Nasiräer oder auch Naziräer ist ein biblisches Wort, das aber nicht in allen Bibeln vorkommt.

Die Begriffe Nazi, Nazarener und Naziräer werden leider immer wieder miteinander verwechselt oder gar gleich gesetzt, haben in Wahrheit aber alle drei nichts miteinander zu tun.

  • Nazi ist die Koseform des alten deutschen Männervornamens Ignaz, der wiederum von Ignatius kommt. Viel bekannter ist das Wort aber seit den 1920er Jahren als Abkürzung des deutschen Wortes Nationalsozialist; dazu nahm man die ersten vier Buchstaben, wobei das „t“ der Aussprache wegen zu einem „z“ wurde.
  • Nazarener ist jemand, der aus der biblischen Stadt Nazareth kommt. Der berühmteste ist Jesus von Nazareth.
  • Naziräer ist die alternative Schreibweise von Nasiräer, kommt aus dem Althebräischen, und ist auf Deutsch ein Gottgeweihter. Und nur um den geht es in diesem Beitrag.

Der althebräische, biblische Begriff nâzir (H5139) wird von Bibelübersetzern

  • entweder transkribiert, was sich dann auf Deutsch „Nasiräer“ oder „Naziräer“ und auf Englisch „Nazarite“ schreibt,
  • oder übersetzt, was auf Deutsch dann „Geweihter“ oder „Gottgeweihter“ heißt.

Manche Bibeln machen auch eine Mischung aus beiden und so kommt das Wort Nasiräer je nach Übersetzung 0 bis 20 mal in deutschsprachigen Bibeln vor. Siehe Tabelle.

Übersetzung Vorkommen Nasiräer bzw. Naziräer
Wörter Verse
Lutherbibel 2017 (inkl. Apokryphen) 0 0
Einheitsübersetzung 2016 (inkl. Apokryphen) 20 17
Schlachter 2000 12 11
Elberfelder 11 11
Gute Nachricht (inkl. Apokryphen) 0 0
Hoffnung für alle 0 0
Neue evangelistische Übersetzung 12 12
Neue Zürcher Bibel 0 0
Septuaginta Deutsch 5 5
Neues Leben 3 3
Menge Bibel 8 8
Benjamin Fotteler 4 4

 

Auffallend schwer tun sich deutsche Übersetzer bei einem Vers in den Klageliedern. Meinte der Prophet Fürsten, Vornehme oder doch gottgeweihte Nasiräer?

Übersetzung Klagelieder 4,7
Lutherbibel 2017 (inkl. Apokryphen) Ihre Fürsten waren reiner als der Schnee und weißer als Milch; ihr Leib war rötlicher als Korallen, ihr Aussehen war wie Saphir.
Einheitsübersetzung 2016 (inkl. Apokryphen) Ihre Vornehmen waren reiner als Schnee, / weißer als Milch, ihr Leib rosiger als Korallen, / saphirgleich ihre Gestalt.
Schlachter 2000 Ihre Geweihten waren glänzender als Schnee, weißer als Milch, ihr Leib war röter als Korallen, ihre Gestalt wie ein Saphir.
Elberfelder Ihre Fürsten [o. Nasiräer, w. Geweihten] waren reiner als Schnee, weißer als Milch; rosiger war ihr Leib als Korallen, ⟨wie⟩ Saphir war ihre Gestalt.
Gute Nachricht (inkl. Apokryphen) Unsere Fürsten glänzten heller als der Schnee, ihr Gesicht war reiner und weißer als Milch, ihr Körper gesund und rot wie Korallen, ihre Adern schimmerten blau wie Saphir.
Hoffnung für alle Einst waren unsere Fürsten gesund und schön: Ihre Zähne blitzten so weiß wie Schnee, und ihre Wangen schimmerten rot wie Korallen, ihre ganze Erscheinung glich einem funkelnden Juwel
Neue evangelistische Übersetzung Reiner als Schnee waren ihre Geweihten / und weißer als Milch; / rosig wie Korallen war ihr Leib / und wie Saphir ihre Gestalt.
Neue Zürcher Bibel Ihre Geweihten waren reiner als Schnee, strahlten heller als Milch, ihr Leib war röter als Korallenperlen, ihre Gestalt war Saphir.
Septuaginta Deutsch Es waren ihre Naziräer reiner gewesen als Schnee, sie leuchteten heller als Milch, sie leuchteten röter als Edelsteine. Von Saphir war das Stück, das von ihnen abgebrochen wurde.
Neues Leben Einst waren unsere Fürsten kerngesund, reiner als Schnee, weißer als Milch, rosiger als Korallen und hatten die Erscheinung eines Saphirs. 
Menge Bibel Ihre Fürsten [Edlen] erglänzten reiner als Schnee, weißer als Milch; röter war ihr Leib als Korallen, wie Saphir ihre Gestalt geworden.
Benjamin Fotteler Ihre Nasiräer wurden reiner als Schnee, glänzten mehr als Milch, geronnenen, mehr als Saphirstein war ihr Lappen.
King James Version Her Nazarites were purer than snow, they were whiter than milk, they were more ruddy in body than rubies, their polishing was of sapphire

Wie man ein Nasiräer wird, hat Gott selbst in seinem Gesetz festgelegt und das lautet in voller Länge wie folgt:


Das Gesetz des Nasiräers (4.Mose 6,1-21):

Und der HERR redete zu Mose und sprach: Rede zu den Kindern Israels und sage ihnen: Wenn ein Mann oder eine Frau sich weiht, indem er das Gelübde eines Nasiräers gelobt, um als Nasiräer für den HERRN zu leben, so soll er sich von Wein und starkem Getränk enthalten; Essig von Wein und Essig von starkem Getränk soll er nicht trinken; er soll auch keinen Traubensaft trinken und darf weder frische noch getrocknete Trauben essen. Solange seine Weihe währt, soll er nichts essen, was vom Weinstock gewonnen wird, weder Kern noch Haut. Solange das Gelübde seiner Weihe währt, soll kein Schermesser auf sein Haupt kommen; bis die Zeit, die er dem HERRN geweiht hat, erfüllt ist, soll er heilig sein; er soll das Haar auf seinem Haupt frei wachsen lassen. Während der ganzen Zeit, für die er sich dem HERRN geweiht hat, soll er zu keinem Toten gehen. Er soll sich auch nicht verunreinigen an seinem Vater, an seiner Mutter, an seinem Bruder oder seiner Schwester, wenn sie sterben; denn die Weihe seines Gottes ist auf seinem Haupt. Während der ganzen Zeit seiner Weihe soll er dem HERRN heilig sein. Und wenn wirklich jemand bei ihm unversehens und plötzlich stirbt und sein geweihtes Haupt verunreinigt wird, so soll er sein Haupt scheren am Tag seiner Reinigung; am siebten Tag soll er es scheren. Und am achten Tag soll er zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben zu dem Priester an den Eingang der Stiftshütte bringen. Und der Priester soll die eine als Sündopfer und die andere als Brandopfer opfern und Sühnung für ihn erwirken, weil er sich durch eine Leiche versündigt hat; und er soll so sein Haupt an demselben Tag heiligen, und er soll dem HERRN erneut die Tage seines Gelübdes weihen und ein einjähriges Lamm als Schuldopfer darbringen. Aber die früheren Tage sind verfallen, weil seine Weihe verunreinigt worden ist.

Und das ist das Gesetz des Nasiräers: Wenn die Zeit seiner Weihe erfüllt ist, soll man ihn an den Eingang der Stiftshütte führen, und er soll dem HERRN seine Opfergabe darbringen, ein einjähriges, makelloses Lamm als Brandopfer und ein einjähriges, makelloses weibliches Lamm als Sündopfer und einen makellosen Widder als Friedensopfer, und einen Korb mit Ungesäuertem: Kuchen aus Feinmehl, mit Öl gemengt, und ungesäuerte Fladen, mit Öl gesalbt, samt dem dazugehörenden Speisopfer und den dazugehörenden Trankopfern. Und der Priester soll es vor dem HERRN darbringen und soll sein Sündopfer und sein Brandopfer opfern. Und er soll dem HERRN den Widder als Friedensopfer opfern samt dem Korb mit dem Ungesäuerten; auch soll der Priester das dazugehörige Speisopfer und das dazugehörige Trankopfer opfern. Der Nasiräer aber soll sein geweihtes Haupt scheren vor dem Eingang der Stiftshütte, und er soll sein geweihtes Haupthaar nehmen und es auf das Feuer legen, das unter dem Friedensopfer ist. Und der Priester soll von dem Widder die gekochte Vorderkeule nehmen und einen ungesäuerten Kuchen aus dem Korb und einen ungesäuerten Fladen und soll es dem Nasiräer auf die Hände legen, nachdem er sein geweihtes Haar abgeschoren hat. Und der Priester soll sie als Webopfer vor dem HERRN weben. Das ist als heilig für den Priester bestimmt, samt der Brust des Webopfers und dem Schenkel des Hebopfers. Danach darf der Nasiräer Wein trinken.

Das ist das Gesetz für den Nasiräer, der ein Gelübde ablegt, und das Opfer, das er dem HERRN für seine Weihe darbringen soll, außer dem, was seine Hand sonst aufbringen kann. Wie er es gelobt hat, so soll er handeln, nach dem Gesetz seiner Weihe.

Zusammengefasst:

Gottgeweihte legen ein Gelübde vor Gott ab und müssen für die Dauer dieses Gelübdes drei spezielle Regeln befolgen:

  1. Streng verboten ist der Genuss von Weintrauben in jeder erdenklichen Form, seien sie roh, ausgepresst, vergoren oder verbacken. Auch Essig (aus Wein) ist verboten.
  2. Streng verboten ist das Berühren von Leichen, aber auch schon die Nähe zu Toten. Sterbebetten, Begräbnissen, Friedhöfen udgl. ist also fernzubleiben.
  3. Alle Haare am Kopf müssen ungehindert wachsen gelassen werden. Es darf kein Schermesser den Kopf berühren, das heißt, Haare oder Bart schneiden oder rasieren ist streng verboten. Gottgeweihte Menschen erkannte man also äußerlich schon daran, dass sie wild wachsende Haare und Bärte hatten.

Bricht der Gottgeweite das Gelübde unabsichtlich weil jemand in seinem Haus unvorhergesehen stirbt, muss er eine einwöchige Reinigungszeit durchlaufen wo zwei Tauben und ein Lamm geopfert, der Kopf komplett geschoren, und das Gelübde nochmal von vorn begonnen wird. Es geht zurück an den Start.

Ist die Zeit des Gelübdes abgelaufen, wird es durch zwei vorgeschriebene Rituale beendet:

  • Muss eine Reihe von Opfern gebracht werden: Speiseopfer, Trankopfer und Tieropfer. Gott legte dabei ein Mindestmaß fest, für die Tiere zum Beispiel zwei Lämmer und ein Widder. Aber es durfte auch freiwillig mehr gebracht werden.
  • Muss der Kopf komplett geschoren und das geschorene Haar am Altar verbrannt werden. Der Mensch war danach am Kopf also kahl rasiert, auch der Bart war weg. Das ist einer der seltenen Fälle, wo das Rasieren des Bartes keine Schande darstellt sondern von Gott befohlen ist. Generell gilt sonst das Abrasieren des Bartes bei Gott als Schändung des Mannes. Aber das ist ein anderes Thema. Menschen, die ihr Nasiräer-Gelübde frisch erfüllt hatten, erkannte man also an ihrem kahlen Kopf. Das spielt im Neuen Testament noch eine Rolle, siehe weiter unten.

Zusätzlich zu den oben genannten von Gott festgelegten Bedingungen musste nichts getan werden, was nicht ohnehin für jeden Menschen nach dem Gesetz galt. Oft hört man, dass Gottgeweihte keusch leben mussten oder kein Fleisch essen oder nicht heiraten durften. Aber das stimmt so nicht. Gott stellte diese Bedingungen nie an Nasiräer, aber manche Menschen haben sich selbst freiwillig derartige Einschränkungen auferlegt.

Grundsätzlich war das Nasiräergelübde eine freiwillige Sache von erwachsenen Menschen, die auch selbst im Voraus festlegen konnten, wie lange ihr Gelübde dauerte. Es werden in der Bibel aber namentlich nur Sonderfälle genannt, die von ihren Eltern oder von Gott bereits vor ihrer Geburt als lebenslange Nasiräer bestimmt wurden.

Auch der Grund solch eines Gelübdes hing in der Regel von dem Mensch ab, der das Gelübde ablegte. Wir zeigen das weiter unten bei konkreten Beispielen.

Ein Nasiräer konnte ein Mann oder eine Frau sein. Für beide galten exakt die selben Regeln. Allerdings konnte eine Frau von ihrem Gelübde entbunden werden, durch den Einspruch ihres Vaters oder Ehemannes:

Wenn eine Frau dem HERRN ein Gelübde ablegt und eine Verpflichtung auf sich nimmt, solange sie noch ledig im Haus ihres Vaters ist, und ihr Gelübde und ihre Verpflichtung, die sie auf ihre Seele nahm, vor ihren Vater kommt, und ihr Vater schweigt dazu, so sollen alle ihre Gelübde gültig sein und jede Verpflichtung, die sie auf ihre Seele gebunden hat. Wenn aber ihr Vater an dem Tag, da er es hört, es ihr verwehrt, so ist keines ihrer Gelübde und ihrer Verpflichtungen gültig, die sie auf ihre Seele gebunden hat. Und der HERR wird es ihr vergeben, weil ihr Vater es ihr verwehrt hat. Wenn sie aber einen Mann heiratet, und sie hat ein Gelübde abgelegt oder ein unbedachtes Versprechen, das sie auf ihre Seele gebunden hat, und ihr Mann hört es und schweigt still an dem Tag, da er davon hört, so gelten ihre Gelübde; und ihre Verpflichtungen, die sie auf ihre Seele gebunden hat, sollen bestehen. Wenn aber ihr Mann es ihr verwehrt an dem Tag, da er es hört, so macht er damit ihr Gelübde ungültig, das sie auf sich hat, und das unbedachte Versprechen, das sie auf ihre Seele gebunden hat; und der HERR wird es ihr vergeben. (4.Mose 30,4-9)


Nasiräer zur Zeit des Alten Testaments

Simson

Amt: Richter
Dauer des Gelübdes: von Mutterleib an bis zum Tod
Grund des Gelübdes: Errettung Israels aus der Hand der Philister

 

Simson ist der erste in der Bibel namentlich genannte Nasiräer und gleich so ein Sonderfall, der von Gott vor der Geburt schon als lebenslanger Nasiräer bestimmt wurde:

Es war aber ein Mann von Zorea, vom Geschlecht der Daniter, namens Manoach; und seine Frau war unfruchtbar und konnte keine Kinder bekommen. Und der Engel des HERRN erschien der Frau und sprach zu ihr: Siehe doch! Du bist unfruchtbar und kannst keine Kinder bekommen; aber du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären!

Und nun hüte dich doch, dass du keinen Wein noch starkes Getränk trinkst und nichts Unreines isst! Denn siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; dem soll kein Schermesser auf das Haupt kommen; denn der Knabe soll ein Nasiräer Gottes sein von Mutterleib an, und er wird anfangen, Israel aus der Hand der Philister zu erretten! (Richter 13,2-5)

Das ist ein Ausschnitt aus der Berufung des Simsons als Nasiräer noch vor seiner Geburt. Wir erfahren hier, dass die Initiative von Gott selbst ausgeht. Ein Engel des Herrn erscheint der zukünftigen Mutter von Simson und offenbart ihr die Bedingungen, die exakt dem Gesetz des Nasiräers entsprechen. Wir haben in der Geschichte eigentlich zwei Menschen mit Gelübde: eine Frau (deren Name wir nicht erfahren) für die Dauer ihrer Schwangerschaft, und ihr Sohn Simson, der von Geburt an ein Nasiräer ist und das ein Leben lang bleiben soll. Die Anweisung Gottes an die Mutter Simons geht dabei über den guten Rat an Schwangere, nämlich keinen Alkohol zu trinken, hinaus:

Und der Engel des Herrn sagte zu Manoe: Vor all dem, was ich zu der Frau gesagt habe, soll sie sich hüten: Von all dem, was vom Rebstock kommt, darf sie nicht essen, und Wein und starkes Getränk darf sie nicht trinken und alles Unreine darf sie nicht essen; alles, was ich ihr aufgetragen habe, soll sie einhalten (V 13-14)

Auch ihr werden die Regeln des Nasiräergebotes auferlegt, das für Simson bereits im Mutterleib gilt (auch der ungeborene Simson soll keinen Wein trinken). Es ist also selbstverständlich, dass auch seine Mutter, die ihm von klein auf zeigen und helfen soll, das Gelübde zu halten, das Gelübde hält. Denn die ersten Jahre seines Lebens bestimmt die Mutter, was er isst und ob ihm die Haare geschnitten werden. Das hängt von ihr ab, sie muss das für ihn halten bis er groß genug und eigenverantwortlich ist.

Simson ist wohl einer der eigenartigsten Männer Gottes in der Bibel. Er war kein gewöhnlicher Gottgeweihter, sondern hatte übermenschliche Kraft, solang er sein Haar nicht schor. Er konnte allein ein Stadttor aus den Angeln heben und auf einen Berg tragen, mit bloßen Händen einen Löwen zerreißen, und eine Armee von tausend Mann erschlagen, um nur drei Beispiele zu nennen. Er mag wohl als Vorlage für den Herkules in der Griechischen Mythologie herangezogen worden sein. Es ähneln sich auch die persönlichen Schicksalsschläge und bitteren Enttäuschungen der beiden Männer einander, beide fielen auf böse Verschwörungen herein, beide verloren ihre Ehefrauen. Simson stand aber auch dem Volk Israel 20 Jahre lang als guter und gerechter Richter vor (Richter 15,20) und wird in der Bibel sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament als Glaubensheld gepriesen. Die ganze Geschichte des Simson steht im Buch Richter von Kapitel 13 bis 16.

Samuel

Amt: Richter, Prophet
Dauer des Gelübdes: von Kindheit an lebenslang
Grund des Gelübdes: Dank für Gottes Gebetserhörung

Auch Samuel wurde von Dritten, in dem Fall seiner Mutter, Gott geweiht für sein ganzes Leben lang, noch bevor er überhaupt gezeugt war. Hier die Geschichte dieses Gelübdes:

Und es war ein Mann aus Ramataim-Zophim, vom Bergland Ephraim, der hieß Elkana, ein Sohn Jerochams, des Sohnes Elihus, des Sohnes Tohus, des Sohnes Zuphs, eines Ephratiters.

Er hatte aber zwei Frauen, die eine hieß Hanna, die andere Peninna. Peninna aber hatte Kinder, und Hanna hatte keine Kinder.

Dieser Mann nun ging Jahr für Jahr hinauf aus seiner Stadt, um den HERRN der Heerscharen anzubeten und ihm zu opfern in Silo. Dort aber waren Hophni und Pinehas, die beiden Söhne Elis, Priester des HERRN.

An dem Tag nun, als Elkana opferte, gab er seiner Frau Peninna und allen ihren Söhnen und Töchtern Anteile vom Opfermahl. Hanna aber gab er einen doppelten Anteil, denn er hatte Hanna lieb; aber der HERR hatte ihren Mutterleib verschlossen.

Und ihre Widersacherin reizte sie sehr mit kränkenden Reden, um sie darüber zu erzürnen, dass der HERR ihren Mutterleib verschlossen hatte.

Und so ging es Jahr für Jahr; sooft sie zum Haus des HERRN hinaufzog, kränkte jene sie so, dass sie weinte und nichts aß.

Elkana aber, ihr Mann, sprach dann zu ihr: Hanna, warum weinst du? Und warum isst du nicht? Warum ist dein Herz so traurig? Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Söhne?

Und eines Tages stand Hanna auf, nachdem sie in Silo gegessen und getrunken hatte. Eli, der Priester, saß eben auf seinem Stuhl beim Türpfosten des Tempels des HERRN. Sie aber, betrübt, wie sie war, betete zum HERRN und weinte sehr. Und sie legte ein Gelübde ab und sprach: HERR der Heerscharen, wenn du das Elend deiner Magd ansehen und an mich gedenken und deine Magd nicht vergessen wirst und deiner Magd einen Sohn geben wirst, so will ich ihn dem HERRN geben, so lange er lebt, und kein Schermesser soll auf sein Haupt kommen! (1.Sam. 1,1-11)

Mit diesem Gebet legte Hanna ein Nasiräergelübde ab: sie würde ihren Sohn Gott lebenslang weihen, wenn Gott ihr einen Sohn gäbe, obwohl sie unfruchtbar war. Es ist also wieder ein Gelübde, das zwei Menschen betrifft: Mutter und Sohn. Die Mutter muss ihren Teil einhalten und ihren Sohn Gott überlassen, der Sohn darf sein Leben lang weder seine Haare noch seinen Bart schneiden. Es ist ein ähnlicher Sonderfall eines Nasiräergelübdes wie schon bei Simson. Die Geschichte geht so weiter, dass der erwähnte Priester Eli die Frau beten hörte und zunächst unfreundlich reagierte, am Ende sie aber tröstete und segnete mit den Worten:

Geh hin in Frieden! Der Gott Israels gewähre dir deine Bitte, die du an ihn gerichtet hast! (Vers 17)

Gott stieg auf dieses Gelübde ein! Die Frau wurde wirklich schwanger, gebar tatsächlich einen Sohn, nannte ihn Samuel - das heißt auf Deutsch „Gott erhört“ - und brachte ihn, nachdem sie ihn abgestillt hatte, dem Priester Eli wie sie versprochen hatte:

Und Eli segnete Elkana und seine Frau und sprach: Der HERR gebe dir Nachkommen von dieser Frau anstelle des Gegebenen, den sie dem HERRN übergeben hat! Und sie kehrten nach Hause zurück.

Und der HERR suchte Hanna heim, und sie wurde schwanger; und sie gebar noch drei Söhne und zwei Töchter. Der Knabe Samuel aber wuchs heran bei dem HERRN. (2,20-21)

So hat Gott das erfüllte Gelübde der Hanna belohnt und gesegnet und ihr noch fünf weitere Kinder geschenkt.

Aber der Knabe Samuel nahm immer mehr zu an Alter und an Gunst, sowohl bei dem HERRN als auch bei den Menschen. (2,26)

Samuel sollte einer der größten Propheten Israels werden. Er war auch der letzte Richter Israels bis das Volk sich einen König wünschte. Die ersten beiden Könige, Saul und David, salbte Samuel. Die ganze Geschichte Samuels wird im 1.Buch Samuel von Kapitel 1 bis 25 erzählt.

Weitere Nasiräer

Die zwei einzigen namentlich genannten Nasiräer im Alten Testament haben große Ähnlichkeiten: beide sind Sonderfälle, die von Dritten ein Leben lang Gott geweiht waren, und beide waren Richter. Es hat aber mit Sicherheit noch viele andere, ganz normale Nasiräer in Israel gegeben. Denn der Prophet Amos beklagt, wie das Volk Israel mit seinen Nasiräern von Zeit zu Zeit schändlich umging und so Gottes Zorn und Strafgericht erwirkte:

 … und ich habe von euren Söhnen Propheten erweckt und Nasiräer von euren jungen Männern; oder ist es etwa nicht so, ihr Kinder Israels?, spricht der HERR. Ihr aber habt den Nasiräern Wein zu trinken gegeben und den Propheten geboten und gesagt: Ihr sollt nicht weissagen! Siehe, ich will das Fortkommen bei euch hindern, wie ein Wagen am Fortkommen gehindert wird, der voller Garben ist. Da wird dem Schnellen das Fliehen vergehen und dem Starken seine Kraft versagen, und der Held wird sein Leben nicht retten können, und der Bogenschütze wird nicht standhalten und der Schnellfüßige nicht entkommen und der Reiter sein Leben nicht retten; auch wer unter den Helden das tapferste Herz hat, der wird entblößt fliehen an jenem Tag!, spricht der HERR. (Amos 2,11-16)


Nasiräer zur Zeit des Neuen Testaments 

Johannes der Täufer

Amt: Wegbereiter Christi
Dauer des Gelübdes: von Mutterleib an lebenslang
Grund des Gelübdes: Israel zurückführen zu Gott

Johannes der Täufer gehört für einige nicht auf die Liste, weil das Wort „Nasiräer“ in seinem Zusammenhang nirgendwo in der Bibel steht. Das ist übrigens typisch für das Neue Testament: das Wort Nasiräer findet sich dort nicht, aber Gelübde, die dem entsprechen, schon. So ist Johannes ein klassischer Gottgeweihter und sehr ähnlich zu einem Fall, den wir schon im Alten Testament hatten: wiederum ist eine Frau unfruchtbar, wiederum ergreift Gott die Initiative und wiederum hat Gott ihn schon vor der Zeugung berufen und wiederum war er ein Gottgeweihter von Geburt an ein Leben lang:

Hier die Geschichte dazu:

In den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester mit Namen Zacharias, aus der Abteilung Abijas; und seine Frau war von den Töchtern Aarons, und ihr Name war Elisabeth. Sie waren aber beide gerecht vor Gott und wandelten untadelig in allen Geboten und Rechtsbestimmungen des Herrn. Und sie hatten kein Kind, weil Elisabeth unfruchtbar war; und beide waren in fortgeschrittenem Alter.

Es geschah aber, als er seinen Priesterdienst vor Gott verrichtete, zur Zeit, als seine Abteilung an die Reihe kam, da traf ihn nach dem Brauch des Priestertums das Los, dass er in den Tempel des Herrn gehen und räuchern sollte.

Und die ganze Menge des Volkes betete draußen zur Stunde des Räucherns.

Da erschien ihm ein Engel des Herrn, der stand zur Rechten des Räucheraltars. Und Zacharias erschrak, als er ihn sah, und Furcht überfiel ihn.

Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Denn dein Gebet ist erhört worden, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben. Und er wird dir Freude und Frohlocken bereiten, und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn; Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken, und mit Heiligem Geist wird er erfüllt werden schon von Mutterleib an. Und viele von den Kindern Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, zurückführen. Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias, um die Herzen der Väter umzuwenden zu den Kindern und die Ungehorsamen zur Gesinnung der Gerechten, um dem Herrn ein zugerüstetes Volk zu bereiten. (Luk 1,5-17)

Wir sehen deutliche Parallelen zu Simson: wieder erscheint ein Engel Gottes, wieder soll eine unfruchtbare Frau einen Sohn gebären, wiederum muss dieser sich sein Leben lang an die Regeln eines Nasiräers halten: er darf keinen Wein und kein starkes Getränk trinken. Es fehlt im Bericht von Lukas zwar der Passus mit dem Haarschneideverbot, aber der ist für viele Ausleger eindeutig mitgemeint bei solch einem Gelübde. Und so wird Johannes deswegen auf vielen Bildern mit langem, zotteligen Haar und langem, wilden Bart dargestellt, genauso wie Simson und Samuel. Es wäre nicht unlogisch, wenn er das wirklich tat. Jedenfalls wird berichtet, dass der Heilige Geist schon im Mutterleib ihn erfüllte, und dass Johannes bald in die Wüste zog und dort nur von wildem Honig und Heuschrecken lebte. Er hat also freiwillig, inspiriert vom Heiligen Geist, das Gelübde verschärft:

Das Kind aber wuchs und wurde stark im Geist; und er war in der Wüste bis zum Tag seines Auftretens vor Israel. (Lk 1,80)

Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden, und seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig. (Mt 3,4)

Es fällt übrigens auf, dass Johannes weder vegetarisch noch vegan lebte. Beides wird ihm aber heute immer wieder unterstellt, weil zunehmend das Bild verbreitet wird, dass Gottgeweihte vegan oder wenigstens vegetarisch leben müssten. Keines von beidem wird in der Bibel von Gott gefordert und keines von beidem wird in der Bibel über irgend einen gottgeweihten Menschen gesagt, dass er es getan hätte. Von Johannes dem Täufer wird ausdrücklich berichtet, dass er Tiere (Heuschrecken) aß und tierische Produkte (Honig, Kamelhaar, Leder) als Nahrung und Kleidung nutzte. Es fällt auf, dass die Bibel sogar ausschließlich tierische Erzeugnisse nennt, keine Rede von Gemüse. Absicht oder Zufall?

 

Jakobus der Gerechte

Amt: Herrenbruder, Bischof von Jerusalem
Dauer des Gelübdes: von Mutterleib an lebenslang
Grund des Gelübdes: unbekannt

Dass Jakobus der Gerechte Nasiräer war, steht nicht in der Bibel, aber er selbst steht in der Bibel und hat uns auch ein biblisches Buch, nämlich den Jakobusbrief, hinterlassen. Er ist der leibliche Bruder des Herrn Jesus Christus. Dass er aber Nasiräer war, erfahren wir heute nur noch über zwei Ecken.

Eusebius von Cäseräa schreibt:

Am genauesten berichtet über ihn Hegesippus, einer der ersten Nachfolger der Apostel. Er erzählt im zweiten Buche seiner „Erinnerungen“: „Die Kirche wurde übernommen von den Aposteln und Jakobus, dem Bruder des Herrn, der von den Zeiten des Herrn an bis auf unsere Tage allgemein der Gerechte genannt wurde; denn es gab noch viele, die den Namen Jakobus führten. Schon vom Mutterleibe an war er heilig. Wein und geistige Getränke nahm er nicht zu sich, auch aß er kein Fleisch. Eine Schere berührte nie sein Haupt, noch salbte er sich mit Öl oder nahm Bad. Jakobus allein war es gestattet, das Heiligtum zu betreten; denn er trug kein wollenes, sondern ein leinenes Gewand. Allein pflegte er in den Tempel zu gehen und man fand ihn auf den Knien liegend und für das Volk um Verzeihung flehend. Seine Knie wurden hart wie die eines Kameles, da er ständig auf den Knien lag, um zu Gott zu beten und ihn um Verzeihung für sein Volk zu bitten. Wegen seiner hervorragenden Gerechtigkeit wurde er der Gerechte genannt; er war ein Oblias, was im Griechischen περιοχὴ τοῦ λαοῦ (Stütze und Halt des Volkes) heißt, und war die Gerechtigkeit, von welcher die Propheten sprechen. (Eusebius von Caesarea (260-339) Historia Ecclesiastica (BKV), Kirchengeschichte Buch II, Kap. 23)

Wir lesen hier die typischen Merkmale eines Nasiräers: Wein und starke Getränke nahm er nicht zu sich, eine Schere berührte nie sein Haupt. Daneben andere Auflagen, die er zusätzlich einhielt, wie etwa den Verzicht auf Fleisch oder dass er sich weder einölte noch badete und nur leinenes Gewand trug. Dadurch war es ihm anscheinend gestattet das Heiligtum zu betreten. Demnach wäre Jakobus einem Priester gleichgestellt gewesen obwohl er nicht aus dem Priesterstamm Levi war und hätte ein viel „heiligeres“ Leben geführt als sein leiblicher Bruder Jesus. Was doppelt erstaunlich ist, weil wir ja in den Evangelien lesen, dass die leiblichen Brüder Jesu (und dazu gehörte Jakobus) gar nicht an Jesus glaubten bevor Er gestorben und auferstanden ist. Erst nach Jesu Auferstehung wurde Jakobus ein gläubiger Christ. Passt das zusammen, dass ein heiliger, lebenslang gottgeweihter Jude all die Jahrzehnte nicht den Christus in der eigenen Familie erkennt? Es ist nicht unvorstellbar und dürfte von Jesus bestätigt worden sein als Er selbst sagte:

„Ein Prophet ist nirgends verachtet außer in seiner Vaterstadt und bei seinen Verwandten und in seinem Haus!“ (Mk 6,4).

Eusebius nennt uns als Quelle den Apostelschüler Hegesippus, der mehrere Bücher namens „Erinnerungen“ geschrieben hat und zitiert daraus. Damit wäre das eine ernstzunehmende und gute Quelle, auch wenn sich manches für uns heute komisch oder unglaubwürdig anhört. Unser Problem ist heute aber, dass wir weder Hegesippus kennen, noch seine Bücher, die er schrieb, weil sie alle verloren gegangen sind. Wir haben nur noch die Bruchstücke, die uns Eusebius erhalten hat durch seine Zitate. Das zeigt wieder einmal, wie arm wir heute sind an Geschichtswissen und Kenntnis der Überlieferung. Wir haben nicht mal mehr die vollständige schriftliche Überlieferung, die uns die Apostel und deren Schüler hinterlassen haben, geschweige denn die mündliche. Wie können wir dann aber behaupten, wir wüssten heute alles besser als die frühen Christen damals, die beides noch im vollem Umfang hatten!?

Paulus - und vier Brüder

Amt: Apostel
Dauer des Gelübdes: unbekannt
Grund des Gelübdes: Beweis, dass er nicht gegen das Gesetz Moses lehrt und lebt

Im Zusammenhang mit Paulus werden in der Bibel zwei mal Gelübde erwähnt, die sehr nach dem Nasiräergelübde klingen, aber das Wort Nasiräer fehlt auch hier - wie schon bei Johannes.

Das erste Mal steht es in Apostelgeschichte 18:

Nachdem aber Paulus noch viele Tage dort verblieben war, nahm er von den Brüdern Abschied und segelte nach Syrien, und mit ihm Priscilla und Aquila, nachdem er sich in Kenchreä das Haupt hatte scheren lassen; denn er hatte ein Gelübde. (Apg 18,18)

Die Begriffe „das Haupt scheren lassen“ und „Gelübde“ erinnern in der Tat an das Gesetz des Nasiräers. Nämlich an das Ausstiegsszenario nach einem erfüllten Gelübde, allerdings wird im Gesetz schon deutlich mehr gefordert:

Der Nasiräer aber soll sein geweihtes Haupt scheren vor dem Eingang der Stiftshütte, und er soll sein geweihtes Haupthaar nehmen und es auf das Feuer legen, das unter dem Friedensopfer ist. (4.Mose 6,18)

Das Haupt soll nicht nur geschoren werden, sondern genau vor dem Eingang der Stiftshütte (die Stiftshütte war der Vorgänger des Tempels. Nachdem König Salomon den Tempel in Jerusalem baute, gingen alle Gebote von wegen Stiftshütte in ihrer Bedeutung auf den Tempel über) und die geschorenen Haare sollen auf das Feuer des Friedensopfers gelegt, also verbrannt, werden. Beides ging nur in Jerusalem. Außerdem waren auch noch einige Opfer vor dem Scheren des Hauptes vorgeschrieben: Speiseopfer, Trankopfer und drei Opfertiere, die zu verbrennen waren. Auch das ging nur im Tempel in Jerusalem.

Paulus aber hatte sich das Haupt nicht im Tempel in Jerusalem sondern in einen unbestimmten Haus in Kenchreä scheren lassen, wie uns Lukas berichtet, falls es überhaupt Paulus war, dessen Haupt geschoren wurde, aber darauf komme ich gleich! Und es fehlen die Opfer. Das würde also alles gegen die Vorschriften des Nasiräergelübdes verstoßen. Gerade ein Paulus, der „zu den Füßen Gamaliels, unterwiesen in der gewissenhaften Einhaltung des Gesetzes der Väter“ war, wusste genau, wie und wo ein Nasiräer sich das Haupt scheren lassen muss. Deshalb darf bezweifelt werden, dass es sich hier überhaupt um ein Nasiräer-Gelübde handelte.

Und noch ein Problem haben wir: in dem Satz ist nicht eindeutig, wer sich das Haupt scheren ließ. War es Paulus oder Aquila? Es fällt nämlich auf, dass Lukas hier die Namen Aquila und Priscilla nicht in der üblichen Reihenfolge aufzählt, sondern verdreht, und somit die Frau zuerst und danach den Mann nennt. Somit steht der Mann Aquila am nächsten zum Wort „er“. Die natürliche Lesart der Griechischen Grammatik würde dadurch das „er“ in „nachdem er sich in Kenchreä das Haupt hatte scheren lassen; denn er hatte ein Gelübde“ wohl auf Aquila beziehen, nicht auf Paulus. Die lateinische Vulgata bezieht daher auch wirklich das Gelübde an der Stelle auf Aquila. Hier haben wir also wieder einmal ein Problem, das Lukas, Paulus und Aquila nicht hatten: wir wissen nicht sicher, wer tatsächlich gemeint ist, und ob es wirklich ein Nasriäergelübde war, sie aber schon!

Gute drei Jahrhunderte später bemerkte das auch Johannes Chrysostomus (344-407) und deutete es als ein Zeichen der Auflösung des Gesetzes:

Seht, wie das Gesetz sich auflöste; seht, wie sie durch ihr Gewissen gebunden waren. Das war nämlich ein jüdischer Brauch, sich nach einem Gelübde das Haupt zu scheren. Aber dann sollte es auch ein Opfer geben, was hier nicht der Fall war. (Johannes Chrysostomus In acta apostolorum homiliae 1-55 (CCEL) A commentary on the Acts of the Apostles, Homily XL., Acts XVIII. 18, übersetzt aus dem Englischen)

Dass sich hier das Gesetz aufzulösen begonnen haben soll, ist aber nicht schlüssig. Denn erstens hat nicht mal Jesus Christus das Gesetz aufgelöst (Mt 5,17) - und der wäre der Einzige gewesen, der dazu die Vollmacht hatte - und zweitens hat Paulus später ja genau das Gegenteil gemacht, nämlich das Gesetz bewusst befolgt:

Am folgenden Tag aber ging Paulus mit uns zu Jakobus, und alle Ältesten fanden sich ein. Und nachdem er sie begrüßt hatte, erzählte er alles bis ins Einzelne, was Gott unter den Heiden durch seinen Dienst getan hatte. Sie aber priesen den Herrn, als sie dies hörten; und sie sprachen zu ihm: Bruder, du siehst, welch große Zahl von Juden gläubig geworden ist, und alle sind Eiferer für das Gesetz. Es ist ihnen aber über dich berichtet worden, du würdest alle Juden, die unter den Heiden sind, den Abfall von Mose lehren und sagen, sie sollten ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach den Gebräuchen wandeln. Was ist nun zu tun? Auf jeden Fall muss die Menge zusammenkommen; denn sie werden hören, dass du gekommen bist. So tue nun das, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich haben; diese nimm zu dir, lass dich reinigen mit ihnen und trage die Kosten für sie, dass sie das Haupt scheren lassen; so können alle erkennen, dass nichts ist an dem, was über dich berichtet worden ist, sondern dass auch du ordentlich wandelst und das Gesetz hältst. Was aber die gläubig gewordenen Heiden betrifft, so haben wir ja geschrieben und angeordnet, dass sie von alledem nichts zu befolgen haben, sondern sich nur hüten sollen vor dem Götzenopfer und dem Blut und vor Ersticktem und Unzucht. Da nahm Paulus die Männer zu sich und ging am folgenden Tag, nachdem er sich hatte reinigen lassen, mit ihnen in den Tempel und kündigte die Erfüllung der Tage der Reinigung an, bis für jeden von ihnen das Opfer dargebracht werden sollte. (Apg 21,18-26)

Das ist die zweite Bibelstelle mit einem Gelübde in Bezug auf Paulus. Zwischen Kapitel 18 und Kapitel 21 der Apostelgeschichte liegen wohl einige Jahre. Denn Paulus beendete zwei Missionsreisen hintereinander in diesem Zeitfenster, danach reiste er erst nach Jerusalem, wo er in Kapitel 21 Jakobus und die anderen der Urgemeinde traf. Es ist übrigens exakt der Jakobus der Gerechte, den wir vorhin besprachen, weil er ein Nasiräer war.

Wiederum ist allein beim Lesen nicht eindeutig, ob Paulus selbst ein Gelübde ablegte oder nur die Opferkosten der Gelübde der vier Brüder bezahlte. Wir haben hier also entweder vier oder fünf Nasiräer an der Stelle der Bibel, ohne dass das Wort Nasiräer fällt. Man braucht mehr Informationen. Alle frühchristlichen Kommentare zu diesem Ereignis stimmen allerdings darin überein, dass Paulus hier wirklich auch selbst ein Nasiräergelübde ablegte, deswegen zählen wir ihn selbstverständlich dazu. Ansonsten widersprechen sie einander, und das hat folgenden Grund.

Im vierten Jahrhundert fand ein folgenschwerer Wendepunkt im Christentum statt: die Mehrheit der Christen wandten sich von der Lehre der Apostel und der Überlieferung der Alten ab und gingen neue Wege. Sie sahen die Apostel mit anderen Augen als es die Schüler der Apostel und deren Gemeinden in den vorherigen Jahrhunderten taten. Man nennt diesen Umschwung die Konstantinische Wende. Zwei Kirchenlehrer jener Zeit bezichtigen Paulus prompt der Heuchelei und Täuschung.

Der erste ist Johannes Cassianus (360-435), der schreibt:

Durch diese Beispiele belehrt, ermahnen auch der heilige Apostel Jakobus und alle die vornehmsten Vorsteher jener ersten Kirche den Apostel Paulus, zu Täuschung und Verstellung sich herbeizulassen, gemäß der Unbehilflichkeit des Schwachen, und bestimmen ihn, sich zu reinigen nach Gesetzesbrauch, das Haupt zu scheeren und Gelübde darzubringen. Den augenblicklichen Verlust, der aus dieser Verstellung entstand, hielten sie für Nichts, sondern sahen vielmehr auf den Gewinn, der aus seiner langen Predigt zu erreichen war. (Johannes Cassianus (360-435) Collationes patrum , Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern (BKV), Siebzehnte Unterredung, welche die zweite des Abtes Joseph ist, über das Entscheiden.20. Daß auch die Apostel häufig die Lüge für verzeihlich und die Wahrheit für schädlich hielten.)

Der zweite ist Hieronymus (347-420) und schreibt:

O Paulus, jetzt frage ich dich wieder: „Warum hast du dich scheren lassen? Warum bist du nach jüdischem Gebrauch barfuß gegangen? Warum hast du Opfer dargebracht? Warum wurden für dich dem Gesetze gemäß Tiere geopfert?“ Natürlich wirst du antworten! „Um die Juden nicht zu ärgern, die zum Glauben gekommen waren.“ Du hast dich also fälschlich für einen Juden ausgegeben, um die Juden zu gewinnen. Und Jakobus und die übrigen Ältesten haben dir zu dieser Heuchelei geraten. Und doch konntest du deinem Schicksal nicht entrinnen. Der Aufstand brach aus. Du wärest getötet worden, wenn der Tribun dich nicht in Schutzhaft genommen und unter scharfer militärischer Bedeckung nach Cäsarea gebracht hätte, damit dich die Juden nicht als einen Heuchler und Zerstörer des Gesetzes umbrächten. Von da kamst du nach Rom und hast in deiner Mietswohnung den Juden und Heiden Christus gepredigt, und dein Zeugnis ist durch das Schwert eines Nero bestätigt worden. (Hieronymus (347-420) Epistulae Briefe (BKV) VII. Briefe an Augustinus von Hippo 112. An Augustinus, 10.)

Cassianus und Hieronymus drücken den neuen Zeitgeist ihrer Zeit aus, und beide übersehen dabei aber wichtige Details:

Erstens dass nämlich nicht nur Paulus an „dieser Heuchelei“, wie sie es nennen, beteiligt war, sondern die Spitze der Urgemeinde und vier Brüder, die offenbar unabhängig von Paulus schon davor ein Nasiräergelübde ablegten und nun, da Paulus ankam, die Beendigung ihrer Gelübde dem Gesetz Moses entsprechend vollziehen wollten. Diese ganze Geschichte war also nicht spontan inszeniert worden, um Paulus mittels eines Theaterstücks, wo er als Schauspieler (Heuchler!) mitwirkte, die Haut zu retten. Sondern es gab vier Männer, die jeder ein Gelübde abgelegt hatten, und das erfordert schon eine gewisse Vorgeschichte bzw. Vorlaufzeit.

Zweitens wird extra erwähnt, dass sich tausende bekehrte Juden in der Urgemeinde in Jerusalem befanden, die aber nach wie vor „Eiferer für das Gesetz“ waren. Das war also eine für sie völlig normale Sache, dass die Judenchristen in Jerusalem das Gesetz eifrig hielten und daher auch Gelübde und die damit verbundenen Reinigungsopfer praktizierten. Das war keine Heuchelei der Christen in Jerusalem, sondern dem Umstand geschuldet, dass sie aus dem Judentum kamen und immer noch der Tempel stand. Das Christentum befand sich in einer Übergangszeit. Einerseits waren Christen im neuen Bund von Jesus Christus, andererseits standen Juden, die sich zum Christentum bekehrten, immer noch im alten Bund und hielten das Gesetz - sofern es nicht im Widerspruch mit der Lehre der Apostel stand - solange der Tempel stand. Für Heidenchristen, die nie unter dem Gesetz Mose standen, galten andere Regeln, wie auch in dem zitierten Text klar steht. Paulus und alle Brüder in Jerusalem waren aber Judenchristen und achteten selbstverständlich noch den Tempel und das Gesetz Moses, genauso wie das auch Jesus Christus selbst tat.

Drittens würde der Vorwurf der Heuchelei also praktisch die gesamte Urgemeinde samt ihrem Bischof Jakobus und dem Apostel Paulus einschließen, die aber alle vom Heiligen Geist inspiriert waren. Den Geist der Wahrheit mit dem Lügengeist zu vertauschen, ist schon ein ungeheuerlicher Vorwurf, der so überhaupt nicht zu Paulus und der Urgemeinde passt.

Viertens trat Paulus extra den langen, beschwerlichen Weg nach Jerusalem an, weil ihm der Heilige Geist zeigte, dass er dort gefangen genommen würde. Viele Geschwister, denen er auf dem Weg begegnete, wollten ihn davon abbringen, aber er ließ es nicht zu, sondern ging unbeirrt seinem Ende sehenden Auges entgegen aus Treue und Gehorsam zu seinem Herrn Jesus Christus. Warum sollte er dann, am Ziel angekommen, sich durch Heuchelei dem entziehen wollen und das auch noch unter Mitwirkung der Urgemeinde? Wer solche Vorwürfe erfindet, kann weder Paulus noch den Heiligen Geist kennen.

Fünftens übersehen Cassianus und Hieronymus, dass Paulus diese „Heuchelei“, wie sie es nennen, ja gar nicht tat, um sich zu retten, sondern damit „alle erkennen, dass nichts ist an dem, was über dich berichtet worden ist, sondern dass auch du ordentlich wandelst und das Gesetz hältst.“ Es ging also genau um das Gegenteil. Paulus wollte nicht etwas vortäuschen, sondern seine echte Herzenseinstellung beweisen, dass er nämlich immer noch - obwohl er Christ ist - auch ordentlich wandelt und das Gesetz hält! Diese Lektion haben nicht nur Cassianus und Hieronymus nicht verstanden, sondern leider bis heute viele andere ebensowenig, die behaupten, Paulus würde gegen das Gesetz lehren und leben. Mitnichten! Und genau jenen falschen Meinungen, wollte Paulus mit seiner Tat an diesem Tag den Mund stopfen. Es gelang aber nur teilweise. Die Juden in Jerusalem schien er schon überzeugt zu haben, aber dann kamen die Juden aus der Provinz Asien, die waren alte Feinde des Paulus, die ihn überall zu töten suchten und die wussten, dass Paulus mit unbeschnittenen Griechen Umgang pflegte, und wollten die Jerusalemer Juden gegen Paulus aufstacheln indem sie behaupteten, er hätte Unbeschnittene in den Tempel gebracht und damit den Tempel geschändet. Das war aber eine Lüge, genau wie der Rest der Anschuldigungen. Das verlogene Theaterstück wurde also in Wahrheit von den asiatischen Juden gespielt, nicht von Paulus. Hieronymus und Cassianus verdrehen die Tatsachen und offenbaren damit eigentlich den Geist, auf den sie hören, aber nicht den Geist, von dem Paulus getrieben wurde.

Ja, es stimmt, Paulus tat manchmal Dinge nur den Juden zuliebe, wie zum Beispiel, dass er seinen Schüler Timotheus beschneiden ließ. Aber das war nie Heuchelei. Er hat durch die Beschneidung von Timotheus nicht vorgetäuscht, dass er die Beschneidung als Bedingung für die Errettung sehen würde, sondern er tat das nur, damit er Timotheus in den Tempel und die Synagogen mitnehmen konnte, denn dort durften nur Beschnittene hinein. Das war keine Heuchelei, sondern ein Akt der Liebe zu den Juden, um sie zu erreichen. Ganz anders ist es aber Opfer zu bringen, wenn man nicht dahinter steht. Denn Opfer sind eine Gabe an Gott, damit würde Paulus letzten Endes Gott betrügen, wenn er die Opfer nicht von Herzen brächte. Eine Beschneidung hingegen ist nur ein Stückchen Haut entfernen, um bei den Juden Eintritt zu haben, sie ist keine gottesdienstliche Handlung im Heiligen Tempel und auch keine Heuchelei. Paulus lehrte sehr klar, was Beschneidung ist und was nicht. Und das widerspricht keineswegs dieser einen Beschneidung, die er an Timotheus vollzog. Wie der Schelm denkt, so spricht er. Der Vorwurf der Heuchelei fällt auf Hieronymus zurück und zeigt, wie Hieronymus in Wahrheit tickt, dass er Heuchelei überhaupt in Erwägung zieht, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Einem Paulus, einem Jakobus, die vom Heiligen Geist getrieben wurden bis zu ihrem Märtyrertod, fiel so etwas nie ein.

Ein anderer Zeitgenosse von Cassianus und Hieronymus sieht die Sache komplett anders und lobt Paulus für dessen feinfühliges, vorbildliches und demütiges Verhalten in der Geschichte. Es ist Chrysostomus, der Bischof von Konstantinopel. Er weiß, dass Paulus authentisch seiner eigenen Lehre treu geblieben ist und den Juden keinen Anlass zum Anstoß geben wollte, aber eben nur soweit es das Gewissen von Paulus erlaubte. Hier ein paar Auszüge aus dem langen Kommentar von Chrysostomos zur Apostelgeschichte:

„Und sie alle“, heißt es, „haben von dir erfahren“ - sie sagen nicht „gehört“, sondern katechethesan, das heißt, sie haben geglaubt und sind belehrt worden -, „dass du alle Juden, die unter den Heiden sind, den Abfall von Mose lehrst, indem du ihnen sagst, sie sollen ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach den Sitten wandeln.“ (v. 21) „Das Volk muss zusammenkommen; denn sie werden hören, dass du gekommen bist. So tue nun das, was wir dir sagen“ (V. 22, 23): Sie sagen dies als Rat, nicht als Befehl. „Wir haben vier Männer, die ein Gelübde auf sich geladen haben; nimm sie und reinige dich mit ihnen und sei mit ihnen im Bunde.“ Verteidige dich mit Taten, nicht mit Worten - „damit sie sich scheren lassen“, heißt es, „und alle wissen, dass das, was man ihnen über dich gesagt hat, nichts ist, sondern dass du selbst auch ordentlich wandelst und das Gesetz hältst“ (V. 23, 24): es heißt nicht „lehrst“, sondern,  „dass du selbst auch das Gesetz hältst.“ Denn das war natürlich nicht die Hauptsache, ob er andere nicht lehrte, sondern dass er selbst das Gesetz hielt.

„Was aber" könnte er sagen, „wenn die Heiden es erfahren? Ich werde sie beleidigen.“ Wie denn? sagen sie, da doch auch wir, die Lehrer der Juden, zu ihnen gesandt sind. „Von den Heiden, die glauben, haben wir geschrieben und festgestellt, dass sie nichts dergleichen halten, sondern nur, dass sie sich fernhalten von Götzenopfern, von Blut, von Ersticktem und von Unzucht.“ (V. 25.) Hier mit einer Art Ermahnung: Wie wir, sagen sie, ihnen geboten haben, obwohl wir Prediger der Juden sind, so sollst du, obwohl du Prediger der Heiden bist, mit uns zusammenarbeiten.

Beachte Paulus: Er sagt nicht: „Gut, aber ich kann Timotheus vorbringen, den ich beschnitten habe; gut, aber ich kann sie mit dem zufriedenstellen, was ich von mir zu sagen habe“ sondern er hat sich gefügt und alles getan, denn so war es in der Tat zweckmäßig zu tun. Denn es war die eine Sache, wirksame Maßnahmen zu ergreifen um sich selbst zu entlasten, und eine andere, diese Dinge zu tun, ohne dass jemand davon wusste. Die Tatsache, dass er sogar die Kosten trug, war ein Schritt, der allen Verdacht zerstreute. „Da nahm Paulus die Männer und ging am nächsten Tag mit ihnen in den Tempel, anzeigend dass die Tage der Reinigung vollendet waren, bis für jeden von ihnen ein Opfer dargebracht werden sollte.“ (V. 26.) „Anzeigend“, öffentlich anzeigend: so dass er es war, der sich bemerkbar machte. 

So als ob die Brüder ihm geraten hätten: „Es ist nicht genug, dass du dort nicht so gepredigt hast, sondern es war auch nötig, etwas mehr zu tun, damit die überzeugt werden, dass du das Gesetz hältst. Die Sache ist eine Sache der Herablassung, erschrecke nicht.“

Du hast deine Muster in der Heiligen Schrift. Denn, sagt Paulus, „überrede ich nun die Menschen oder Gott?“ (Gal.1,10) und wiederum: „Wir überreden die Menschen, aber wir werden Gott offenbart.“ (2 Kor. 5,11) Und Christus sprach so von denen, die Anstoß nehmen: „Laßt sie in Ruhe, sie sind blinde Blindenführer“ (Mt. 15,14); und wiederum: „Wehe euch, wenn alle Menschen gut von euch reden“ (Lk. 6,26); und wiederum: „Laßt eure Werke leuchten, damit die Menschen es sehen und euren Vater im Himmel verherrlichen.“ (Mt. 5,16.) Und: „Wer an einem dieser Kleinen Anstoß nimmt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in den Tiefen des Meeres ersäuft würde.“ (Mt. 8,6) Diese Sprüche sind nicht widersprüchlich, nein, sie sind überaus übereinstimmend. Denn wenn das Vergehen bei uns ist, dann wehe uns, aber wenn es nicht bei uns ist, nicht so. Und weiter: Wehe dem, durch den „der Name Gottes gelästert wird.“ (Röm. 2, 24)

„Und wie ist es möglich, in irgendetwas das Richtige zu tun und doch dem anderen die Hand zu reichen?“ Woher wollt ihr, dass ich Beispiele bringe - aus der Gegenwart oder aus alten Zeiten? Sollen wir nicht erst über dem Punkt sprechen, um den es jetzt geht? Paulus judaisierte in Jerusalem, aber in Antiochia nicht: er judaisierte, und sie waren beleidigt, aber sie hatten kein Recht, beleidigt zu sein. [..] Wenn es um ein rechtes Leben geht, was gibt es da zu beleidigen?

„Wenn das Fleisch“, sagt Paulus, „meinen Bruder beleidigt, so will ich kein Fleisch essen, solange die Welt besteht.“ (1.Kor. 8,13) Mit Recht: denn das Nichtessen hat ihm nicht geschadet. Wenn es ihn aber kränkt, dass ich der Welt entsagen will, so ist es nicht recht, ihn zu beachten. Und wen, wirst du fragen, kränkt dies? Viele, soweit ich weiß. Wenn also das Hindernis gleichgültig ist, dann lasst die Sache geschehen. Sonst, wenn wir nur darauf achten würden, niemand zu kränken, müssten wir vieles unterlassen; wie wir andererseits, wenn wir alle Einwände verachten würden, viele Brüder vernichten müssten. Denn auch Paulus hat sich im Voraus Gedanken über Anstoß gemacht. Denn es war mit keinem Verlust für ihn verbunden, eine böse Vermutung zu verhindern. Wenn wir aber in eine solche Notlage geraten, dass große Übel dadurch entstehen, dass der andere Anstoß daran nimmt, sollten wir uns nicht um ihn kümmern. Er hat es sich selbst zu verdanken, und wir sind jetzt nicht verantwortlich, denn es war nicht möglich, ihn zu verschonen, ohne uns selbst zu schaden.

Bei allen Gelegenheiten sollen wir uns in der Befolgung der Gesetze Gottes bemühen, keinen Anstoß zu geben, damit wir uns nicht verantworten müssen und uns von Gott Barmherzigkeit geschenkt wird durch die Gnade und Güte seines eingeborenen Sohnes, mit dem Vater und dem Heiligen Geist Ehre, Herrschaft und Ehre gebührt, jetzt und in Ewigkeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

(Johannes Chrysostomus (344-407) In acta apostolorum homiliae 1-55 (CCEL) A commentary on the Acts of the Apostles, Homily XLVI., Acts XXI. 18, 19, aus dem Englischen übersetzt und gekürzt)

 


Nasiräer heutzutage?

Es gibt auch heutzutage immer wieder Menschen, die sich Gott weihen oder als Gottgeweihte fühlen oder gar bezeichnen. An Gottes Gesetz des Nasiräers halten sie sich aber nicht und deswegen verdienen sie die Bezeichnung Nasiräer oder Gottgeweihter eigentlich nicht. Denn was Gott definiert hat, muss auch dem entsprechen. Es ist ja in Wahrheit auch gar nicht mehr möglich ein Nasiräergelübde so zu halten wie im Gesetz Moses geschrieben steht, weil der Tempel in Jerusalem längst nicht mehr steht und somit können die erforderlichen Opfer nicht mehr gebracht werden. Mit einer einzigen Ausnahme: ein lebenslanges Gelübde ist immer möglich, denn die Opfer sind ja nur bei der Beendigung vorgeschrieben, nicht beim Start.

Namentlich ist uns aber niemand bekannt, der solch ein Gelübde abgelegt hätte nach dem Tod der Apostel, und es dem Gesetz entsprechend befolgt(e). 

Die Rastafari-Bewegung, die in dem Zusammenhang gern genannt wird, kann man nicht als Gottgeweihte anerkennen, weil sie einen falschen Christus anbeten, nämlich Haile Selassie, und damit Gotteslästerung begehen. Wer einen falschen Gott anbetet, ist das Gegenteil von einem Heiligen, nämlich ein Diener des Teufels, und kann kein Gottgeweihter sein. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat (Johannes 5,23).

Auch kann man die Klosterbrüder und -schwestern, Priester, Mönche, Bischöfe, Kardinäle udgl. diverser Großkirchen nicht als Nasiräer sehen. Sie mögen vielleicht irgendwelche Gelübde ablegen und sich auf ihre Weise „Gott weihen“, halten aber nicht die Gesetze Gottes für Gottgeweihte, sondern brechen ganz im Gegenteil jedes einzelne davon praktisch täglich: sie schneiden sich die Haare, rasieren sich den Bart, trinken (Mess)Wein, salben Tote und nehmen an Begräbnissen teil oder leiten sie sogar.

Wenn unsere Leser aber jemand wissen, der wirklich ein Gelübde im Sinne des Gesetzes des Nasiräers lebt(e), mögen sie ihn uns nennen, und wir werden gerne darüber berichten.

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