Für die frühen Christen war dies jedoch kein Lippenbekenntnis, sondern die blanke Realität. Sie waren wirklich Bürger eines anderen Königreiches als die Menschen um sie herum, und die Römer nahmen zur Kenntnis, wie anders und eigentümlich diese Christen waren.
Der größte Teil dieses Vortrages wird nun nicht darin bestehen, dass ich die beiden Königreiche erkläre und was die Urchristen darüber glaubten. Es werden die Urchristen selbst sein, die uns allen erklären, was sie meinten und was sie glaubten.
Das erste Zitat, das ich vorbringen möchte, stammt von Origenes, geschrieben um das Jahr 248. Er schrieb als Antwort auf einen Heiden namens Celsus, der ein Werk gegen das Christentum verfasst hatte. Darin verunglimpfte Celsus die Christen und griff sie wegen ihrer Ansichten an. Dies ist ein äußerst wichtiges Werk, weil man erfährt, was die Heiden damals über die Christen sagten und wie die frühen Christen darauf reagierten.
Origenes schreibt:
Celsus ermahnt uns weiter, „wir sollten obrigkeitliche Ämter in der Vaterstadt übernehmen, wenn die Erhaltung der Gesetze und die Gottesfurcht auch dieses fordere“ (Origenes, Gegen Celsus (BKV), Achtes Buch, Kapitel 75)
Hier kritisiert der Heide Celsus also die Christen, indem er sagt sie sollten Ämter in den Regierungen ihrer Länder übernehmen, weil sie das nicht taten. Er würde sie nicht dafür kritisieren, hätten sie es ohnehin getan.
Origenes antwortet:
Wir aber wissen, daß in jeder Stadt [wörtlich: in jedem Staat] noch eine andere Heimatgemeinde [wörtlich: nationale Organisation. Leider trifft die BKV mit ihrer Übersetzung den ursprünglichen Sinn nicht wirklich, auf den sich aber David Bercot bezieht. Origenes benutzte absichtlich weltliche Begriffe um zu zeigen, dass die Christen sehr wohl ein „nationales“ Denken mit „nationalen“ Begriffen hatten, aber nicht im weltlichen sondern im christlichen Sinne. Die Christen dienten in nationalen christlichen Organisationen, die von Jesus Christus gegründet wurden, nicht in Ämtern, die von der weltlichen Staatsregierung gegründet wurden. Anm. des Übersetzers] durch das Wort Gottes gegründet ist, und ermahnen deshalb diejenigen, welche durch ihre Redegabe und sittliche Lebensführung zum Regieren fähig sind, die Gemeinden [wörtlich: Kirchen. Gemeint sind also nicht politische Gemeinden sondern christliche. Anm. des Übersetzers] zu leiten.... Wenn nun die Christen die Übernahme von staatlichen Ämtern ablehnen, so tun sie das nicht, um sich den gemeinsamen Dienstleistungen des bürgerlichen Lebens zu entziehen, sondern um sich für den göttlicheren und notwendigeren Dienst an der Kirche Gottes zum Wohle der Menschen zu erhalten. (Origenes, Gegen Celsus (BKV), Achtes Buch, Kapitel 75)
Mit dem „Wort Gottes“ meint er die Person Jesus Christus. Origenes bestreitet dies also nicht, indem er sagt: Oh nein, wir nehmen ja an der Regierung teil und bekleiden öffentliche Ämter!
Er sagt vielmehr: Du hast recht, wir tun das nicht, und der Grund dafür ist, dass wir sehen, dass es ein anderes Königreich gibt, das „in jedem Staat gegründet ist“, und unsere Führer sind Herrscher in diesem göttlichen Königreich. Sie leiten in diesem Königreich indem sie christliche Gemeinden regieren.
Auch die frühen Christen bezeugten und erkannten, dass zwischen diesen beiden Königreichen Feindschaft besteht. Die älteste Predigt, die uns außerhalb des Neuen Testaments vorliegt, wurde um das Jahr 150 n.Chr. gehalten und besagt Folgendes:
Die jetzige und die zukünftige Welt sind zwei Feinde. Die jetzige predigt Ehebruch, (sittliches) Verderben, Geldgier und Trug, die andere widersagt diesem. Wir können also nicht beider Freund sein; wir müssen dieser Welt entsagen und uns der anderen anschließen. (Zweiter Brief des Klemens von Rom an die Korinther (BKV), 6. Kap.)
Origenes hatte dies in einem anderen Werk um das Jahr 245 geschrieben:
Und es ist nicht möglich, dass jemand in das Himmelreich kommt, der sich nicht von den Angelegenheiten dieser Welt abgewandt hat und den kleinen Kindern, die den Heiligen Geist besitzen, gleich geworden ist. (Origenes Kommentar zum Matthäusevangelium, 13. Buch, Kap. 18 (ANF) (ca. 245, E), 9.485.)
Eine natürliche Folge von all dem ist, dass Sie, wenn Sie ein Bürger des himmlischen Reiches sind, sich natürlich nicht zu sehr für die Angelegenheiten des Reiches dieser Welt interessieren.
Tertullian, der um das Jahr 197 an die Römer schrieb, sagte:
Wir hingegen, die wir von dem Feuer der Ruhm- und Ehrsucht durchaus nichts empfinden, wir haben auch kein Bedürfnis einer Parteistiftung, und es ist uns nichts fremder als die Politik. (Tertullian, Apologetikum (BKV), 38. Kap.)
Jeder Eifer für Ruhm und Ehre ist in uns gestorben. Wir haben also keine dringende Veranlassung, an euren öffentlichen Versammlungen teilzunehmen. Es gibt auch nichts, was uns fremder wäre als die Staatsgeschäfte. (Tertullian, aus dem Englischen übersetzt (ANF) (c. 197, W), 3.46.)
Hier erklärt ein Christ den Römern, warum die Christen so anders sind als sie.
Wiederum schrieb Tertullian um das Jahr 197 an die Heiden:
Wir erkennen nur ein einziges Gemeinwesen für alle an, die Welt. Und sogar euren Schauspielen entsagen wir in demselben Maße, wie den Ursprüngen derselben, welche wir aus dem Aberglauben entnommen wissen, da wir auch den Dingen ganz fern stehen, wodurch sie sich vollziehen. Unsere Zunge, unser Auge, unser Ohr hat keine Beziehung zum Wahnsinn des Zirkus, zur Schamlosigkeit des Theaters, zu den Gräßlichkeiten der Arena, zu den Eitelkeiten der Fechthalle. […] Wodurch denn in aller Welt beleidigen wir euch, wenn wir uns andere Vergnügungen auswählen? (Tertullian, Apologetikum (BKV), 38. Kap.)
Könnte die Mehrheit der Christen das heute sagen? Könnten sie sagen: Wir sind anders als ihr und wir haben kein Interesse an euren Filmen, Dramen, Sport und dergleichen?
Nun, nein, das könnten wir nicht sagen. Die Welt würde sagen, wir würden lügen. Die Römer nannten sie nicht Lügner, sie nannten sie sonderbar. Sie sagten, sie seien Feinde der menschlichen Rasse.
Die ersten beiden Zitate von Tertullian stammen aus apologetischen Schriften, die er an die Römer schrieb, um das Christentum zu erklären. Das nächste Zitat stammt aus einem Brief an seine Mitchristen. Er sagte dies um das Jahr 210:
Solange du dich für einen Christen hältst, bist du ein anderer Mensch als ein Heide. Gib ihm seine eigene Sicht der Dinge zurück, da er sich ja auch nicht von der deinigen belehren lässt. Warum stütz Du Dich auf einen blinden Führer, wenn du selbst Augen hast? Warum lässt Du Dich von einem Nackten bekleiden, wenn du Christus angezogen hast? (Tertullian, Über die Auferstehung des Fleisches, Kap. 3, aus dem Englischen übersetzt (ANF) (c. 210, W), 3.547.)
Dies erinnert sehr an die Worte des Paulus, als er sagte:
„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden!“ (2. Kor. 5,17)
Dies stammt aus einem Brief, der von Cyprian von Karthago (einem Vorsteher oder auch Bischof genannt) um das Jahr 250 geschrieben wurde. Er sagte:
Wer Vertrauen erlangt und den alten Menschen abgelegt hat, der soll nur über himmlische und geistliche Dinge nachdenken, und der Welt, der er bereits entsagt hat, keine Beachtung mehr schenken. (Cyprian, Three Books of Testimonies Against the Jews, aus dem Englischen übersetzt (ANF) (c. 250, W), 5.535.)
Ein weiteres Zitat aus der Antwort des Origenes auf Celsus. Er schrieb:
Celsus fährt fort zu sagen: „Sie [gemeint sind die Christen] müssen sich zwischen zwei Alternativen entscheiden. Wenn sie sich weigern, den Göttern den gebührenden Dienst zu erweisen und diejenigen zu ehren, die über diesen Dienst gesetzt sind, dann sollen sie sich weder freien lassen noch eine Frau heiraten, noch sich auf irgendeine andere Art am Leben beteiligen, sondern sollen sie sofort mit aller Eile abreisen und keine Nachkommenschaft zurücklassen, damit eine solche Menschenrasse vom Angesicht der Erde ausgerottet wird.“ (Origenes, Gegen Celsus, 8.Buch, Kapitel 55, aus dem Englischen übersetzt (ANF) (c. 248, E), 4.660.)
Sehen Sie noch einmal, wie sehr sich die frühen Christen von der Welt um sie herum unterschieden, und sehen Sie den Kontrast zwischen den bekennenden Christen von heute und den Christen damals, als das Christentum noch neu war?
Wie ich bereits erwähnt hatte, erkannten die frühen Christen, dass man diese beiden Königeiche nicht vermischen kann. Man kann nicht versuchen, ein Freund dieser Welt und ein Freund des Königreiches Gottes zu sein. Man kann nicht zwei Herren dienen.
Tertullian schrieb um das Jahr 195:
Aber auch die Kaiser hätten an Christus geglaubt, wenn entweder die Kaiser nicht für die Welt notwendig gewesen wären oder anderseits die Christen Kaiser hätten sein können. (Tertullian, Apologetikum, 21.Kapitel, aus dem Englischen übersetzt (ANF) (c. 195, W), 3.35.)
Man beachte, dass er einräumt, dass Christen natürlich keine Kaiser sein können. Man kann nicht gleichzeitig ein Teil des Königreiches Gottes und ein Teil des Königreiches dieser Welt sein.
In den Apostolischen Konstitutionen, die um das Jahr 390 aus Material zusammengestellt wurden, das viel früher geschrieben wurde, heißt es:
23. Wenn ein Bischof sich weltlicher Machthaber bediente, um durch sie in den Besitz der Kirche zu gelangen, so soll er abgesetzt und exkommuniziert werden und Alle, die mit ihm verkehren. (Die kirchlichen Canones der hl. Apostel, 23 (BKV), (zusammengestellt um 390, E), 7.501.)
Obwohl die Zusammenstellung dieser Kirchenordnung nach Konstantin geschah, gab es also immer noch das Verständnis, dass die Kirche vom Reich dieser Welt getrennt ist. Diese Trennungslinie ging zwar schnell verloren, aber direkt nach Konstantin war sie immer noch die Auffassung der Christen. Wenn man irgendwie das Amt eines Bischofs oder Aufsehers durch die Herrscher dieser Welt erlangt, wird man aus der Kirche exkommuniziert, ebenso wie jeder, der mit einem in Gemeinschaft steht. Wäre dies 100 Jahre später geschehen, wäre fast die gesamte Kirche (d. h. alle, die sich als Christen bekennen) exkommuniziert worden.