Geistlich betrachtet kann man die Abkehr der aus Jerusalem vertriebenen Juden von ihrer zuvor vielgerühmten und geliebten Griechischen Heiligen Schrift (der Septuaginta) nur als Trotzreaktion gegen das aufkommende Christentum verstehen, das mit der Septuaginta äußerst erfolgreich die Welt missionierte, denn es bestand überhaupt keine Not eine Hebräische Heilige Schrift anzufertigen oder gar zu „retten“, denn diese war in Wahrheit ja schon Jahrhunderte vorher verloren gegangen und durch die Griechische Septuaginta vollwertig ersetzt worden, die im Gegensatz zum Masoretentext wirklich von den alten Originalschriften aus dem Tempel stammt.
Und noch zwei wesentliche historische Fakten übersehen heute viele Juden und zunehmend auch Christen, die den Masoretentext als Hebräischen Grundtext sehen möchten:
Erstens war er schon zu seiner Entstehung auch im Judentum umstritten, denn vielen Juden war noch im 2.Jahrhundert sehr wohl bewusst, dass ihre Heiligen Schrift eigentlich die LXX war. Im Talmud sind die lebhaften Diskussionen erhalten geblieben, die die Juden damals durchaus kontrovers führten. Nicht allen schien die Idee, die Griechische Septuaginta in Bausch und Bogen zu verwerfen, orthodox und erst Recht der neu diskutierte Kanon der Heiligen Schriften sorgte für einigen Wirbel. Dass etwa Jesus Sirach entfernt werden sollte, passte vielen Juden, die dieses grandiose Weisheitsbuch noch bis weit ins späte Mittelalter hoch schätzten und mit viel Gewinn lasen, gar nicht. Unterm Strich kann man sagen, dass bei der Entstehung des MT und seines Kanons rein menschliche Argumente dominierten, denen geistlich gesinnte Christen nicht folgen sollten. Details und Hintergründe dazu sind in dem Buch „Das christliche Alte Testament. Die Septuaginta: Wiederentdeckung eines verlorenen Schatzes“ von Alexander Basnar gut aufgearbeitet (Link am Ende des Beitrages).
Und vielen Juden war bewusst, dass die breite jüdische Bevölkerung ja gar nicht mehr Hebräisch sprach, sondern Griechisch. Das wird heute sehr gerne von der jüdischen Propaganda anders dargestellt, die so tut, als hätten alle Juden zur Zeit Jesu hebräisch oder wenigstens aramäisch gesprochen, was historisch schlicht und einfach falsch ist, wie viele Textzeugen, Schriften aber auch Inschriften zum Beispiel auf Grabsteinen, gerade in Galiläa, beweisen. Die große Mehrheit - auch der Juden - sprach und schrieb Griechisch im ersten Jahrhundert und natürlich erst recht im zweiten. Wozu also eine Hebräische Schrift konstruieren?
Zweitens wurde der Masoretentext nie von Gott bestätigt und schon gar nicht beauftragt. Er war eine reine menschliche Unternehmung von einem Volk, von dem Gott sich schon entfernt hatte. Das hörten die Juden schon nicht gern von Gottes Sohn höchstpersönlich, der ihnen ins Gesicht sagte, dass das Erbe des Reiches Gottes von ihnen weggenommen und einem anderen Volk gegeben würde (Mt 21,43), und der sie auch nicht als Kinder Gottes anerkannte sondern sie Kinder des Teufels nannte (Joh 8,44). Deshalb und wegen einiger anderer Aussagen hassten die Juden Jesus von Nazareth und seine Jünger, die den Juden später das selbe nochmal erzählten, allen voran Paulus, der wohl der meist gehasste Christ unter den Juden im ersten Jahrhundert war. Die Empörung der Juden änderte aber nichts an Gottes Plan und Vorgehen. Im Gegenteil, sie machte das Schicksal und den Stand der Juden noch schlimmer. Gott schrieb mit den Christen auf Griechisch weiter seine Heiligen Schriften. Und so war die Sprache der Apostel und der frühen Christen Griechisch und ihr Altes Testament die Septuaginta, die im Gegensatz zum Masoretentext mehrmals von Gott bestätigt und geheiligt wurde, schon Jahrhunderte vor Christus und dann nochmal durch Jesus Christus persönlich, der daraus las und predigte, genauso wie seine Apostel und deren Schüler. Mit der Septuaginta wurde die christliche Gemeinde, der Leib Christi, der neue Tempel, das wahre Israel gebaut. Wir können bei allen Autoren des Neuen Testaments und allen Schriften der frühen Christen nachweisen, dass sie die LXX lasen und zitierten anstatt den MT, und werden das an einer eigenen Stelle ausführlich darlegen.
Das blieb auch viele Jahrhunderte so, bis gewisse Christen begannen, den jüdischen Fabeln mehr Glauben zu schenken als der frühchristlichen Überlieferung und deswegen den Masoretentext für den Grundtext des Alten Testamentes hielten. Das Alte Wissen wurde verlassen und stattdessen verließ man sich auf neues, auf den Fortschritt. Statt auf die Christlichen alten Lehrer verließ man sich auf die modernen Jüdischen Rabbis. Geistlich gesehen ist das ein Unding, denn der Masoretentext wurde von den christenhassenden Juden entsprechend ihrer geistlichen Ablehnung auch umgeschrieben. Auch das wird heute leider allzu oft falsch dargestellt und bewertet. Viele Bibelstellen, die ursprünglich in den Hebräischen Heiligen Schriften eindeutig auf Christus bezogen waren und uns in der Septuaginta (die ja auf viel ältere Hebräische Schriften zurückgeht als der MT) erhalten geblieben sind, wurden im Masoretentext entfremdet oder weggelassen.