• geschrieben von: Irenäus
  • Erscheinungsjahr: 180

Unter dem Titel Contra Haereses (zu Deutsch: Gegen die Häresien) verfasste Irenäus fünf Bücher, die einzig und allein dem Zwecke dienten, seinen Schülern und Brüdern ein Werkzeug in Form eines Nachschlagwerkes in die Hand zu geben zur Entlarvung, Widerlegung und Bekämpfung sämtlicher Irrlehren und Irrlehrer ihrer Zeit. Diese Bücher galten über viele Jahrhunderte als fundamentales Standardwerk der richtigen Lehre und Beschreibung aller Irrlehren. Und genau das könnten sie bis heute sein, denn es änderten sich nur die Namen der Irrlehrer, aber nicht ihre Methoden, Hirngespinste und Lehren.

Gerade wegen der ununterbrochenen Überlieferungskette von Irenäus bis zu den Aposteln und der frühen Entstehungszeit seines Werkes, kann es zurecht als wertvollster Zeuge der richtigen Lehre im Vergleich zu den Irrlehren und ihrer Quellen betrachtet werden und gewinnt zunehmend an Bedeutung mit der Zeit.

Irenäus selbst schreibt in der Vorrede zu seinem Buch:

Es gibt Leute, welche die Wahrheit aus dem Hause schicken, die Lüge aber hereinrufen und endlose Stammtafeln erdenken, die mehr Klügeleien fördern, wie der Apostel sagt, als göttliche Erbauung im Glauben. Durch Scheingründe, die sie geschickt zusammenstellen, verführen sie die Halbgebildeten und nehmen sie gefangen, indem sie des Herrn Worte fälschen und schlechte Deuter seiner guten Reden werden. So bringen sie viele auf Irrwege und unter dem Deckmantel der Wissenschaft, Gnosis genannt, als ob sie etwas Höheres und Größeres zu zeigen hätten als den, der Himmel und Erde gemacht hat und alles, was darin ist, lenken sie viele ab von dem Urheber der Ordnung und Schönheit des Weltalls. Wie Ratgeber leiten sie durch kunstvolle Worte die Harmlosen auf den Weg des Suchens und stürzen sie ratlos ins Verderben, bis diese zur Gottlosigkeit und Lästerung gegen den Welterbauer gelangt sind und die Lüge von der Wahrheit nicht mehr zu unterscheiden vermögen. Die Lüge zeigt sich nämlich nicht als solche und läßt sich nicht in ihrer Nacktheit erblicken; geschickt versteht sie es, sich in ein ehrbar Gewand zu kleiden, um nach außen für die urteilslose Menge wahrer zu erscheinen als die Wahrheit selber. So spottet ja auch, wie ein Würdigerer als wir mit Bezug auf solche Menschen gesagt hat, des wertvollen und vielgeschätzten Smaragdes eine künstliche Imitation aus Glas, so lange niemand da ist, der das Ding untersuchen und die schlaue Nachahmung nachweisen kann. Kupfer in Silber getan, wer kann das ohne weiters erkennen, wenn er arglos ist!

Möge uns nun keine Schuld treffen, wenn einige wie Schafe von den Wölfen sich rauben lassen, indem sie dieselben wegen ihres Schaffelles, mit dem sie von außen sich umkleidet haben, nicht erkennen, da sie ja so ähnlich reden, aber der Geist ein ganz anderer ist. Vor ihnen uns zu hüten, hat der Herr uns befohlen. Aus all diesen Gründen erachtete ich es für eine Notwendigkeit, Dir, Geliebter, ihre wunderbaren und tiefen Geheimnisse bloßzulegen, die nicht alle fassen können, weil noch nicht alle ihren Verstand verloren haben. Ich habe sie entnommen den Kommentaren der sogen. Valentinianer, der Schüler Valentins, sowie auch den Äußerungen einiger, mit denen ich zusammentraf, und teile sie Dir nun mit, damit Du sie allen offenbarst, die bei Dir sind, und sie ermahnst, sich zu hüten vor dem Abgrund des Unsinns und der Lästerung gegen Christus. Zugleich wollen wir nach Maßgabe unserer Kräfte auch die neueste Lehre, ich meine die der Ptolemäer, die ein Abzweig der Schule des Valentinus ist, kurz und klar wiedergeben, auch gemäß unserer Mittelmäßigkeit Stützpunkte darbieten, um sie zu widerlegen, indem wir zeigen, daß ihre Behauptungen unnatürlich sind und mit der Wahrheit nicht zu vereinigen. Zwar ist das Schreiben uns ungewohnt, noch besitzen wir Übung in der Kunst der Rede — aber die Liebe treibt uns, Dir und den Deinigen ihre Lehren kundzutun, die bisher verborgen waren, nun aber gemäß der Gnade Gottes offenbar wurden. Denn nichts ist verhüllet, was nicht soll enthüllet, noch verborgen, was nicht soll gewußt werden.

Du darfst jedoch bei uns, die wir unter den Kelten weilen und uns zumeist mit der barbarischen Sprache abmühen, weder die Kunst der Rede suchen, die wir nicht gelernt, noch die Kraft des schriftlichen Ausdruckes, den wir nicht geübt haben, noch schöne Redewendungen oder Dialektik, die wir nicht verstehen. Aber was wir recht und schlecht und kunstlos an Dich in Liebe geschrieben, das wirst Du mit Liebe aufnehmen und in Dir wachsen lassen, indem Du, der Du begabter bist als wir, es wie Samenkörner und Anfänge von uns empfängst. In der Weite Deines Gesichtskreises wirst Du viele Frucht bringen von dem Wenigen, was wir gesagt haben, und mit Macht wirst Du den Deinigen das nahebringen, was wir Dir in Schwachheit verkündeten; und wie wir uns bemühten, auf Deinen Wunsch, ihre Lehren kennen zu lernen, sie Dir nicht bloß kundzutun, sondern Dir auch Fingerzeige zu geben, um ihre Unwahrheit aufdecken zu können, so wirst auch Du eifrig den andern gemäß der Dir verliehenen Gnade dienen, auf daß die Menschen nimmermehr durch ihre Scheingründe verleitet werden.