Es ist ein Brief, der eher einer Abhandlung gleicht, und wegen einer brisanten Streitfrage verfasst wurde, die im dritten Jahrhundert begann und bis heute für Unruhe und Diskussionsstoff sorgt.
Damals hatten sich die Juden endgültig von ihrer bisherigen heiligen Schrift, der griechischen Septuaginta, verabschiedet und sie durch eine neu herausgebrachte hebräische Schrift ersetzt, heute bekannt unter dem Namen „Masoretentext“. Diese wurde von einem gewissen Aquila ins Griechische übersetzt für die vielen Juden, die nicht Hebräisch konnten, und kam so auch zu den Christen. Einige waren irritiert, weil es nun zwei griechische Alte Testamente gab, die aber erheblich voneinander abwichen. Welches ist von Gott inspiriert? Welches korrumpiert? Beide Lager beschuldigten einander der Fälschung. Es entstand eine Diskussion über die sogenannten Apokryphen, Passagen und ganze Bücher, die die Juden aus ihrem masoretischen Kanon warfen und nur noch die Christen in der Septuaginta hatten.
Origenes erforschte akribisch 28 Jahre lang alle Versionen der griechischen und hebräischen Texte des Alten Testaments, die damals im Umlauf waren, und dokumentierte penibel die Unterschiede, stellte sie einander vergleichend gegenüber und kommentierte sie. Es gab im dritten Jahrhundert also keinen kompetenteren Christen zu dem Thema als ihn. Und so schrieb ein gewisser Julius Africanus einen Brief an Origenes mit vielen herausfordernden Fragen und Anschuldigungen zum Thema Apokryphen. Konkreter Anlass war, dass Origenes in einer Diskussion Susanna zitierte als ob sie zur Heiligen Schrift gehörte, was in den Augen von Africanus aber nicht stimmte, und er wollte eine Stellungnahme dazu von Origenes.
Das Antwortschreiben von Origenes ist uns bis heute erhalten geblieben und ein Segen für uns, denn dadurch können wir aus erster Hand erfahren, wie die Diskussionen über die Apokryphen im dritten Jahrhundert tatsächlich geführt wurden und wie die Gemeinden Christi damit umgingen. Es ist ein unschätzbares Zeitdokument. Wir sind nicht mehr auf Spekulationen angewiesen, sondern können die Geschichte erfahren. „Ein Brief von Origenes an Africanus“, ist auf Englisch online in der Bibliothek der Kirchenväter kostenlos für jeden abrufbar. Wir haben ihn außerdem auf Deutsch übersetzt und, mit erklärenden Fußnoten ergänzt, als Büchlein herausgebracht: EIN BRIEF VON ORIGENES.