Und exakt das selbe Bild ergibt sich im Neuen Testament. Jesus zog durch die Lande und verkündigte das Evangelium. Doch Er wurde nicht überall freundlich aufgenommen. Immer wieder wurde Er abgewiesen und sogar fortgejagt. Die „gute Nachricht“, die Er verkündete, war nicht überall willkommen. Schließlich wurde Er sogar dafür verspottet, gegeißelt und gekreuzigt. Und genauso erging es später Seinen Jüngern, allen voran den Aposteln. Auch sie wurden vertrieben, verfolgt, angespuckt, geschlagen, ausgepeitscht und hingerichtet, obwohl sie doch nur das Evangelium, also die „gute Nachricht“ verkündigten!? Aus Sicht der Überbringer der Nachricht war sie auch durch und durch gut. Aber die Empfänger sahen das oft ganz anders. Wie kann das sein?
Dazu muss man wissen, was das Evangelium war, das Jesus und Seine Jünger verkündigten. Denn heute werden oft ganz andere Evangelien verbreitet, unverfängliche, allgemein als gut angesehene Botschaften, wie etwa „Jesus liebt dich“ oder „du bist gerettet“ oder „du bist ein Kind Gottes“ oder „Gott segnet dich“. Niemand hätte je für solche Botschaften Prügel oder Folter einstecken müssen, auch nicht zur Zeit der Apostel. Aber kein Evangelist hat in der Bibel je solche Nachrichten verkündigt. Denn das sind Botschaften, die auf das Publikum abgestimmt sind, kundenorientierte Botschaften, die immer gut ankommen. Jesus und seine Apostel waren aber ganz anders ausgerichtet. Sie predigten nicht das, was die Leute hören wollten, sondern das, was Gott verkündigt haben wollte. Und das ist damals wie heute den meisten Menschen ein Ärgernis.
Sprachlich betrachtet fällt im Neuen Testament auf, dass es kaum zwei Deutsche Übersetzungen gibt, wo das Wort Evangelium in der selben Anzahl vorkommt (siehe Tabelle).
Wie oft kommt das Wort Evangelium im Neuen Testament der gängigsten Deutschen Bibelübersetzungen vor?
Übersetzung | Vorkommen „Evangelium“ | Vorkommen „Evangeliums“ | Vorkommen gesamt |
---|---|---|---|
Lutherbibel 2017 | 87 | 17 | 104 |
Elberfelder | 70 | 22 | 92 |
Hoffnung für alle | 0 | 0 | 0 |
Schlachter 2000 | 86 | 22 | 108 |
Die neue Zürcher Bibel | 87 | 21 | 108 |
Einheitsübersetzung 2016 | 90 | 21 | 111 |
Gute Nachricht | 0 | 0 | 0 |
Neue Genfer Übersetzung | 103 | 25 | 128 |
Neues Leben | 0 | 0 | 0 |
Neue Evangelistische Übersetzung | 40 | 16 | 56 |
Menge Bibel | 0 | 0 | 0 |
Das Buch | 1 | 0 | 1 |
Zum Vergleich: im Griechischen Grundtext kommt, je nach Textfamilie (darauf gehen wir hier nicht näher ein), das Wort euaggelion (εὐαγγέλιον, G2098) 77 bzw. 74-mal vor. Das Verb dazu, euaggelizō (εὐαγγελίζω, G2097), kommt weitere 61 bzw 52-mal vor. Beide Vorkommen zusammen also 138 bzw. 126.
Wenn wir uns diese Tabelle ansehen, fragen wir uns unwillkürlich „Was ist mit den Übersetzern los?" Während manche Übersetzer das Wort Evangelium mehr oder weniger fleißig einsetzen, meiden es andere offenbar wie die Pest und schreiben es kein einziges Mal. Aber niemand hält sich an den Grundtext, der das Wort häufiger enthält als praktisch alle deutschen Bibeln. Hat das noch mit übersetzen zu tun? An diesem einen Wort sieht man deutlich, dass es bei der Bibelübersetzungsarbeit vorwiegend um Theologie und/oder Ideologie des Verlages geht, aber nicht um wortgetreue Übersetzung der heiligen Schriften, bei denen doch jedes einzelne Wort Gewicht hat! Was die wahren Beweggründe der Übersetzer sind, werden wir frühestens dann wissen, wenn wir sie fragen, aber ein paar Hinweise kann man auch so gewinnen:
Eine Bibelübersetzung nennt sich selbst „Gute Nachricht“ und hat das Wort „Evangelium“ aus ihrem Wortschatz verbannt, sie schreibt stattdessen stets „Gute Nachricht“. Ähnlich verfährt die „Hoffnung für alle“, die meistens statt dem Wort Evangelium die Umschreibung „rettende Botschaft“ verwendet. Klingelt es? Hier dürfte der Zeitgeist die Übersetzungsarbeit vorgeben. Der Zeitgeist will alles immer nur positiv sehen (siehe auch Man muss immer das Positive sehen!), gerade im Christentum, und deswegen soll nur eine „Gute Nachricht“ oder „rettende Botschaft“ verbreitet werden. Dass das Evangelium für viele Menschen aber eine schreckliche, bedrohliche, schlechte Nachricht ist, das wird ausgeblendet. Und so wird der eigentliche Charakter des Evangeliums von Anfang an verzerrt.