Apostel Paulus
Apostel Paulus, gemalt von Peter Paul Rubens

Paulus fällt auch durch seinen unermüdlichen Fleiß in der Bibel auf. Er gründete die meisten Gemeinden, schrieb die meisten Briefe, und bekämpfte mit größtem Eifer und Entschlossenheit jede aufkommende Irrlehre, um die gebotene Einheit in den Gemeinden zu erhalten und - dort wo sie bereits verloren ging - wieder herzustellen (z.B. Korinth; siehe 1.Korintherbrief und 2.Korintherbrief). Das größte Problem bereitete dabei der aufkommende und immer stärker werdende Judaismus unter den Christen. Der Kampf gegen diese Irrlehre schwingt in vielen Briefen von Paulus mit, ganze Kapitel verfasste Paulus nur deswegen, ja sogar ganze Briefe sind diesem Thema gewidmet. Tatsächlich war der Judaismus eine der größten Herausforderungen für die Gemeinden im 1.Jahrhundert, an denen wohl viele ohne das korrigierende, zurechtweisende Einschreiten von Paulus gescheitert wären. Das verstehen heute viele Bibelleser nicht. Sie blenden unverständig diese Thematik völlig aus und ziehen stattdessen die Worte von Paulus in jeden ihnen nützlich erscheinenden Zusammenhang, nur nicht in den richtigen. Und so verdrehen sie Paulus das Wort, wie schon Petrus mahnte:

Und seht die Langmut unseres Herrn als eure Rettung an, wie auch unser geliebter Bruder Paulus euch geschrieben hat nach der ihm gegebenen Weisheit, so wie auch in allen Briefen, wo er von diesen Dingen spricht. In ihnen ist manches schwer zu verstehen, was die Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften, zu ihrem eigenen Verderben. [2.Petr 3,15-16]

Das große Problem begann damit:

Und aus Judäa kamen einige herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Gebrauch Moses beschneiden lasst, so könnt ihr nicht gerettet werden! [Apg 15,1]

Diese Lehre ist das Herzstück des Judaismus und rief Paulus sofort auf den Plan, der energisch dagegen stritt, sowohl persönlich mit seinen Glaubensbrüdern, als auch schriftlich in den meisten seiner Briefe. Das perfide an dieser Lehre, dass man ohne beschnitten zu sein nicht gerettet werden könne, war, dass sie anscheinend aus der Urgemeinde kam. Und das wäre tatsächlich verheerend gewesen, denn das ist die Mutter aller Gemeinden, mit der höchsten Kompetenz, allein schon deswegen, weil alle zwölf Apostel dort lehrten. Das konnte Paulus nicht so stehen lassen und ging der Sache nach, indem er umgehend eine Versammlung mit den Aposteln und Ältesten von Jerusalem forderte. So kam es zu dem ersten Apostelkonzil in der Kirchengeschichte. Paulus zog mit seinem Begleiter Barnabas nach Jerusalem um diese Streitfrage zu klären:

Als sie aber nach Jerusalem kamen, wurden sie von der Gemeinde, den Aposteln und den Ältesten empfangen und berichteten alles, was Gott mit ihnen gewirkt hatte. Aber einige von der Richtung der Pharisäer, die gläubig geworden waren, standen auf und sprachen: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten! Da kamen die Apostel und die Ältesten zusammen, um diese Sache zu untersuchen. Nachdem aber eine große Auseinandersetzung stattgefunden hatte, stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Ihr Männer und Brüder, ihr wisst, dass Gott lange vor diesen Tagen mitten unter uns die Heiden erwählt hat, dass sie durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben kommen sollten. Und Gott, der die Herzen kennt, legte für sie Zeugnis ab, indem er ihnen den Heiligen Geist gab gleichwie uns; und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, nachdem er ihre Herzen durch den Glauben gereinigt hatte. Weshalb versucht ihr denn jetzt Gott, indem ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten? Vielmehr glauben wir, dass wir durch die Gnade des Herrn Jesus Christus gerettet werden, auf gleiche Weise wie jene. Da schwieg die ganze Menge und hörte Barnabas und Paulus zu, die erzählten, wie viele Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte. Nachdem sie aber zu reden aufgehört hatten, ergriff Jakobus das Wort und sagte: Ihr Männer und Brüder, hört mir zu! Simon hat erzählt, wie Gott zuerst sein Augenmerk darauf richtete, aus den Heiden ein Volk für seinen Namen anzunehmen. Und damit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: »Nach diesem will ich zurückkehren und die zerfallene Hütte Davids wieder aufbauen, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten, damit die Übriggebliebenen der Menschen den Herrn suchen, und alle Heiden, über die mein Name ausgerufen worden ist, spricht der Herr, der all dies tut.« Gott sind alle seine Werke von Ewigkeit her bekannt. Darum urteile ich, dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten auflegen soll, sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten. Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn verkündigen, da er in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen wird.

Daraufhin beschlossen die Apostel und die Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde, Männer aus ihrer Mitte zu erwählen und mit Paulus und Barnabas nach Antiochia zu senden, nämlich Judas mit dem Beinamen Barsabas und Silas, führende Männer unter den Brüdern. Die Apostel und die Ältesten und die Brüder entbieten den Brüdern in Antiochia und in Syrien und Cilicien, die aus den Heiden sind, ihren Gruß! Da wir gehört haben, dass etliche, die von uns ausgegangen sind, euch durch Reden verwirrt und eure Seelen unsicher gemacht haben, indem sie sagen, man müsse sich beschneiden lassen und das Gesetz halten, ohne dass wir sie dazu beauftragt hätten, so haben wir, die wir einmütig versammelt waren, beschlossen, Männer zu erwählen und zu euch zu senden mit unseren geliebten Barnabas und Paulus, Männern, die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus. Wir haben deshalb Judas und Silas gesandt, die euch mündlich dasselbe verkündigen sollen. Es hat nämlich dem Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last aufzuerlegen, außer diesen notwendigen Dingen, dass ihr euch enthaltet von Götzenopfern und von Blut und vom Erstickten und von Unzucht; wenn ihr euch davor bewahrt, so handelt ihr recht. Lebt wohl! [Apg 15,4-29]

Am Ende kam genau das heraus, was Paulus all die Jahre ohnehin schon gelehrt hatte in allen seinen Gemeinden: die Beschneidung ist nicht erforderlich, wohl aber sich von Götzenopferfleisch, von Unzucht, von Ersticktem und Blut zu enthalten. So hat der Heilige Geist, gemeinsam mit den Aposteln bewiesen, dass er für Einheit sorgt und überall das Selbe lehrt. Und so wurde ein Brief, der den einmütigen Beschluss erklärte, verfasst. Paulus und sein Begleiter Barnabas wurden beauftragt, den Brief in ihren Gemeinden zu verteilen und sie bekamen noch weitere Brüder aus Jerusalem mit, die die Echtheit des Briefes bestätigten und dessen Inhalt in allen Gemeinden erklären sollten. Das war ein Sieg für die Wahrheit und beeindruckendes Zeugnis für die Einheit in der Lehre der Apostel.

Bei einer anderen Begebenheit in Antiochia gab es einen sehr ähnlichen Konflikt:

Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er war im Unrecht. Bevor nämlich etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. Und auch die übrigen Juden heuchelten mit ihm, sodass selbst Barnabas von ihrer Heuchelei mit fortgerissen wurde. Als ich aber sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, was zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben? [Gal 2,11-14]

Der Judaismus hatte sogar Petrus und die übrigen Juden erfasst. Paulus erkannte das, wies sie zurecht, und stellte somit wieder die Einheit her. Das Problem war aber in dem Fall keine Lehrfrage, sondern eine Frage der Praxis: Heuchelei. Denn sie kannten die richtige Lehre, lebten aber anders, sondern ließen sich von ihrer alten jüdischen Natur und Menschenfurcht leiten. Diese Problematik scheint heute vielen Christen zu weit hergeholt, als dass sie ihre wahre Tragkraft und Reichweite ermessen könnten. Und deswegen wird sie heute oft verharmlost, unterschätzt, oder völlig außer Acht gelassen beim Lesen von Paulus.

Eine dritte Geschichte, die verdeutlicht, wie streitbar Paulus war:

Und als sie die Insel bis nach Paphos durchzogen hatten, trafen sie einen Zauberer und falschen Propheten an, einen Juden namens Bar-Jesus, der sich bei dem Statthalter Sergius Paulus aufhielt, einem verständigen Mann. Dieser ließ Barnabas und Saulus holen und wünschte das Wort Gottes zu hören. Doch Elymas, der Zauberer (denn so wird sein Name übersetzt), leistete ihnen Widerstand und suchte den Statthalter vom Glauben abzuhalten. Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll Heiligen Geistes, blickte ihn fest an und sprach: O du Sohn des Teufels, voll von aller List und aller Bosheit, du Feind aller Gerechtigkeit, wirst du nicht aufhören, die geraden Wege des Herrn zu verkehren? Und nun siehe, die Hand des Herrn kommt über dich, und du wirst eine Zeit lang blind sein und die Sonne nicht sehen! Augenblicklich aber fiel Dunkel und Finsternis auf ihn, und er tappte umher und suchte Leute, die ihn führen könnten. Als nun der Statthalter sah, was geschehen war, wurde er gläubig, betroffen von der Lehre des Herrn. Paulus und seine Gefährten aber fuhren von Paphos ab und kamen nach Perge in Pamphylien; Johannes trennte sich jedoch von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück. [Apg 13,9-13]

Von obiger Geschichte kann man auch lernen, dass ein Mann Gottes, der vom Heiligen Geist erfüllt ist, sehr wohl sein Gegenüber verurteilen und beschimpfen kann! Auch diese Wahrheit wird heute oft von Christen verleugnet, mitunter mühsam untermauert mit angeblichen Worten von Paulus. Dieser Johannes im letzten Satz war Anlass für das vierte Beispiel, wie streitbar Paulus war:

Nach etlichen Tagen aber sprach Paulus zu Barnabas: Lass uns wieder umkehren und in all den Städten, in denen wir das Wort des Herrn verkündigt haben, nach unseren Brüdern sehen, wie es um sie steht! Barnabas aber riet dazu, den Johannes, der Markus genannt wird, mitzunehmen. Paulus jedoch hielt es für richtig, dass der, welcher in Pamphylien von ihnen weggegangen und nicht mit ihnen zu dem Werk gekommen war, nicht mitgenommen werden sollte. Deshalb entstand eine heftige Auseinandersetzung, sodass sie sich voneinander trennten; und Barnabas nahm Markus zu sich und fuhr mit dem Schiff nach Zypern. Paulus aber wählte sich Silas und zog aus, von den Brüdern der Gnade Gottes anbefohlen. Und er durchzog Syrien und Cilicien und stärkte die Gemeinden. [Apg 15,36-41]

Dieser Streit ging nicht in Einheit aus. Paulus trennte sich von seinem langjährigen Begleiter Barnabas. Das ist eine Niederlage für den Umgang unter Brüdern, kommt aber leider vor. So ehrlich ist die Bibel, dass sie auch Schlappen berichtet. Paulus will einen verlässlichen Reisebegleiter und setzt auf Vernunft. Barnabas hingegen dürfte eher nach Gefühl entscheiden (wie er es schon vorher immer wieder tat: siehe die Heuchelei des Barnabas in Antiochia weiter oben). Es wirkt wie eine Justamentreaktion, dass Barnabas an Johannes Markus festhielt, mit dem er auch verwandt war [Kol 4,10], und sich allein mit ihm auf die Reise machte. Es ist übrigens der selbe Markus, der später der Dolmetscher von Petrus in Rom werden sollte und das Markusevangelium schrieb. An der Verabschiedung und dem Fortgang der Erzählung sehen wir, wer von den beiden Streitparteien geistlich handelte. Denn Paulus zog weiter von den Brüdern der Gnade Gottes anbefohlen. Das erfahren wir nicht bezüglich Barnabas. Wie an dieser Stelle überhaupt die Erzählung von Barnabas endet. Wir erfahren nichts mehr von ihm und seiner Reise mit Markus und welche Früchte sie brachte in der Apostelgeschichte. Über Paulus erfahren wir noch jede Menge und sehen viele Früchte und Wunder und wie der Herr Jesus und der Heilige Geist ihn führen.