• Wie der Teufel Juden und Christen mit einem messianischen Text verblenden kann
Interlinearübersetzungen LXX und MT

Jesaja 53,7-8:

Vers Masoretentext (SCH2000) Septuaginta (LXX Deutsch)
7

Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut.

Und er öffnet nicht den Mund, weil er misshandelt worden ist. Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer stumm ist, so öffnet er seinen Mund nicht.

8

Infolge von Drangsal und Gericht wurde er weggenommen; wer will aber sein Geschlecht beschreiben? Denn er wurde aus dem Land der Lebendigen weggerissen; wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen.

Durch (seine) Erniedrigung wurde sein Recht aufgehoben; seine Nachkommenschaft – wer wird von ihr berichten? Weil sein Leben von der Erde hinweggenommen wird, (deshalb) wurde er von den Gesetzlosigkeiten meines Volkes in den Tod geführt.

Diese zwei Verse könnten auch Bibellesern bekannt vorkommen, die nie im Alten Testament lesen, denn sie werden im Neuen Testament zitiert. Dazu kommen wir gleich. Vorab möchten wir auch hier etwaige Unterscheidungsmerkmale der beiden Textfamilien herausarbeiten.

Vers 7 scheint auf den ersten Blick für die meisten identisch zu sein in beiden Texten. Aber das stimmt nicht ganz. Auch hier sitzt der Teufel wieder im Detail. Im Masoretentext wurde er misshandelt aber er beugte sich. Vom wegen sich beugen steht in der Septuaginta kein Wort. Das wäre also schon ein treffendes Unterscheidungsmerkmal.

In Vers 8 werden die Unterschiede schon deutlicher, denn da spricht die Septuaginta von Erniedrigung, durch die sein Recht aufgehoben wurde. An der Stelle behauptet der Masoretentext jedoch, dass „Infolge von Drangsal und Gericht er weggenommen wurde“. Was auch immer das heißen mag. Der Sinn dieses Satzes erschließt sich nicht wirklich, schon gar nicht, wenn man weiß, dass damit Jesu Folter gemeint sein soll. Hier ist die Septuaginta nicht nur inhaltlich nachvollziehbarer, sondern auch sprachlich. 

Wer einen Unterschied zwischen „Geschlecht“ und „Nachkommenschaft“ sehen will, darf beruhigt sein, das ist nur ein Frage der Übersetzung. Und beide sind nicht die glücklichsten, wenn ich ehrlich sein darf. Heutzutage, wo Dank des Zeitgeistes und seines Genderns über alle möglichen „Geschlechter“ diskutiert wird, muss man Zeitgeistchristen an der Stelle vielleicht extra sagen, dass der Masoretentext hier nicht das biologische oder soziale Geschlecht von Jesus anspricht, sondern sein Geschlecht im Sinne eines Geschlechtsregisters, das sich sowohl aus den Vorfahren als auch den Nachkommen zusammensetzt. Warum sich die Übersetzer der Septuaginta Deutsch allein auf die Nachkommenschaft versteiften, ist mir nicht bekannt. Wir werden sehen, dass die frühen Christen den Begriff eher in Richtung Herkunft und Geburt Christi deuteten.

Ein deutlicher Unterschied in Vers 8 ist aber noch der Schluss. Beim Masoretentext wird er aus dem Land der Lebendigen weggerissen und hat ihn am Ende wieder einmal Strafe getroffen. Ganz anders bei der Septuaginta: dort wird sein Leben von der Erde hinweggenommen und er wird in den Tod geführt. Wir haben also eine völlig unterschiedliche Wortwahl. Sehen wir uns also an, welche Wortwahl der Heilige Geist bestätigt in der Heiligen Schrift und den Schriften der frühen Christen:

Evangelist Lukas:

Da sprach der Geist zu Philippus: Tritt hinzu und halte dich zu diesem Wagen!
Da lief Philippus hinzu und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen; und er sprach: Verstehst du auch, was du liest?
Er aber sprach: Wie kann ich denn, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
Die Schriftstelle aber, die er las, war diese: »Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht aufgehoben. Wer will aber sein Geschlecht beschreiben? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen!«
Da wandte sich der Kämmerer an Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet dies? Von sich selbst oder von einem anderen?
Da tat Philippus seinen Mund auf und begann mit dieser Schriftstelle und verkündigte ihm das Evangelium von Jesus. (Apg 8,29-35)

Lukas beginnt mit dem Zitieren erst im zweiten Teil von Vers 7 und hört mitten im Vers 8 auf. Aber dazu muss man zwei Dinge erklären: Erstens kannten die Apostel unsere Verszählung gar nicht, auch nicht die frühen Christen, denn die Verse und Kapitel der Bibel wurden erst im Mittelalter eingeführt. Jesus, Seine Apostel und die frühen Christen lasen also anders und zitierten anders als wir, nämlich freier, unabhängig von Versen und Kapiteln.

Und zweitens gibt Lukas die Stelle aus Jesaja 53 so wieder, wie sie der Kämmerer aus Äthiopien las als Philippus vom Heiligen Geist (!) hingeführt wurde. Hier sehen wir übrigens sehr schön, wie der Heilige Geist in Wahrheit arbeitet: er führt Lehrer und Schüler zueinander. Wenn der Schüler sich vom Lehrer belehren lässt, dann wird ihm die Schrift geöffnet und er kann verstehen. Davor aber muss er sich der demütigenden Frage „Verstehst du auch, was du liest?“ stellen. Eingebildete oder hochmütige Schüler reagieren darauf abweisend oder empört und werden daher nie verstehen. Aber die demütigen nehmen den Lehrer dankbar auf, lassen ihn einsteigen und sich alles gut erklären. So wirkt der Heilige Geist. Das kann man in der ganzen Bibel sehen, aber besonders schön an dieser Stelle. So geht die Lehre der Apostel.

Wir haben hier aber eigentlich ein anderes Thema, nämlich welchen Text bestätigt der Heilige Geist? Welchen Text las der Kämmerer? Zur Erklärung: der Kämmerer war nicht nur der höchste Beamte in seinem Heimatstaat, sondern er war gläubiger Jude und reiste extra den weiten Weg nach Jerusalem, um dort im Tempel anzubeten. Auf der Rückreise spielte sich die Begebenheit wie oben ab. Es ist also doppelt spannend zu wissen, ob der Kämmerer im hebräischen Masoretentext las oder in der griechischen Septuaginta. Denn das gibt Aufschluss darüber, welcher der beiden Texte damals in Jerusalem - also bei den Juden und ihren Schriftgelehrten - gängig war und als Heilige Schrift galt! Denn der Kämmerer war ein gläubiger Jude - kein Christ - und war wie gesagt angereist um in Jerusalem anzubeten. Höchstwahrscheinlich hatte er die Schriftrolle auch dort gekauft. Wir erfahren hier also, welchen Text die gläubigen Juden in dieser Zeit lasen. Das Ergebnis ist genauso eindeutig, wie für viele heute vielleicht verblüffend: wir erkennen hier deutlich den Wortlaut der Septuaginta!

Zur Kontrolle schauen wir uns die Texte in der Originalsprache Griechisch an. Zuerst den Griechischen Text der LXX, dann darunter den Griechischen Text der Apostelgeschichte (auch die Apostelgeschichte wurde original auf Griechisch geschrieben), den der Kämmerer las:

Septuaginta (Jesaja 53,7-8)

και αυτός διά το κεκακώσθαι ουκ ήνοιξε το στόμα αυτού ως πρόβατον επί σφαγήν ήχθη και ως αμνός έμπροσθεν του κείροντος άφωνος ούτως ουκ ήνοιξε το στόμα αυτού εν τη ταπεινώσει η κρίσις αυτού ήρθη την γενεάν αυτού τις διηγήσεται ότι αίρεται από της γης η ζωή αυτού από των ανομιών του λαού μου ήχθη εις θάνατον

Apostelgeschichte 8,32-33

η δε περιοχή της γραφής ην ανεγίνωσκεν ην αύτη ως πρόβατον επί σφαγήν ήχθη και ως αμνός εναντίον του κείροντος αυτόν άφωνος ούτως ουκ ανοίγει το στόμα αυτού εν τη ταπεινώσει αυτού η κρίσις αυτού ήρθη την δε γενεάν αυτού τις διηγήσεται ότι αίρεται από της γης η ζωή αυτού

Der Text des Kämmerers fängt etwas später an und hört dafür früher auf, wie bereits oben erwähnt. Ich habe ihn zur besseren Wahrnehmung fett hervorgehoben. Das Vergleichen der Zeichen ist für jeden möglich, mann muss dafür nicht Griechisch können. Der Vergleich zeigt eindeutig, dass der Kämmerer in der Septuaginta las. Der Text in der Apostelgeschichte stimmt überwältigend mit der LXX überein. Sehr, sehr aufmerksamen Augen wird nicht entgangen sein, dass allein das neunte Wort anders ist. Lukas schreibt εναντίον (enantion, G1726), in der Septuaginta steht jedoch έμπροσθεν (emprosthen, G1715). Aber beide bedeuten so gut wie dasselbe, nämlich „vor" im Sinne von „im Angesicht von“ oder „in Gegenwart von“, hier gebraucht im Satz „wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist“. Das ist also kein weltbewegender Unterschied und widerspricht keinesfalls dem Wortlaut der LXX. Er ist vielleicht ein Hinweis, dass es leicht abweichende Textvarianten gibt, oder dass auswendig zitiert wurde. Der Sinn ist aber absolut übereinstimmend. Es ist zweifellos so, dass uns der Heilige Geist durch Lukas auf die Septuaginta hinweist, und nicht auf den Masoretentext.

Werfen wir noch einen Blick auf die Zeugen außerhalb der Bibel:

Klemens von Rom (35-99):

Und der Herr gab ihn dahin für unsere Sünden, und er selbst öffnete den Mund nicht wegen seiner Misshandlung. Wie ein Lamm wurde er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Schaf stumm bleibt vor dem Scherer, so tat er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde seine Verurteilung aufgehoben. Wer wird sein Geschlecht aufzählen? da von der Erde sein Leben weggenommen wird. Wegen der Missetaten meines Volkes wird er zum Tod geführt. (Clemens von Rom, Epistula ad Corinthios Erster Brief an die Korinther (BKV), 16. Kap.)

Justin der Märtyrer (100-165):

... und er selbst tut ob der Peinigung seinen Mund nicht auf. Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt und, wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht aufgehoben“ (Justin der Märtyrer, Apologia (prima) Erste Apologie (BKV), 50.Kapitel )

Um uns aber zu zeigen, daß, der solches litt, von ungewöhnlicher Herkunft sei und über seine Feinde herrsche, hat der prophetische Geist also gesprochen: „Wer wird seine Abkunft erzählen? Denn weggenommen von der Erde wird sein Leben, wegen ihrer Missetaten kommt er in den Tod.“ (wie oben, 51.Kapitel )

Irenäus von Lyon (130-202):

Wen hat weiterhin Philippus dem Eunuchen der Königin von Äthiopien, als er von Jerusalem zurückkehrte und den Propheten Isaias las, unter vier Augen verkündet? Nicht etwa, daß der, von dem der Prophet gesagt hat: „Wie ein Schaf wird er zur Schlachtung geführt, wie ein Lamm stumm ist vor dem Scherer, so tat er seinen Mund nicht auf ... Wer wird seine Geburt erklären? Denn von der Erde hinweggenommen wird sein Leben“ — daß dies Jesus sei, und daß in ihm die Schrift erfüllt sei, wie der Eunuch selber glaubte und die Taufe begehrte mit den Worten: „Ich glaube, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (Gegen die Häresien (ANF), Drittes Buch,12. Kapitel, 8, übersetzt aus dem Englischen)

Origenes (158-255) 

Und er öffnet seinen Mund nicht ob des Bösen, das man ihm antut. Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht hinweggenommen. Wer kann sein Geschlecht erklären? Denn sein Leben wird hinweggenommen von der Erde, um der Missetaten meines Volkes willen wurde er zum Tode geführt. (Origenes, Contra Celsum - Gegen Celsus (BKV), Erstes Buch, 54. Kapitel)

Tertullian (160-220)

Ihm gebührte es, stellvertretend für alle Heiden geopfert zu werden, der „wie ein Schaf zum Opfer geführt wurde und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer stumm ist, seinen Mund nicht auftat“ (denn als Pilatus ihn befragte, sagte er nichts); denn „in Erniedrigung wurde sein Urteil weggenommen:  Seine Geburt aber, wer wird sie verkünden?“ Denn niemand von den Menschen war sich der Geburt Christi bei seiner Empfängnis bewußt, als die Jungfrau Maria durch das Wort Gottes schwanger gefunden wurde; und weil „sein Leben aus dem Lande genommen werden sollte“. (Tertullian, An Answer to the Jews (ANF), Chap. 13, aus dem Englischen übersetzt)

Cyprian von Karthago (200-258):

Bei Jesaja: "Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, so tat er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht weggenommen; wer wird seine Geburt erzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen werden. Durch die Übertretungen meines Volkes wurde er in den Tod geführt; (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews (ANF), Book II, Chap. 15, übersetzt aus dem Englischen)

Also auch hier der Befund wie bei bisher allen Versen: es finden sich nur die Formulierungen der Septuaginta bei den frühen Christen, und kein einziges Merkmal des Masoretentextes. Wir haben diesmal einen Zeugen aus der Bibel selbst und sechs weitere aus den ersten drei Jahrhunderten, macht in Summe sieben. Das erhöht den Punktestand somit auf 34:0 für die Septuaginta nach dem achten Vers.