auf den ersten Blick scheinen beide Texte gleichwertig zu sein, für viele Leser sehen sie sogar identisch aus.

Und das ist nicht verwunderlich, denn der Satan selbst verkleidet sich als ein Engel des Lichts. Es ist also nichts Besonderes, wenn auch seine Diener sich verkleiden als Diener der Gerechtigkeit; aber ihr Ende wird ihren Werken entsprechend sein. (2.Kor 11,14-15)

Man muss also öfter und genauer hinsehen, um Satan und seine Diener von Gott und dessen Diener unterscheiden zu können, denn auf den ersten Blick sehen beide gleich aus. Das gilt auch für Worte und Formulierungen. Grobe Abweichungen haben oft subtil begonnen.

Auf den zweiten Blick könnte auffallen, dass links von Verkündigung die Rede ist und rechts von Botschaft. Das braucht aber nicht zu stören, das ist kein wirklich entscheidender Unterschied, sondern nur eine Frage der Übersetzung. Das griechische Wort im Grundtext macht auch noch andere Wörter, wie zum Beispiel Predigt, möglich. Es gibt aber einen feinen Unterschied, den man an der Stelle vielleicht erwähnen könnte: es ist im Grundtext vom Wort her eine bestimmte Botschaft gemeint, nämlich eine, die man von jemand anderem gehört hat und unverändert weiter verbreitet. So wie ein Bote eine Botschaft überbringt. Dieser Bote überbringt nicht seine eigene Meinung, sondern die unverfälschte Botschaft eines anderen. Deswegen ist Botschaft vielleicht ein klein wenig treffender übersetzt. Da steckt übrigens schon die Überlieferungskette von Lehrer zu Schüler drin, wie es der biblischen Lehre der Apostel entspricht. Und genauso haben es die Apostel und deren Schüler übrigens verstanden und gebraucht.

Auf den dritten Blick erkennen wir endlich, dass der Unterschied bereits im ersten Wort steckt. Der linke Text beginnt mit dem Fragewort „Wer“ (manchmal wird von Übersetzern davor noch ein „Aber“ oder „Doch“ o.ä. gestellt), der rechte mit „Herr“. Somit enthält der linke Text nur einmal das Wort Herr, der rechte zweimal. Das ist tatsächlich ein erkennbarer Unterschied, an dem man die beiden Grundtexte mit einem Blick unterscheiden kann. Die Septuaginta lässt Vers 1 mit Herr beginnen, der Masoretentext nicht. Und das verändert schon die Ausrichtung des ganzen Textes. Denn auf der linken Seite haben wir eine Gruppe von Menschen, die sich selbst eine Frage stellt, es klingt schon wie Selbstmitleid. Auf der rechten Seite richtet die Gruppe die Frage jedoch an ihren Herrn, von dem sie auch die Botschaft hat.

Wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Heilige Schrift vom Heiligen Geist inspiriert ist, und insbesondere die Worte eines Propheten des Herrn, wie Jesaja es war, dann sollte es nicht egal sein, wie sie lautet, sondern dann sollte uns interessieren, was Gott den Menschen ausrichten lässt. Wie kann man das heraus finden? Gott selbst sorgt dafür! Er hat erstens Seinen Sohn zu den Menschen gesandt, damit der ihnen die Wahrheit verkündet und die Augen für die Heiligen Schriften öffnet (Lk 24,27.45). Zweitens hat Jesus Christus diesen Seinen Schülern den richtigen Wortlaut der Heiligen Schrift gelehrt, und drittens hat Er ihnen den Heiligen Geist geschickt, damit er sie an die richtigen Worte, die der Sohn Gottes sie lehrte, erinnert (Joh 14,26). All das wird in der Heiligen Schrift bestätigt. Und so finden wir auch den richtigen Wortlaut von Jesaja 53, so wie die Aposteln ihn von Ihrem Herrn Jesus gelernt hatten, in den Heiligen Schriften.

Der Apostel Johannes überliefert uns folgenden Wortlaut im Johannesevangelium:

Obwohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn; damit das Wort des Propheten Jesaja erfüllt würde, das er gesprochen hat: »Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn geoffenbart worden?« (Joh 12,37+38)

Der Apostel Paulus überliefert uns folgenden Wortlaut im Römerbrief:

Aber nicht alle haben dem Evangelium gehorcht; denn Jesaja spricht: »Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt?« (Röm 10,16)

Bereits am ersten Blick kann das inzwischen richtig geschulte Auge erkennen, dass beide Apostel die Septuaginta zitieren und nicht den Masoretentext, denn sie beginnen beide einmütig mit dem Wort Herr, das nur die LXX an dieser Stelle kennt. Das braucht nicht zu verwundern, denn alle Apostel lasen und lehrten die selbe Heilige Schrift.

Machen Sie bei sich zu Hause doch selbst den Faktencheck: schlagen Sie in Ihrer Bibel zunächst Jesaja 53,1 auf und danach Johannes 12,38 und Römer 10,16 und überprüfen Sie, wer mit Herr beginnt und wer nicht. 

  • Falls bei Ihnen Jesaja 53,1 auch mit Herr beginnt, haben Sie eine der seltenen Bibeln, die im AT der LXX folgen. Oder Sie haben einen Hybrid, der im AT zwar den MT hat, aber an jenen Stellen, die im NT zitiert werden, plötzlich umschaltet auf die LXX um solcherart beide Testamente miteinander zu synchronisieren (siehe auch: Übersicht deutsch- und englischsprachiger Bibelübersetzungen). Das macht zum Beispiel die Christianismos Bibel. Aber keine Sorge: Sie können bei den nächsten Versen verlässlich überprüfen ob Ihre Bibel durchgängig die LXX verwendet oder nur an manchen Stellen.
  • Im Normalfall aber werden Sie sehen, dass die beiden Apostel in Ihrem Neuen Testament mit Herr beginnen, der Jesaja in Ihrem Alten Testament aber nicht. Und allein daran können Sie schon erkennen, dass die Apostel aus einem anderen Jesaja zitierten als aus dem in Ihrer Bibel. Denn die Apostel lasen und zitierten den Jesaja aus der Septuaginta. Genauso übrigens wie Jesus selbst. Dass Jesus in der Synagoge von Nazareth aus dem Griechischen Jesaja der Septuaginta laut vorlas und nicht aus dem Hebräischen, haben wir in diesem Beitrag bereits bewiesen: In welcher Sprache las Jesus in der Synagoge von Nazareth?

Um die letzten Zweifel auszuräumen, stelle ich alle drei Texte im Originalwortlaut untereinander zum Vergleich. Zuerst den griechischen Text der Septuaginta, dann den griechischen Text von Johannes (denn der schrieb sein Evangelium im Original auf Griechisch), und zuletzt den griechischen Text von Paulus (auch der schrieb auf Griechisch). Das sieht so aus:

Jesaja 53,1 (LXX)

κύριε τις επίστευσε τη ακοή ημών και ο βραχίων κυρίου τίνι απεκαλύφθη

Johannes 12,38 (TR, nur Zitat)

κύριε τις επίστευσε τη ακοή ημών και ο βραχίων κυρίου τίνι απεκαλύφθη

Römer 10,16 (TR, nur Zitat) κύριε τις επίστευσε τη ακοή ημών

Für alle, die nicht Griechisch können, ist das ein rein optisches Suchspiel, wo aber jeder sehen kann, dass alle drei Texte die selben Zeichen in der selben Reihenfolge setzen. Johannes und Paulus haben also exakt den Wortlaut der Septuaginta geschrieben. Paulus entsprechend kürzer, weil er nur den ersten Teil zitierte. Das fett geschriebene Wort spricht man übrigens „kürie“ aus und heißt „Herr“.

Wir sehen also, dass sowohl die Septuaginta, als auch Johannes als auch Paulus völlig identisch sind in ihrer Originalsprache Griechisch an dieser Stelle, da ist null Abweichung. Wenn auf Deutsch die drei voneinander abweichen, dann ist das die Schuld der Übersetzer. Und da sind wir beim großen Vorteil der Apostel und frühen Christen: sie sprachen, lasen, lehrten und schrieben alle in der selben Griechischen Sprache, der Sprache der Septuaginta, und konnten so über die Jahrhunderte eine einstimmige Lehre bewahren. Das zeigen wir weiter unten.

Somit haben wir also mit Johannes und Paulus zwei übereinstimmende Zeugen im Neuen Testament, dass der Text der Septuaginta für Jesaja der richtige ist, und damit wäre nach Gottes Wort bewiesen, dass die Septuaginta der Text ist, der von Gott kommt, denn Jesus betonte höchstpersönlich:

... dass das Zeugnis zweier Menschen glaubwürdig ist. (Joh 8,17)

Der selbe Geist, der Johannes und Paulus inspirierte, inspirierte auch schon Jesaja: der Heilige Geist. Sie stimmen alle drei überein, und damit ist die Sache eigentlich schon klar, denn:

... auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen soll jede Sache beruhen. (5.Mose 19,15)

Es reichen Gott also schon zwei oder drei Zeugen. Aber in Wahrheit gibt es viel mehr Zeugen, denn wie schon Jesus Seine Apostel in die Welt schickte, damit sie Seine Zeugen seien (Apg. 2,8), so haben auch die Apostel ihrerseits wieder Schüler ausgebildet und somit weitere Zeugen in die Welt geschickt, und diese wiederum usw. Wir nennen sie alle zusammen allgemein die frühen Christen. Manche haben uns schriftliche Zeugnisse hinterlassen. Hier ein paar davon:

Klemens von Rom (35-99):

Den Demütigen gehört nämlich Christus, nicht denen, die sich erheben über seine Herde. Das Szepter der Majestät Gottes, der Herr Jesus Christus, ist nicht erschienen in prahlerischem und auffallendem Prunke, obwohl er es gekonnt hätte, sondern in Demut, wie der Heilige Geist von ihm verkündet hatte; er sagt nämlich: „Herr, wer hat unserer Predigt geglaubt? wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden?“ (Klemens von RomErster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

Im Namen der Apostel, die zu Christus sagten, man glaube nicht ihrer Predigt, sondern den Wundern dessen, der sie entsandt habe, erklärt daher Isaias also: ‚Herr, wer glaubte unserer Predigt? Wem wurde der Arm des Herrn offenbar? (Justin, Dialog mit dem Juden Tryphon (BKV)42.Kapitel)

Irenäus von Lyon (130-202):

Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem wurde offenbar der Arm des Herrn?“ (Irenäus, Erweis der apostolischen Verkündigung (BKV), II. Zweiter Hauptteil, Zweiter Abschnitt, 68.Kapitel)

Tertullian (160-220):

Herr, wer hat unserem Worte geglaubt und der Arm des Herrn, wem ist er geoffenbart?” (Tertullian, Gegen Praxeas (BKV), 11. Cap.)

Origenes (158-255):

Herr, wer hat dem, was wir gehört haben, geglaubt? Und der Arm des Herrn, wem ward er kund?“ (Origenes, Gegen Celsus (BKV), Erstes Buch, 54. Kapitel)

Cyprian von Karthago (200-258):

Herr, wer hat unserem Bericht geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbart worden?“ (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews, (ANF), Book II, Chap. 13; übersetzt aus dem Englischen)

Es ist also schon bereits beim ersten Wort des ersten Verses eindeutig, welcher Grundtext vom Heiligen Geist kommt. Bezeugt durch zwei Apostel und durch sechs der bedeutendsten frühchristlichen Lehrer der ersten drei Jahrhunderte, die alle einstimmig die Septuaginta bestätigen. Wir haben aber keinen Zeugen für den Masoretentext. Somit steht es 8:0 für die Septuaginta nach dem ersten Vers. Doch sehen wir weiter, ob es nicht noch mehr zu entdecken gibt.


Jesaja 53,2-3:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
2

Er wuchs auf vor ihm wie ein Schössling, wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; wir sahen ihn, aber sein Anblick gefiel uns nicht.

Er wuchs auf vor ihm wie ein Kind, wie eine Wurzel in dürstendem Land, keine (Wohl)gestalt hat er und keine Herrlichkeit; und wir sahen ihn, und er hatte kein (beeindruckendes) Aussehen und keine Schönheit;

3

Verachtet war er und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut; wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt, so verachtet war er, und wir achteten ihn nicht.

sondern seine Gestalt war ohne Würde, zurückstehend hinter allen Menschen, ein Mensch, der unter einem (Unglücks)schlag steht und wissentlich eine Krankheit erträgt, denn er hält sein Antlitz abgewandt. Er wurde entehrt und nicht anerkannt.

Welche Unterschiede fallen hier auf, oder gibt es keine?

Doch, es gibt wieder ganz typische, an denen man die beiden verschiedenen Textfamilien gut unterscheiden kann.

In Vers 2 verwendet der linke Text zwei botanische Begriffe für das Aufwachsen des Messias (Schössling, Wurzelspross), während der rechte den menschlichen Begriff Kind und danach erst eine Wurzel schreibt. Auch nach den Worten „wir sahen ihn“ folgen Unterschiede. Links heißt es nur „aber sein Anblick gefiel uns nicht“. Der Text rechts leitet mit den Worten „und er hatte“ zu zwei Merkmalen über, konkret Aussehen und Schönheit, aber dafür fehlt die Formulierung „gefiel uns nicht“ komplett. Außerdem ist der Satz in der Septuaginta noch nicht fertig, weshalb viele Lehrer Vers 2 und 3 zusammen zitieren und das machen wir ebenso.

In Vers 3 besteht der größte Unterschied darin, dass beim linken Text die Menschen ihr Angesicht verbergen, während beim rechten Text, der Leidende, um den es geht, sein Antlitz abwendet. Die zwei Texte widersprechen einander also in dem Punkt, wer wegschaut. Auch enthält die Septuaginta einen Vergleich mit allen Menschen (zurückstehend hinter allen Menschen), dem Masoretentext fehlt der Vergleich, dafür schreibt dieser, dass „er“ verlassen war von den Menschen. Das wiederum erwähnt die Septuaginta nicht. Es gibt noch andere kleinere Unterschiede, aber einen auffallenden am Schluss: während der Masoretentext mitten im Satz von der dritten in die wir-Form umschwenkt (so verachtet war er, und wir achteten ihn nicht.), bleibt die Septuaginta in der dritten Person (Er wurde entehrt und nicht anerkannt).

Wenden wir uns mit diesen Erkenntnissen nun an die frühen Christen und schauen wir, welchen Text sie zitierten und lehrten (im Neuen Testament werden diese Verse nicht zitiert):

Klemens von Rom (35-99):

Wir redeten angesichts seiner: er ist wie ein Kindlein, wie ein Schössling in dürstendem Erdreich; er hat nicht Gestalt noch Würde; und wir haben ihn gesehen, und er hatte weder Gestalt noch Schönheit, vielmehr ist seine Gestalt unscheinbar, zurückbleibend hinter der Gestalt der Menschen; er ist ein Mann in Wunden und Weh und versteht Krankheit zu tragen; weil sich abgewendet hat sein Antlitz, deshalb wurde er zurückgesetzt und nicht beachtet. (Klemens von Rom, Epistula ad Corinthios - Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

Wir haben vor ihm Botschaft gebracht wie ein Kind, wie eine Wurzel in dürstender Erde. Er hat nicht Gestalt noch Ansehen; wir sahen ihn und er hatte weder Gestalt noch Schönheit, vielmehr war seine Gestalt unansehnlich und verschwindend im Vergleich mit den Menschen. Als ein Mensch, der geschlagen zu werden und Schwäche zu ertragen gewohnt war, wurde er, weil sein Antlitz abgewandt war, beschimpft und mißachtet. (Justin der Märtyrer, Apologia (prima) - Erste Apologie (BKV), 50.Kapitel )

Irenäus von Lyon (130-202):

Wir haben erzählt ihm gegenüber gleichwie ein Kind, wie ein Wurzelschoß in dürrem Land. Ansehen hat er nicht noch Herrlichkeit. Wir sahen ihn und er hatte kein Ansehen noch Schönheit. Sein Aussehen war vielmehr ohne Würde, geringer als das anderer Menschen. Ein Mensch in Schlägen und erfahren im Ertragen der Leiden, so daß abgewandt ist sein Antlitz. Er wurde mißachtet und nicht geschätzt. (Irenäus, Erweis der apostolischen Verkündigung (BKV), II. Zweiter Hauptteil, Zweiter Abschnitt, 68.Kapitel)

Hippolytus von Rom (170-235):

Denn es werden in der Schrift zwei Erscheinungen unseres Herrn und Heilandes angedeutet, von denen die eine seine erste Erscheinung im Fleisch war, die ohne Ehre stattfand, weil er verachtet wurde, wie Jesaja vorhin von ihm sagte: "Wir sahen ihn, und er hatte keine Gestalt und kein Ansehen, sondern seine Gestalt war verachtet und verworfen (wörtlich: mangelhaft) vor allen Menschen; ein Geschlagener und mit Gebrechen vertraut denn sein Angesicht war abgewandt; er war verachtet und wurde nicht geachtet.“ (Hippolytus, Das Buch über Christus und den Antichrist (ANF), 44., übersetzt aus dem Englischen)

Tertullian (160-220)

Denn „wir haben verkündet“, sagt der Prophet, „dass er wie ein kleines Kind ist, wie eine Wurzel in einem dürstenden Land, und dass an ihm weder Anmut noch Herrlichkeit ist. Und wir sahen Ihn, und Er hatte weder Anmut noch Gnade, sondern Sein Antlitz war unehrenhaft, mangelhaft im Vergleich zu den Menschenkindern“, „ein Mann, der in der Plage steckt und weiß, wie man Gebrechen erträgt“ (Tertullian, An Answer to the Jews (ANF), Chapter XIV.—Conclusion. Clue to the Error of the Jews. Übersetzt aus dem Englischen)

Origenes (158-255) 

Übereinstimmend also ist aufgezeichnet, dass der Körper Jesu „mißgestaltet“ gewesen sei, aber allerdings nicht, wie Celsus angibt, auch „unedel“; auch wird nicht klar und bestimmt berichtet, dass er „klein“ war. Die bei Jesaja aufgezeichnete Stelle mit der Prophezeiung, dass der Messias zu dem Volke nicht in blühender Gestalt, auch nicht in einer überragenden „Schönheit“ kommen werde, lautet so: „Herr, wer hat dem, was wir gehört haben, geglaubt? Und der Arm des Herrn, wem ward er kund? Wir verkündeten ihn vor dem Herrn als ein Kind, als eine Wurzel in dürrem Lande. Gestalt und Ansehen hat er nicht. Und wir sahen ihn, und er hatte nicht Gestalt noch Schönheit; sondern seine Gestalt war ungeehrt, verschwindend gegenüber den Menschenkindern“ (Origenes, Contra Celsum - Gegen Celsus (BKV), Sechstes Buch, 75.Kapitel)

Cyprian von Karthago (200-258):

Wir haben vor Ihm erklärt, wie Kinder, wie eine Wurzel in einem dürstenden Boden. Und wir haben ihn gesehen, und er hatte keine Gestalt und keine Schönheit, sondern seine Gestalt war ohne Ehre und geringer als die anderer Menschen. Er war ein Mensch in einer Plage und wusste, wie man Schwachheit erträgt; weil Er sein Angesicht abwandte, wurde Er entehrt und nicht beachtet. (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews (ANF), Book II, Chap. 13; übersetzt aus dem Englischen)

Auch hier ist das Zeugnis der frühen Christen einmütig: sieben Zeugen aus den ersten 3 Jahrhunderten bestätigen eindeutig die Septuaginta. Es sind zwar nicht alle Zitate vollständig, oft werden nur gewisse Passagen aus den zwei Versen zitiert, aber dann immer entsprechend dem Wortlaut der LXX. Beim einem Zitat ist übrigens der Vollständigkeit halber auch noch der Vers 1 dabei - und selbstverständlich ebenfalls eindeutig aus der LXX. Kein Zeuge jedoch für den Masoretentext.

Somit steht es 15:0 für die Septuaginta nach dem dritten Vers. 


Jesaja 53,4:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
4

Fürwahr, er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen; wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt.

Dieser trägt unsere Sünden und leidet um unsertwillen. Und wir urteilten über ihn, dass er in Not, unter einem (Unglücks)schlag und im Elend sei.

Dieser Vers wird heute sehr gerne und oft zitiert. Besonders von oder für Menschen, die Schmerzen haben oder krank sind. Denn Jesus hat unsere Krankheit und unsere Schmerzen getragen. Oder? Das sagt aber nur der Masoretentext!

Die Septuaginta verkündet hingegen, dass Er stattdessen unsere Sünden trägt und leidet um unsretwillen!

Beim Masoretentext wird der Messias darüber hinaus von Gott geschlagen und niedergebeugt. Nicht so in der Septuaginta, dort wird nur von Not, Unglück und Elend gesprochen - und damit zwischen den Zeilen an Hiob erinnert, der auch unter Not, einem Unglücksschlag und Elend litt, aber nicht von Gott geschlagen wurde, sondern vom Teufel! Wir sehen also in welche Richtung es geht. Die Masoreten vertauschen offenbar Gott mit dem Teufel. Schauen wir mal, was die frühen Christen dazu sagen, denn auch dieser Vers wird leider nicht im Neuen Testament zitiert.

Klemens von Rom (35-99):

Er trägt unsere Sünden und leidet für uns, und wir glaubten, er selbst sei in Weh und Schmerz und Elend. Aber er ist verwundet unserer Sünden wegen und gezüchtigt ob unserer Missetaten. (Klemens von Rom, Epistula ad Corinthios Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

Dieser trägt unsere Sünden und jammert um uns, und wir meinten, er sei in Mühe, Schmerz und Pein. Aber um unserer Missetaten willen ist er verwundet und wegen unserer Sünden ist er elend geworden; (Justin, Apologia (prima) Erste Apologie (BKV), 50.Kapitel )

Irenäus von Lyon (130-202):

Dieser trägt unsere Sünden und unseretwegen wird er von Schmerzen gequält, und wir meinten, daß er den Schmerzen und den Schlägen und den Qualen verfallen sei. (Irenäus, Erweis der apostolischen Verkündigung (BKV), II. Zweiter Hauptteil, Zweiter Abschnitt, 68.Kapitel)

Origenes (158-255) 

Dieser trägt unsere Sünden und duldet Schmerzen um unseretwillen, und wir hielten ihn für einen Mann in Not und in Leiden und in Erniedrigung. Aber er ist verwundet um unserer Sünden willen und zerschlagen wegen unserer Missetaten; (Origenes, Contra Celsum - Gegen Celsus (BKV), Erstes Buch, 54. Kapitel)

Cyprian von Karthago (200-258):

Er trägt unsere Sünden und trauert um uns; und wir dachten, Er sei in Trauer, in Wunden und in Trübsal; aber Er wurde um unserer Übertretungen willen verwundet und um unserer Sünden willen geschwächt. (Cyprian, The Treatises of Cyprian (ANF), Treatise XI, Three Books of Testimonies Against the Jews, Book II, Chap. 13,  übersetzt aus dem Englischen)

Erneut ist hier das mittlerweile vertraute Bild zu sehen. Alle Zeugen, immerhin fünf an der Zahl, der ersten drei Jahrhunderte bezeugen auch beim Vers 4 eindeutig die Botschaft, die uns Gott durch die Septuaginta verkündet: Christus trägt unsere Sünden. Er leidet um unsretwillen. Es ist kein Wort davon, dass der Christus die Krankheiten oder Schmerzen der Menschen trägt und nirgendwo ist die Rede von einem Gott, der den Messias bestraft, niederbeugt und schlägt, niemand folgt dem Masoretentext.

Somit steht es 20:0 für die Septuaginta nach dem vierten Vers. 


Jesaja 53,5:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
5

Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden.

Er aber wurde verwundet um unserer Gesetzlosigkeiten willen und ist gebrechlich gemacht um unserer Sünden willen: Unsere Erziehung zum Frieden ruht auf ihm, durch seine Strieme wurden wir geheilt.

Bei diesem Vers sind die Unterschiede schon beinahe mit der Lupe zu suchen. Links ist die Rede von Strafe, damit wir Frieden hätten. Rechts kein Wort von Strafe, stattdessen von unserer Erziehung (wörtlich Züchtigung) zum Frieden, das ist ein feiner Unterschied. Züchtigung und Strafe sind nicht dasselbe. Das eine soll zum Frieden führen, dass andere, damit man Frieden hat. Seltsam ist, dass der Masoretentext verkündet, dass der Messias wegen unserer Übertretungen durchbohrt würde. Die Septuaginta schreibt stattdessen verwundet. Wir wissen, dass Jesus erst durchbohrt wurde als Er schon tot war. Das war kein Teil seines Leidens mehr und schon gar nicht wegen unserer Übertretungen, sondern um den bereits eingetretenen Tod zu beweisen. Die Septuaginta formuliert das viel besser, dort wurde er verwundet, und sie schreibt am Ende sogar treffsicher von Striemen und sagt hiermit die Geißelhiebe konkret voraus, anders als der Masoretentext, der nur von Wunden spricht. Dieser Unterschied mag vielen banal erscheinen, aber man kann ihn auch im Neuen Testament sehen, denn Petrus zitierte einen Teil aus diesem Vers:

Er hat unsere Sünden selbst an seinem Leib getragen auf dem Holz, damit wir, den Sünden gestorben, der Gerechtigkeit leben mögen; durch seine Wunden seid ihr heil geworden. (1.Petr. 2,24 SCH2000

„Ha!“, werden jetzt viele sagen, „siehst Du, Petrus hat den hebräischen Masoretentext zitiert, weil er schrieb Wunden, nicht Striemen!“ Auf den ersten Blick sieht es so aus. Aber was schrieb Petrus wirklich im Original auf Griechisch? Schauen wir uns das wieder im Vergleich mit dem Griechischen Text der Septuaginta an:

Jesaja 53,5 (LXX)

αυτός δε ετραυματίσθη διά τας αμαρτίας ημών και μεμαλάκισται διά τας ανομίας ημών παιδεία ειρήνης ημιν επ΄ αυτόν τω μώλωπι αυτού ημείς ιάθημεν

1. Petrus 2,24 (TR, nur Zitat)

ου τω μώλωπι αυτού ιάθητε

Man sieht, wie ich meine, auch wenn man kein Griechisch kann, dass Petrus den letzten Teil des Verses wortgetreu aus der LXX zitierte. Er tat das wohl auswendig und fügte es in den Fluss seines Satzes ein, so variiert die Zeitform etwas. Das Schlüsselwort, um das es hier aber geht, habe ich fett hervorgehoben: μώλωπι ist die Mehrzahl von μώλωψ (mōlōps, G3468). Auf Deutsch kann man das zwar mit Wunde übersetzen, es trifft aber nicht ins Schwarze, denn im Griechischen bezeichnet es eigentlich eine Strieme oder eine Wunde, wo Blut raustropft. Das ist exakt, was Jesus bei seiner Geißelung vielfach zugefügt wurde. Und dieses Wort mōlōps kommt im Neuen Testament übrigens nur ein einziges Mal vor, nämlich in 1.Petrus 2,24 wo Petrus die LXX zitiert, die eben auch genau dieses Wort verwendet. Damit passt wieder einmal alles wunderbar zusammen mit der LXX.

Leider sehen das nicht alle Übersetzer auf Deutsch. Die meisten der meist gelesenen Bibelübersetzungen heute (Schlachter, Luther, Einheitsübersetzung, Gute Nachricht, Hoffnung für alle, Menge, Neue Genfer, Neues Leben etc.) schreiben das schwache Wort Wunden, aber wenige andere haben doch Striemen stehen:

Er selbst hat unsere Sünden getragen am eigenen Leib ans Holz hinauf, damit wir den Sünden absterben und der Gerechtigkeit leben; durch seine Striemen wurdet ihr geheilt. (Elberfelder)

Er selbst hat unsere Sünden getragen am eigenen Leib ans Holz hinauf, damit wir den Sünden absterben und der Gerechtigkeit leben; durch seine Striemen wurdet ihr geheilt. (Zürcher Bibel)

Mit seinem Körper hat er unsere Sünden auf das Holz hinaufgetragen, damit wir – für die Sünden gestorben – nun so leben, wie es vor Gott recht ist. Durch seine Striemen seid ihr geheilt. (Neue evangelistische Übersetzung)

welcher unsere Sünden selbst hinauf getragen hat an seinem Leib auf das Holz, damit wir den Sünden gestorben der Gerechtigkeit leben; durch seine Strieme wurdet ihr geheilt. (Benjamin Fotteler)

Was schreiben die frühen Christen?

Klemens von Rom (35-99):

Aber er ist verwundet unserer Sünden wegen und gezüchtigt ob unserer Missetaten. Zu unserem Frieden liegt auf ihm die Züchtigung, durch seine Striemen sind wir geheilt. (Klemens von Rom, Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Barnabasbrief (100)

Denn dazu hat es der Herr auf sich genommen, hinzugeben sein Fleisch zum Verderben, damit wir durch die Nachlassung der Sünden geheiligt werden in der Aussprengung seines Blutes. Es steht nämlich geschrieben über ihn teils mit Bezug auf Israel teils mit Bezug auf uns; er sagt aber also: „Er wurde verwundet wegen unserer Ungerechtigkeit, und er ist misshandelt worden wegen unserer Sünden; durch seine Striemen wurden wir geheilt.“ (Barnabasbrief (BKV), 5. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

Aber um unserer Missetaten willen ist er verwundet und wegen unserer Sünden ist er elend geworden; unseres Friedens wegen liegt die Züchtigung auf ihm, durch seine Striemen wurden wir geheilt. (Justin, Apologia (prima) Erste Apologie (BKV), 50.Kapitel )

Irenäus von Lyon (130-202):

„Und doch wurde er verwundet wegen unserer Missetaten, und gepeinigt wegen unserer Sünden. Die Züchtigung liegt zu unserem Frieden auf ihm, und durch seine Wunden wurden wir geheilt“ (Irenäus, Erweis der apostolischen Verkündigung (BKV), II. Zweiter Hauptteil, Zweiter Abschnitt, 68.Kapitel)

Origenes (158-255) 

Aber er ist verwundet um unserer Sünden willen und gequält wegen unserer Missetaten; zu unserem Frieden liegt Züchtigung auf ihm, und durch seine Striemen wurden wir geheilt. (Tertullian, Gegen Celsus (ANF), Erstes Buch, 54. Kapitel, übersetzt aus dem Englischen)

Cyprian von Karthago (200-258):

Er wurde um unserer Übertretungen willen verwundet und um unserer Sünden willen geschwächt. Die Züchtigung zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seinen Striemen sind wir geheilt. (Cyprian, The Treatises of Cyprian (ANF), Treatise XI, Three Books of Testimonies Against the Jews, Book II, Chap. 13,  übersetzt aus dem Englischen)

Auch wenn die Unterschiede zwischen den beiden Grundtexten nicht so gegensätzlich sind, wie in anderen Versen, kann man doch erkennen, dass die frühen Christen auch hier dem Wortlaut der Septuaginta folgten anstatt dem Masoretentext. Spannender wird es beim nächsten Vers.

Immerhin mit Petrus und den sechs frühen Christen haben wir sieben Zeugen für die Septuaginta sogar bei diesen Vers fünf. Somit steht es 27:0 für die Septuaginta nach dem fünften Vers. 


Jesaja 53,6:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
6

Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der HERR warf unser aller Schuld auf ihn.

Wir alle gingen wie Schafe in die Irre, (jeder) Mensch ging auf seinem Weg in die Irre; und der Herr übergab ihn für unsere Sünden.

Auf dem ersten Blick ist vielleicht kein Unterschied zu sehen. Auf dem zweiten Blick sollte aber jeder bemerken, dass der Masoretentext ein anderes Gottesbild zeichnet als die Septuaginta. Links warf Gott unsere Schuld auf ihn. Rechts übergab Gott ihn für unsere Sünden in andere Hände. Der Masoretentext macht Gott also aktiv zu dem, der seinen Knecht (wird im Vers 11 besprochen) höchstpersönlich unsere Schuld auflud, die Septuaginta zeigt uns hingegen einen Gott, der Christus in die Hände von anderen übergibt, für unsere Sünden. Sahen und kannten diesen Unterschied auch die frühen Christen?

Klemens von Rom (35-99):

Alle gingen wir irre wie Schafe, der Mensch verirrte sich auf seinem Wege.  Und der Herr gab ihn dahin für unsere Sünden, und er selbst öffnete den Mund nicht wegen seiner Misshandlung. (Klemens von Rom, Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, ein jeder wich ab von seinem Wege; er der Herr hat ihn geopfert unseren Sünden und er selbst tut ob der Peinigung seinen Mund nicht auf. (Justin der Märtyrer, Apologia (prima) Erste Apologie (BKV), 50.Kapitel )

Origenes (158-255) 

Wir alle gingen in der Irre wie Schafe, ein jeglicher wich ab nach seinem Wege; und der Herr hat ihn hingegeben für unsere Sünden. (Origenes, Contra Celsum - Gegen Celsus (BKV), Erstes Buch, 54. Kapitel)

Cyprian von Karthago (200-258):

Wir sind alle wie Schafe in die Irre gegangen; der Mensch ist von seinem Weg abgekommen. Und Gott hat ihn um unserer Sünden willen ausgeliefert; und er tat seinen Mund nicht auf, weil er geplagt war (Cyprian, The Treatises of Cyprian (ANF), Treatise XI, Three Books of Testimonies Against the Jews, Book II, Chap. 13,  übersetzt aus dem Englischen)

Wir haben hier vier Zeugen aus allen drei Jahrhunderten, doch keiner von ihnen sagt, dass Gott unsere Schuld auf ihn warf, sondern das Gott ihn für unsere Sünden dahingab, gemäß dem Wortlaut der Septuaginta.

Somit steht es 31:0 für die Septuaginta nach dem sechsten Vers. 

Es fällt mir auf, dass die meisten gleich im selben Atemzug den ersten Teil vom nächsten Vers dazu nehmen, also gehen wir gleich weiter.


Jesaja 53,7-8:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
7

Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut.

Und er öffnet nicht den Mund, weil er misshandelt worden ist. Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer stumm ist, so öffnet er seinen Mund nicht.

8

Infolge von Drangsal und Gericht wurde er weggenommen; wer will aber sein Geschlecht beschreiben? Denn er wurde aus dem Land der Lebendigen weggerissen; wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen.

Durch (seine) Erniedrigung wurde sein Recht aufgehoben; seine Nachkommenschaft – wer wird von ihr berichten? Weil sein Leben von der Erde hinweggenommen wird, (deshalb) wurde er von den Gesetzlosigkeiten meines Volkes in den Tod geführt.

Diese zwei Verse könnten auch Bibellesern bekannt vorkommen, die nie im Alten Testament lesen, denn sie werden im Neuen Testament zitiert. Dazu kommen wir gleich. Vorab möchten wir auch hier etwaige Unterscheidungsmerkmale der beiden Textfamilien herausarbeiten.

Vers 7 scheint auf den ersten Blick für die meisten identisch zu sein in beiden Texten. Aber das stimmt nicht ganz. Auch hier sitzt der Teufel wieder im Detail. Im Masoretentext wurde er misshandelt aber er beugte sich. Vom wegen sich beugen steht in der Septuaginta kein Wort. Das wäre also schon ein treffendes Unterscheidungsmerkmal.

In Vers 8 werden die Unterschiede schon deutlicher, denn da spricht die Septuaginta von Erniedrigung, durch die sein Recht aufgehoben wurde. An der Stelle behauptet der Masoretentext jedoch, dass „Infolge von Drangsal und Gericht er weggenommen wurde“. Was auch immer das heißen mag. Der Sinn dieses Satzes erschließt sich nicht wirklich, schon gar nicht, wenn man weiß, dass damit Jesu Folter gemeint sein soll. Hier ist die Septuaginta nicht nur inhaltlich nachvollziehbarer, sondern auch sprachlich. 

Wer einen Unterschied zwischen „Geschlecht“ und „Nachkommenschaft“ sehen will, darf beruhigt sein, das ist nur ein Frage der Übersetzung. Und beide sind nicht die glücklichsten, wenn ich ehrlich sein darf. Heutzutage, wo Dank des Zeitgeistes und seines Genderns über alle möglichen „Geschlechter“ diskutiert wird, muss man Zeitgeistchristen an der Stelle vielleicht extra sagen, dass der Masoretentext hier nicht das biologische oder soziale Geschlecht von Jesus anspricht, sondern sein Geschlecht im Sinne eines Geschlechtsregisters, das sich sowohl aus den Vorfahren als auch den Nachkommen zusammensetzt. Warum sich die Übersetzer der Septuaginta Deutsch allein auf die Nachkommenschaft versteiften, ist mir nicht bekannt. Wir werden sehen, dass die frühen Christen den Begriff eher in Richtung Herkunft und Geburt Christi deuteten.

Ein deutlicher Unterschied in Vers 8 ist aber noch der Schluss. Beim Masoretentext wird er aus dem Land der Lebendigen weggerissen und hat ihn am Ende wieder einmal Strafe getroffen. Ganz anders bei der Septuaginta: dort wird sein Leben von der Erde hinweggenommen und er wird in den Tod geführt. Wir haben also eine völlig unterschiedliche Wortwahl. Sehen wir uns also an, welche Wortwahl der Heilige Geist bestätigt in der Heiligen Schrift und den Schriften der frühen Christen:

Evangelist Lukas:

Da sprach der Geist zu Philippus: Tritt hinzu und halte dich zu diesem Wagen!
Da lief Philippus hinzu und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen; und er sprach: Verstehst du auch, was du liest?
Er aber sprach: Wie kann ich denn, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
Die Schriftstelle aber, die er las, war diese: »Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht aufgehoben. Wer will aber sein Geschlecht beschreiben? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen!«
Da wandte sich der Kämmerer an Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet dies? Von sich selbst oder von einem anderen?
Da tat Philippus seinen Mund auf und begann mit dieser Schriftstelle und verkündigte ihm das Evangelium von Jesus. (Apg 8,29-35)

Lukas beginnt mit dem Zitieren erst im zweiten Teil von Vers 7 und hört mitten im Vers 8 auf. Aber dazu muss man zwei Dinge erklären: Erstens kannten die Apostel unsere Verszählung gar nicht, auch nicht die frühen Christen, denn die Verse und Kapitel der Bibel wurden erst im Mittelalter eingeführt. Jesus, Seine Apostel und die frühen Christen lasen also anders und zitierten anders als wir, nämlich freier, unabhängig von Versen und Kapiteln.

Und zweitens gibt Lukas die Stelle aus Jesaja 53 so wieder, wie sie der Kämmerer aus Äthiopien las als Philippus vom Heiligen Geist (!) hingeführt wurde. Hier sehen wir übrigens sehr schön, wie der Heilige Geist in Wahrheit arbeitet: er führt Lehrer und Schüler zueinander. Wenn der Schüler sich vom Lehrer belehren lässt, dann wird ihm die Schrift geöffnet und er kann verstehen. Davor aber muss er sich der demütigenden Frage „Verstehst du auch, was du liest?“ stellen. Eingebildete oder hochmütige Schüler reagieren darauf abweisend oder empört und werden daher nie verstehen. Aber die demütigen nehmen den Lehrer dankbar auf, lassen ihn einsteigen und sich alles gut erklären. So wirkt der Heilige Geist. Das kann man in der ganzen Bibel sehen, aber besonders schön an dieser Stelle. So geht die Lehre der Apostel.

Wir haben hier aber eigentlich ein anderes Thema, nämlich welchen Text bestätigt der Heilige Geist? Welchen Text las der Kämmerer? Zur Erklärung: der Kämmerer war nicht nur der höchste Beamte in seinem Heimatstaat, sondern er war gläubiger Jude und reiste extra den weiten Weg nach Jerusalem, um dort im Tempel anzubeten. Auf der Rückreise spielte sich die Begebenheit wie oben ab. Es ist also doppelt spannend zu wissen, ob der Kämmerer im hebräischen Masoretentext las oder in der griechischen Septuaginta. Denn das gibt Aufschluss darüber, welcher der beiden Texte damals in Jerusalem - also bei den Juden und ihren Schriftgelehrten - gängig war und als Heilige Schrift galt! Denn der Kämmerer war ein gläubiger Jude - kein Christ - und war wie gesagt angereist um in Jerusalem anzubeten. Höchstwahrscheinlich hatte er die Schriftrolle auch dort gekauft. Wir erfahren hier also, welchen Text die gläubigen Juden in dieser Zeit lasen. Das Ergebnis ist genauso eindeutig, wie für viele heute vielleicht verblüffend: wir erkennen hier deutlich den Wortlaut der Septuaginta!

Zur Kontrolle schauen wir uns die Texte in der Originalsprache Griechisch an. Zuerst den Griechischen Text der LXX, dann darunter den Griechischen Text der Apostelgeschichte (auch die Apostelgeschichte wurde original auf Griechisch geschrieben), den der Kämmerer las:

Septuaginta (Jesaja 53,7-8)

και αυτός διά το κεκακώσθαι ουκ ήνοιξε το στόμα αυτού ως πρόβατον επί σφαγήν ήχθη και ως αμνός έμπροσθεν του κείροντος άφωνος ούτως ουκ ήνοιξε το στόμα αυτού εν τη ταπεινώσει η κρίσις αυτού ήρθη την γενεάν αυτού τις διηγήσεται ότι αίρεται από της γης η ζωή αυτού από των ανομιών του λαού μου ήχθη εις θάνατον

Apostelgeschichte 8,32-33

η δε περιοχή της γραφής ην ανεγίνωσκεν ην αύτη ως πρόβατον επί σφαγήν ήχθη και ως αμνός εναντίον του κείροντος αυτόν άφωνος ούτως ουκ ανοίγει το στόμα αυτού εν τη ταπεινώσει αυτού η κρίσις αυτού ήρθη την δε γενεάν αυτού τις διηγήσεται ότι αίρεται από της γης η ζωή αυτού

Der Text des Kämmerers fängt etwas später an und hört dafür früher auf, wie bereits oben erwähnt. Ich habe ihn zur besseren Wahrnehmung fett hervorgehoben. Das Vergleichen der Zeichen ist für jeden möglich, mann muss dafür nicht Griechisch können. Der Vergleich zeigt eindeutig, dass der Kämmerer in der Septuaginta las. Der Text in der Apostelgeschichte stimmt überwältigend mit der LXX überein. Sehr, sehr aufmerksamen Augen wird nicht entgangen sein, dass allein das neunte Wort anders ist. Lukas schreibt εναντίον (enantion, G1726), in der Septuaginta steht jedoch έμπροσθεν (emprosthen, G1715). Aber beide bedeuten so gut wie dasselbe, nämlich „vor" im Sinne von „im Angesicht von“ oder „in Gegenwart von“, hier gebraucht im Satz „wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist“. Das ist also kein weltbewegender Unterschied und widerspricht keinesfalls dem Wortlaut der LXX. Er ist vielleicht ein Hinweis, dass es leicht abweichende Textvarianten gibt, oder dass auswendig zitiert wurde. Der Sinn ist aber absolut übereinstimmend. Es ist zweifellos so, dass uns der Heilige Geist durch Lukas auf die Septuaginta hinweist, und nicht auf den Masoretentext.

Werfen wir noch einen Blick auf die Zeugen außerhalb der Bibel:

Klemens von Rom (35-99):

Und der Herr gab ihn dahin für unsere Sünden, und er selbst öffnete den Mund nicht wegen seiner Misshandlung. Wie ein Lamm wurde er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Schaf stumm bleibt vor dem Scherer, so tat er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde seine Verurteilung aufgehoben. Wer wird sein Geschlecht aufzählen? da von der Erde sein Leben weggenommen wird. Wegen der Missetaten meines Volkes wird er zum Tod geführt. (Clemens von Rom, Epistula ad Corinthios Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

... und er selbst tut ob der Peinigung seinen Mund nicht auf. Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt und, wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht aufgehoben“ (Justin der Märtyrer, Apologia (prima) Erste Apologie (BKV), 50.Kapitel )

Um uns aber zu zeigen, daß, der solches litt, von ungewöhnlicher Herkunft sei und über seine Feinde herrsche, hat der prophetische Geist also gesprochen: „Wer wird seine Abkunft erzählen? Denn weggenommen von der Erde wird sein Leben, wegen ihrer Missetaten kommt er in den Tod.“ (wie oben, 51.Kapitel )

Irenäus von Lyon (130-202):

Wen hat weiterhin Philippus dem Eunuchen der Königin von Äthiopien, als er von Jerusalem zurückkehrte und den Propheten Isaias las, unter vier Augen verkündet? Nicht etwa, daß der, von dem der Prophet gesagt hat: „Wie ein Schaf wird er zur Schlachtung geführt, wie ein Lamm stumm ist vor dem Scherer, so tat er seinen Mund nicht auf ... Wer wird seine Geburt erklären? Denn von der Erde hinweggenommen wird sein Leben“ — daß dies Jesus sei, und daß in ihm die Schrift erfüllt sei, wie der Eunuch selber glaubte und die Taufe begehrte mit den Worten: „Ich glaube, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (Gegen die Häresien (ANF), Drittes Buch,12. Kapitel, 8, übersetzt aus dem Englischen)

Origenes (158-255) 

Und er öffnet seinen Mund nicht ob des Bösen, das man ihm antut. Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht hinweggenommen. Wer kann sein Geschlecht erklären? Denn sein Leben wird hinweggenommen von der Erde, um der Missetaten meines Volkes willen wurde er zum Tode geführt. (Origenes, Contra Celsum - Gegen Celsus (BKV), Erstes Buch, 54. Kapitel)

Tertullian (160-220)

Ihm gebührte es, stellvertretend für alle Heiden geopfert zu werden, der „wie ein Schaf zum Opfer geführt wurde und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer stumm ist, seinen Mund nicht auftat“ (denn als Pilatus ihn befragte, sagte er nichts); denn „in Erniedrigung wurde sein Urteil weggenommen:  Seine Geburt aber, wer wird sie verkünden?“ Denn niemand von den Menschen war sich der Geburt Christi bei seiner Empfängnis bewußt, als die Jungfrau Maria durch das Wort Gottes schwanger gefunden wurde; und weil „sein Leben aus dem Lande genommen werden sollte“. (Tertullian, An Answer to the Jews (ANF), Chap. 13, aus dem Englischen übersetzt)

Cyprian von Karthago (200-258):

Bei Jesaja: "Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tat er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht weggenommen; wer wird seine Geburt erzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen werden. Durch die Übertretungen meines Volkes wurde er in den Tod geführt; (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews (ANF), Book II, Chap. 15, übersetzt aus dem Englischen)

Also auch hier der Befund wie bei bisher allen Versen: es finden sich nur die Formulierungen der Septuaginta bei den frühen Christen, und kein einziges Merkmal des Masoretentextes. Wir haben diesmal einen Zeugen aus der Bibel selbst und sechs weitere aus den ersten drei Jahrhunderten, macht in Summe sieben. Das erhöht den Punktestand somit auf 34:0 für die Septuaginta nach dem achten Vers. 


Jesaja 53,9:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
9

Und man bestimmte sein Grab bei Gottlosen, aber bei einem Reichen war er in seinem Tod, weil er kein Unrecht getan hatte und kein Betrug in seinem Mund gewesen war.

Und ich werde die Bösen anstelle seines Grabes und die Reichen anstelle seines Todes geben, denn er hat keine Gesetzlosigkeit getan, und es wurde kein Trug in seinem Mund gefunden.

Dieser Vers 9 wird heutzutage oft bemüht, um zu beweisen, dass die Grablegung Jesu auch schon von Jesaja präzise vorhergesagt wurde. Wir erinnern uns: Jesus wurde laut den Evangelien in dem Familiengrab eines gewissen Josef aus Arimathäa gelegt. Matthäus verrät uns, dass dieser Josef aus Arimathäa ein reicher Mann war (Mt 27,57). Und schon passt der Masoretentext für viele Bibellehrer ausgezeichnet und sie sehen ihn als prophetisches Wort für diese eben genannte Grablegung. Denn da steht: „Und man bestimmte sein Grab bei Gottlosen, aber bei einem Reichen war er in seinem Tod“.

Aber ist das wirklich eine treffende Prophetie für Jesu Grablegung? War der reiche Josef aus Arimathäa denn ein Gottloser? Er war laut Markus immerhin „ein angesehener Ratsherr, der auch auf das Reich Gottes wartete“ (Mk 15.43) und Johannes weist sogar darauf hin, dass er ein Jünger Jesu war (Joh 15.38)! Ein Gottloser war das also nicht. Und dann ist da noch die seltsame Begründung  „weil er kein Unrecht getan hatte und kein Betrug in seinem Mund gewesen“. Was ist das für eine Begründung dafür, dass er in seinem Tod bei einem Reichen war? Kommen denn alle, die kein Unrecht getan haben, in ihrem Tod zu einem Reichen? Wo war Jesus überhaupt in seinem Tod? Bei einem Reichen oder im Totenreich?

Der Masoretentext wirft schon viele Fragen auf, wenn man ihn noch gar nicht mit der Septuaginta verglichen hat. Aber im Vergleich wird er noch schwächer. Denn die Septuaginta prophezeit nicht Jesu Grablegung, sondern dass die Bösen anstelle seines Grabes und die Reichen anstelle seines Todes gegeben werden. Das klingt nicht nur ganz anders, das ist auch was ganz anderes! Es lohnt sich, über den Unterschied nachzudenken. Das aber hier auszuführen, würde den Rahmen sprengen. Vielleicht nur soviel: die Bösen und die Reichen kommen in Jesu Predigten gar nicht gut weg. Das passt mit der Septuaginta besser zusammen. Aber das ist, wie gesagt, ein großes Thema, das ausführlich an einer anderen Stelle behandelt werden sollte.

Wir sehen uns nun an, welchen der beiden Texte die frühen Christen predigten:

Klemens von Rom (35-99):

Und ich will hingeben die Bösen für sein Grab und die Reichen für seinen Tod; denn er hat nichts Böses getan, und in seinem Mund ward kein Trug gefunden. (Clemens von Rom, Epistula ad Corinthios Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

Und ich will hingeben die Bösen für sein Grab und die Reichen für seinen Tod, weil er keine Ungerechtigkeit begangen hat und kein Trug in seinem Munde erfunden wurde (Justin der Märtyrer, Apologia (prima) - Erste Apologie (BKV), 51.Kapitel )

Auch von seiner Auferstehung hat Isaias gesprochen: ‚Sein Grab ist fortgenommen aus der Mitte’, und: ‚Ich werde ihm die Reichen geben zum Lohne für seinen Tod’. (Justin, Dialog mit dem Juden Tryphon (BKV), 97.)

Cyprian von Karthago (200-258):

und ich will die Gottlosen für sein Begräbnis und die Reichen für seinen Tod geben; denn er hat keine Ungerechtigkeit und keinen Betrug mit seinem Mund begangen.  (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews (ANF), Book II, Chap. 15, übersetzt aus dem Englischen)

Drei Zeugen, in jedem Jahrhundert findet sich ein früher Christ, der diesen Vers zitiert und er zitiert ihn nach der Septuaginta.

Somit steht es 37:0 für die Septuaginta nach dem neunten Vers. 


Jesaja 53,10:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
10

Aber dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen; er ließ ihn leiden. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so wird er Nachkommen sehen und seine Tage verlängern; und das Vorhaben des HERRN wird in seiner Hand gelingen.

Aber der Herr will ihn reinigen von dem (Unglücks)schlag; wenn ihr für die Sünde gebt, dann wird eure Seele langlebige Nachkommen sehen; und der Herr will wegnehmen von der Mühe seiner Seele,

Bei diesem Vers könnten die Gegensätze zwischen links und rechts nicht größer sein!

Der Masoretentext meint „dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen; er ließ ihn leiden.“ doch die Septuaginta beteuert „der Herr will ihn reinigen von dem (Unglücks)schlag.“ Was denn nun? Hier werden uns offensichtlich zwei völlig verschiedene Herren vorgestellt! Dem einen Herrn gefiel es, seinen Knecht zu zerschlagen und er ließ ihn leiden. Dem anderen Herrn gefällt das gar nicht, er lässt seinen Sohn nicht leiden, sondern will ihn reinigen (also befreien) von dem Unglücksschlag und will wegnehmen von der Mühe seiner Seele! Wir haben also links einen Herrn, der es liebt zu zerschlagen und leiden zu lassen, und auf der rechten einen, der von Unglücksschlägen befreien und Mühen wegnehmen möchte. Welcher der beiden Herren ist nun Gott und wer ist der andere?

Aber das ist noch nicht alles in Sachen Gegensätze. Der Masoretentext prophezeit dem, der „sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat“, dass er sogar Nachkommen sehen und seine Tage verlängern wird. Die Septuaginta richtet sich hingegen an ganz andere, nämlich an die Menschen und sagt ihnen „wenn ihr für die Sünde gebt, dann wird eure Seele langlebige Nachkommen sehen“. Das klingt auch irgendwie logischer und passt besser zum Gesamtbild der Heiligen Schrift. Denn dass der Christus Nachkommen haben wird, fand ich noch nirgendwo in der Heiligen Schrift, wohl aber bei diversen Irrlehrern. Aber schauen wir mal, ob die frühen Christen, das auch so sehen:

Klemens von Rom (35-99):

 „Und der Herr will ihn befreien von seiner Qual. Wenn ihr Opfer bringt für eure Sünden, wird eure Seele lang lebende Nachkommen sehen. Und der Herr will mindern die Mühsal seiner Seele,“ (Clemens von Rom, Epistula ad Corinthios - Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

und der Herr will ihn freimachen von seinen Leiden. Wenn ihr für eure Sünde Opfer gebt, werdet ihr langlebige Nachkommenschaft sehen. Und der Herr will seine Seele dem Leid entreißen, (Justin der Märtyrer, Erste Apologie (BKV), 51.Kapitel )

Wir haben für diesen Vers zwar nur zwei Zeugen, aber die reichen ja nach Gottes Maßstab völlig, wie wir bereits oben bei Vers 1 gezeigt haben. Und die beiden sind völlig eines Sinnes. Eindeutiger geht es nicht, oder? Im Prinzip kann man alles fett markieren bei den Zitaten, denn sie alle haben völlig den Wortlaut der Septuaginta erfasst und bewahrt. Die frühen Christen lehrten den Gott, der seinen Sohn sowohl von seinem Leiden wie auch von den Mühen seiner Seele  befreien möchte. Und auch der Rest entspricht 100% der Aussage der Septuaginta.

Somit steht es 39:0 für die Septuaginta nach dem zehnten Vers. 

Aufmerksamen Lesern ist sicher aufgefallen, dass die Septuaginta bei Vers 10 den Satz nicht beendet hat, denn da steht ein Beistrich statt einem Punkt, und genauso haben es die beiden zitierten Lehrer auch gesehen, deswegen gleich weiter zu Vers 11, um den Satz vollständig zu sehen:


Jesaja 53,11:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
11

Nachdem seine Seele Mühsal erlitten hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben; durch seine Erkenntnis wird mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht machen, und ihre Sünden wird er tragen.

um ihm Licht zu zeigen und (ihn) für die Einsicht zu gestalten, gerecht zu machen den Gerechten, der vielen gut dient, und er selbst wird ihre Sünden auf sich nehmen.

Dieser Vers führt im Prinzip den Gedanken vom vorherigen Vers 10 weiter und folgt dessen Logik. Der Masoretentext folgt der Logik des bösen Herrn aus Vers 10, der sich an Leid freut und dessen gequälter Knecht nun aber, nachdem er seine Seele Mühsal erlitten hat, seine Lust daran sieht. Das klingt nach Sadomaso. Der Herr quält seinen Knecht und der gequälte Knecht sieht am Ende seine Lust.

Wie ganz anders ist da die Botschaft der Septuaginta! Im vorigen Vers 10 spricht sie von einem Herrn, der seinen Christus von Leid befreien will, von der Mühsal seiner Seele wegnehmen will, „um ihm Licht zu zeigen und ihn für die Einsicht zu gestalten, gerecht zu machen den Gerechten, der vielen gut dient“. Wow, das ist ein ganz anderer Auftrag und eine ganz andere Vision als die des MT, der nun auch klipp und klar von mein Knecht“ redet im Hinblick auf den Gequälten.

Vielen Bibelübersetzern, die eigentlich den Masoretentext für das Alte Testament verwenden weil sie ihn für den besseren Grundtext halten, kommt dieser Vers 11 selbst seltsam vor, denn es fehlt ein wichtiges Wort. Eigentlich steht dort nämlich nur „er sieht“ aber nicht was er sieht, Also erfinden manche Übersetzer etwas, was er ihrer Meinung nach sieht, so wie die Schlachter 2000 die Lust.  Andere schielen zur Septuaginta hinüber und holen sich von dort das Wort Licht, das im Hebräischen Text wie gesagt fehlt! Sie lassen den Gequälten dann am Ende Licht sehen.  Wir haben diese entlarvende Stelle im Masoretentext übrigens in einem eigenen Beitrag, nämlich hier, ausführlich behandelt. Und so haben die meisten Bibeln an dieser Stelle einen Hybrid aus Masoretentext und Septuaginta. Die redlichen weisen durch Fußnoten darauf hin, die anderen tun still so, als wäre er der Originaltext. Aber in Wahrheit ist es eine menschliche Konstruktion von ratlosen Übersetzern und sieht dann z.B. so aus:

Einheitsübersetzung 2016:

Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht. / Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die Vielen gerecht; / er lädt ihre Schuld auf sich.

Elberfelder:

Um der Mühsal seiner Seele willen wird er ⟨Licht⟩[26] sehen, er wird sich sättigen. Durch seine Erkenntnis wird der Gerechte, mein Knecht, den Vielen zur Gerechtigkeit verhelfen, und ihre Sünden wird er sich selbst aufladen. [Fußnote 26: So mit Qu. und LXX] 

Hoffnung für alle:

Wenn er dieses schwere Leid durchgestanden hat, sieht er wieder das Licht[3] und wird für sein Leiden belohnt. Der Herr sagt: »Mein Diener kennt meinen Willen, er ist schuldlos und gerecht. Aber er lässt sich für die Sünden vieler bestrafen, um sie von ihrer Schuld zu befreien. [Fußnote 3: Das Wort »Licht« ist nach der griechischen Übersetzung eingefügt. Im hebräischen Text fehlt es in vielen Handschriften.]

Gute Nachricht:

Nachdem er so viel gelitten hat, wird er wieder das Licht[2] sehen und sich an dessen Anblick sättigen. Von ihm sagt der HERR: »Mein Bevollmächtigter hat eine Erkenntnis gewonnen, durch die er, der Gerechte, vielen Heil und Gerechtigkeit bringt. Alle ihre Vergehen nimmt er auf sich. [Fußnote 2: "das Licht:" mit einer wichtigen Handschrift und G; fehlt in H.]

Lutherbibel 2017:

Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden.

Man erkennt bei allen modernen Bibelübersetzungen den Masoretentext eindeutig sofort am Begriff mein Knecht (oder Bevollmächtigter) und dass er Fülle hat oder sich sättigt. Die Hoffnung für alle übersetzt das sehr frei indem sie schreibt, dass er für sein Leben belohnt wird. Jeder Übersetzer löst eine unverständliche Stelle auf seine Art. Manche holen sich Licht von der LXX, verdrehen es aber, denn sie wollen die Passage er sieht vom MT verwerten und somit sieht er das Licht bei ihnen. In der Septuaginta wird ihm jedoch das Licht gezeigt von seinem Herrn. Auch hier wieder ein feiner Unterschied, der die Geister unterscheidet, aber nur für aufmerksame, wachsame Menschen.

Wie sieht es nun bei den frühen Christen aus, wie haben sie zitiert? Konstruierten sie ihre eigenen Mischungen, wie die späten Christen, oder blieben sie bei einem reinen Text, und wenn ja, bei welchem?

Klemens von Rom (35-99):

 „will Licht ihm zeigen und durch Einsicht bilden, rechtfertigen den Gerechten, der vielen gut dient; und ihre Sünden will er selbst hin wegnehmen.“ (Clemens von Rom, Epistula ad Corinthios - Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

 ihm Licht zeigen, mit Erkenntnis ausstatten und rechtfertigen den Gerechten, der vielen Dienste erwies. Er selbst wird unsere Sünden auf sich nehmen;  (Justin der Märtyrer, Erste Apologie (BKV), 51.Kapitel )

Apostolische Konstitutionen (4. Jh.):

Die Diakone sollen in allem unbefleckt sein, wie auch der Bischof sein soll, nur tatkräftiger, in der Zahl nach der Größe der Kirche, damit sie den Schwachen dienen als Arbeiter, die sich nicht schämen. Und die Diakonisse soll sich um die Frauen kümmern; beide (Diakon und Diakonisse) aber sollen bereit sein, Botschaften zu überbringen, umherzuziehen, Hilfe zu leisten und zu dienen, wie Jesaja über den Herrn gesagt hat, indem er sagte: „rechtfertigen den Gerechten, der vielen gut dient.“ (Constitutions of the Holy Apostles (ANF), Book III, Sec. II - On Deacons, XIX WHAT ARE THE CHARACTERS OF A DEACON., aus dem Englischen übersetzt)

Gerade aus dem letzten Zitat aus den Apostolischen Konstitutionen sieht man, wie selbstverständlich die Septuaginta als Heilige Schrift betrachtet wurde, denn ein kleiner Nebensatz aus unserem Vers wird sogar als Regel in die Kirchenordnungen übernommen. Und diesen Nebensatz findet man nur in der LXX! Diesen Satz haben auch die beiden anderen Textzeugen, die Jesaja 53,11 zitierten, ganz selbstverständlich drin, und sie mischen auch keinen Masoretentext hinein, wie etwa den Knecht oder dass er selbst das Licht sieht anstatt dass es ihm gezeigt würde, und so ist wieder nur die Septuaginta bestätigt.

Wie haben also 3 übereinstimmende Zeugen für die Septuaginta in Bezug auf Vers 11, und keinen für den Masoretentext. Somit steht es 42:0 für die Septuaginta nach dem elften Vers. 


Jesaja 53,12:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
12

Darum will ich ihm die Vielen zum Anteil geben, und er wird Starke zum Raub erhalten, dafür, dass er seine Seele dem Tod preisgegeben hat und sich unter die Übeltäter zählen ließ und die Sünde vieler getragen und für die Übeltäter gebetet hat.

Deshalb wird er viele beerben und der Mächtigen Beute als Teil erhalten, dafür, dass seine Seele in den Tod dahingegeben und er unter die Gesetzlosen gerechnet wurde; und er selbst nahm die Sünden von vielen auf sich, und um ihrer Sünden willen wurde er dahingegeben.

Am Beginn geht es links nur um Beute, rechts auch um Erbe. Links erhält der Knecht Menschen als Raub und teilt sich die Beute mit den Starken. Das hängt ein bisschen von der Übersetzung und Lesart ab. Beides klingt wie Menschenhandel und der Umgang in einer Räuberbande, wo der Knecht mit anderen teilen muss. Rechts beerbt der Christus viele und teilt die Beute der Mächtigen. Das klingt mehr wie ein König, der verteilt und über die Mächtigen herrscht. Wobei die LXX Deutsch diesen Satz zugegeben schwer verständlich übersetzt. Da haben es die Leser der Septuaginta auf Englisch leichter. Hier drei englische Übersetzungen der LXX:

therefore he shall inherit many and divide the spoils of the strong. Because his soul was delivered up to death and he was numbered among transgressors and bore away the sins of many and on account of their iniquities was delivered up; (Webster Bible)

On account of this he shall inherit many; and of the strong ones he will portion out spoils, because his soul was delivered up unto death; and he was considered among the lawless one; and he himself bore the sins of many, and because of their lawless deeds he was delivered up. (Apostolic Bible Polyglot)

Therefore he shall inherit many, and he shall divide the spoils of the mighty; because his soul was delivered to death: and he was numbered among the transgressors; and he bore the sins of many, and was delivered because of their iniquities.(LXX2012)

Seit kurzem gibt es eine deutschsprachige Alternative zur LXX Deutsch, nämlich die Übersetzung von Benjamin Fotteler (FBÜ). Er übersetzt den Vers 12 so:

Deshalb wird er viele erben und der Starken Beute verteilen, dafür dass seine Seele in den Tod hingegeben worden ist; und er ist unter die Sünder gerechnet worden und er selbst hat die Sünden vieler hinaufgetragen und um ihrer Sünden willen ist er hingegeben worden. (FBÜ)

Der Grundtext kommt nur dann richtig rüber, wenn er richtig übersetzt wird. Auch hier ist ein Blick zu den frühchristlichen Zeugen hilfreich./p>

Im Mittelteil stimmen beide Texte überein, nämlich dass er unter die Gesetzlosen gerechnet wurde. Wobei der Masoretentext es ein wenig anders formuliert, nämlich dass er sich unter die Übeltäter zählen ließ. Daran kann ein geübtes Auge schon was erkennen. Gesetzlose und Übeltäter sind übrigens im Prinzip gleichbedeutend und daher kein Unterschied. Das liegt im Geschmack der Übersetzer, und so kommen bei anderen Übersetzungen auch noch andere Begriffe an diese Stelle, wie etwa Böse, Abtrünnige oder Verbrecher.

Deutliche Unterschiede sind beim Schluss erkennbar. Links betet der Knecht für die Übeltäter. Rechts ist kein Wort davon, dafür wurde er um ihrer Sünden willen dahingegen. Die Septuaginta spricht also zweimal von den Sünden bzw. Verfehlungen: 1) er selbst nahm die Sünden von vielen auf sich und 2) um ihrer Sünden willen wurde er dahingegeben. Diese Doppelformulierung ist das Erkennungsmerkmal der LXX, wobei beim zweiten Mal auch Verfehlungen oder Vergehen stehen kann. Das liegt wieder in den Händen der Übersetzer. Das Gebet für die Übeltäter ist ein Alleinstellungsmerkmal des Masoretentextes.

Was hat die frühe Kirche überliefert und zitiert?

Klemens von Rom (35-99):

 „Deshalb wird er viele beerben und die Beute der Starken teilen dafür, dass seine Seele hingegeben wurde in den Tod und er gezählt wurde unter die Bösen. Und er selbst hat die Sünden vieler getragen, und wegen ihrer Sünden wurde er dahingegeben.“ (Clemens von Rom, Epistula ad Corinthios - Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

dafür wird er viele zum Anteil erhalten und die Beute der Starken teilen, weil er sein Leben in den Tod gegeben hat und unter die Missetäter gerechnet wurde, die Sünden vieler getragen hat und wegen ihrer Übertretungen selbst hingegeben wurde.“ (Justin der Märtyrer, Erste Apologie (BKV), 51.Kapitel )

Tertullian (160-220)

Schließlich fügt er hinzu: „Darum wird er viele zum Erbe haben, und unter vielen wird er die Beute aufteilen.“ (Tertullian, An Answer to the Jews, Chap. 10, Aus dem Englischen übersetzt)

Denn er fügt bei: „Darum wird er selbst viele als Erbschaft haben und die Beute von vielen wird er aufteilen, deswegen, weil seine Seele in den Tod ist hingegeben worden.“ (Tertullian, Die fünf Bücher gegen Marcion. (BKV), Drittes Buch, 19. Kap.)

Er wurde unter die Gottlosen gerechnet; (Tertullian, Über die Auferstehung des Fleisches. (BKV), 20. Kap)

Cyprian von Karthago (200-258):

Darum wird er viele gewinnen und die Beute der Starken teilen; denn seine Seele wurde dem Tod überantwortet, und er wurde unter die Übeltäter gerechnet. Und Er trug die Sünden vieler und wurde für ihre Verfehlungen ausgeliefert.  (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews (ANF), Book II, Chap. 15, übersetzt aus dem Englischen)

Apostolische Konstitutionen (4. Jh.):

Denn von unserem Heiland heißt es bei Jesaja: „Er trägt unsere Sünden und wird für uns geplagt.“ Und weiter: „Er trug die Sünden vieler und wurde für unsere Vergehen ausgeliefert.“ (Constitutions of the Holy Apostles (ANF), Book II, XXV, aus dem Englischen übersetzt)

„Deshalb wurde er in diesen Tagen von den fälschlich so genannten Juden von uns genommen und ans Kreuz geschlagen und „unter die Übeltäter gerechnet“.  (Constitutions of the Holy Apostles (ANF), Book V, XVIII, aus dem Englischen übersetzt)

Auch beim zwölften Vers finden sich übereinstimmende Zeugen, diesmal 5 an der Zahl, aus allen drei ausschlaggebenden Jahrhunderten. Sie alle bestätigen die Formulierungen der Septuaginta und keiner die des Masoretentextes. Es fehlt auch überall das Gebet für die Übeltäter. Somit steht es 47:0 für die Septuaginta nach dem zwölften Vers.


Der Vergleich macht uns sicher: alle Zeugen der ersten drei Jahrhunderte bestätigen einmütig den Wortlaut der Septuaginta in jedem einzelnen aller zwölf Verse! Damit ist der Gebrauch der LXX in den ausschlaggebenden Jahrhunderten, wo die gesunde Lehre noch unverfälscht war, überwältigend und durchgängig bewiesen.

Aber was ist mit dem Masoretentext? Er weicht an vielen Stellen von der Septuaginta derart stark ab, dass man sich unweigerlich fragen muss, welcher Geist hinter diesem „Hebräischen Text“ in Wahrheit steckt. Er sieht wie menschliches Machwerk aus. Es muss also nicht nur eine historische Bewertung stattfinden, sondern auch eine geistliche.

Der Heilige Geist hat die Septuaginta eindeutig bestätigt, schon bei ihrer Entstehung (wir haben darüber hier geschrieben), dann durch den Gebrauch durch den Sohn Gottes, dann durch den Gebrauch der biblischen Autoren, die alle vom Heiligen Geist inspiriert waren, und schließlich durch den Gebrauch der Urgemeinde und der frühen Christen. Die Septuaginta ist somit die einzige Übersetzung, die als vom Heiligen Geist inspiriert betrachtet werden darf. Aber wie passt dann die heute beliebte Erzählung, der Masoretentext sei der Grundtext aus dem die Septuaginta übersetzt wurde, wenn er doch dermaßen weit von ihr abweicht?

Die Abweichungen sind enorm:

Der Masoretentext spricht von einem Herrn, dem es gefällt zu quälen, zu zerschlagen und zu strafen. Von einem Knecht, der unsere Krankheiten und Leiden trägt, den viel Strafe trifft, der mit anderen Starken teilen muss, der seine Tage durch sein Schuldopfer verlängern wird, der bei einem Reichen im Tod war, und der für die Gottlosen betet, um nur ein paar zu nennen.

Nichts davon steht in der Septuaginta, das meiste davon widerspricht ihr und dem Zeugnis des Neuen Testamentes. Denn nirgendwo sonst steht, dass Gott sich freut, seinen Sohn zu quälen, zu schlagen und zu strafen. Es fällt der Masoretentext an vielen Stellen nah an der Grenze zur Gotteslästerung auf oder hat sie überschritten, speziell aber im Buch Jesaja, das immerhin von einem Prophet des Herrn geschrieben wurde. Die Geister der Propheten sind zu prüfen! Und die Propheten selbst auch, das gebietet uns Gott sowohl im Alten wie im Neuen Testament.

Und da fällt im Vergleich zur LXX schon deutlich auf, dass der MT ein ganz anderes Gottesbild verkündet, ein dämonisches. Das werden wir uns in einem anderen Beitrag genauer ansehen. Am Ende ist es so, dass der Masoretentext uns nicht Jesus Christus zeigt und schon gar nicht seinen barmherzigen Vater im Himmel (vgl. unseren Beitrag: „Warum musste Jesus so unmenschlich leiden und sterben?“), sondern den Knecht eines anderen Herrn. 

Die vergleichende Gegenüberstellung von Jesaja 53 zeigt überzeugend, dass die zwei Grundtexte nicht vom selben Geist kommen. Und sie zeigt, dass der Heilige Geist die Septuaginta inspiriert und bestätigt hat, vom ersten Auftreten des Sohn Gottes (Welchen Text zitierte Jesus Christus?), über die Apostel, bis zu den frühen Christen der ersten drei Jahrhunderte.

Übrigens hielt der selbstverständliche Gebrauch der LXX noch viel länger an. Manche Kirchen und Gemeinschaften betrachten noch heute die Septuaginta  als das unverfälschte Wort Gottes. Damit haben sie die Einheit mit den frühen Christen und insbesondere mit dem Christus und Seinen Aposteln bewahrt, für die Jesus schon am Abend vor seiner Kreuzigung betete (Joh 17,21). Denn sie alle heiligten und bestätigten die Septuaginta als das Wort Gottes. Wie sieht es aber mit Dir heute aus? Wem folgst Du? Mit wem hast Du eine Einheit hergestellt? Glaubst Du an den Herrn und seinen Knecht, den Dir der Masoretentext zeigt oder an den Herrn und Christus in der Septuaginta?