Eine Falle, die für Jesus vorbereitet war, entpuppt sich heute als Falle für die meisten Bibelleser.
Die Sadduzäer wollten Jesus öffentlich lächerlich machen und stellten ihm Fallen. Eine davon handelte von einer Frau mit sieben Männern.
Tobit 3,8 | Mt 22,25-28 |
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Man hatte sie nämlich sieben Männern nacheinander zur Frau gegeben, aber ein böser Geist, Aschmodai genannt, hatte sie alle getötet, sobald sie mit ihr das Lager teilen wollten, wie es Brauch ist. Und die Magd sagte zu ihr: Du bist es, die deine Männer tötet! Siehe, schon sieben Männern wurdest du gegeben, doch nach keinem von ihnen bist du benannt! | Nun waren bei uns sieben Brüder. Der erste heiratete und starb; und weil er keine Nachkommen hatte, hinterließ er seine Frau seinem Bruder; desgleichen der zweite und der dritte bis zum siebenten. Zuletzt nach allen starb die Frau. Nun in der Auferstehung: Wessen Frau wird sie sein von diesen sieben? Sie haben sie ja alle gehabt. |
Lutherbibel 2017 | Lutherbibel 2017 |
Jesus tappte nicht in die Falle. Die Falle schnappt aber trotzdem zu, denn viele Menschen glauben heute, die Sadduzäer hätten sich diese Geschichte ausgedacht. Falsch. Sie steht im Buch Tobit!
Die Hintergrundgeschichte
Die Sadduzäer waren eine jüdische Sekte, die hauptsächlich aus Priestern bestand und auch den Hohenpriester zur Zeit Jesu stellte. Sie glaubten nicht an die Auferstehung und wussten aber, dass Jesus die Auferstehung lehrte. Dafür wollten sie Ihn mit einer Geschichte lächerlich machen, die damals bekannt war: Die Frau, die sieben verstorbene Männer hatte und von keinem ein Kind. Nach dem Gesetz Moses darf eine Frau aber immer nur einen Mann (gleichzeitig) haben! Für die Sadduzäer war das offenbar ein Beweis dafür, dass es keine Auferstehung geben kann, denn wenn es eine gäbe, wäre die Frau dann nach der Auferstehung schlagartig Ehefrau von gleichzeitig sieben Männern. Das darf doch nach Gottes Gebot nicht sein, also kann Gott keine Auferstehung aus dem Tod zulassen, denn dadurch würde eine Frau, die vor dem Tod gerecht und gesetzestreu lebte und immer nur einen Mann heiratete, nachdem ihr vorheriger gestorben war, zu einer gesetzlosen Ehebrecherin werden. Irgendwie so war offenbar die Logik der Sadduzäer.
Viele Menschen, die heute die Begebenheit lesen, verstehen oft nicht, warum Jesus sich so eine offenbar konstruierte Geschichte überhaupt auftischen ließ und warum Er nicht stattdessen sagte: „Denkt euch bitte bessere, glaubwürdigere Geschichten aus, wenn ihr mit mir diskutieren wollt.“ Aber Jesus reagierte nicht so, weil Er die Geschichte kannte und wusste, dass sie wahr ist. Er wusste aber mehr als die Sadduzäer. Und das teilt Er ihnen mit Seiner noch seltsameren Antwort mit:
Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. (Mt 22,29 LUT2017)
Wem macht diese Antwort Jesu stutzig? Was hat sie mit der Frage der Sadduzäer zu tun? Ok, dass sie nicht an die Auferstehung glaubten, hat wohl damit zu tun, dass sie nicht die Kraft Gottes kannten, die vom Tod auferstehen lässt. Das kann man sich rasch zusammenreimen. Aber warum sagt Er, sie kennen die Schrift nicht?
Das hat ganz speziell mit den Sadduzäern zu tun. Sie hatten nämlich nicht die Schrift, die Jesus und die meisten anderen Juden hatten und lasen, nämlich die Septuaginta. Die Sadduzäer hatten nur die Tora, die ersten fünf Bücher Moses. Alle anderen Bücher lehnten sie ab. Sie waren also die ersten Juden, die Apokryphen aus ihrem Kanon warfen, und zwar im ganz großen Stil. Es fehlte ihnen somit das Buch Tobit, wo die Geschichte stand, die sie nur vom Hörensagen kannten. Denn sie erzählten sie nicht vollständig. Es stimmt, dass die Frau sieben Männer hatte, die alle kinderlos starben. Aber dann gab ihr Gott einen achten Mann, den Mann nämlich, der von Anfang an für sie bestimmt war und aufgrund seiner Verwandtschaft einen Anspruch auf sie hatte:
Und er sprach zu ihm: Wir müssen diese Nacht bei Raguël einkehren. Dieser Mann ist dein Verwandter und hat eine Tochter mit Namen Sara. Da er nun weder einen männlichen Nachkommen noch eine Tochter außer Sara hat, bist du ihr nächster Verwandter. Deshalb kommt es dir vor allen anderen Männern zu, sie zu gewinnen. Dir ist es auch bestimmt, alle Güter ihres Vaters zu erben. Das Mädchen ist verständig und tüchtig und sehr schön, und ihr Vater ist edel. Und er sagte: Dir ist es bestimmt, sie zur Frau zu nehmen. Hör auf mich, mein Bruder: Heute Nacht wollen wir mit dem Vater über das Mädchen sprechen und ihn bitten, dass sie deine Braut werde. Und wenn wir aus Rages zurückkehren, wollen wir deine Hochzeit mit ihr feiern. Denn ich weiß, dass Raguël sie dir nicht verweigern oder sie einem anderen antrauen kann. Nach der Ordnung im Buch des Mose wäre er dann des Todes schuldig, weil er weiß, dass es dir vor jedem andern zukommt, seine Tochter zur Frau zu nehmen. (Tobit 6,11-13)
Das Gesetz Moses kannten die Sadduzäer, nachdem der nächste Verwandte eine kinderlose Frau heiraten musste. Sie bauten es auch in ihre Geschichte ein, mit der sie Jesus befragten. Aber sie hatten da ein wenig verwechselt. Tobias war es, der aufgrund dieses Gesetzes Sara heiraten sollte und durfte und davor hatte sie sieben andere. So genau kannten sie die Geschichte nicht, weil sie die Schrift nicht kannten. Und das warf Jesus ihnen hier vor, ohne näher darauf einzugehen.
Dass die Geschichte eigentlich gar nicht gegen die Auferstehung gerichtet ist, weil Gott natürlich sein eigenes Gesetz kennt und keine Frau ungerecht wird nach der Auferstehung, wenn sie davor treu Gottes Gesetz hielt (so wie es Sara es tat), ist eigentlich eine andere Geschichte und hat mit der Kraft Gottes zu tun. Im Himmel gibt es keine Ehe mehr, weil sie endet mit dem Tod auf Erden. Das fragt heute sogar jeder Priester im Ehegelübde („ ... bis dass der Tod euch scheidet?“) und betonte auch Paulus, der bei Jesus gut zugehört hatte:
Eine Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt; wenn aber der Mann entschlafen ist, so ist sie frei, zu heiraten, wen sie will; nur dass es in dem Herrn geschehe! (1.Kor 7,39)
Und Jesus formulierte das gegenüber den Sadduzäern so:
Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. (Mt 22,30)
Zum Schluss gibt Jesus den Sadduzäern auch noch eine Lektion im richtig Lesen und nimmt dafür jene Schrift, die sie kennen. Er zitiert aus der Tora den bekannten Satz aus 2. Mose 3,6. Und sagt:
31 Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht:
32 »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.
33 Und als das Volk das hörte, entsetzten sie sich über seine Lehre. (Mt 22,31-33)
Richtig lesen ist angesagt. Dazu fordert Jesus auf, damals wie heute. Wie viele entsetzen sich heute über seine Lehre? Und wie viele kennen die Schrift?