Und so kann man bis heute noch schön im direkten Vergleich der Septuaginta mit dem Masoretentext erkennen, dass die Griechische Septuaginta messianischer und gottesfürchtiger ist als der Hebräische masoretische Text, der an vielen markanten Stellen nichts als menschliche Verwirrung liefert. Das ist ein so großes und spannendes Thema, dass wir dafür eine eigene Rubrik auf unserer Website einrichten werden.
Hier vorab ein kleines Beispiel als Vorgeschmack:
Jesaja 53 ist ein wesentliches messianisches Kapitel. Im Vers 11 fehlt ein Wort im Masoretentext, welches die Übersetzer rätseln lässt:
„Nachdem seine Seele Mühsal erlitten hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben; durch seine Erkenntnis wird mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht machen, und ihre Sünden wird er tragen.“ (Jes 53,11 SCH2000).
„An der Arbeit seiner Seele wird er sich satt sehen; durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht machen, und ihre Schulden wird er auf sich nehmen.“ (Jes 53,11 Schlachter 1951).
„Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen. Durch seine Erkenntnis wird mein gerechter Knecht die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, und ihre Missetaten wird er auf sich laden.“ (Jes 53,11 Elberfelder 1905).
„Der Mühsal seines Lebens wegen wird er sich satt sehen, durch seine Erkenntnis wird er, der Gerechte, mein Diener, den Vielen Gerechtigkeit verschaffen, und ihre Verschuldungen, er wird sie auf sich nehmen.“ (Jes 53,11 Zürcher Bibel).
„Darum, daß seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht machen; denn er trägt ihre Sünden.“ (Jes 53,11 Lutherbibel 1912).
Es ist ziemlich unklar, was der Herr sehen wird. Diese Unklarheit ist dem Masoretentext geschuldet, denn er sagt es uns nicht.
In der großen Jesajarolle aber steht es:
Die unterstrichene Phrase lautet מעמל נפשוה יראה אור וישבע (mey‘amal naphshoh yireh or vayis‘ba). Im masoretischen Text ist diese Phrase so geschrieben: מעמל נפשו יראה ישבע (mey‘amal naphsho yireh yis‘ba). Auch ohne Hebräischkenntnisse kann man erkennen, dass die Qumranrolle eine Information enthält, die im Masoretentext fehlt. Der Masoretentext lautet: „Von der Arbeit seiner Seele wird er sehen, er wird gesättigt werden.“ Die Qumranrolle lautet übersetzt: „Von der Arbeit seiner Seele wird er Licht sehen, und er wird gesättigt werden.“
Er wird Licht sehen. Der Masoretentext zwingt geradezu zum Raten, weil er unvollständig und damit unverständlich ist. Die LXX ist zwar von einer anderen Vorlage übersetzt worden, aber das sehen wir in der LXX:
„Der Herr will wegnehmen von der Mühe seiner Seele, um ihm Licht zu zeigen und ihn für die Einsicht zu gestalten, gerecht zu machen den Gerechten, der vielen gut dient, und er selbst wird ihre Sünden auf sich nehmen.“ (Jes 53,10-11, LXX Deutsch).
Ich werde jetzt nicht die Unterschiede diskutieren, welche darauf hinweisen, dass die Jesajarolle, von der die LXX übersetzt wurde, sich deutlich mehr von der Qumranrolle unterscheidet als der Masoretentext. Aber das Licht ist da! Es möge also niemand sagen, der (proto)masoretische Text sei fehlerfrei überliefert worden. Das ist nachweislich falsch.
(Beispiel entnommen aus dem Buch Das christliche Alte Testament. Die Septuaginta: Wiederentdeckung eines verlorenen Schatzes, S 164-166 von Alexander Basnar)