• Wie ein biblischer Begriff die Spreu vom Weizen trennt

Was ist aber nun der Tag des Herrn im Alten Testament?

Welchen Tag kündigen die Propheten im Alten Testament an, wenn sie vom Tag des HERRN sprechen? Zum Beispiel Amos:

Wehe denen, die den Tag des HERRN herbeiwünschen! Was soll euch der Tag des HERRN? Er wird Finsternis sein und nicht Licht, wie wenn jemand vor dem Löwen flieht und ihm ein Bär begegnet, und wenn er heimkommt und sich mit der Hand an die Wand lehnt, so beißt ihn eine Schlange! Wird nicht der Tag des HERRN Finsternis sein und nicht Licht, Dunkelheit und nicht Glanz? (Amos 5,18-20)

Ich denke, es ergibt sich von selbst, dass hier nicht der Sabbat gemeint sein kann. Es ist ein Tag in der Zukunft, ein Tag der Finsternis, vor dem man eigentlich fliehen will, und dem man sich nicht herbeiwünschen sollte. Vom dem selben Tag spricht Paulus:

Denn ihr wisst ja genau, dass der Tag des Herrn so kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. (1.Thessalonicher 5,2)

Und auch Petrus:

Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmel mit Krachen vergehen, die Elemente aber vor Hitze sich auflösen und die Erde und die Werke darauf verbrennen. (2.Petrus 3,10)

Paulus und Petrus schreiben beide, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Auch Jesus sagte, dass Er wieder kommen wird, wie ein Dieb in der Nacht (Offb 3,3; 16,15). Deswegen nannte Paulus diesen Tag auch den Tag Jesu Christi (Phil 1,6). Das ist also kein normaler, wiederkehrender Wochentag, sondern der eine besonderer Tag in der Zukunft, ein finsterer Tag, an dem die Himmel mit Krachen vergehen, und die Elemente vor Hitze sich auflösen, wie Petrus oben schrieb. Es ist der Tag des Gerichts, wo Gott die Erde zerstören und neu machen wird. Es ist der selbe Tag, den Amos und andere Propheten bereits im Alten Testament ankündigen. Barnabas schrieb im ersten Jahrhundert auch darüber:

Das heißt: Wenn sein Sohn kommt und der Zeit des Bösen ein Ende machen und die Gottlosen richten und die Sonne, den Mond und die Sterne umändern wird, dann wird er ruhmvoll ruhen am siebten Tage. Fernerhin sagt er: „Du sollst ihn heiligen mit reinen Händen und reinem Herzen“. Wenn nun jemand den Tag, den der Herr geheiligt hat, jetzt schon heiligen kann mit reinem Herzen, dann sind wir völlig im Irrtum. Siehe, dass wir erst dann recht ruhen und ihn heiligen werden, wenn wir dazu imstande sind, weil wir selbst gerechtfertigt sind und das Evangelium empfangen haben, wenn es kein Unrecht mehr gibt, vielmehr alles vom Herrn neu geschaffen ist; erst dann also werden wir ihn heiligen können, wenn wir selbst zuerst geheiligt sind. Zudem aber sagt er ihnen: „Eure Neumonde und eure Sabbate ertrage ich nicht mehr“. Sehet, wie er sagt: Nicht die jetzigen Sabbate sind mir angenehm, sondern den ich eingesetzt habe, an dem ich, nachdem ich alles beendigt habe, den Anfang des achten Tages, das heißt den Beginn einer anderen Welt ansetzen werde. Deshalb begehen wir auch den achten Tag ( = den Sonntag, den ersten Tag der neuen Woche) in Freude, an dem auch Jesus von den Toten auferstanden und, nachdem er sich geoffenbart hatte, in den Himmel aufgestiegen ist. (Barnabasbrief, 15. Kap. An Stelle des jüdischen Sabbates trat der christliche Sonntag.)

Der Barnabasbrief wurde noch vor der Offenbarung geschrieben und galt bei den frühen Christen genauso als inspirierte Heilige Schrift. Er erklärt den Unterschied zwischen dem Sabbat und dem achten Tag. Er beschreibt den Tag des Herrn einerseits als den Gerichtstag, wo der Sohn kommen und den Bösen ein Ende machen wird, und andererseits als den achten Tag, der den siebenten Tag - also den Sabbat - ablöst. Barnabas schafft somit den Bogen vom Tag des Herrn im Alten Testament zum Tag des Herrn im Neuen Testament. Es ist derselbe Tag. Und er beschreibt den achten Tag als Tag des Beginns einer anderen Welt. Die zwei Bedeutungen im Neuen Testament, nämlich einerseits den Tag der Auferstehung Christi, der achte Tag der Woche, der jeden Sonntag gefeiert wird, und andererseits der eine achte Tag, an dem die alte Schöpfung beendet und eine andere Welt begonnen wird, nämlich der Gerichtstag, stimmen auf göttliche Weise zusammen, ergeben das selbe Bild. Die Symbole stimmen harmonisch überein. Die Oktave erklingt in Ewigkeit und Vollkommenheit. Damit schließt sich der Kreis und wir sehen, dass von Anfang an die Apostel beide Bedeutungen im ersten Jahrhundert verstanden haben und lehrten. Kein Wunder, bei dem Meister, den sie hatten. Sie gaben dieses Wissen weiter, das immerhin bis zum vierten Jahrhundert anhielt. Danach wurde es trübe und finster. Aber wir können es immer noch hervor holen.

Aufmerksame Juden haben das übrigens bereits im Alten Testament verstanden. Mir erzählte einmal ein jüdischer Gelehrter, dass der achte Tag auch im Judentum nicht unbekannt, sondern symbolträchtig sei. Er erklärte mir, dass man das bereits im Schöpfungsbericht sehen kann: Es fehlt am Ende des siebenten Tages die sonst übliche Abschlussformel „Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der siebente Tag“. Also ist der siebente Tag in Wahrheit noch nicht zu Ende. Er dauert noch immer an. Der siebente Tag ist auch ein Symbol für die jetzige Zeit, in der wir seit der Schöpfung leben. Er wird eines Tages zu Ende gehen, nämlich dann, wenn der achte Tag kommt, der Tag des Herrn, an dem alles zerstört und neu gemacht werden wird, das ist der große Gerichtstag, der die Ewigkeit einläutet. Es wird der Tag des Herrn sein, wo Er zunächst die Bösen richten und bestrafen und dann alles neu machen und Sein Reich aufrichten wird, das von Ewigkeit zu Ewigkeit bestehen wird. Der achte Tag ist also auch für aufmerksame, geistlich denkende Rabbiner der kommende Tag, der Tag des Messias, des Gesalbten, auf den sie warten.

Es gibt übrigens noch einen Psalm, der noch nicht erwähnt wurde, und der auch den achten Tag prophetisch ankündigt: Der Psalm 118 (Septuaginta) bzw. 119 (MT). Er hat einen auffälligen Aufbau, der förmlich darum bettelt, sich näher damit zu beschäftigen und ihn zu ergründen. Dieser Psalm ist nämlich in 22 Strophen gegliedert. Eine Strophe für jeden Buchstaben des Hebräischen Alphabets. Die Strophen sind streng alphabetisch geordnet. Jede Zeile jeder Strophe hat den Anfangsbuchstaben der jeweilige Strophe. So beginnt jede Zeile der ersten Strophe mit dem ersten Buchstaben א (Alef), jede Zeile der zweiten Strophe beginnt mit dem zweiten Buchstaben ב (Beth), jede Zeile der dritten Strophe mit dem dritten Buchstaben ג (Gimel), und so weiter. Das allein ist schon eine bemerkenswerte Gliederung, die eine ordnende Weisheit voraussetzt, denn die Zeilen sind keine für sich allein stehenden Buchstabenspiele, sondern ein im Zusammenhang gelesener prophetischer, geistlicher Text mit einer Botschaft. Aber dann kommt noch ein Gliederungsgrundsatz hinzu, der Generationen von Rabbinern beschäftigte: Alle Strophen haben die selbe Anzahl von Zeilen (Versen). Doch welche Zahl ist das? Es ist nicht die Sieben, wie sich die Juden das wünschen würden, weil das zur Schöpfungsordnung und dem jüdischen Sabbat wunderbar passen würde, sondern es ist die Acht! Und alle acht Verse jeder Strophe beginnen mit dem einen Buchstaben der Strophe. In dem Psalm ist also jeder Buchstabe des Hebräischen Alphabets genau acht Mal Anfangsbuchstabe eines Verses. Und damit hat Gott schon vor langer Zeit gezeigt, dass Er auf die Acht hinweist, nicht auf die Sieben, und dass die vollkommene Gliederung Seiner Schöpfungsordnung die Acht ist, die Oktave. Auf die läuft alles hinaus, auch wenn es jetzt noch nicht sichtbar ist in unserer jetzigen Zeit der Sieben. Jesus Christus hat Seinen Jüngern aber die Sicht auf die Acht erschlossen und sie gelehrt, wie man an den Zitaten der frühen Christen gut sehen kann, die sich auf die Acht konzentrieren.

Vielleicht versteht man nun auch, warum Jesus das Sabbatgebot nie lehrte und anstatt zu ruhen am Sabbat ständig provokant aktiv war indem Er heilte, ernährte und Wunder wirkte. Er tat dies nicht um - wie viele heute glauben - die Juden fortlaufend zu ärgern und für Streit zu sorgen, sondern um den Fokus der Juden vom siebenten Tag zu verschieben auf den achten Tag und somit vom alten, leiblichen, verweslichen Bund in den neuen, geistlichen, unverweslichen Bund überzuleiten, vom Schatten zum Licht, vom Sabbat zum Tag des Herrn.

Die Zahl 8 ist übrigens nicht nur auf Hebräisch aufschlussreich, sondern auch in unserem Schriftsystem ein Symbol der Unendlichkeit, wenn sie liegt (). Genauso wird jener kommende achte Tag, der Tag des Herrn, nie mehr zu Ende gehen, sondern in Ewigkeit bestehen.

Türen

Der achte Tag

Text, Musik und Gesang: Christoph Roman Eichhorn

Das Lied erschien 1999 auf dem Album „Türen“, welches man beim Künstler Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. kann.