Der „Goldmund“ lebte kurz nach der Konstantinischen Wende, las und predigte die Apostel aber noch in deren Sprache und Sinn.
Er konnte die Schriften der Apostel und Apostolischen Väter noch in der Originalsprache Griechisch fließend lesen und verstehen, da sie auch seine Mutter- und Umgangssprache war. Ferner wuchs er in Antiochia, einer der ältesten von den Aposteln gegründeten Gemeinden, auf und konnte damit auf die Überlieferungen der Apostel zurückgreifen, Damit hob er sich von den römisch-katholischen Lehrern seiner Zeit ab, die in der Regel nur Latein beherrschten und auf Übersetzungen angewiesen waren.
Als Kind von sehr angesehenen Eltern wurde er von Kindheit an in der christlichen Lehre und im Glaubensleben erzogen und studierte später bei namhaften griechischen Lehrern Rhetorik und Bibelauslegung. Er lernte „die Testamente Christi ganz auswendig“, womit er auch den alten Lehrern ähnlich wurde, denn sie alle zitierten die Schriften auswendig.
Sein Ernst und die lebensnahe Art zu predigen brachten ihm den Ruf ein, einer der größten Redner der frühen Kirchengeschichte zu sein; daher sein Beiname „Chrysostomus“, „Goldmund“. Predigen macht mich gesund, schrieb er selbst. Seine Predigten sind v. a. exegetische Homilien über alt- und neutestamentliche Texte mit Auslegung auf die Lebenspraxis der Menschen. Chrysostomus verstand seine Predigten als Lebenshilfe, ganz an der Bibel orientiert. Beides rückt ihn trefflich in die Nähe der Aposteln und Frühen Christen, deren Predigten stets die Lebenspraxis im Fokus hatten anstatt theologische Theorien.
Von Chrysostomus sind uns zahlreiche Homilien, Briefe und Bücher erhalten geblieben. Er ist ein wertvoller Zeitzeuge des Übergangs von der praktischen Lehre der Apostel der vornizäischen Zeit zur aufkommenden dogmatischen Lehre der katholischen Kirche.
Mit seinen Predigten machte er sich aber nicht nur Freunde. Es fühlte sich etwa Eudoxia, die Frau des Kaisers Arcadius, von seinen Predigten gegen die Torheit des Luxus angegriffen. Daraufhin machte sie eine großzügige Spende an seine Kirche, um ihn offensichtlich zu beeiflussen. Dieser Versuch der Korruption misslang allerdings, denn Chrysostomus bedankte sich nur und predigte in seinem Stil seine Botschaften gegen Geldliebe weiter. Es wurde ein Bündnis von seinen Feinden gegen ihn geschmiedet, das in einer offiziellen Verbannung mündete. Diese musste allerdings bald widerrufen werden, da das Volk, das ihn liebte, überaus verärgert war und sogar ein Erdbeben als Zeichen des Zornes Gottes interpretiert wurde. Bald folgte jedoch die zweite Verbannung, da seine Widersacher nicht ruhten. Auf dem Gewaltmarsch zu dem weit entfernten Verbannungsort Pityus (am östlichen Rand des Schwarzen Meeres) starb er in der Kleinasiatischen antiken Stadt Comana Pontica.
Somit bewies Chrysostomus, dass in ihm derselbe Geist wehte wie in den Aposteln, die sich durch ihre unbeugsamen und kompromisslosen Predigten gegen Habsucht, Geldliebe, Götzendienst, Unzucht und Heuchelei, gegen die Chrysostomus auch ständig predigte, Feinde machten und deswegen Verfolgung und Misshandlung erdulden mussten. Der große Unterschied ist nur, dass die Apostel von Juden und Heiden angefeindet und verfolgt wurden, Chrysostomus aber von „Christen“ seiner eigenen Kirche. Denn auch das brachte die Konstantinische Wende mit sich: die „christliche“ Kirche begann gegen Brüder aus den eigenen Reihen zu intrigieren, sie zu verfolgen und bald auch zu foltern und zu töten.