Apostel Paulus
Apostel Paulus, gemalt von Peter Paul Rubens

Schon zu Lebzeiten war er der umstrittenste Apostel, der - obwohl er am meisten von allen schrieb und die meisten Jünger ausbildete - oft falsch verstanden wurde. Das wurde bis heute noch schlimmer.

Saulus wurde in Tarsus in Cilicien als Sohn frommer, reicher Juden geboren, hatte von Geburt an das römische Bürgerrecht (wurde am Ende seines Lebens noch ausschlaggebend), wuchs aber in Jerusalem auf, wo er Pharisäer wurde und Schüler des damals besten Lehrers, nämlich Gamaliel, war:

Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Cilicien, aber erzogen in dieser Stadt, zu den Füßen Gamaliels, unterwiesen in der gewissenhaften Einhaltung des Gesetzes der Väter, und ich war ein Eiferer für Gott, wie ihr alle es heute seid. [Apg 22,3]


Paulus ist der einzige Apostel, der in keiner Apostelliste der Bibel vorkommt. Das biblische Zeugnis, das in den vier Evangelien bezüglich Paulus fehlt, wird reichlich aufgewogen durch die anderen Bücher des Neuen Testaments, wo Paulus der meistgenannte Apostel ist, praktisch das halbe Buch der Apostelgeschichte erzählt nur über Paulus. Die erste biblische Erzählung beginnt genau bei dem jungen, karrierebewussten Pharisäer Saulus, der die Steinigung von Stephanus, einem der sieben Diakone, gewollt und bewacht hat:

Und die Zeugen legten ihre Kleider zu den Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. [Apg 7,58]

Saulus aber hatte seiner Ermordung (gemeint ist die Steinigung von Stephanus) zugestimmt. Und an jenem Tag erhob sich eine große Verfolgung gegen die Gemeinde in Jerusalem, und alle zerstreuten sich in die Gebiete von Judäa und Samaria, ausgenommen die Apostel. Und gottesfürchtige Männer begruben den Stephanus und veranstalteten eine große Trauer um ihn. Saulus aber verwüstete die Gemeinde, drang überall in die Häuser ein, schleppte Männer und Frauen fort und brachte sie ins Gefängnis. Diejenigen nun, die zerstreut worden waren, zogen umher und verkündigten das Wort des Evangeliums. [Apg 8,1-4]

Saulus war die Triebfeder der ersten Christenverfolgung im Dienste der Juden. Er verwüstete die christliche Urgemeinde in Jerusalem und zerstreute somit alle überlebenden Christen in der Umgebung bis nach Damaskus. In einem seiner Briefe beschreibt Paulus später diese Zeit so:

Denn ihr habt von meinem ehemaligen Wandel im Judentum gehört, dass ich die Gemeinde Gottes über die Maßen verfolgte und sie zerstörte und im Judentum viele meiner Altersgenossen in meinem Geschlecht übertraf durch übermäßigen Eifer für die Überlieferungen meiner Väter. [Gal 1,13]


So erbarmungslos Saulus die Christen verfolgte, so rasch und spektakulär änderte sich sein ganzes Leben:

Saulus aber, der noch Drohung und Mord schnaubte gegen die Jünger des Herrn, ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, in der Absicht, wenn er irgendwelche Anhänger des Weges fände, ob Männer oder Frauen, sie gebunden nach Jerusalem zu führen. Als er aber hinzog, begab es sich, dass er sich Damaskus näherte; und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht vom Himmel. Und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: Saul! Saul! Warum verfolgst du mich? Er aber sagte: Wer bist du, Herr? Der Herr aber sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es wird dir schwer werden, gegen den Stachel auszuschlagen! Da sprach er mit Zittern und Schrecken: Herr, was willst du, dass ich tun soll? Und der Herr antwortete ihm: Steh auf und geh in die Stadt hinein, so wird man dir sagen, was du tun sollst!

Die Männer aber, die mit ihm reisten, standen sprachlos da, denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand. Da stand Saulus von der Erde auf; doch obgleich seine Augen geöffnet waren, sah er niemand. Sie leiteten ihn aber an der Hand und führten ihn nach Damaskus. Und er konnte drei Tage lang nicht sehen und aß nicht und trank nicht. [Apg 9,1-9]

In Damaskus schickte der Herr Jesus einen gewissen Ananias in das Haus, wo Paulus Unterschlupf fand, doch Ananias entgegnete:

Herr, ich habe von vielen über diesen Mann gehört, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem zugefügt hat. Und hier hat er Vollmacht von den obersten Priestern, alle, die deinen Namen anrufen, gefangen zu nehmen!

Aber der Herr sprach zu ihm: Geh hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, um meinen Namen vor Heiden und Könige und vor die Kinder Israels zu tragen! Denn ich werde ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.

Da ging Ananias hin und trat in das Haus; und er legte ihm die Hände auf und sprach: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf der Straße, die du herkamst, damit du wieder sehend wirst und erfüllt wirst mit dem Heiligen Geist! Und sogleich fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er konnte augenblicklich wieder sehen und stand auf und ließ sich taufen; und er nahm Speise zu sich und kam zu Kräften. Und Saulus war etliche Tage bei den Jüngern in Damaskus. [Apg 9,13-19]

Das ist die Erwählung von Saulus. Sie findet genau in dem selben Stil statt, wie Jesus Christus die anderen Apostel erwählte: die Initiative geht vom Herrn Jesus aus, Er erschien Saulus, Er berief ihn und bekannte, dass dieser Sein auserwähltes Werkzeug sei. Und Jesus eröffnet Saulus bereits, was seine Berufung mit sich bringen wird „Denn ich werde ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.“ beschreibt tatsächlich das weitere Leben von Saulus. Kein Apostel musste so viel leiden wie er (siehe weiter unten). Aber es hatte auch kein Apostel für soviel Leid im Christentum gesorgt wie Saulus, der sich dieser großen Schuld vor seiner Bekehrung im Nachhinein sehr wohl bewusst war.


Die sprichwörtliche Verwandlung von Saulus zu Paulus findet man in der Bibel nicht. Sowohl vor als auch nach seiner Bekehrung und Erwählung wird er zunächst weiterhin Saulus bzw. Saul genannt (siehe oben). Es gibt kein Schlüsselerlebnis, auch keine Umbenennung durch irgendwen anderen in der Bibel, wonach Saulus zu Paulus geworden wäre. Ganz beiläufig wird in Kapitel 13 der Apostelgeschichte mitten in der Erzählung über das Geschehen in Zypern plötzlich von Saulus auf Paulus umgestellt. In Vers 7 heißt er noch Saulus. In Vers 9 dann erstmals Paulus:

Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll Heiligen Geistes, blickte ihn fest an [Apg 13,9]

Ab diesem Vers 9 wird er nur noch Paulus genannt. In seinen Briefen nennt er sich von Anfang an immer nur Paulus. Oben zitierter Vers deutet darauf hin, dass er immer schon beide Namen hatte und später selbst seinen zweiten Vornamen als ersten verwendete. Die Umbenennung dürfte also von Paulus selbst ausgegangen sein, und sein Schüler Lukas, der die Apostelgeschichte schrieb, hat das seinem Lehrer entsprechend berücksichtigt und in die Erzählung eingebaut. Der Name Paulus ist lateinisch und  bedeutet „der Geringe“ oder „der Kleine“ und drückte offenbar für Paulus selbst seine demütige Haltung aus, die er von da an annahm. Vom hochmütigen, ehrgeizigen, übereifrigen, jungen Pharisäer, der sehr groß werden wollte, änderte sich sein Leben und Streben zu einem gereiften, demütigen Apostel, der viel leiden musste und sich selbst für gering achtete. 


Wie es nach seiner Bekehrung weiterging berichtet Paulus in einem seiner Briefe: 

Ich lasse euch aber wissen, Brüder, dass das von mir verkündigte Evangelium nicht von Menschen stammt; ich habe es auch nicht von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi. [..] Als es aber Gott, der mich vom Mutterleib an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn durch das Evangelium unter den Heiden verkündigte, ging ich sogleich nicht mit Fleisch und Blut zurate, zog auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ging weg nach Arabien und kehrte wieder nach Damaskus zurück. Darauf, nach drei Jahren, zog ich nach Jerusalem hinauf, um Petrus kennenzulernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Ich sah aber keinen der anderen Apostel, nur Jakobus, den Bruder des Herrn. Was ich euch aber schreibe — siehe, vor Gottes Angesicht —, ich lüge nicht! Darauf kam ich in die Gegenden von Syrien und Cilicien. Ich war aber den Gemeinden von Judäa, die in Christus sind, von Angesicht unbekannt. Sie hatten nur gehört: »Der, welcher uns einst verfolgte, verkündigt jetzt als Evangelium den Glauben, den er einst zerstörte!« Und sie priesen Gott um meinetwillen. [Gal 1,11.15-24]

Paulus legt großen Wert darauf, dass er das Evangelium nicht von Menschen gelernt hatte, sondern direkt vom Herrn Jesus , der ihn drei Jahre lang in Arabien unterrichtete, was ihm zu einem gleichwertigen Apostel mit den anderen macht. Höchstwahrscheinlich fand das am Berg Sinai statt, der - wie Paulus wenig später berichtet - in Arabien liegt [Gal 4,25]. Erst danach kam Paulus zurück nach Damaskus und zog weiter nach Syrien und Cilicien und begann mit seinem Dienst. Erst eineinhalb Jahrzehnte später, vergewisserte er sich, dass das Evangelium, das er lehrte, genau das Selbe war, das auch die anderen Aposteln lehrten. Sonst wäre er vergeblich gelaufen:

Darauf, nach 14 Jahren, zog ich wieder hinauf nach Jerusalem mit Barnabas und nahm auch Titus mit. Ich zog aber aufgrund einer Offenbarung hinauf und legte ihnen, insbesondere den Angesehenen, das Evangelium vor, das ich unter den Heiden verkündige, damit ich nicht etwa vergeblich liefe oder gelaufen wäre. [Gal 2,1-2]

Immer wieder wurde von bestimmten Menschen das Gerücht gestreut, Paulus wäre kein echter Apostel. Dagegen wehrte er sich wortreich in seinen Briefen und stellte schon jeweils im ersten Satz klar, dass er ein Apostel ist:

Paulus, berufener Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen [1.Kor 1]

Paulus, Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen [2.Kor 1]

Paulus, Knecht Jesu Christi, berufener Apostel [Röm 1]

Paulus, Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat aus den Toten [Gal 1]

Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen [Eph 1]

Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes [Kol 1]

Paulus, Apostel Jesu Christi nach dem Befehl Gottes [1.Tim]

Paulus, Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen [2.Tim]


Auch durch die vielen Wunder, die Paulus wirkte, bewies er, dass er Wunder und Zeichen von Aposteln wirkte: Er heilte alle Krankheiten, trieb Dämonen aus, erweckte Tote zum Leben, überlebte einen tödlichen Schlangenbiss [Apg 28,3-5vgl Mk 16,18], und sogar seine Kleidungsstücke heilten!

Und Gott wirkte ungewöhnliche Wunder durch die Hände des Paulus, sodass sogar Schweißtücher oder Gürtel von seinem Leib zu den Kranken gebracht wurden und die Krankheiten von ihnen wichen und die bösen Geister von ihnen ausfuhren. [Apg 19,11-12]


Paulus fällt auch durch seinen unermüdlichen Fleiß in der Bibel auf. Er gründete die meisten Gemeinden, schrieb die meisten Briefe, und bekämpfte mit größtem Eifer und Entschlossenheit jede aufkommende Irrlehre, um die gebotene Einheit in den Gemeinden zu erhalten und - dort wo sie bereits verloren ging - wieder herzustellen (z.B. Korinth; siehe 1.Korintherbrief und 2.Korintherbrief). Das größte Problem bereitete dabei der aufkommende und immer stärker werdende Judaismus unter den Christen. Der Kampf gegen diese Irrlehre schwingt in vielen Briefen von Paulus mit, ganze Kapitel verfasste Paulus nur deswegen, ja sogar ganze Briefe sind diesem Thema gewidmet. Tatsächlich war der Judaismus eine der größten Herausforderungen für die Gemeinden im 1.Jahrhundert, an denen wohl viele ohne das korrigierende, zurechtweisende Einschreiten von Paulus gescheitert wären. Das verstehen heute viele Bibelleser nicht. Sie blenden unverständig diese Thematik völlig aus und ziehen stattdessen die Worte von Paulus in jeden ihnen nützlich erscheinenden Zusammenhang, nur nicht in den richtigen. Und so verdrehen sie Paulus das Wort, wie schon Petrus mahnte:

Und seht die Langmut unseres Herrn als eure Rettung an, wie auch unser geliebter Bruder Paulus euch geschrieben hat nach der ihm gegebenen Weisheit, so wie auch in allen Briefen, wo er von diesen Dingen spricht. In ihnen ist manches schwer zu verstehen, was die Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften, zu ihrem eigenen Verderben. [2.Petr 3,15-16]

Das große Problem begann damit:

Und aus Judäa kamen einige herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Gebrauch Moses beschneiden lasst, so könnt ihr nicht gerettet werden! [Apg 15,1]

Diese Lehre ist das Herzstück des Judaismus und rief Paulus sofort auf den Plan, der energisch dagegen stritt, sowohl persönlich mit seinen Glaubensbrüdern, als auch schriftlich in den meisten seiner Briefe. Das perfide an dieser Lehre, dass man ohne beschnitten zu sein nicht gerettet werden könne, war, dass sie anscheinend aus der Urgemeinde kam. Und das wäre tatsächlich verheerend gewesen, denn das ist die Mutter aller Gemeinden, mit der höchsten Kompetenz, allein schon deswegen, weil alle zwölf Apostel dort lehrten. Das konnte Paulus nicht so stehen lassen und ging der Sache nach, indem er umgehend eine Versammlung mit den Aposteln und Ältesten von Jerusalem forderte. So kam es zu dem ersten Apostelkonzil in der Kirchengeschichte. Paulus zog mit seinem Begleiter Barnabas nach Jerusalem um diese Streitfrage zu klären:

Als sie aber nach Jerusalem kamen, wurden sie von der Gemeinde, den Aposteln und den Ältesten empfangen und berichteten alles, was Gott mit ihnen gewirkt hatte. Aber einige von der Richtung der Pharisäer, die gläubig geworden waren, standen auf und sprachen: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten! Da kamen die Apostel und die Ältesten zusammen, um diese Sache zu untersuchen. Nachdem aber eine große Auseinandersetzung stattgefunden hatte, stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Ihr Männer und Brüder, ihr wisst, dass Gott lange vor diesen Tagen mitten unter uns die Heiden erwählt hat, dass sie durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben kommen sollten. Und Gott, der die Herzen kennt, legte für sie Zeugnis ab, indem er ihnen den Heiligen Geist gab gleichwie uns; und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, nachdem er ihre Herzen durch den Glauben gereinigt hatte. Weshalb versucht ihr denn jetzt Gott, indem ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten? Vielmehr glauben wir, dass wir durch die Gnade des Herrn Jesus Christus gerettet werden, auf gleiche Weise wie jene. Da schwieg die ganze Menge und hörte Barnabas und Paulus zu, die erzählten, wie viele Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte. Nachdem sie aber zu reden aufgehört hatten, ergriff Jakobus das Wort und sagte: Ihr Männer und Brüder, hört mir zu! Simon hat erzählt, wie Gott zuerst sein Augenmerk darauf richtete, aus den Heiden ein Volk für seinen Namen anzunehmen. Und damit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: »Nach diesem will ich zurückkehren und die zerfallene Hütte Davids wieder aufbauen, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten, damit die Übriggebliebenen der Menschen den Herrn suchen, und alle Heiden, über die mein Name ausgerufen worden ist, spricht der Herr, der all dies tut.« Gott sind alle seine Werke von Ewigkeit her bekannt. Darum urteile ich, dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten auflegen soll, sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten. Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn verkündigen, da er in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen wird.

Daraufhin beschlossen die Apostel und die Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde, Männer aus ihrer Mitte zu erwählen und mit Paulus und Barnabas nach Antiochia zu senden, nämlich Judas mit dem Beinamen Barsabas und Silas, führende Männer unter den Brüdern. Die Apostel und die Ältesten und die Brüder entbieten den Brüdern in Antiochia und in Syrien und Cilicien, die aus den Heiden sind, ihren Gruß! Da wir gehört haben, dass etliche, die von uns ausgegangen sind, euch durch Reden verwirrt und eure Seelen unsicher gemacht haben, indem sie sagen, man müsse sich beschneiden lassen und das Gesetz halten, ohne dass wir sie dazu beauftragt hätten, so haben wir, die wir einmütig versammelt waren, beschlossen, Männer zu erwählen und zu euch zu senden mit unseren geliebten Barnabas und Paulus, Männern, die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus. Wir haben deshalb Judas und Silas gesandt, die euch mündlich dasselbe verkündigen sollen. Es hat nämlich dem Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last aufzuerlegen, außer diesen notwendigen Dingen, dass ihr euch enthaltet von Götzenopfern und von Blut und vom Erstickten und von Unzucht; wenn ihr euch davor bewahrt, so handelt ihr recht. Lebt wohl! [Apg 15,4-29]

Am Ende kam genau das heraus, was Paulus all die Jahre ohnehin schon gelehrt hatte in allen seinen Gemeinden: die Beschneidung ist nicht erforderlich, wohl aber sich von Götzenopferfleisch, von Unzucht, von Ersticktem und Blut zu enthalten. So hat der Heilige Geist, gemeinsam mit den Aposteln bewiesen, dass er für Einheit sorgt und überall das Selbe lehrt. Und so wurde ein Brief, der den einmütigen Beschluss erklärte, verfasst. Paulus und sein Begleiter Barnabas wurden beauftragt, den Brief in ihren Gemeinden zu verteilen und sie bekamen noch weitere Brüder aus Jerusalem mit, die die Echtheit des Briefes bestätigten und dessen Inhalt in allen Gemeinden erklären sollten. Das war ein Sieg für die Wahrheit und beeindruckendes Zeugnis für die Einheit in der Lehre der Apostel.

Bei einer anderen Begebenheit in Antiochia gab es einen sehr ähnlichen Konflikt:

Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er war im Unrecht. Bevor nämlich etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. Und auch die übrigen Juden heuchelten mit ihm, sodass selbst Barnabas von ihrer Heuchelei mit fortgerissen wurde. Als ich aber sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, was zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben? [Gal 2,11-14]

Der Judaismus hatte sogar Petrus und die übrigen Juden erfasst. Paulus erkannte das, wies sie zurecht, und stellte somit wieder die Einheit her. Das Problem war aber in dem Fall keine Lehrfrage, sondern eine Frage der Praxis: Heuchelei. Denn sie kannten die richtige Lehre, lebten aber anders, sondern ließen sich von ihrer alten jüdischen Natur und Menschenfurcht leiten. Diese Problematik scheint heute vielen Christen zu weit hergeholt, als dass sie ihre wahre Tragkraft und Reichweite ermessen könnten. Und deswegen wird sie heute oft verharmlost, unterschätzt, oder völlig außer Acht gelassen beim Lesen von Paulus.

Eine dritte Geschichte, die verdeutlicht, wie streitbar Paulus war:

Und als sie die Insel bis nach Paphos durchzogen hatten, trafen sie einen Zauberer und falschen Propheten an, einen Juden namens Bar-Jesus, der sich bei dem Statthalter Sergius Paulus aufhielt, einem verständigen Mann. Dieser ließ Barnabas und Saulus holen und wünschte das Wort Gottes zu hören. Doch Elymas, der Zauberer (denn so wird sein Name übersetzt), leistete ihnen Widerstand und suchte den Statthalter vom Glauben abzuhalten. Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll Heiligen Geistes, blickte ihn fest an und sprach: O du Sohn des Teufels, voll von aller List und aller Bosheit, du Feind aller Gerechtigkeit, wirst du nicht aufhören, die geraden Wege des Herrn zu verkehren? Und nun siehe, die Hand des Herrn kommt über dich, und du wirst eine Zeit lang blind sein und die Sonne nicht sehen! Augenblicklich aber fiel Dunkel und Finsternis auf ihn, und er tappte umher und suchte Leute, die ihn führen könnten. Als nun der Statthalter sah, was geschehen war, wurde er gläubig, betroffen von der Lehre des Herrn. Paulus und seine Gefährten aber fuhren von Paphos ab und kamen nach Perge in Pamphylien; Johannes trennte sich jedoch von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück. [Apg 13,9-13]

Von obiger Geschichte kann man auch lernen, dass ein Mann Gottes, der vom Heiligen Geist erfüllt ist, sehr wohl sein Gegenüber verurteilen und beschimpfen kann! Auch diese Wahrheit wird heute oft von Christen verleugnet, mitunter mühsam untermauert mit angeblichen Worten von Paulus. Dieser Johannes im letzten Satz war Anlass für das vierte Beispiel, wie streitbar Paulus war:

Nach etlichen Tagen aber sprach Paulus zu Barnabas: Lass uns wieder umkehren und in all den Städten, in denen wir das Wort des Herrn verkündigt haben, nach unseren Brüdern sehen, wie es um sie steht! Barnabas aber riet dazu, den Johannes, der Markus genannt wird, mitzunehmen. Paulus jedoch hielt es für richtig, dass der, welcher in Pamphylien von ihnen weggegangen und nicht mit ihnen zu dem Werk gekommen war, nicht mitgenommen werden sollte. Deshalb entstand eine heftige Auseinandersetzung, sodass sie sich voneinander trennten; und Barnabas nahm Markus zu sich und fuhr mit dem Schiff nach Zypern. Paulus aber wählte sich Silas und zog aus, von den Brüdern der Gnade Gottes anbefohlen. Und er durchzog Syrien und Cilicien und stärkte die Gemeinden. [Apg 15,36-41]

Dieser Streit ging nicht in Einheit aus. Paulus trennte sich von seinem langjährigen Begleiter Barnabas. Das ist eine Niederlage für den Umgang unter Brüdern, kommt aber leider vor. So ehrlich ist die Bibel, dass sie auch Schlappen berichtet. Paulus will einen verlässlichen Reisebegleiter und setzt auf Vernunft. Barnabas hingegen dürfte eher nach Gefühl entscheiden (wie er es schon vorher immer wieder tat: siehe die Heuchelei des Barnabas in Antiochia weiter oben). Es wirkt wie eine Justamentreaktion, dass Barnabas an Johannes Markus festhielt, mit dem er auch verwandt war [Kol 4,10], und sich allein mit ihm auf die Reise machte. Es ist übrigens der selbe Markus, der später der Dolmetscher von Petrus in Rom werden sollte und das Markusevangelium schrieb. An der Verabschiedung und dem Fortgang der Erzählung sehen wir, wer von den beiden Streitparteien geistlich handelte. Denn Paulus zog weiter von den Brüdern der Gnade Gottes anbefohlen. Das erfahren wir nicht bezüglich Barnabas. Wie an dieser Stelle überhaupt die Erzählung von Barnabas endet. Wir erfahren nichts mehr von ihm und seiner Reise mit Markus und welche Früchte sie brachte in der Apostelgeschichte. Über Paulus erfahren wir noch jede Menge und sehen viele Früchte und Wunder und wie der Herr Jesus und der Heilige Geist ihn führen.


Paulus wurde schon zu Lebzeiten von gewissen Menschen falsch verstanden und verdreht, wie bereits oben geschildert. Die falschen Gerüchte über Paulus nahmen nach seinem Tod noch mit jedem Jahrhundert zu, denn ein Toter kann sich nicht mehr wehren. Anfangs konnten seine Schüler noch dagegen halten, aber mit der Zeit wurden auch sie nicht mehr gehört und so kam es, dass Paulus heute für mehr Irrtümer und Irrlehren denn je als Vorlage missbraucht wird.

Die Einen erzählen falsches über Paulus aus Unwissenheit, wie schon Petrus erkannte [2.Petr 3,16], die Anderen, weil er anscheinend ein gefundenes Fressen für ihre Ideologien ist, die sie anhand von Paulus zu belegen versuchen. Dabei wird bewusst Geschichtsrevision betrieben indem man nur jene Zeugen hört und benützt, die ins gewollte Bild passen. Irenäus beschreibt diese Methode treffend, indem er sie mit dem Legen eines Mosaiks vergleicht. Was am Ende heraus kommt, hängt sehr davon ab, welches Bild man von Anfang an haben möchte:

Gleichwie wenn jemand an dem von einem weisen Künstler aus bunten Steinen schön zusammengestellten Bilde eines Königs die zugrunde liegende menschliche Gestalt auflösen, die Steine versetzen und umändern, die Gestalt eines Hundes oder Fuchses machen und dazu noch schlecht ausführen wollte und behaupten, das sei jenes schöne Bild des Königs, das der weise Künstler fertigte, um so durch sein Steingebilde die Unerfahrenen in Irrtum zu führen, die keine Ahnung von der wirklichen Gestalt eines Königs haben, und ihnen einzureden, die stinkende Figur des Fuchses sei das schöne Bild des Königs — auf genau dieselbe Weise flicken auch diese Alteweibermärchen zusammen, reißen dann Reden, Worte und Parabeln aus ihrem Zusammenhang und wollen diese Worte des Herrn ihren Fabeln anpassen.“ (Irenäus Contra Haereses Gegen die Häresien (BKV), Erstes Buch, 8. Kapitel: Weiterer Mißbrauch der Hl. Schrift)

Genauso gehen die meisten Bibellehrer auch bei der Frage vor, ob denn Paulus verheiratet war. Sie haben schon vorher die fixe Meinung, dass Paulus unverheiratet war und „reißen dann Reden, Worte und Parabeln aus ihrem Zusammenhang und wollen diese Worte des Herrn ihren Fabeln anpassen.“ Am Ende kommt „die stinkende Figur des Fuchses“ anstatt dem schönen Bild des Königs, weil sie „keine Ahnung von der wirklichen Gestalt eines Königs haben“. Treffender könnte man Irrlehrer und Unwissende, die alles entstellen und verdrehen, nicht beschreiben. Irenäus ist ein Experte, denn er wurde noch von den richtigen Lehrern unterwiesen und hatte sehr viel Erfahrung im Kampf gegen alle Arten von Irrlehrern und schrieb ganze fünf Bücher gegen sie. Dazu mehr an einer anderen Stelle.

Zurück zur Ehe von Paulus. Ob Paulus verheiratet war, stellte zu seiner Zeit niemand in Frage, denn es wussten alle Gemeinden und erst recht alle seine Begleiter, dass er verheiratet war. Das ist wiederum ein treffender Grund, warum wir nicht auf die frühen Christen verzichten können, wenn wir die Wahrheit wissen wollen. Jahrtausende später darüber zu spekulieren und die Mosaiksteine so zusammenzulegen, dass der stinkende Fuchs heraus kommt, wird hingegen nicht zur Wahrheit führen.

Clemens von Alexandria bezeugt noch Anfang des dritten Jahrhunderts:

Auch Paulus trägt kein Bedenken, in einem seiner Briefe seine Gattin anzureden, die er nur nicht mit sich herumführte, um in der Ausübung seines Amtes nicht gehindert zu sein. Er sagt daher in einem Brief: „Haben wir nicht auch die Freiheit, eine Schwester als Gattin mit uns zu führen wie die übrigen Apostel?“

Aber diese richteten, ihrem Dienst entsprechend, ihre Gedanken nur auf die Predigt, ohne sich ablenken zu lassen, und führten ihre Frauen nicht als Ehegattinen, sondern als Schwestern mit sich, damit sie ihre Gehilfinnen bei den Hausfrauen seien; und durch sie konnte die Lehre des Herrn auch in das Frauengemach kommen, ohne daß übler Nachruf entstand. (Clemens von Alexandrien († vor 215/16) Stromata Teppiche (BKV), Drittes Buch, VI. Kapitel, 53,1-3)

Eusebius von Cäseräa zitiert Clemens ein Jahrhundert später in seiner Kirchengeschichte, wo er ein eigenes Kapitel über die verheirateten Apostel schrieb. Darin werden Petrus, Philippus und Paulus als verheiratete Apostel angeführt. Somit haben wir unter den frühen Christen schon zwei schriftliche Zeugen, die bestätigen, dass Paulus verheiratet war. Klemens führt weiters an, was die Ehefrau von Paulus bewirkte: sie war eine Gehilfin bei den Hausfrauen „und durch sie konnte die Lehre des Herrn auch in das Frauengemach kommen, ohne daß übler Nachruf entstand.“ Genau das harmoniert wunderbar mit der Lehre der Apostel, wonach ältere, verheiratete (oder verwitwete) Frauen eine wichtige Vorbildwirkung für jüngere Frauen inne haben, und mit der Anweisung von Paulus, dass Bischöfe und Diakone verheiratet sein und ehrbare Frauen haben müssen:

Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, besonnen, würdig, gastfrei, geschickt im Lehren, kein Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig, einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und gehorsame Kinder hat, in aller Ehrbarkeit. Denn wenn jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie soll er für die Gemeinde Gottes sorgen? [1.Tim 3,2-5]

Desgleichen sollen ihre Frauen ehrbar sein, nicht verleumderisch, nüchtern, treu in allen Dingen. Die Diakone sollen ein jeder der Mann einer einzigen Frau sein und ihren Kindern und ihrem eigenen Haus gut vorstehen. [1.Tim 3,11]

dass sich die alten Frauen gleicherweise so verhalten sollen, wie es Heiligen geziemt, dass sie nicht verleumderisch sein sollen, nicht vielem Weingenuss ergeben, sondern solche, die das Gute lehren, damit sie die jungen Frauen dazu anleiten, ihre Männer und ihre Kinder zu lieben, besonnen zu sein, keusch, häuslich, gütig, und sich ihren Männern unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert wird [Tit 2,3-5]

Diese Vorbildwirkung, die jeder Apostel, Lehrer, Hirte (Bischof) und Diener (Diakon) selbstverständlich in allen Dingen - und allen voran in der Ehe und Kindererziehung - für die ganze Gemeinde geben muss, ist zentrales Element der Lehre der Apostel, klappt aber nicht, wenn die „Vorbilder“ unverheiratet sind, und ging langsam aber sicher verloren als man ab der Konstantinischen Wende neue Wege einer neuen Lehre beschritt.

Spannend ist auch jene Stelle in einem Paulusbrief, wo Paulus seine Frau anredet, wie Clemens und Eusebius (s.o.) bezeugen. Gemeint ist der Philipperbrief:

Ja, ich bitte auch dich, mein rechter Gefährte, stehe ihnen bei, die in dem Evangelium zusammen mit mir gekämpft haben, auch mit Klemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens sind. [Phil 4,3. ELB]

„Wo steht hier was von der Frau Paulus?“, werden sich jetzt vielleicht viele fragen. Tja, hier muss man alle modernen Übersetzungen rügen. Sie folgen der heute dominanten Doktrin, dass Paulus unverheiratet war, und übersetzen diese Stelle unverständig, ja beinahe trotzig, und machen deswegen aus einer Frau einen Mann.

Konkret geht es um das Griechische Wort suzugos (σύζυγος G4805), das im Grundtext steht. Es bedeutet wörtlich übersetzt „Jochgenosse“ oder „paarweise zusammengeschlossene Partner“ und wurde damals in der Regel als Wort für „Ehegatte“ oder „Ehegattin“ gebraucht.

Man kann die Ratlosigkeit der modernen Bibelübersetzer an dieser Stelle deutlich erkennen:

  • Die Elberfelder übersetzt mit „mein rechter Gefährte“, gibt aber in der Fußnote ehrlich zu, dass es eigentlich „Jochgenosse“ heißt. Das Joch war in biblischen Zeiten ein Sinnbild für die Ehe (2.Kor 6,14).
  • Die Schlachter 2000 schreibt „mein treuer Mitknecht“, die Zürcher Bibel und die Einheitsübersetzung 2016 „mein treuer Gefährte“.
  • Die Hoffnung für alle und die Gute Nachricht übersetzen gar nichts, sondern transkribieren das Griechische Wort ins Deutsche und schreiben also Syzygus, weil sie glauben, das sei ein Eigenname. In ihren Fußnoten erklären sie das so:
    • „Syzygus bedeutet »Gefährte«. Es kann sich aber auch um einen Eigennamen handeln.“ (Hfa)
    • Syzygus bedeutet: Gefährte, Kamerad. Wahrscheinlich handelt es sich um den Eigennamen eines vertrauten Mitarbeiters von Paulus in Philippi, den Paulus auf diesen seinen Namen hin anspricht und in Pflicht nimmt. (GN)
  • Die Neue Genfer Übersetzung übersetzt sogar „meinen treuen Weggefährten“, womit ja auch auf Deutsch der Ehepartner gemeint sein könnte, stellt aber in der Fußnote klar: „Ein namentlich nicht genannter, aber den Christen in Philippi offensichtlich gut bekannter Mitarbeiter des Paulus.“ Damit wird jeder Gedanke, es könne die Ehepartnerin von Paulus gemeint sein, im Keim erstickt.

Wer erkennt, dass hier ideologisch-theologisch übersetzt wird, und sich alle darauf eingeschossen haben, dass an dieser Stelle stets ein Mann gemeint sein muss, sich aber gleichzeitig eingestehen müssen, dass sie nicht wissen, welcher Mann genau gemeint sei? Seit wann grüßt denn Paulus am Ende seiner Briefe unbekannte Männer, noch dazu mit dem sehr vertrauten Wort „mein“ davor? Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig Bibelübersetzer mitdenken, nicht selbst auf Widersprüche (die sie erst durch ihre Übersetzungen schaffen) draufkommen und nicht darüber nachdenken, sondern lieber blind späten Ideologien folgen anstatt die frühen Christen zurate zu ziehen.

Dass mit dem Griechischen Wort suzugos kein Mann, auch nicht irgendein unbekannter Mann, sondern eine Frau gemeint war, erkannte auch noch Johannes Chrysostomus im 4.Jh: 

Einige behaupten, die Bitte hier sei an seine Frau gerichtet. Allein das ist nicht der Fall, sondern er wendet sich damit an irgendeine Frau, oder auch den Mann einer der beiden Frauen. — „Nimm dich ihrer an,“ fährt er fort, „die mit mir für das Evangelium gerungen haben, zugleich mit Klemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buche des Lebens stehen.“ Siehst du, welch großartiges Zeugnis er ihrer Tugend ausstellt? Was Christus zu den Aposteln sagte: „Nicht darüber freut euch, daß die bösen Geister euch gehorchen, sondern vielmehr darüber, daß eure Namen eingeschrieben sind im Buche des Lebens“, dasselbe bezeugt der Apostel hier auch ihnen mit den Worten: „deren Namen im Buche des Lebens stehen“. — Diese Frauen scheinen mir die Hauptpersonen der dortigen Gemeinde zu sein, und er empfiehlt sie einem gleich ausgezeichneten Manne, den er auch seinen „Genossen“ nennt, dem er vielleicht als einem Mitarbeiter, Mitstreiter, Teilnehmer und Bruder (auch sonst) zu empfehlen pflegte. (Chrysostomus, Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV), Vierzehnte (Dreizehnte) Homilie. Phil. III, 18 bis Phil. IV, 3.)

Bei Chrysostomus kann man sehr schön die Wende von der Lehre der Apostel hin zur Lehre der Römisch-Katholischen Kirche beobachten. Chrysostomus steht noch mit einem Bein auf der einen, mit dem anderen bereits auf der anderen Seite. Aufgrund seiner Sprachkenntnis (Griechisch ist seine Mutter- und Umgangssprache, weshalb er im Gegensatz zu vielen Römischen Lehrern die Apostel noch in ihrer Originalsprache lesen und verstehen konnte) weiß er noch, dass mit dem Begriff σύζυγος (suzugos) eine Ehefrau gemeint ist oder evtl ein Ehemann einer anderen Frau, aber in jedem Fall geht es um Ehe (peinlich, wie wenig die modernen Übersetzer offenbar davon verstehen). Aufgrund seiner katholischen Ideologie hält er Paulus aber für unverheiratet und verneint also, dass Paulus hier seine Frau meint, obwohl er noch so ehrlich ist, zuzugeben, dass „Einige behaupten, die Bitte hier sei an seine Frau gerichtet.“ Zur Zeit Chrysostomus lebten also noch einige, die die Wahrheit kannten und lehrten. Es muss eine spannende Übergangszeit gewesen sein, zu der Chrysostomus lebte. Es gab noch Lehrer der alten Schule (Lehre der Apostel), aber die neue katholische Lehre, war bereits stark am Vormarsch. In vielen Punkten erweist sich Chrysostomus noch der alten Lehre der Apostel verbunden, in anderen neigt er zur katholischen Lehre, die auch schon die Ehelosigkeit, den Zölibat, bevorzugt und Paulus deswegen zu einem unverheirateten Apostel macht. Zur Zeit von Chrysostomus war der Zölibat übrigens in der Kirche noch freiwillig. Einen Zwangszölibat bezeichnete er selbst noch als dämonisch (Chrysostomus, Vom jungfräulichen Stande (BKV), 5. Der jungfräuliche Stand der Ketzer ist sogar schimpflicher als Ehebruch) und liegt in dem Punkt noch mit Paulus auf einer Linie, denn Paulus schrieb:

Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. Sie verbieten zu heiraten [1.Tim 4,1]

Wenn man aber weiß, dass Paulus verheiratet war, dann erscheinen alle seine Worte in dem Zusammenhang in einem ganz anderen Licht:

Sind wir nicht berechtigt, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen, wie auch die anderen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas? [1.Kor 9,5]

Mit Kephas meint Paulus den Apostel Petrus, der unbestreitbar verheiratet war (Mt 8,14), sehr zum Leidwesen der RKK, die ihn auch lieber ehelos hätte und mit vielen kunstvollen Wortverdrehungen argumentiert, dass Petrus seine Frau verlassen hatte und seinen Aposteldienst wie ein Unverheirateter versah (siehe Zölibat - von Christus befohlen oder vom Teufel?). Die historische Wahrheit folgt aber keiner Theologie und war damals allen Menschen offenbar. Die RKK ging sogar soweit, in ihre Deutsche Bibelübersetzung, die sogenannte Einheitsübersetzung, einen unverheirateten Paulus hineinzuschreiben, wo er im Grundtext gar nicht steht:

Ich wünschte, alle Menschen wären unverheiratet wie ich. Doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. [1.Kor 7,7 EÜ]

Das Wort „unverheiratet“ ist jedoch hinzugedichtet, es steht in keinem Grundtext. Keine grundtexttreue Übersetzung schreibt an dieser Stelle, dass Paulus unverheiratet ist. Zum Beispiel:

Denn ich wollte, alle Menschen wären wie ich; aber jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. (SCH2000)

Jetzt fragen sich vielleicht viele, was denn Paulus hier sonst meinen könnte außer „unverheiratet“?

Im Kontext betrachtet ist das Thema eigentlich gar nicht die Ehelosigkeit. Deswegen beginnt Paulus mit dem Grundsatz der Ehe für jeden Mann und jede Frau:

um aber Unzucht zu vermeiden, soll jeder Mann seine eigene Frau und jede Frau ihren eigenen Mann haben. [1.Kor 7,2]

Dieser Grundsatz wird typischerweise immer ignoriert von jenen, die Paulus einen Zölibat andichten wollen. Ein Grundsatz ist aber ein Grundsatz und der legt das Fundament. Deswegen fährt Paulus zunächst mit den ehelichen Pflichten fort und dass über den Körper der Frau ihr Gatte verfügt und umgekehrt. So soll es in der Ehe sein. Dann aber kommt Paulus zum Hauptthema, das er im ersten Satz kurz anreißt, quasi als Einleitung: 

Was aber das betrifft, wovon ihr mir geschrieben habt, so ist es ja gut für den Menschen, keine Frau zu berühren [1.Kor 7,1]

Dieser Satz wird meistens völlig falsch verstanden, nämlich so als wäre er ehefeindlich und würde den Zölibat empfehlen. Keinesfalls! Was heißt es denn, dass es ja „gut für den Mann“ wäre, keine Frau zu berühren? Betrifft das nur unverheiratete Männer? Keinesfalls! Die Ehelosigkeit ist in Wahrheit hier nur ein Nebenschauplatz, auch wenn viele Bibelübersetzungen den ganzen Abschnitt in der Bibel mit einer Überschrift wie „Fragen zur Ehelosigkeit“ schmücken und damit auch schon wieder ihre Leser manipulieren. Denn auch die Überschriften kommen nicht von Paulus, sondern setzt jede Bibelgesellschaft wo und wie sie möchte. Gerade bei Paulus darf man nie den großen Zusammenhang verlieren, wenn man sich einzelne Sätze oder Wörter ansieht. Der große Zusammenhang ist die Selbstbeherrschung in allen körperlichen Dingen, die Paulus immer wieder aufbringt, auch und gerade die Enthaltsamkeit in der Ehe. Darum ist es gut für einen Mann, keine Frau zu berühren, um die Enthaltsamkeit zu üben, die auch in der Ehe wichtig und angebracht ist zu gewissen Zeiten. Eine solche Zeit führt Paulus als Beispiel an, etwa wenn beide Ehepartner sich der geistlichen Übung widmen (V5). Es muss aber immer im gegenseitigen Einverständnis geschehen, denn keiner verfügt in der Ehe über seinen eigenen Körper sondern über den des anderen. Das ist übrigens auch schon ein Gebot, das die eigene Enthaltsamkeit einübt.

Enthaltsamkeit in allen Dingen ist wesentlich für ein heiliges Leben und wurde in den Gemeinden der frühen Christen gemeinsam geübt. Durch Fasten wurde die Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit beim Essen und Trinken eingeübt (auch das ist ein Thema im Korintherbrief), denn Völlerei und Betrunkenheitheit sind Sünde. Und durch Keuschheit in der Ehe wurde ebenso Enthaltsamkeit und körperliche Selbstbeherrschung eingeübt, denn Unzucht ist eine schwere Sünde. Erinnern wir uns, was Paulus über das Vorbild der alten Frauen im Titusbrief befiehlt: die alten Frauen sollen „die jungen Frauen dazu anleiten, ihre Männer und ihre Kinder zu lieben, besonnen zu sein, keusch“ (Tit 2,3 - ausführliches Zitat siehe oben). Die jungen Ehefrauen sollen also von den alten auch Keuschheit lernen, und das obwohl sie ja Männer haben, die sie lieben lernen sollen. Keuschheit und Ehe ist kein Widerspruch. Und darin waren Paulus und seine Frau den jungen Leuten ein Vorbild. Paulus empfiehlt sich überhaupt als großes Vorbild in Sachen Selbstbeherrschung, wie er abschließend zu dem Thema schreibt:

Wisst ihr nicht, dass die, welche in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt? Lauft so, dass ihr ihn erlangt! Jeder aber, der sich am Wettkampf beteiligt, ist enthaltsam in allem — jene, um einen vergänglichen Siegeskranz zu empfangen, wir aber einen unvergänglichen. So laufe ich nun nicht wie aufs Ungewisse; ich führe meinen Faustkampf nicht mit bloßen Luftstreichen, sondern ich bezwinge meinen Leib und beherrsche ihn, damit ich nicht anderen verkündige und selbst verwerflich werde. [1.Kor 9,24-27]

Paulus wählt absichtlich das Bild eines Sportlers, der seinen Körper bezwingt und sich in Selbstbeherrschung übt. Jeder Sportler, der den Siegespreis erlangen will, muss sich genau darin üben, seinen Körper zu beherrschen und zu bezwingen. Auch oder gerade wenn er verheiratet ist.

Man muss also nicht zwangsläufig hier „unverheiratet“ einsetzen, um den Sinn zu erfassen. Nur die Einheitsübersetzung macht das, und ein paar andere. Damit macht sich die Einheitsübersetzung, und alle anderen, die das ebenso tun, genau genommen der Bibelverfälschung schuldig, nur um ihre Theologie der Ehelosigkeit in die Bibel zu schreiben. Die Apostel, deren Schüler, und die frühen Christen hätten das nie gewagt und als Häresie verurteilt, denn sie waren sehr genau beim Zitieren, Übersetzen und Auslegen des Wortes Gottes und wagten es nicht, auch nur ein Wort hinzuzufügen, denn sie kannten die Drohung von Jesus Christus:

Fürwahr, ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand etwas zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht; und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buches dieser Weissagung, so wird Gott wegnehmen seinen Teil vom Buch des Lebens und von der heiligen Stadt, und von den Dingen, die in diesem Buch geschrieben stehen. [Offb 22,18-19]

Erschreckend, wie unverfroren heute etliche Bibelübersetzer mit dem Wort Gottes umgehen und nach eigenem Gutdünken Worte hinzufügen oder weglassen.

Und noch ein Gedanke, der heute allzuoft völlig ignoriert wird, trieb Paulus damals: die aufkommende Christenverfolgung. Paulus lebte nicht nur zu einer Zeit, wo es lebensgefährlich war, Christ zu sein, sondern in einem starken Endzeitgedanken, den wir heute eigentlich wieder verstehen können sollten. Denn es gibt heute so viele Endzeitbücher, -filme, und -prophetien wie schon lange nicht mehr. Immer mehr Menschen glauben im Jahr 2021, dass demnächst der Weltuntergang kommt, auch viele Atheisten, die nicht an eine biblische Apokalypse glauben, meinen, dass die Welt nicht mehr lange steht. Paulus war schon im 1.Jahrhundert tief in diesem finalen Endzeitgedanken drin:

So halte ich nun um der gegenwärtigen Not willen das für richtig, dass es für einen Menschen gut ist, so zu bleiben wie er ist. Bist du an eine Frau gebunden, so suche keine Trennung von ihr; bist du frei von einer Frau, so suche keine Frau.Wenn du aber auch heiratest, so sündigst du nicht; und wenn die Jungfrau heiratet, so sündigt sie nicht; doch werden solche Bedrängnis im Fleisch haben, die ich euch gerne ersparen möchte. Das aber sage ich, ihr Brüder: Die Zeit ist nur noch kurz bemessen! So sollen nun in der noch verbleibenden Frist die, welche Frauen haben, sein, als hätten sie keine, und die weinen, als weinten sie nicht, und die sich freuen, als freuten sie sich nicht, und die kaufen, als besäßen sie es nicht, und die diese Welt gebrauchen, als gebrauchten sie sie gar nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht. [1.Kor 7,26-31]

An der Person Paulus scheiden sich die Geister. Die einen kennen ihn und ziehen aus seinem Vorbild die richtige Lehre und ahmen ihn nach. Die anderen verbreiten Gerüchte, die mit dem wahren Paulus nichts zu tun haben - zu ihrem eigenen Verderben.


Ein weiteres Beispiel dafür, wie über Paulus falsche Gerüchte verbreitet werden - und zwar von seinen Lebzeiten an bis heute - ist sein Verhältnis zu den Juden und dem Gesetz Moses. Paulus sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er gegen das Gesetz lehren würde und eine eigene Lehre für die Heiden eingeführt hätte. Bis heute glauben viele, dass Paulus der „Heidenapostel“ war, der ein eigenes Evangelium nur für die Heiden verkündet hätte. Aber stimmt das? Wie reagierte Paulus selbst auf diese Behauptungen?

Es stimmt, dass Paulus sich selbst als Lehrer der Heiden bezeichnete:

Das ist das Zeugnis zur rechten Zeit, für das ich eingesetzt wurde als Verkündiger und Apostel — ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht —, als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit. [1.Tim 2,7]

Das Gleiche schreibt Paulus auch in anderen Briefen, wie etwa im 2.Timotheusbrief (1,11), im Epheser (3,1.8), Galater (1,16) und im Römerbrief (11,13; 15,15-19).

Schon bei der Bekehrung von Paulus sprach Gott zu Ananias über Paulus:

Geh hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, um meinen Namen vor Heiden und Könige und vor die Kinder Israels zu tragen! [Apg 9,15]

Im Galaterbrief berichtet Paulus über seine Begegnung mit den Aposteln Jakobus, Petrus und Johannes in Jerusalem folgendes: 

.. als sie sahen, dass ich mit dem Evangelium an die Unbeschnittenen betraut bin, gleichwie Petrus mit dem an die Beschneidung —  denn der, welcher in Petrus kräftig wirkte zum Aposteldienst unter der Beschneidung, der wirkte auch in mir kräftig für die Heiden —, und als sie die Gnade erkannten, die mir gegeben ist, reichten Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen gelten, mir und Barnabas die Hand der Gemeinschaft, damit wir unter den Heiden, sie aber unter der Beschneidung wirkten; nur sollten wir an die Armen gedenken, und ich habe mich auch eifrig bemüht, dies zu tun. [Gal 2,7-10

Das klingt auf den ersten Blick alles wirklich so, als wäre die Welt unter den Aposteln damals in zwei Teile, nämlich Juden (Beschnittene) einerseits und Heiden (Unbeschnittene) andererseits aufgeteilt worden, wobei Paulus für die Heiden zuständig gewesen sei, und die anderen Aposteln alle für die Juden. Aber war das wirklich so? Theoretiker könnten das glauben. Die Lehre der Apostel besteht jedoch nicht aus Theorie, sondern zeigt sich in der Praxis. Wie haben Paulus und die anderen Apostel diese theoretische Aufteilung selbst verstanden und praktiziert?

Petrus hat, wie die Bibel ausführlich und nicht undramatisch erzählt, Heiden das Evangelium verkündet und diese auch getauft (Apg. 10,24ff) und lehrte bis zu seinem Tod die Heiden in Rom. Jakobus Sohn des Zebedäus missionierte in Spanien, Johannes in Kleinasien, Andreas in Kleinasien, Skythien, den Donauländern und Russland, Philippus ebenfalls in Kleinasien und Skythien, Thomas in Indien, Bartholomäus in Persien, Armenien und Indien, Matthäus in Persien und Äthiopien, Simon der Kananiter in Ägypten, Nordafrika, Britannien, Persien, Spanien und Babylon, Judas Thaddäus in Persien und Babylon, Matthias in Mesopotamien und Äthiopien. Allein diese kurze Liste zeigt eindeutig, dass alle Aposteln auch den Heiden das Evangelium brachten und somit in der Praxis alle Aposteln in Wahrheit Heidenaposteln waren. Es war sogar so, dass die meisten Aposteln den Großteil ihrer Zeit und Kraft den Heiden widmeten. Und das ist kein Wunder, denn sie befolgten dem Befehl ihres Herrn: 

So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes [Mt 28,19]

Diesen Befehl gab Jesus Christus seinen zwölf Aposteln vor Seiner Himmelfahrt. Und da war Paulus noch gar kein Apostel, ja nicht mal noch ein Christ! Nachdem er Christ und von Gott als Apostel berufen wurde, ging Paulus überall in jede Synagoge jeder Stadt, die auf seiner Reise lag, und lehrte dort die Juden. Ja, er beschnitt sogar seinen heidnischen Jünger Timotheus, damit er ihn mitnehmen konnte in die Synagogen (Apg 16,1-3)! So wichtig war es Paulus zu den Juden zu gehen. In der Apostelgeschichte sind mehrere Begebenheiten überliefert, die Paulus mit den Juden erlebte. In den allermeisten Fällen lehnten die Juden Paulus in dem Moment ab, wo er von Jesus Christus lehrte. Nicht selten wurde er von ihnen deswegen aus der Stadt vertrieben, oder verprügelt. Zweimal wurde er sogar gesteinigt. Nur ein einziges Mal berichtet uns die Bibel, dass Paulus in einer Synagoge auf Juden traf, die ihm und seiner Botschaft gegenüber offen waren, nämlich in Beröa:

Die Brüder aber schickten sogleich während der Nacht Paulus und Silas nach Beröa, wo sie sich nach ihrer Ankunft in die Synagoge der Juden begaben. Diese aber waren edler gesinnt als die in Thessalonich und nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf; und sie forschten täglich in der Schrift, ob es sich so verhalte. Es wurden deshalb viele von ihnen gläubig, auch nicht wenige der angesehenen griechischen Frauen und Männer. [Apg 17,10-12]

Die Freude währte aber nicht lange: 

Als aber die Juden von Thessalonich erfuhren, dass auch in Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt wurde, kamen sie auch dorthin und stachelten die Volksmenge auf. [Apg 17,11]

Das war leider das eher vertraute Bild: die Juden hassten Paulus, er war sogar unter den Juden der meistverhasste Christ im 1.Jahrhundert. Es mag einerseits daher kommen, weil er selbst ursprünglich der große Hoffnungsträger der Juden im Kampf gegen das Christentum war, aber vor allem daher, dass er eben nicht nur als Heidenapostel auftrat, sondern sich mit großem Eifer und Einsatz in jeder Synagoge auf seiner Reise um jeden einzelnen Juden kümmerte und ihn zum Christentum bekehren wollte. Dabei stieß Paulus meist auf derartig verstockte Herzen, dass er zwischendurch schon das Handtuch werfen wollte:

Da sagten Paulus und Barnabas freimütig: Euch musste das Wort Gottes zuerst verkündigt werden; da ihr es aber von euch stoßt und euch selbst des ewigen Lebens nicht würdig achtet, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden. Denn so hat uns der Herr geboten: »Ich habe dich zum Licht für die Heiden gesetzt, damit du zum Heil seist bis an das Ende der Erde!« Als die Heiden das hörten, wurden sie froh und priesen das Wort des Herrn, und es wurden alle die gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren. Das Wort des Herrn aber wurde durch das ganze Land getragen. [Apg 13,46-49]

Doch die Juden blieben verstockt und verfolgten Paulus und seine Begleiter zunehmend hasserfüllter und leidenschaftlicher.

Aber die Juden reizten die gottesfürchtigen Frauen und die Angesehenen und die Vornehmsten der Stadt auf, und sie erregten eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas und vertrieben sie aus ihrem Gebiet. Da schüttelten diese den Staub von ihren Füßen gegen sie und gingen nach Ikonium. [Apg 13,50-51]

In Korinth schließlich reichte es Paulus mit den Juden und er schleuderte ihnen in der Synagoge seinen Entschluss entgegen:

Als aber Silas und Timotheus aus Mazedonien ankamen, wurde Paulus durch den Geist gedrängt, den Juden zu bezeugen, dass Jesus der Christus ist. Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut sei auf eurem Haupt! Ich bin rein davon; von nun an gehe ich zu den Heiden! [Apg 18,5-6]

Im Römerbrief begründet er das später so:

Aber ich frage: Hat es Israel nicht erkannt? Schon Mose sagt: »Ich will euch zur Eifersucht reizen durch das, was kein Volk ist; durch ein unverständiges Volk will ich euch erzürnen«. Jesaja aber wagt sogar zu sagen: »Ich bin von denen gefunden worden, die mich nicht suchten; ich bin denen offenbar geworden, die nicht nach mir fragten«. In Bezug auf Israel aber spricht er: »Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach einem ungehorsamen und widerspenstigen Volk!« [Röm 10,19-21]

Doch Paulus wurde nicht verbittert, sondern blieb auch seiner Retterliebe gegenüber den Juden bis zu seinem Tod treu. Er ging in Jerusalem in den Tempel und wurde dort ja auch verhaftet. Währenddessen versuchte er wortreich mit einer eigenen Predigt, die er ausnahmsweise auf Hebräisch hielt, die Juden für Jesus Christus zu gewinnen (Apg 22). Und als er dann doch in Rom war und auf sein Verhör durch den römischen Kaiser wartete, empfing er eine Delegation der Juden Roms und verkündete ihnen das Evangelium vom Reich Gottes: (Apostelgeschichte 28,17-29). Hier nur zwei Verse aus dem Bericht:

Nachdem sie ihm nun einen Tag bestimmt hatten, kamen mehrere zu ihm in die Herberge. Diesen legte er vom Morgen bis zum Abend in einem ausführlichen Zeugnis das Reich Gottes dar und suchte sie zu überzeugen von dem, was Jesus betrifft, ausgehend von dem Gesetz Moses und von den Propheten. Und die einen ließen sich von dem überzeugen, was er sagte, die anderen aber blieben ungläubig.

Das war das übliche Bild, das übliche Ergebnis, das Paulus Zeit seines Lebens sah. Und es begann mit einem alten Vorwurf, der ihm nicht nur Zeit seines Lebens begleitete, sondern der ihm bis heute gemacht wird:

Das ist der Mensch, der überall jedermann lehrt gegen das Volk und das Gesetz und diese Stätte. (Apostelgeschichte 21,28)

Und als dieser erschien, stellten sich die Juden, die von Jerusalem herabgekommen waren, ringsherum auf und brachten viele und schwere Anklagen gegen Paulus vor, die sie nicht beweisen konnten, während er sich so verteidigte: Weder gegen das Gesetz der Juden, noch gegen den Tempel, noch gegen den Kaiser habe ich etwas verbrochen! (Apostelgeschichte 25,7-8)

Paulus wurde also immer schon beschuldigt, dass er gegen das Gesetz predigen würde. Doch das ist eine Lüge, die sich aber hartnäckig hielt. Bei seiner Ankunft in Jerusalem wurde er von seinen Brüdern sogar darauf angesprochen:

Es ist ihnen aber über dich berichtet worden, du würdest alle Juden, die unter den Heiden sind, den Abfall von Mose lehren und sagen, sie sollten ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach den Gebräuchen wandeln. (Apg 21,21)

Und dann gaben sie Paulus folgenden Rat, um die falschen Gerüchte zu zerstreuen:

So tue nun das, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich haben; diese nimm zu dir, lass dich reinigen mit ihnen und trage die Kosten für sie, dass sie das Haupt scheren lassen; so können alle erkennen, dass nichts ist an dem, was über dich berichtet worden ist, sondern dass auch du ordentlich wandelst und das Gesetz hältst. (Apg 21,23-24)

Paulus befolgte den Rat, doch es half nichts. Die Juden im Tempel beschuldigten ihn weiterhin, dass er gegen das Gesetz lehrt und sogar den Tempel geschändet hätte. Paulus verteidigte sich immer wieder gegen diese Vorwürfe in den folgenden Jahren, hier zum Beispiel vor dem Statthalter Felix:

Das bekenne ich dir aber, dass ich nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen, dem Gott der Väter auf diese Weise diene, dass ich an alles glaube, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben steht (Apg 24,14)

Wie kam es aber nun, dass damals bis heute Paulus als jener Apostel gilt, der gegen das Gesetz predigte als wollte er es abschaffen, als sei es ungültig? Nun, dass ist einigen seiner Aussagen, die er in Predigten und Briefen tätigte geschuldet. Dort klingt es so, als würde er das Gesetz abschaffen und dagegen lehren. Heute berufen sich viele Christen, die glauben, sie müssten das Gesetz Gottes nicht mehr halten, weil es abgeschafft sei, auf Paulus. Aber zu unrecht. Er hat es nie aufgelöst (dazu hatte er ja nie die Vollmacht, denn ein Gesetz auflösen kann nur der Gesetzgeber selbst, und der war Paulus ja gar nicht) und auch nie auflösen wollen. Er hielt es ja bis zum Schluss selbst und hat an vielen Stellen seiner Lehrbriefe das Gesetz gepredigt und eingemahnt! Aber er wurde dabei oft missverstanden, weil er mit dem Wort „Gesetz“ nicht immer dasselbe meinte. Der Begriff ist vieldeutig und Paulus verstand ihn in verschiedenen Zusammenhängen auch verschieden. Aber das zu erklären, reicht hier der Platz nicht und führt hier zuweit, weil es nicht nur eine Eigenheit von Paulus ist, sondern von der ganzen Heiligen Schrift: sie verwendet dasselbe Wort für verschiedene Bedeutungen. Und das werden wir an einer eigenen Stelle ausführen und bitten bis dahin um Geduld. Hier wollen wir nur zeigen, dass der Vorwurf, Paulus würde gegen das Gesetz predigen, ein alter ist, den er schon zu Lebzeiten versuchte zu widerlegen.

Die Juden zu seiner Zeit wollten es nicht annehmen und bestanden weiterhin stur auf ihren Anschuldigungen. Aber haben die Christen daraus gelernt? Kennen sie Paulus in dem Punkt heute besser als die Juden damals?


Typisch für Paulus ist auch, dass er - wie schon oben angerissen - ein umtriebiger reisender und schreibender Apostel war. 14 seiner Briefe wurden in den Bibelkanon aufgenommen. Geschrieben hat er aber sicherlich noch mehr. So erwähnt er in einem seiner Briefe einen weiteren, den wir heute nicht mehr kennen:

Und wenn der Brief bei euch gelesen ist, so sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde der Laodizeer gelesen wird, und dass ihr auch den aus Laodizea lest. [Kol 4,16]

Die meisten seiner Briefe schrieb er auf seinen sogenannten vier Missionsreisen, die grundsätzlich der Gründung neuer und der Stärkung bestehender Gemeinden dienten.

Die erste Reise (Apg 13-14) machte Paulus zwischen 44 und 48, begleitet von Barnabas. Sie führte nach Zypern, Perge, Antiochia (in Pisidien), Ikonium, Lystra und Derbe und den selben Weg wieder retour. In Lystra wurde Paulus von der wütenden Volksmenge gesteinigt. Wie durch ein Wunder überlebte er die Steinigung, erhob sich am nächsten Morgen und zog weiter nach Derbe (Apg 14,19-21). Bei seiner Rückkehr in Antiochia (Syrien) schrieb Paulus den Galaterbrief, seinen ersten Brief.

Die zweite Reise (Apg 15,36-18,22) machte Paulus zwischen 48 und 51, begleitet von Silas, Lukas und dem später dazu gestoßenen Timotheus. Zuerst besuchte Paulus die auf der ersten Reise gegründeten Gemeinden in Ikonium, Lystra und Derbe. Danach reiste er nach Troas, Philippi, Thessalonich und Beröa (alle drei in Mazedonien), danach Athen, Korinth und Ephesus. In Korinth schrieb Paulus die beiden Thessalonicherbriefe. In Philippi gründete Paulus die erste Gemeinde Europas, die erste Person, die sich bekehrte und taufen ließ, war die gottesfürchtige Purpurhändlerin Lydia (Apg 16,11-15), die somit die erste Christin Europas war. In Korinth lernte Paulus das Zeltmacher Ehepaar Priscilla und Aquila kennen (Apg 18,1-18), die sich bekehrten und treue Mitarbeiter wurden.

Die dritte Reise (Apg 18,23-21,17) machte Paulus zwischen 52 und 55, begleitet von Silas, Lukas, Gajus und Aristarchus. Sie führte nach Kleinasien (Derbe, Lystra, Ikonium), Ephesus, Smyrna, Pergamon, Troas, Mazedonien (Philippi, Thessalonich, Beröa), Delphi und Korinth. In Ephesus hielt sich Paulus drei Jahre auf, wirkte viele Wunder, gründete eine große Gemeinde, traf auf seinen späteren Mitarbeiter Apollos, den er von Aquilla und Priscilla unterweisen ließ, geriet bei einem großen Aufruhr, den er verursachte, in Lebensgefahr, und schrieb den 1.Korintherbrief. In Mazedonien schrieb er den 2.Korintherbrief und in Korinth den Römerbrief. Auf der Rückreise nach Jerusalem erweckte er in Troas einen Toten zum Leben.

Die vierte Reise (Apg 27-28) führte Paulus zwischen 57 und 60 als Gefangener nach Rom, begleitet von Lukas und Aristarchus. Unterwegs erlitt das Schiff in einem großen Wintersturm auf hoher See Schiffbruch. Paulus ermutigte die Mannschaft und sagte ihnen, dass keiner das Leben verlieren würde, sondern nur das Schiff untergehen würde. Das hätte ihm ein Engel Gottes offenbart. Genauso geschah es. Sie strandeten auf einer Insel Melite, wo Paulus von einer Giftschlange gebissen wurde, die aus dem Lagerfeuer kam, und überlebte ohne Schaden. Das sollte nicht das einzige Wunder bleiben, denn kurz darauf heilte er den schwer kranken Vater des Vornehmsten der Insel, der ihn darauf seine Gastfreundschaft anbot. Nach drei Monaten ging es mit dem nächsten Schiff weiter nach Rom, wo Paulus zwei Jahre (60-62) unter Hausarrest gestellt wurde. Während dieser Zeit wurde er von seinen Glaubensbrüder aus der Gemeinde in Rom häufig besucht und schrieb fünf Briefe: Epheserbrief, Kolosserbrief, Philemon, PhilipperbriefHebräerbrief.

Die fünfte Reise machte Paulus zwischen 63 und 65 von Rom nach Spanien und zurück. Diese Reise kündigte Paulus bereits im Römerbrief (Röm 15,24.28) an, in der Apostelgeschichte wird sie aber nicht mehr erwähnt. Während der Reise schrieb er den 1.Timotheusbrief und den Titusbrief


Nach dieser Reise wird Paulus ein zweites Mal in Rom gefangen genommen und schrieb in Rom im Gefängnis seinen allerletzten Brief, den 2.Timotheusbrief, wo er bereits seinen Märtyrertod ankündigt:

Denn ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Von nun an liegt für mich die Krone der Gerechtigkeit bereit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag zuerkennen wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb gewonnen haben. (2.Tim 4,6-8)

Zu dem Zeitpunkt stehen nur noch wenige seiner ehemaligen Gefährten hinter Paulus, wie er enttäuscht in seinem allerletzten Brief vor seinem Tod resümiert:

Du weißt ja, dass sich von mir alle abgewandt haben, die in der Provinz Asia sind, unter ihnen auch Phygellus und Hermogenes. Der Herr erweise dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, weil er mich oft erquickt und sich meiner Ketten nicht geschämt hat; sondern als er in Rom war, suchte er mich umso eifriger und fand mich auch. Der Herr gebe ihm, dass er Barmherzigkeit erlange vom Herrn an jenem Tag! Und wie viel er mir in Ephesus gedient hat, weißt du am besten. (2.Tim 1,15-18)

Beeile dich, bald zu mir zu kommen! Denn Demas hat mich verlassen, weil er die jetzige Weltzeit lieb gewonnen hat, und ist nach Thessalonich gezogen, Crescens nach Galatien, Titus nach Dalmatien. Nur Lukas ist bei mir. Nimm Markus zu dir und bringe ihn mit; denn er ist mir sehr nützlich zum Dienst. Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt. Den Reisemantel, den ich in Troas bei Karpus ließ, bringe mit, wenn du kommst; auch die Bücher, besonders die Pergamente. Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr vergelte ihm nach seinen Werken! Vor ihm hüte auch du dich; denn er hat unseren Worten sehr widerstanden. Bei meiner ersten Verteidigung stand mir niemand bei, sondern alle verließen mich; es werde ihnen nicht angerechnet! Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Verkündigung völlig ausgerichtet würde und alle Heiden sie hören könnten; und so wurde ich erlöst aus dem Rachen des Löwen. Der Herr wird mich auch von jedem boshaften Werk erlösen und mich in sein himmlisches Reich retten. Ihm sei die Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (2.Tim 4,9-18)

Lukas, Markus und Timotheus werden auch jene drei treuen Schüler von Paulus sein, die ihn bis zum Tod begleiten, unterstützen und trösten. Nach der Überlieferung wurde Paulus am selben Tag wie Petrus in Rom hingerichtet. Paulus wurde - wie es einem römischen Bürger gebührt - geköpft, Petrus musste hingegen den brutaleren und schmerzhafteren Tod am Kreuz erleiden:

Als Nero sich in seiner Herrschaft bereits sicher fühlte, verfiel er auf verbrecherische Ideen und rüstete sich sogar gegen die Verehrung des allmächtigen Gottes. Es liegt nicht im Plane dieser Schrift, seine Ruchlosigkeit zu beschreiben. Da viele Schriftsteller ausführliche Lebensbeschreibungen des Kaisers überliefert haben, so kann jeder, der will, hieraus das verkehrte, wahnsinnige Wesen des sonderbaren Mannes kennenlernen. Denn nachdem er Tausende von Menschen ohne allen Grund hatte beseitigen lassen, ging er in seinem Blutdurst soweit, daß er nicht einmal seine nächsten Verwandten und besten Freunde schonte, sondern sowohl seine Mutter als auch seine Brüder und seine Gattin nebst unzähligen anderen Verwandten auf verschiedene Weise hinrichten ließ, als waren sie seine eigenen oder des Staates Feinde gewesen. Hierüber äußert sich der Römer Tertullian also: „Leset eure Geschichtswerke! Dort werdet ihr finden, daß Nero der erste war, der unsere Kirche verfolgte daß er, nachdem er ihr volles Aufblühen in Rom verhindert hatte, furchtbar gegen alle wütete. Wir wollen stolz darauf sein, daß ein solcher Mensch zuerst gegen uns eingeschritten ist. Denn wer Nero kennt, muß wissen, daß nur das, was besonders gut war, von ihm verurteilt wurde.“ Da er sich nun unter den schlimmsten Gottesfeinden besonders hervortun wollte, ließ er sich dazu verleiten, die Apostel hinzurichten. Wie berichtet wird, wurde Paulus eben in Rom unter Nero enthauptet und Petrus gekreuzigt. Dieser Bericht wird bestätigt durch die noch bis heute erhaltenen Namen Petrus und Paulus in den römischen Zömeterien sowie durch einen kirchlich glaubwürdigen Mann, namens Gaius, der unter dem römischen Bischof Zephyrinus lebte und in einem schriftlich überlieferten Dialog mit Proklus, dem Haupte der phrygischen Sekte, über die Stätte, wo die heiligen Leiber der genannten Apostel ruhen, sagt: „Ich kann die Siegeszeichen der Apostel zeigen. Du magst auf den Vatikan gehen oder auf die Straße nach Ostia, du findest die Siegeszeichen der Apostel, welche diese Kirche gegründet haben.“ Daß beide Apostel zu gleicher Zeit den Martertod erlitten haben, behauptet Dionysius, Bischof von Korinth, in einem Schreiben an die Römer. Er sagt: „Durch eure große Sorgfalt habt ihr die von Petrus und Paulus in Rom und Korinth angelegte Pflanzung miteinander verbunden. Denn beide haben in unserer Stadt Korinth die Pflanzung begonnen und uns in gleicher Weise in Italien gelehrt und zu gleicher Zeit den Martertod erlitten.“ Durch dieses Zeugnis möge meine Erzählung noch mehr beglaubigt werden. (Eusebius von Cäseräa, Kirchengeschichte, Zweites Buch, 25. Kap. Die neronische Verfolgung, während welcher Paulus und Petrus in Rom um ihres Glaubens willen die Ehre des Martyriums empfingen.)