Heutzutage herrscht zunehmend Uneinigkeit über einen Tag, den Jahrhunderte lang jeder Christ richtig verstand und feierte. Wir klären, woran das liegt und warum es nicht egal ist.
Der Begriff „Tag des Herrn“ kommt in der Bibel etliche Male vor, sowohl im Alten wie im Neuen Testament. Im AT wird damit immer ein gewisser Tag in der Zukunft bezeichnet. Darauf gehe ich später noch näher ein. Im Neuen Testament ist derselbe Tag gemeint wie im AT, jedoch kommt eine zweite, neue Bedeutung hinzu. Es ist damit nun auch ein bestimmter Wochentag gemeint:
Ich, Johannes, der ich auch euer Bruder bin und mit euch Anteil habe an der Bedrängnis und am Reich und am standhaften Ausharren Jesu Christi, war auf der Insel, die Patmos genannt wird, um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu Christi willen. Ich war im Geist am Tag des Herrn, und ich hörte hinter mir eine gewaltige Stimme, wie von einer Posaune ... (Offenbarung 1,9-10)
Als Johannes das schrieb, wollte er nicht seine Leser verwirren, sondern informieren. Er wusste, dass sie verstanden, welchen Wochentag er meinte. Der „Tag des Herrn“ war damals kein geheimnisvolles Rätsel, sondern unter Christen ein gängiger, selbstverständlicher Name eines bestimmten Wochentages. Heute gibt es aber immer mehr Christen, die das nicht wissen und in ihren Bibelstudien zu ganz anderen Ergebnissen und einem falschen Tag kommen. Wie kommt das, und kann man heute noch mit Gewissheit sagen, welchen Tag Johannes meinte? Die gute Nachricht ist: ja, man kann auch heute noch beide Fragen korrekt beantworten und das werden wir nun der Reihe nach tun.
Die falsche Lehre
Zuerst zur Frage, warum immer mehr Christen zu falschen Ansichten kommen oder einfach nicht mehr wissen, was die Apostel meinten. In der Regel ist eine Verkettung mehrerer Irrtümer die Ursache.
Ein typischer erster Fehler ist, dass viele Christen glauben, dass sie nur in der Bibel lesen sollen und dort allein alle Antworten suchen. Diese Meinung ist relativ neu im Christentum und wird auf einen Lehrsatz von Martin Luther zurück geführt, der „sola scriptura“ lautete, was auf Deutsch so viel wie „einzig und allein nur die Schrift“ heißt. Mit „Schrift“ meinte Martin Luther die Bibel. Aber Martin Luther verstand seinen Lehrsatz gar nicht so, dass man nur allein die Bibel lesen solle, und er selbst praktizierte das auch gar nicht, denn er las und schrieb jede Menge zusätzliche Schriften, und natürlich erwartete er, dass sie von allen seinen Jüngern gelesen wurden, neben der Bibel. Aber das ist ein anderes Thema, das wir an anderer Stelle näher beleuchten werden.
Der erste Irrtum vieler Christen beginnt also mit dem Aberglauben, dass sie nur in der Bibel lesen und nach Antworten suchen dürfen. Und damit haben sie in Wahrheit schon den Geist der Heiligen Schrift verlassen, denn die geisterfüllten Autoren der Heiligen Schrift lasen und zitierten selbstverständlich auch andere Schriften als jene, die wir heute in „der Bibel“ haben. Übrigens haben wir gar nicht den Satz „lest nur in der Bibel“ in der Bibel stehen, aus gutem Grund. In Wahrheit ist sogar der Begriff Bibel unbiblisch, aber auch das ist ein anderes Thema.
Der nächste Fehler ist, dass viele Christen zum „Heiligen Geist“ beten und ihn bitten, dass er ihnen die Antwort in ihrer „Bibel“ zeigt. Sie durchsuchen dann „vom Geist“ geführt den Bibeltext und stoßen irgendwann auf folgenden Vers:
Wenn du deinen Fuß am Sabbat zurückhältst und nicht deinen Geschäften nachgehst an meinem heiligen Tage und den Sabbat »Lust« nennst und den heiligen Tag des HERRN »Geehrt«; wenn du ihn dadurch ehrst, dass du nicht deine Gänge machst und nicht deine Geschäfte treibst und kein leeres Geschwätz redest (Jesaja 58,13 LUT2017)
Und dann freuen sich sich weil der „Heilige Geist“ ihnen tatsächlich die „passende“ Antwort in der Bibel zeigte. Der Tag des Herrn ist demnach also eindeutig der Sabbat! Steht doch da. Und so gibt es heutzutage immer mehr Christen und christliche Konfessionen, die den Sabbat feiern, weil sie denken, das sei der Tag des Herrn. Weit gefehlt! Der Irrtum könnte nicht größer sein! Sie wurden nicht vom Heiligen Geist zu dieser Stelle geführt, sondern von menschlichen Konkordanzen, Bibelkommentaren oder digitalen Suchmaschinen. Von diesen Hilfsmitteln haben sie sich zu einer schlecht übersetzten Bibelstelle führen lassen. Das könnten auch alle jene bemerken, die „nur in der Bibel“ suchen. Sie bräuchten bloß andere Bibelübersetzungen an der selben Stelle aufschlagen. Zum Beispiel jene:
Übersetzung | Jesaja 58,13 |
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Elberfelder | Wenn du deinen Fuß vom Sabbat zurückhältst, deine Geschäfte an meinem heiligen Tag zu treiben, und nennst den Sabbat eine Wonne und den heiligen ⟨Tag⟩ des HERRN ehrwürdig, und ⟨wenn du⟩ ihn ehrst, sodass du nicht deine Gänge machst, deinem Geschäft nachgehst und ⟨eitle⟩ Worte redest |
Schlachter 2000 | Wenn du am Sabbat deinen Fuß zurückhältst, dass du nicht an meinem heiligen Tag das tust, was dir gefällt; wenn du den Sabbat deine Lust nennst und den heiligen [Tag] des HERRN ehrenwert; wenn du ihn ehrst, sodass du nicht deine Gänge erledigst und nicht dein Geschäft treibst, noch nichtige Worte redest |
Einheitsübersetzung 2016 | Wenn du am Sabbat deinen Fuß zurückhältst, / deine Geschäfte an meinem heiligen Tag zu machen, wenn du den Sabbat eine Wonne nennst, / heilig für den HERRN, hochgeehrt, wenn du ihn ehrst, ohne Gänge zu machen / und ohne dich Geschäften zu widmen und viele Worte zu machen |
Zürcher Bibel | Wenn du am Sabbat deinen Fuss zurückhältst, deine Dinge nicht erledigst an meinem heiligen Tag und den Sabbat eine Lust, das Heilige des HERRN ehrwürdig nennst, und ihn ehrst und nicht deine Gänge machst, deinen Dingen nicht nachgehst und keine Worte machst |
Man sieht, dass es bessere Übersetzungen gibt. Sie zeigen entweder durch Klammern an, dass sie das Wort „Tag“ selbst hinzugedichtet haben um den Sinn, den sie vermuten, zu zeigen, oder verzichten ganz auf dieses Wort, das ja gar nicht im Grundtext steht an der Stelle. Somit ist klar, dass der Begriff „Tag des HERRN“ in diesem Vers gar nicht steht. Tatsächlich ist es so, wie ich weiter oben bereits vorausschickte: im Alten Testament wird der Begriff „Tag des Herrn“ nie für einen Wochentag verwendet. Der Sabbat ist aber ein Wochentag. Doch die beiden Tage werden in der Bibel nie in Zusammenhang gebracht, auch nicht von Jesaja. Nur schlechte, tendenziöse Übersetzungen verleiten zu einer anderen Meinung. Aber es kommt noch dicker. Nicht nur die Übersetzung ist an der Stelle schlecht, sondern auch deren Grundtext, denn der ist gar nicht vom Heiligen Geist eingehaucht. Aufmerksame Leser unserer Beiträge wissen schon, dass der vom Heiligen Geist inspirierte Text im Alten Testament nicht der Masoretentext ist, schon gar nicht im Buch Jesaja (wir bewiesen das bereits hier und hier), sondern die Septuaginta. Und deswegen wird der Heilige Geist auch niemand zum MT führen, sondern, wenn schon, zur LXX:
Wenn du von den Sabbaten deinen Fuß fernhältst, an diesem heiligen Tag deinen Wünschen nachzugehen, und du die Sabbate »Freudevoll« nennen wirst, »Heilig deinem Gott«, (dann) wirst du deinen Fuß nicht zur Arbeit erheben und aus deinem Munde kein Wort im Zorn sprechen (Jesaja 53,18 Septuaginta Deutsch)
In der Septuaginta sehen wir, dass Jesaja in diesem Vers kein Wort über den „Tag des Herrn“ verliert. Er spricht hier nicht mal über den Sabbat als einzelnen Tag, sondern „von den Sabbaten“ in der Mehrzahl, „die Sabbate“ werden freudevoll genannt und »Heilig deinem Gott«. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied und gestattet es dem Übersetzer schon von der Grammatik her gar nicht, hier vom „Tag des Herrn“ zu schreiben. Denn der ist hier ja auch gar nicht gemeint.
Die richtige Lehre
Ich setzte die Worte „Heiliger Geist“ und „Bibel“ oben absichtlich in Anführungszeichen, damit jeder prüft, welches Buch er als „die Bibel“ und welchen Geist er als „den Heiligen Geist“ bezeichnet. Genau derselbe Johannes, der vom „Tag des Herrn“ schreibt in der Offenbarung, warnt uns an anderer Stelle auch:
Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn es sind viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen. (1.Johannes 4,1)
Die falschen Propheten bringen uns durch falsche Worte auf Abwege. So wie der falsche Jesaja im Masoretentext. Der richtige Jesaja spricht durch die Septuaginta zu uns. Und darum zitierten Jesus und alle Seine Apostel Jesaja immer aus der Septuaginta, wie bereits erwähnt. Ähnlich verhält es sich mit den Geistern. Der wahre Heilige Geist lässt sich nicht von Menschen vorschreiben, dass er nur in der Bibel Antworten zeigen darf. Der wahre Heilige Geist ist Jesus Christus untertan, von dem er geschickt wurde, und führt das aus, was Christus ihm befiehlt. Deswegen führte er Philippus zum Kämmerer von Äthiopien (Apg 8,26ff), Petrus zum Hauptmann Kornelius (Apg 10), Paulus zu Timotheus (Apg 16) und Aquila und Priscilla zu Apollos (Apg 18,26), um nur vier Beispiele aus dem Neuen Testament nach Pfingsten zu nennen. Der Heilige Geist führt immer die apostolischen Lehrer zu ihren Schülern. Das ist das biblische Prinzip, das ist der Weg, den der Heilige Geist führt, das ist die Lehre der Apostel. Sie findet immer durch Überlieferung vom Lehrer zu seinen Schülern statt und begann bei Jesus Christus selbst, der Seine Apostel lehrte und ihnen diesen Lehrauftrag erteilte bevor Er in den Himmel fuhr. Und deswegen blieb die Urgemeinde nach Pfingsten, wo sie den Heiligen Geist empfing, täglich in der Lehre der Apostel. Und deswegen wussten die ersten Christen ganz genau, welcher Wochentag mit dem Begriff „Tag des Herrn“ gemeint war, denn er wurde gelehrt und ständig verwendet.
Wie können wir nun wissen, was die ersten Christen wussten?
Die Antwort liegt auf der Hand: wir müssen dem Weg folgen, dem die ersten Christen folgten: der Lehre der Apostel. Diese Lehre funktioniert nicht durch eigenwilliges, selbst zurecht gelegtes „Bibelstudium“, sondern nur indem man sich von den richtigen Lehrern führen lässt und von deren Praxis lernt. Und dazu muss man in jene Schriften sehen, die uns die Apostel und deren Schüler hinterließen. Dort erfahren wir erstaunliches.
Zum Beispiel gibt es die Didache, ein Buch, das schon vor der Offenbarung in den Gemeinden auflag und gelehrt wurde. Es wurde geschrieben als einige Apostel noch lebten. Es wurde laut der Überlieferung sogar von den Aposteln geschrieben. Und es galt bei den frühen Christen als vom Heiligen Geist inspiriert und wurde Jahrhunderte lang zu den Heiligen Schriften gezählt, bevor unser heutiger Bibelkanon im 4.Jh. festgelegt wurde. Warum dieses Buch heute nicht in unserer „Bibel“ ist? Das ist eine sehr gute Frage, die wir bei Gelegenheit an einer anderen Stelle behandeln werden. Jedenfalls steht in der Didache folgendes:
Am Tage des Herrn versammelt euch, brechet das Brot und saget Dank, nachdem ihr zuvor eure Sünden bekannt habet, damit euer Opfer rein sei. Jeder aber, der mit seinem Freunde einen Streit hat, soll sich nicht bei euch einfinden, bis sie versöhnt sind, damit euer Opfer nicht entweiht werde. (Didache (80-100), Lehre der zwölf Apostel (BKV), 14. Kap.)
Wir sehen hier schön, dass ein bestimmter Wochentag gemeint ist, der wie selbstverständlich „Tag des Herrn“ genannt wird. Es wird nicht erklärt, welcher Tag das ist. Es wird vorausgesetzt, dass jeder das weiß. Das ist eine bestätigende Übereinstimmung mit der Offenbarung des Johannes, wo auch nicht erklärt wird, welcher Tag das genau ist. Mit dem Wort „Opfer“ sind hier übrigens keine Brandopfer oder dergleichen am Altar vom Tempel in Jerusalem gemeint, denn zu der Zeit war der Tempel bereits zerstört, sondern jene christlichen Opfer, wie sie alle Apostel lehrten (Röm 12,1; Phil 4,18; 1.Petr 2,5) und von denen auch Johannes in seiner Offenbarung (8,3) schrieb. Und wie bereits gesagt: dieser Text ist noch älter als die Offenbarung, er rund 10 Jahre davor geschrieben oder vielleicht noch früher und war eine Anweisung an alle Gemeinden des ersten Jahrhunderts. An diesem Tag sollen sich die Christen jede Woche versammeln und das Abendmahl feiern. Welcher Tag ist gemeint?
Ignatius von Antiochien war ein persönlicher Jünger vom Apostel Johannes. Wie hat er die Worte seines Lehrers von wegen Tag des Herrn verstanden?
Wenn nun diejenigen, die in den alten Dingen erzogen wurden, in den Besitz einer neuen Hoffnung gekommen sind, indem sie nicht mehr den Sabbat halten, sondern in der Beachtung des Tages des Herrn leben, an dem auch unser Leben durch ihn und seinen Tod - den manche leugnen - aufgesproßt ist, ein Geheimnis, durch das wir den Glauben erhielten und wegen dessen wir ausharren, damit wir als Jünger Jesu Christi, unseres einzigen Meisters, befunden werden, wie werden wir leben können ohne Ihn, dessen Schüler im Geiste sogar die Propheten waren, und den sie als ihren Lehrer erwarteten? Und deshalb ist Er, den sie in Gerechtigkeit erwarteten, euch erschienen und hat sie von den Toten erweckt. (Ignatius von Antiochien (35-110) Epistulae VII genuinae Epistles of Ignatius, The Epistle of Ignatius to the Magnesians Shorter and Longer Versions, Chapter IX.--Let us live with Christ., aus dem Englischen übersetzt)
Hier sehen wir, dass der Schüler den Wortlaut „Tag des Herrn“ verwendet wie sein Lehrer. Er kennt diesen Tag als Wochentag. Aber er unterscheidet ihn deutlich vom Sabbat und schreibt ihm eine neue Hoffnung, ja sogar lebenswichtige, geheimnisvolle Bedeutung, zu, ohne näher zu definieren welcher Wochentag das nun sein soll, auch er ging wie selbstverständlich davon aus, dass man das nicht zu erklären braucht. Schauen wir also mal ein paar Jahrhunderte später ins Christentum, ob dort der Tag definiert wird.
Athanasius gibt im vierten Jahrhundert Gesangsempfehlungen für jeden Tag der Woche:
(Athanasius von Alexandrien (295-373) Epistula ad Marcellinum Des Athanasius Brief an Marcellinus über die Erklärung der Psalmen (BKV) 22 und 23)
- Willst Du am Sabbat singen, so paßt der einundneunzigste.
- Willst Du Dank sagen am Tag des Herrn, so hast Du den dreiundzwanzigsten.
- Willst Du am zweiten Tag der Woche singen, so paßt, was der vierundneunzigste enthält.
- Willst Du singen am Tage der Parasceve, so paßt der Lobgesang im zweiundneunzigsten [..]
Und so weiter. Für jeden Wochentag wird ein anderer Psalm empfohlen. Was fällt auf? Erstens haben die Christen den Wochentagen geistliche Namen zugeordnet. Zweitens ist der Sabbat zwar ein gebräuchlicher Name auch noch bei den Christen im vierten Jahrhundert, aber er ist nicht der Tag des Herrn, denn jener ist viertens ein eigener Tag, und zwar am Tag nach dem Sabbat und damit vor dem zweiten Tag der Woche. Manche werden jetzt vielleicht einwenden: „Im vierten Jahrhundert ist doch die Römisch-Katholische-Kirche entstanden und die hat willkürlich neue Begriffe und Dogmen eingeführt, die mit der Lehre der Apostel nichts mehr zu tun hatten!“. Ja, das stimmt auch in vielen Belangen, aber nicht in diesem Fall, wie wir gleich zeigen werden.
Ebenfalls im 4.Jh wurden die „Apostolischen Konstitutionen und Kanones“ zusammengestellt und zwar aus einer Sammlung von allen Kirchenordnungen der Jahrhunderte davor. Es handelt sich hierbei also nicht um neue Regeln der RKK sondern um alte der frühen Christen. Viele dieser Texte stammen sogar noch aus dem ersten und zweiten Jahrhundert. Darin steht zum Beispiel:
Am Tage der Auferstehung des Herrn, den wir den Tag des Herrn nennen, sollet ihr ohne Versäumnis zusammenkommen, Gott loben und preisen für seine Güte, mit welcher er euch durch Christum überhäuft hat, indem er euch von Unwissenheit, Irrtum und Knechtschaft befreite, auf daß euer Opfer sei unbefleckt und wohlgefalle dem Herrn, welcher von seiner über die ganze Erde ausgebreiteten Kirche sagt: „An allen Orten wird meinem Namen Rauchwerk und ein reines Opfer dargebracht werden; denn ein großer König bin ich, spricht der Herr der Heerschaaren, und mein Name ist wunderbar unter den Heiden.” (Kirchenordnungen Constitutiones Apostolorum Apostolische Konstitutionen und Kanones, Siebentes Buch: Vom christlichen Leben; verschiedene Gebete; Taufritus., 30. Von der Feier des Tages des Herrn.)
Wir sehen hier alles des bisher Gesagten bestätigt: Der „Tag des Herrn“ ist ein geläufiger Begriff, der den gemeinten Wochentag kennzeichnet und an dem sich alle Christen versammeln sollen um Gott zu loben, zu preisen und Opfer darzubringen. Das hatten wir schon alles. Eine neue Information ist aber auch dabei, nämlich der Grund, warum der Tag so heißt wie er heißt: es ist der Tag der Auferstehung des Herrn und daher wird er von den Christen „Tag des Herrn“ genannt. Es geht bei diesem Tag also klar um den Herrn Jesus und Seine Auferstehung, denn die gibt allen Grund zur Freude und Feier. Und an welchem Tag ist Jesus auferstanden? Am Tag nach dem Sabbat! Passt also alles bisher Gelesene völlig zusammen und bestätigt einander. Aber das ist noch nicht alles:
Ihr, Brüder, die ihr durch das kostbare Blut Christi erlöset seid, sollet die Paschatage genau und mit allem Eifer begehen, nach dem Äquinoktium, damit ihr nicht zweimal in einem Jahre des einen Leidens Gedächtnis begeht, sondern einmal im Jahre euch des einmal Gestorbenen erinnert. Haltet nicht mehr auf die Gewohnheit, mit den Juden das (Oster-)Fest zu begehen, denn wir haben keine Gemeinschaft mehr mit ihnen; selbst in der Zeitrechnung irren sie sich, welche sie als die richtige anzusetzen vermeinen, so daß sie nach allen Seiten in die Irre gegangen und von der Wahrheit abgefallen. Ihr aber beachtet genau das Frühlings-Äquinoktium, welches am zweiundzwanzigsten Tag des zwölften Monats d. i. des Dystrus einfällt, abwartend bis zum einundzwanzigsten Tag des ersten Mondes, damit der vierzehnte Tag des Mondes nicht in eine andere Woche einfalle und wir aus Unkenntnis zweimal im Jahre Pascha halten oder an einem andern Tage den Auferstehungstag unseres Herrn Jesu feiern als am Tag des Herrn allein. (Kirchenordnungen Constitutiones Apostolorum Apostolische Konstitutionen und Kanones, Fünftes Buch: Von den Martyrern., 17. Von der Feier des Osterfestes.)
Die frühen Christen legten also nicht nur großen Wert darauf, den Tag des Herrn am richtigen Tag zu begehen, sondern auch das Osterfest und damit den Jahrestag der Auferstehung des Herrn am richtigen Tag des Herrn zu feiern und sich damit zwangsläufig von den falschen Berechnungen und Bezeichnungen der Juden loszulösen. Das mag für viele Christen heute vielleicht überraschend sein, die sich gerne von Juden beraten lassen und sich an den jüdischen Bräuchen und Kalendern orientieren, auch in der Frage, wann das Osterfest stattfindet. Aber für die frühen Christen war das eine gebotene Praxis, denn sie wussten, dass die Juden sich in viele Irrtümer verstrickt hatten, und dass Jesus Christus extra kam, um die Juden von diesen Irrtümern zu befreien, was die große Mehrheit der Juden aber nicht annahm:
Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, denen gab er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; die nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Johannes 1,5.11-14)
Auch das schrieb Johannes. Den Aposteln war bewusst, dass sie nicht auf die Juden hören durften, sondern es im Gegenteil ihre Aufgabe war, den Juden die Augen zu öffnen und sie die Wahrheit über Gott und die Schriften zu lehren, genau wie der Herr Jesus das seinerzeit bei ihnen tat.
Paulus schrieb über die Juden:
Aber ihre Gedanken wurden verstockt; denn bis zum heutigen Tag bleibt beim Lesen des Alten Testamentes diese Decke unaufgedeckt, die in Christus weggetan wird. Doch bis zum heutigen Tag liegt die Decke auf ihrem Herzen, sooft Mose gelesen wird. Sobald es sich aber zum Herrn bekehrt, wird die Decke weggenommen. (2.Korinther 3,14-16)
Und sein Schüler Lukas schrieb:
Er aber sagte ihnen: Das sind die Worte, die ich zu euch geredet habe, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was im Gesetz Moses und in den Propheten und den Psalmen von mir geschrieben steht. Da öffnete er ihnen das Verständnis, damit sie die Schriften verstanden (Lukas 24,44-45)
Während also die Juden eine Decke am Kopf haben, wenn sie die Schriften lesen, hat Jesus Christus seinen Jüngern das Verständnis für die Schriften geöffnet und ihnen alles genau erklärt, was im Gesetz Moses, den Propheten und Psalmen über Ihn geschrieben steht. Das ist der große Unterschied zwischen Juden und Christen im ersten Jahrhundert gewesen. Schauen wir uns nun also an, wie gut die frühen Christen die Schriften verstanden und den Tiefen Sinn im Hinblick auf den Herrn im Vergleich zu den Juden, denn genau das spielt ja die Hauptrolle bei der Frage nach dem Tag des Herrn: wird er aus Sicht der verstockten Juden im Irrtum verstanden, oder im Licht der Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes voller Gnade und Wahrheit?
Hier ein Beispiel aus den bereits vorgestellten Kirchenordnungen, das den wesentlichen Unterschied zwischen Sabbat und Tag des Herrn erklärt in Form eines Gebetes:
Allmächtiger Herr, der du die Welt durch Christum geschaffen und zum Gedächtnisse dessen die Feier des Sabbats eingesetzt hast, an welchem der Mensch knechtliche Arbeit unterlassen und der Betrachtung deines Gesetzes sich ergeben soll, der du die Festtage angeordnet hast, auf daß unsere Seele sich erfreue und der Weisheit sich erinnere, welche du erschaffen; wie er (der Logos = Weisheit) der Geburt aus einem Weibe sich unterzog, im Leben sich offenbarte, indem er bei seiner Taufe kund tat, dass er, der Erschienene, Gott und Mensch sei; er hat gemäß deiner Zustimmung unsertwegen gelitten, ist gestorben und in deiner Kraft auferstanden. Aus diesem Grunde begehen wir die Feier der Auferstehung des Herrn am Sonntage und freuen uns über den, welcher den Tod überwunden und Leben und Unsterblichkeit ans Licht gebracht hat. Durch ihn hast du die Völker zu dir geführt, als das auserwählte Volk, das wahre, Gott theuere Israel, welches auch seinen Gott sieht. Denn du, o Herr, hast unsere Väter aus dem Lande Ägypten herausgeführt und sie erlöst aus dem Glühofen und aus den Lehm- und Ziegelhütten; erlöst aus der Gewalt Pharaos und seiner Diener; durch das trockene Meer hast du sie geführt und in der Wüste ihre Unarten ertragen unter mannigfachen Hulderweisen; du gabst ihnen das Gesetz des Dekalogs, mit eigener Stimme verkündet und von deiner Hand geschrieben. Du befahlst die Heiligung des Sabbats, nicht um selben zu benutzen zum Müßiggang, sondern zur Gottseligkeit, zur Erkenntnis deiner Macht; du umgabst sie gleichsam mit einem heiligen Gehege, damit sie von bösen Handlungen abgehalten und belehrt würden und sich freuten am siebenten Tage. Deswegen wird festlich begangen eine Woche (je der siebente Tag) und sieben Wochen (von Ostern bis Pfingsten; siebenmal sieben) und der siebente Monat (Tischri) und das siebente Jahr (Sabbatjahr) und dieses siebenten Jahres wechselseitige oder siebente Rückkehr, nämlich das Jubeljahr, das ist das fünfzigste Jahr, das Erlaßjahr. Damit die Menschen nicht Anlaß hätten, mit Unwissenheit sich zu entschuldigen, befahl der Herr, an jedem Sabbat zu ruhen, damit niemand auch nur ein Zorneswort während des Sabbats aus dem Munde stoßen möchte. Der Sabbat ist die Ruhe nach der Schöpfung, die Vollendung der Welt, die Erforschung (Betrachtung) der Gesetze, das Lob gegen Gott für alles, was er den Menschen Gutes getan hat.
Der Tag des Herrn aber überragt alle anderen Tage; denn er führt uns vor Augen den Mittler selber, den Vorsorger und Gesetzgeber, den Urheber der Auferstehung, den Erstgeborenen jeglicher Kreatur, das Wort, welches Gott und Mensch ist, den, welcher aus Maria Fleisch angenommen, ganz ohne Zutun eines Mannes, der heilig gewandelt hienieden, unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, gestorben ist und von den Toten auferweckt ward. Der Tag des Herrn mahnt daher, dir, o Gott, Dank darzubringen für alles; denn die (in Christo) von dir erwiesene Gnade ist so beschaffen, dass sie durch ihre Größe jegliche (andere) Wohltat verdunkelt. (Kirchenordnungen, Constitutiones Apostolorum, Apostolische Konstitutionen und Kanones, Siebentes Buch: Vom christlichen Leben; verschiedene Gebete; Taufritus., 36. Dankgebet für die Menschwerdung Christi und das gesamte Erlösungswerk.)
Das ist ein schönes Zeugnis, dass die frühen Christen sehr wohl beide Tage kannten, nämlich den Sabbat und den Tag des Herrn, aber sie trennten die beiden sauber voneinander und stellten den Tag des Herrn über alle anderen Tage, auch über den Sabbat. Denn der Sabbat zeugt von der Schöpfung und Vollendung der Welt, der Tag des Herrn aber bezeugt den Christus, den Mittler, Vorsorger, Gesetzgeber, Erstgeborenen, das Wort und Seine über alle anderen Wohltaten stehende Auferstehung. Die Anordnungen gehen aber weiter und noch mehr ins Detail:
Daher ermahnen wir euch, an diesen Tagen zu fasten bis zum Abend, wie auch wir gefastet haben, als er uns entrissen worden war; an den übrigen Tagen aber vor Parasceve soll jeder um die neunte Stunde oder Abends essen, oder wie es jemand vermag; am Sabbat aber setzet (das Fasten) fort bis zum Hahnenrufe und Gebet mit Anbruch des Tages nach dem Sabbat, welches der Tag des Herrn ist, das Fasten auf.
Vom Abende bis zum Hahnenrufe bleibet wach und gemeinsam in der Kirche versammelt, haltet Vigilie, und während dieser Nachtwache flehet und betet zu Gott, leset das Gesetz, die Propheten und die Psalmen bls zum Hahnenruf und taufet die Katechumenen; und nachdem das Evangelium in Furcht und Zittern gelesen und eine Ansprache über die Heilswahrheiten an das Volk gehalten ist, leget die Trauer ab und bittet, daß sich Israel bekehren möge und Buße tun und Verzeihung der Gottlosigkeit erhalte; denn der fremde Richter hat die Hände waschend gesagt: „Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten. Sehet ihr zu.” Aber das Volk schrie: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder.” Und als Pilatus gesprochen: „Soll ich denn euern König kreuzigen?” da schrien sie: „Wir haben keinen andern König als den Kaiser. Wenn du Diesen entlassest, so bist du kein Freund des Kaisers. Denn ein Jeder, der sich zum König aufwirft, ist gegen den Kaiser. Kreuzige ihn, kreuzige ihn!” Und der Landpfleger Pilatus sowie der König Herodes befahlen, ihn zu kreuzigen; und erfüllt ward die Schrift, welche sagt: „Was tosen denn die Heiden und sinnen auf Eitles die Völker. Es standen auf die Könige der Erde, und die Fürsten schaarten sich zusammen wider ihn, wider den Herrn und seinen Gesalbten.” „Sie warfen weg den Geliebten wie einen scheußlichen Toten.”
Und als er am Rüsttag gekreuziget und mit dem Aufleuchten des Tages des Herrn wieder erstanden, da ward die Schrift erfüllt, welche sagt: „Steh' auf. Gott, richte die Erde; denn du erbest aus allen Völkern.” Und wiederum: „Ich will aufstehen,” spricht der Herr, „will in's Heil einsetzen, will dabei mit Zuversicht auftreten;” und: „Du aber, Herr, erbarme dich meiner und mache mich wieder aufstehen, dann will ich ihnen vergelten.” Deswegen also sollet auch ihr bei der Auferstehung des Herrn euer Opfer darbringen, wie er euch durch uns aufgetragen hat, indem er sprach: „Dies tut zu meinem Andenken.”
Und nachher höret auf zu fasten; freuet euch und begehet den festlichen Tag, weil das Unterpfand eurer Auferstehung, Jesus Christus, von den Toten ist auferweckt worden, und dies soll bei euch fortwährend Gebrauch sein bis zum Ende der Zeit, da der Herr wieder kommt; denn für die Juden ist der Herr bis zur Stunde noch tot wegen ihres Unglaubens, für die Christen aber ist er auferstanden, weil diese die feste Überzeugung haben, dass die Hoffnung auf ihn unsterbliches ewiges Leben ist. Am achten Tage darauf begehet festlich den Oktavtag, an welchem der Herr mich schwergläubigen Thomas von der Auferstehung überzeugte, indem er die Spuren der Nägel und die Wunde der Lanze in der Seite zeigte. Und wiederum, vom ersten Sonntage (Ostersonntag) vierzig Tage, gezählt, sollt ihr am fünften Wochentage nach dem Tage des Herrn feiern das Fest der Aufnahme des Herrn [Christi Himmelfahrt; der fünfte Tag nach dem Tage des Herrn ist dann der Donnerstag, der Tag des Herrn wird mitgezählt. Das war damals die übliche Zählweise und die selbe wie „am dritten Tage auferstanden”], an welchem er, nachdem er die ganze Ökonomie und Anordnung des Heils erfüllt, zum Vater, der ihn gesandt hat, zu Gott emporstieg, sich setzte zur Rechten der Macht und wartet, bis seine Feinde zu seinen Füßen gelegt sind, welcher auch kommen wird am Ende der Zeit mit Macht und großer Herrlichkeit, zu richten die Lebendigen und die Toten und zu vergelten jedem nach seinen Werken. Und alsdann werden sie sehen den geliebten Sohn Gottes, welchen sie durchstochen haben, und ihn erkennend werden sie trauern über sich selbst, in ihren öffentlichen Versammlungen und ihre Weiber daheim (Kirchenordnungen, Constitutiones Apostolorum, Apostolische Konstitutionen und Kanones Fünftes Buch: Von den Martyrern.,19. Von der Feier des großen Sabbats und von dem Auferstehungstage)
Wir erfahren hier, dass offenbar der Apostel Thomas persönlich diese Anordnung schrieb. Demnach wäre das eine Anordnung aus der Mitte des ersten Jahrhunderts, also seine sehr frühe, die nicht nur alles bisher Gesagte bestätigt, sondern auch noch näher ausführt. Die frühen Christen nützten demnach den Tag des Herrn nicht nur zum Jubel über Christi Auferstehung, sondern hatten die Tage davor und danach einiges zu tun. Davor wurde gefastet und gebetet, vor allem auch für die Bekehrung der verstockten Juden, die nicht an der Auferstehung teilhaben sondern sich selbst das Gerichtsurteil sprachen vor Pilatus. Wir erfahren auch, wann Jesus in den Himmel fuhr und wie eben dieser Feiertag Christi Himmelfahrt zu begehen ist. Außerdem kommt ein bedeutungsschwerer Begriff ins Spiel, der uns noch beschäftigen wird: der achte Tag.
Der achte Tag
Wir erfahren in dem eben zitierten Text von Apostel Thomas ebenfalls abermals, dass der Tag des Herrn der Tag nach dem Sabbat ist. Der Sabbat ist der siebente Tag. Der wievielte Tag kommt danach? Der achte Tag! Ebenfalls am achten Tag erschien Jesus dem Thomas, wie uns nicht nur Thomas selbst in dem Text oben erklärt, sondern auch Johannes in seinem Evangelium:
Und nach acht Tagen waren seine Jünger wiederum drinnen, und Thomas war bei ihnen. Da kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt in ihre Mitte und spricht: Friede sei mit euch! Dann spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Und Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
Jesus spricht zu ihm: Thomas, du glaubst, weil du mich gesehen hast; glückselig sind, die nicht sehen und doch glauben! (Johannes 20,26-29)
Wieder einmal bestätigen die Apostel einander und lehren das Selbe. Der achte Tag, oder auch Oktavtag, war seit Jesu Auferstehung für die Apostel ein ganz besonderer, augenöffnender Tag. Jesus öffnete ihnen nach Seiner Auferstehung die Augen und das Verständnis für die Schriften, wie wir bereits weiter oben lasen. Und so sahen die Apostel in der Zahl Acht das große Geheimnis des neuen Bundes Gottes, das Er bereits im Alten Testament an vielen Stellen andeutete, aber erst am Tag der Auferstehung Christi aufdeckte und erfüllte.
Justin der Märtyrer lebte im frühen zweiten Jahrhundert, also noch zu einer Zeit, wo Leute lebten, die die Apostel noch persönlich kannten und erlebten. Er diskutierte per Brief mit dem Juden Trypho. Hier ein paar sehr spannende Auszüge daraus:
Ich fuhr fort: „Ihr Männer, zwar könnten wir nun auch darauf hinweisen, daß im Gegensatz zum siebten Tag durch den achten Tag ein besonderes Geheimnis ausgedrückt wurde, das von Gott durch die oben erwähnten Worte verkündet worden ist. Aber um jetzt nicht den Schein zu erwecken, als würde ich vom Thema abschweifen, rufe ich euch zu: Erkennet es, daß das Blut eurer Beschneidung abgetan ist und daß wir auf ein heilsames Blut unser Vertrauen setzen. Ein neuer Bund, ein neues Gesetz ist jetzt von Sion ausgegangen. (Dialog mit dem Juden Trypho (BKV), Kap. 24, 1.)
Das Gebot der Beschneidung, nach welchem alle Knaben am achten Tage beschnitten werden mußten, war ein Hinweis auf die wahre Beschneidung, bei der uns Jesus Christus, unser Herr, der am Sonntag von den Toten auferstanden ist, von Irrtum und Sünde beschnitten hat. Der Sonntag wird nämlich, obwohl er der erste Tag der Woche ist, der achte Tag genannt, sofern alle Tage des wöchentlichen Kreislaufes noch einmal gezählt werden; doch hört er nicht auf, der erste zu sein. (Dialog mit dem Juden Trypho (BKV) Kap. 41, 4.)
„Ihr Männer“, fuhr ich fort, „wie ihr nun wisset, hat Gott bei Isaias zu Jerusalem gesprochen: ‚Bei der Sintflut Noes habe ich dich gerettet’ Der Sinn des göttlichen Wortes ist: zur Zeit der Sintflut wurde geheimnisvoll auf die Erlösung der Menschen hingewiesen. Denn der gerechte Noe und die anderen Personen der Sintflut, nämlich Noes Weib, seine drei Söhne und die Weiber seiner Söhne, versinnbildeten, da sie acht an Zahl waren, den achten Tag, an welchem unser Christus von den Toten auferstanden und erschienen ist; seiner Bedeutung nach ist er allerdings immer der erste Tag. (Dialog mit dem Juden Trypho (BKV) Kap. 138, 1.)
Man sieht hier schön, wie die frühen Christen mit Juden diskutierten und versuchten, diese von ihren Irrtümern zu befreien und ihnen die Wahrheit über Gott und Christus zu erklären. Die Juden waren durch den Sabbat ganz auf den siebenten Tag fixiert. Den Christen hat aber Jesus Christus eröffnet, dass es eigentlich um den achten Tag geht, von Anfang an, auch im Alten Testament. Justin führt dazu folgende Argumente an:
- Durch die Beschneidung am achten Tag hat Gott schon das Geheimnis der wahren Beschneidung und Errettung angezeigt.
- Davor hat Gott bereits durch Noah die Zahl Acht als Zahl der Errettung und damit den achten Tag verkündet: denn es wurden in der Arche acht Menschen gerettet.
- Erfüllt wurde das alles durch die Auferstehung Christi am achten Tag, der seitdem der Tag des Herrn, oder Sonntag ist. Er ist allerdings auch der erste Tag der Woche. Eine tiefsinnige Doppelbedeutung: Anfang und Ende gleichzeitig.
Der achte und der erste Tag der Woche
Diese letztgenannte Doppelbedeutung ging leider durch moderne, heidnische Kalender verloren, wo der Sonntag auf den siebenten Tag der Woche verschoben wurde. Das war aber nicht immer so und ist noch am Mittwoch sichtbar. Mittwoch ist nämlich nur dann genau in der Mitte der Woche, wenn der Sonntag der erste Tag ist. Im Neuen Testament wird deswegen auch öfters vom ersten Tag der Woche gesprochen, wenn der Sonntag gemeint ist:
- Am ersten Tag der Woche kamen die Frauen zu Jesu Grab und sahen, dass der Stein weggenommen war. (Mk 16,2; Lk 24,1; Joh 20,1).
- Am ersten Tag der Woche versammelten sich die Jünger um das Brot zu brechen und hielt Paulus eine lange Predigt (Apg 20,7). Diese Stelle zeigt übrigens schön, wie die Lehre der Apostel in der Bibel synchron läuft mit jener der frühen Kirchengeschichte und den Zeugnissen der frühen Christen. Denn wir lasen bereits sowohl in der Didache als auch in den Kirchenordnungen (siehe oben), dass am Tag des Herrn sich alle versammeln und das Brot brechen sollen. Und das war am Tag nach dem Sabbat, also am achten bzw. ersten Tag der Woche: dem Sonntag.
- Und am ersten Tag der Woche sollte jeder nach der Verordnung von Paulus Geld zur Seite legen zur großen Spendensammlung für die Muttergemeinde in Jerusalem (1.Kor 16,2).
Der erste Tag der Woche ist der Sonntag. Dass die Christen nicht den Sabbat sondern den Sonntag feierten, bemerkten auch ihre Feinde. Die Juden ärgerten sich über die Christen genauso wie sie sich schon seinerzeit über Jesus ärgerten, weil Er nicht den Sabbat hielt. Die Römer und die Griechen hingegen spekulierten über die seltsame Religion der Christen, und hielten sie wegen deren Feier des Sonntags für Sonnenanbeter. Tertullian schrieb eine entsprechende Entgegnung:
Andere haben wenigstens eine menschlichere und wahrscheinlichere Ansicht von uns, sie glauben, die Sonne sei unser Gott. So werden wir am Ende wohl gar noch zu den Persern gerechnet werden, obwohl wir keine auf Leinwand abgebildete Sonne anbeten, da wir sie selbst ja überall gegenwärtig haben an ihrem Himmelsrund. Um es kurz zu sagen, der Verdacht rührt daher, weil es bekannt geworden, dass wir nach Osten gewendet beten. Allein auch sehr viele von euch bewegen nach Sonnenaufgang hingewendet die Lippen, indem sie manchmal das Verlangen haben, auch himmlische Dinge anzubeten. Ebenso kommen wir, wenn wir den Sonntag der Freude widmen, und zwar aus einem ganz anderen Grunde als wegen Verehrung der Sonne, ja gleich nach denen, welche den Samstag dem Müßiggange und den Mahlzeiten widmen, wobei übrigens auch sie von der jüdischen Sitte, die sie nicht recht kennen, abweichen. (Tertullian (160-220) Apologeticum Apologetikum (BKV), 16. Kap. Die Vulgärvorstellungen der Heiden über den Gott der Christen. Was der Christengott nicht ist.)
An dieser Glaubensverteidigung Tertullians kann man zwei bemerkenswerte Aspekte erkennen zum Thema Tag des Herrn. Erstens feierten die Christen den Sonntag und dachten deswegen die Heiden, dass der Gott der Christen die Sonne sei. Es ist zwar absurd, bestätigt aber den Sonntag. Zweitens sehen wir, warum die Christen den Sabbat nicht feierten, denn der war nur dem Müßiggang gewidmet. Deswegen galten die Juden bei den Heiden als ein faules Volk, das jede Woche einen ganzen Tag den Müßiggang zelebrierte. Die frühen Christen wussten, was Gott über faule Menschen sagt. Alle Apostel waren vorbildlich emsig und lehrten, dass jeder Christ fleißig sein soll (2.Thess 3,10-12). Der Fleiß der Christen war sprichwörtlich, unordentliche Geschwister wurden zurechtgewiesen. Der Sonntag war im Judentum ein normaler Arbeitstag, genauso wie im ganzen Römischen Reich bis zur Konstantinischen Wende. Die frühen Christen arbeiteten also selbstverständlich fleißig am Sonntag. Deswegen versammelten sie sich abends nach der Arbeit, hielten das Abendmahl (was auch dem Namen gerechter wird als wenn es vormittags gehalten wird, wie in vielen Kirchen heute), und konnten deswegen auch Geld zur Seite legen, denn Tagelöhner wurden jeden Tag nach der Arbeit bezahlt, was ja auch nur an einem Arbeitstag möglich war. Paulus predigte am Sonntagabend bis spät nach Mitternacht, wie uns in Apostelgeschichte 20 (siehe oben) berichtet wird.
Die christliche Tradition, dass der Sonntag ein Ruhetag ist und damit sowas wie ein falscher Sabbat, kam erst Jahrhunderte später auf, als nämlich im Jahr 321 Kaiser Konstantin den Dies solis (also den Sonntag) zum verpflichtenden Feiertag erklärte im Römischen Reich. Das galt auch für die Christen. Seither ist der Sonntag im Christentum ein arbeitsfreier Tag. Mit der Lehre der Apostel und der Tradition der frühen Christen hat das aber nichts zu tun. Für sie war der Sonntag ein normaler Arbeitstag, aber eben der Tag des Herrn. Das ist bis heute in romanischen Sprachen sichtbar, die sich aus Latein bildeten. Sie leiten ihr Wort für Sonntag aus dem Lateinischen Dominica dies („Tag des Herrn“) ab, wie etwa Italienisch Domenica, Französisch Dimanche, Spanisch Domingo oder Rumänisch Duminică.
Zurück zur Bedeutung des achten Tages. Denn da ist noch lange nicht alles gesagt.
Gregor von Nyssa hielt im 4.Jahrhundert eine Predigtserie über die acht Seligkeiten. In der achten Predigt geht er auf die Symbolik der Acht ein:
Die Ordnung, welche der Herr in seiner Unterweisung voll Weisheit und Erhabenheit eingehalten hat, führt uns zur achten Stufe und damit zu dem vorgesetzten Ausspruch; es dürfte aber am Platze sein, zuerst zu untersuchen, welches Geheimnis in der Oktave enthalten ist, die der Prophet in der Überschrift zweier Psalmen erwähnt (Psalm 6 und 11 [Septuaginta und Vulgata] bzw. 12 [MT]), und welche Bedeutung dem Gebote der Reinigung und Beschneidung zukommt, welche das Gesetz auf den achten Tag verlegte. Vielleicht hat diese Zahl eine Beziehung zur achten Seligpreisung, welche gleichsam wie der Höhepunkt aller Seligpreisungen die letzte Sprosse der herrlichen geistigen Leiter einnimmt. Dort nämlich meint der Prophet mit dem Symbol der Oktave den Tag der Auferstehung; die Reinigung weist hin auf die Läuterung des befleckten Menschen und auf seine Rückkehr zum naturgemäßen Zustand, und die Beschneidung zeigt die Ablegung der Tierfelle an, welche der Mensch (im Paradiese) nach dem Sündenfall und nach Verwirkung des Lebens angezogen hatte. Unter diesem Gesichtspunkte verkündet die achte Seligpreisung, daß den Menschen wieder der Eintritt in den Himmel offen steht, nachdem sie zwar in Knechtschaft verfallen waren, nunmehr aber in Freiheit versetzt wurden. Es heißt also: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden; denn ihrer ist das Himmelreich.“ Siehe, dies ist das Ende der Kämpfe für Gott, der Ehrenpreis für die Mühen, der Siegeslohn für den Schweiß, daß du für würdig erachtet wirst des Himmelreiches! (Gregor von Nyssa (335-394) Orationes VIII de beatitudinibus Acht Homilien über die acht Seligkeiten (BKV), Achte Rede: "Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden; denn ihrer ist das Himmelreich.“, I)
Er spricht von einer Ordnung, welche Gott in Weisheit geplant und eingehalten hat. Die Acht gehört dazu. Neben den bisher bekannten Zusammenhängen wie die Beschneidung und die Auferstehung findet Gregor noch drei weitere in der Heiligen Schrift:
- zwei Psalmen deuten in ihren Überschriften prophetisch auf den achten Tag.
- auch die Oktave an sich ist ein Symbol von Gottes Weisheit und Ordnung
- die achte Seligpreisung aus Jesu Bergpredigt
Aber Augustinus kennt noch weitere prophetische Zeichen auf den achten Tag in der Heiligen Schrift:
Doch der Sonntag ist nicht für die Juden, sondern durch die Auferstehung des Herrn für die Christen bestimmt und hat daher seine festliche Feier. Die Seelen aller Heiligen sind zwar schon vor der Auferstehung des Leibes in der Ruhe, aber es mangelt ihnen jene Tätigkeit, kraft deren sie den ihnen gegebenen Leib beseelen. Diese Tätigkeit versinnbildet der achte Tag, der derselbe ist wie der erste, weil er die Ruhe nicht aufhebt, sondern verklärt. Denn wenn man auch den Leib wieder bekommt, so bleiben doch die leiblichen Beschwerden ferne, weil es keine Verwesung mehr gibt. „Denn es muß dieses Verwesliche die Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche die Unsterblichkeit“. Deshalb war vor der Auferstehung des Herrn die geistige Beziehung des achten Tages auf die Auferstehung noch nicht geoffenbart, sondern verhüllt, obwohl sie den heiligen, vom Geiste der Weissagung erfüllten Vätern keineswegs unbekannt war. Deshalb lautet eine Psalmenüberschrift: „Für den achten Tag“ findet, bezieht sich entweder auf die Melodie, nach der der Psalm zu singen ist, oder bedeutet die Oktave. Am achten Tage empfingen die Kinder die Beschneidung, und im Buche des Predigers heißt es zur Unterscheidung des Alten und Neuen Bundes: „Gib diesen sieben und jenen acht“. Denn früher war zwar Ruhe für die Toten, aber auferstanden war noch niemand, „bis Christus von den Toten auferstand, der nicht mehr stirbt und über den der Tod keine Gewalt mehr hat“. Nachdem nun an dem Leibe des Herrn diese Auferstehung geschehen war — denn an dem Haupte der Kirche mußte zuerst geschehen, was der Leib der Kirche für die endgültige Vollendung hoffen sollte —, da erst sollte die Feier des Sonntags, der sowohl der erste als der achte Tag ist, beginnen. Hieraus ist auch ersichtlich, warum den Juden die Feier des Osterfestes, bei dem sie als offenbares Vorbild des Leidens unseres Herrn ein Schaf schlachten und genießen mußten, nicht in solcher Weise geboten war, daß sie den Sabbat und sein Zusammentreffen mit der dritten Mondwoche im ersten Frühlingsmonate zu beobachten brauchten. Es sollte vielmehr der Herr diesen Tag durch sein Leiden bezeichnen, wie er auch gekommen war, dem Sonntag, das heißt dem achten und ersten Tag, seine Weihe zu geben. (Augustinus von Hippo (354-430) Ausgewählte Briefe (Erster Teil) (BKV) Zweites Buch., XXXIII. (Nr. 55.) Antwort auf die Fragen des Januarius. Zweites Buch., XIII. 23.)
Augustinus bestätigt hier alle bisher gelesenen Bedeutungen des achten Tages, er kennt zum Beispiel auch die Symbolik der Beschneidung, der Oktave und der Psalmenüberschriften, und führt noch weitere an. Interessant ist, dass Augustinus die Ankündigung des achten Tages auch im Buch Prediger erkennt. Hier der Vers, den er meint:
Gib Anteil sieben ⟨anderen⟩, ja, sogar acht, denn du weißt nicht, was für Unglück sich auf der Erde ereignen wird! (Prediger 11,2 ELB)
Er sagt, dass den alten Vätern im Alten Testament natürlich schon der achte Tag bekannt war, aber etliche Zusammenhänge (oder Beziehungen, wie er es nennt) noch verhüllt waren. Er vergleicht die beiden Bünde mit Leib und Geist. Der eine ist leiblich, der andere geistlich. Der eine verwest, der andere nicht. Und doch war auch der unverwesliche, geistliche schon von Beginn an von Gott vorgesehen, angekündigt und gemeint. Die Juden seien aber im siebenten Tag stecken geblieben und haben den achten nicht ergriffen.
Ins selbe Horn stößt auch Cyprian von Karthago ein Jahrhundert vor Augustinus:
Daß man nämlich bei der fleischlichen Beschneidung der Juden den achten Tag abwartete, ist ein Geheimnis, das nur als schattenhaftes Sinnbild vorausgeschickt wurde, das aber mit der Ankunft Christi wirklich in Erfüllung ging. Denn weil am achten Tag, das heißt: am ersten Tage nach dem Sabbat, der Herr auferstehen und uns zum Leben erwecken und die geistliche Beschneidung uns zuteil werden lassen sollte, so ist dieser achte Tag, das heißt: der erste nach dem Sabbat, auch als der Tag des Herrn im bildlichen Sinn vorausgegangen. (Cyprian von Karthago (200-258) Epistulae Briefe (BKV), 64. Brief, 4. Kapitel)
Die Beschneidung der Juden am achten Tag ist also nur ein Schatten auf die wahre Beschneidung, auf den wahren achten Tag, den Tag des Herrn. Und so wie die fleischliche Beschneidung der geistlichen vorausging, geht der Sabbat, der siebente Tag, dem achten Tag voraus, dem Tag des Herrn.
Wir machen nochmal einen Sprung von hundert Jahren in der Zeit zurück zu Clemens von Alexandria. Der schrieb im zweiten Jahrhundert Lehrbücher für Anfänger und Fortgeschrittene im Glauben. Letzteren erklärte er:
Von dem Tage des Herrn aber weissagt Platon im zehnten Buche des Staats mit folgenden Worten: „Nachdem aber für jeden, der auf der Wiese war, sieben Tage vergangen sind, müssen sie sich von dort erheben und am achten Tage die Wanderung antreten und vier Tage später ans Ziel kommen.“ (Clemens von Alexandrien (150-215) Stromata Teppiche (BKV), Fünftes Buch, XIV. Kapitel, 2.)
Aber auch dann ist für den Priester eine siebentägige Reinigung nötig, entsprechend der Zeit, in der die Schöpfung vollendet wurde. Denn am siebenten Tag wird die Zeit der Ruhe feierlich begangen, und am achten Tag bringt der Priester ein Sühnopfer dar, wie im Ezechiel geschrieben steht, und entsprechend diesem Sühnopfer können sie die Verheißung empfangen. (Stromata Teppiche (BKV), Viertes Buch, XXV. Kapitel, 158.)
Er bestätigt einerseits, dass der achte Tag der Tag des Herrn ist und andererseits, dass schon im Alten Testament und sogar in der heidnischen Literatur Sinnbilder dafür zu sehen sind. Und auch er bringt die Symbolik der Schöpfungsordnung hinein. Das führt uns zum letzten Punkt:
Was ist aber nun der Tag des Herrn im Alten Testament?
Welchen Tag kündigen die Propheten im Alten Testament an, wenn sie vom Tag des HERRN sprechen? Zum Beispiel Amos:
Wehe denen, die den Tag des HERRN herbeiwünschen! Was soll euch der Tag des HERRN? Er wird Finsternis sein und nicht Licht, wie wenn jemand vor dem Löwen flieht und ihm ein Bär begegnet, und wenn er heimkommt und sich mit der Hand an die Wand lehnt, so beißt ihn eine Schlange! Wird nicht der Tag des HERRN Finsternis sein und nicht Licht, Dunkelheit und nicht Glanz? (Amos 5,18-20)
Ich denke, es ergibt sich von selbst, dass hier nicht der Sabbat gemeint sein kann. Es ist ein Tag in der Zukunft, ein Tag der Finsternis, vor dem man eigentlich fliehen will, und dem man sich nicht herbeiwünschen sollte. Vom dem selben Tag spricht Paulus:
Denn ihr wisst ja genau, dass der Tag des Herrn so kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. (1.Thessalonicher 5,2)
Und auch Petrus:
Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmel mit Krachen vergehen, die Elemente aber vor Hitze sich auflösen und die Erde und die Werke darauf verbrennen. (2.Petrus 3,10)
Paulus und Petrus schreiben beide, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Auch Jesus sagte, dass Er wieder kommen wird, wie ein Dieb in der Nacht (Offb 3,3; 16,15). Deswegen nannte Paulus diesen Tag auch den Tag Jesu Christi (Phil 1,6). Das ist also kein normaler, wiederkehrender Wochentag, sondern der eine besonderer Tag in der Zukunft, ein finsterer Tag, an dem die Himmel mit Krachen vergehen, und die Elemente vor Hitze sich auflösen, wie Petrus oben schrieb. Es ist der Tag des Gerichts, wo Gott die Erde zerstören und neu machen wird. Es ist der selbe Tag, den Amos und andere Propheten bereits im Alten Testament ankündigen. Barnabas schrieb im ersten Jahrhundert auch darüber:
Das heißt: Wenn sein Sohn kommt und der Zeit des Bösen ein Ende machen und die Gottlosen richten und die Sonne, den Mond und die Sterne umändern wird, dann wird er ruhmvoll ruhen am siebten Tage. Fernerhin sagt er: „Du sollst ihn heiligen mit reinen Händen und reinem Herzen“. Wenn nun jemand den Tag, den der Herr geheiligt hat, jetzt schon heiligen kann mit reinem Herzen, dann sind wir völlig im Irrtum. Siehe, dass wir erst dann recht ruhen und ihn heiligen werden, wenn wir dazu imstande sind, weil wir selbst gerechtfertigt sind und das Evangelium empfangen haben, wenn es kein Unrecht mehr gibt, vielmehr alles vom Herrn neu geschaffen ist; erst dann also werden wir ihn heiligen können, wenn wir selbst zuerst geheiligt sind. Zudem aber sagt er ihnen: „Eure Neumonde und eure Sabbate ertrage ich nicht mehr“. Sehet, wie er sagt: Nicht die jetzigen Sabbate sind mir angenehm, sondern den ich eingesetzt habe, an dem ich, nachdem ich alles beendigt habe, den Anfang des achten Tages, das heißt den Beginn einer anderen Welt ansetzen werde. Deshalb begehen wir auch den achten Tag ( = den Sonntag, den ersten Tag der neuen Woche) in Freude, an dem auch Jesus von den Toten auferstanden und, nachdem er sich geoffenbart hatte, in den Himmel aufgestiegen ist. (Barnabasbrief, 15. Kap. An Stelle des jüdischen Sabbates trat der christliche Sonntag.)
Der Barnabasbrief wurde noch vor der Offenbarung geschrieben und galt bei den frühen Christen genauso als inspirierte Heilige Schrift. Er erklärt den Unterschied zwischen dem Sabbat und dem achten Tag. Er beschreibt den Tag des Herrn einerseits als den Gerichtstag, wo der Sohn kommen und den Bösen ein Ende machen wird, und andererseits als den achten Tag, der den siebenten Tag - also den Sabbat - ablöst. Barnabas schafft somit den Bogen vom Tag des Herrn im Alten Testament zum Tag des Herrn im Neuen Testament. Es ist derselbe Tag. Und er beschreibt den achten Tag als Tag des Beginns einer anderen Welt. Die zwei Bedeutungen im Neuen Testament, nämlich einerseits den Tag der Auferstehung Christi, der achte Tag der Woche, der jeden Sonntag gefeiert wird, und andererseits der eine achte Tag, an dem die alte Schöpfung beendet und eine andere Welt begonnen wird, nämlich der Gerichtstag, stimmen auf göttliche Weise zusammen, ergeben das selbe Bild. Die Symbole stimmen harmonisch überein. Die Oktave erklingt in Ewigkeit und Vollkommenheit. Damit schließt sich der Kreis und wir sehen, dass von Anfang an die Apostel beide Bedeutungen im ersten Jahrhundert verstanden haben und lehrten. Kein Wunder, bei dem Meister, den sie hatten. Sie gaben dieses Wissen weiter, das immerhin bis zum vierten Jahrhundert anhielt. Danach wurde es trübe und finster. Aber wir können es immer noch hervor holen.
Aufmerksame Juden haben das übrigens bereits im Alten Testament verstanden. Mir erzählte einmal ein jüdischer Gelehrter, dass der achte Tag auch im Judentum nicht unbekannt, sondern symbolträchtig sei. Er erklärte mir, dass man das bereits im Schöpfungsbericht sehen kann: Es fehlt am Ende des siebenten Tages die sonst übliche Abschlussformel „Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der siebente Tag“. Also ist der siebente Tag in Wahrheit noch nicht zu Ende. Er dauert noch immer an. Der siebente Tag ist auch ein Symbol für die jetzige Zeit, in der wir seit der Schöpfung leben. Er wird eines Tages zu Ende gehen, nämlich dann, wenn der achte Tag kommt, der Tag des Herrn, an dem alles zerstört und neu gemacht werden wird, das ist der große Gerichtstag, der die Ewigkeit einläutet. Es wird der Tag des Herrn sein, wo Er zunächst die Bösen richten und bestrafen und dann alles neu machen und Sein Reich aufrichten wird, das von Ewigkeit zu Ewigkeit bestehen wird. Der achte Tag ist also auch für aufmerksame, geistlich denkende Rabbiner der kommende Tag, der Tag des Messias, des Gesalbten, auf den sie warten.
Es gibt übrigens noch einen Psalm, der noch nicht erwähnt wurde, und der auch den achten Tag prophetisch ankündigt: Der Psalm 118 (Septuaginta) bzw. 119 (MT). Er hat einen auffälligen Aufbau, der förmlich darum bettelt, sich näher damit zu beschäftigen und ihn zu ergründen. Dieser Psalm ist nämlich in 22 Strophen gegliedert. Eine Strophe für jeden Buchstaben des Hebräischen Alphabets. Die Strophen sind streng alphabetisch geordnet. Jede Zeile jeder Strophe hat den Anfangsbuchstaben der jeweilige Strophe. So beginnt jede Zeile der ersten Strophe mit dem ersten Buchstaben א (Alef), jede Zeile der zweiten Strophe beginnt mit dem zweiten Buchstaben ב (Beth), jede Zeile der dritten Strophe mit dem dritten Buchstaben ג (Gimel), und so weiter. Das allein ist schon eine bemerkenswerte Gliederung, die eine ordnende Weisheit voraussetzt, denn die Zeilen sind keine für sich allein stehenden Buchstabenspiele, sondern ein im Zusammenhang gelesener prophetischer, geistlicher Text mit einer Botschaft. Aber dann kommt noch ein Gliederungsgrundsatz hinzu, der Generationen von Rabbinern beschäftigte: Alle Strophen haben die selbe Anzahl von Zeilen (Versen). Doch welche Zahl ist das? Es ist nicht die Sieben, wie sich die Juden das wünschen würden, weil das zur Schöpfungsordnung und dem jüdischen Sabbat wunderbar passen würde, sondern es ist die Acht! Und alle acht Verse jeder Strophe beginnen mit dem einen Buchstaben der Strophe. In dem Psalm ist also jeder Buchstabe des Hebräischen Alphabets genau acht Mal Anfangsbuchstabe eines Verses. Und damit hat Gott schon vor langer Zeit gezeigt, dass Er auf die Acht hinweist, nicht auf die Sieben, und dass die vollkommene Gliederung Seiner Schöpfungsordnung die Acht ist, die Oktave. Auf die läuft alles hinaus, auch wenn es jetzt noch nicht sichtbar ist in unserer jetzigen Zeit der Sieben. Jesus Christus hat Seinen Jüngern aber die Sicht auf die Acht erschlossen und sie gelehrt, wie man an den Zitaten der frühen Christen gut sehen kann, die sich auf die Acht konzentrieren.
Vielleicht versteht man nun auch, warum Jesus das Sabbatgebot nie lehrte und anstatt zu ruhen am Sabbat ständig provokant aktiv war indem Er heilte, ernährte und Wunder wirkte. Er tat dies nicht um - wie viele heute glauben - die Juden fortlaufend zu ärgern und für Streit zu sorgen, sondern um den Fokus der Juden vom siebenten Tag zu verschieben auf den achten Tag und somit vom alten, leiblichen, verweslichen Bund in den neuen, geistlichen, unverweslichen Bund überzuleiten, vom Schatten zum Licht, vom Sabbat zum Tag des Herrn.
Die Zahl 8 ist übrigens nicht nur auf Hebräisch aufschlussreich, sondern auch in unserem Schriftsystem ein Symbol der Unendlichkeit, wenn sie liegt (∞). Genauso wird jener kommende achte Tag, der Tag des Herrn, nie mehr zu Ende gehen, sondern in Ewigkeit bestehen.
Der achte Tag
Text, Musik und Gesang: Christoph Roman Eichhorn
Das Lied erschien 1999 auf dem Album „Türen“, welches man beim Künstler