• Und warum die meisten sich in dieser Frage irren
Christus am Kreuz, gemalt von Tizian
Christus am Kreuz, gemalt von Tizian

Wenn ich jemand vergebe, dann foltere ich ihn nicht und schon gar nicht töte ich ihn. Ich erwarte auch nicht, dass ein anderer für ihn gefoltert und hingerichtet wird, damit ich vergeben kann. Und von wem habe ich diese Meinung? Von Jesus!

Da trat Petrus zu ihm und sprach: Herr, wie oft soll ich meinem Bruder vergeben, der gegen mich sündigt? Bis siebenmal?
Jesus antwortete ihm: Ich sage dir, nicht bis siebenmal, sondern bis siebzigmalsiebenmal! (Mt 18,21+22)

Doch Jesus fügte nicht hinzu: „Aber foltere und kreuzige ihn bitte jedes Mal, sonst wirkt die Vergebung nicht“. Im Gegenteil, Jesus beginnt das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht zu lehren:

Darum gleicht das Reich der Himmel einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Und als er anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der war 10.000 Talente schuldig. Weil er aber nicht bezahlen konnte, befahl sein Herr, ihn und seine Frau und seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und so zu bezahlen. Da warf sich der Knecht nieder, huldigte ihm und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, so will ich dir alles bezahlen! Da erbarmte sich der Herr über diesen Knecht, gab ihn frei und erließ ihm die Schuld. Als aber dieser Knecht hinausging, fand er einen Mitknecht, der war ihm 100 Denare schuldig; den ergriff er, würgte ihn und sprach: Bezahle mir, was du schuldig bist! Da warf sich ihm sein Mitknecht zu Füßen, bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, so will ich dir alles bezahlen! Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war. Als aber seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt, kamen und berichteten ihrem Herrn den ganzen Vorfall. Da ließ sein Herr ihn kommen und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest; solltest denn nicht auch du dich über deinen Mitknecht erbarmen, wie ich mich über dich erbarmt habe? Und voll Zorn übergab ihn sein Herr den Folterknechten, bis er alles bezahlt hätte, was er ihm schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn ihr nicht jeder seinem Bruder von Herzen seine Verfehlungen vergebt.

Jesus verurteilt in dem Gleichnis also jenen unbarmherzigen Knecht, der sich mit Gewalt Vergeltung an seinem Mitknecht verschafft anstatt großzügig zu vergeben, weil ihm sein Herr alle Schuld erlassen hat. Und Jesus stellt uns Gott als einen barmherzigen König vor, der von Herzen alle Schuld kostenlos erlässt. Das ist Vergebung. Vergeben und vergelten widersprechen einander in den Augen Gottes. Das drückt Jesus aus. Wir sollen weder auf Rache sinnen, noch Vergeltung üben, weil wir einen barmherzigen Vater im Himmel haben, der uns die Schuld erlassen hat. Deswegen sollen wir auch allen Menschen vergeben. Aber zu Ostern soll dann plötzlich das Prinzip und Gott selbst sich ins Gegenteil drehen und Vergebung findet auf einmal nur durch Blutvergießen, Ungerechtigkeit, Bosheit und Mord statt? Wer predigt denn das? Jesus predigt es nicht und Seine Aposteln predigen es auch nicht. Aber andere Menschen predigen es. Doch von wem haben sie die Botschaft, die sie predigen?

„Aber steht denn nicht in der Bibel, dass Jesus für unsere Sünden starb?“, fragen mich jetzt vielleicht welche. Ich stelle zwei Gegenfragen: Erstens: Auf welche Sünden steht denn laut dem Gesetz Moses die Todesstrafe? Zweitens: Welche Art der Hinrichtung fordert Moses Gesetz? Lesen und forschen sie bitte im Alten oder Neuen Testament, ob es irgendeine Sünde gibt, die Gott mit Kreuzigung bestraft. Und ob es irgendeine Sünde gibt, wegen der man gegeißelt werden soll? Und um das Ganze noch mehr zu erhellen, verrate ich vorweg, dass es Sünden gibt, die laut dem Gesetz Moses gar nicht mit dem Tod bestraft werden. Diebstahl zum Beispiel. Wieso musste Jesus sterben für Sünden, die gar nicht mit dem Tod zu bestrafen sind? Und wenn Gott nach Seinem Gesetz keine einzige Sünde mit Kreuzigung bestraft, wieso musste dann Jesus gekreuzigt werden? Leider stellen sich viel zu wenige Menschen solche Fragen, sondern begnügen sich mit ihrem Gottesbild, auch wenn es widersprüchlich ist.

Im Laufe der Jahrzehnte meiner Beobachtungen wurde mir immer klarer, dass Menschen oft Gott falsch verstehen und an ein falsches Gottesbild glauben, eines, dass sie sich entweder selbst zurechtlegten oder sich von jemand einreden ließen. Das war eigentlich mit ein Grund, warum Gott selbst Mensch wurde und den Menschen erschien und sie lehrte, wie Gott wirklich ist und was Gott wirklich von ihnen möchte. Ein sehr weiser und gottesfürchtiger Mann drückte das treffend einmal so aus:

Wäre unser Lehrer, das Wort, nicht Mensch geworden, so hätten wir auf keine andere Weise lernen können, was Gottes ist. Denn kein anderer konnte uns vom Vater erzählen als sein eigenes Wort. „Wer hat nämlich sonst den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sonst sein Ratgeber geworden?“ Auch konnten wir es nicht anders lernen, als indem wir unsern Lehrer sahen und mit unsern Ohren seine Stimme hörten, auf daß wir „die Nachahmer seiner Werke und die Vollbringer seiner Worte geworden“, die Gemeinschaft mit ihm hätten, indem wir von dem Vollkommenen und dem, der vor aller Schöpfung da war, den Zuwachs empfingen. Wir sind ja eben erst geworden, von dem allein Guten und sehr Guten und dem, der Unvergänglichkeit schenken kann, nach seinem Ebenbild erschaffen, vorausbestimmt, zu sein, als wir noch nicht waren, nach dem Vorauswissen des Vaters, „zum Anfang der Schöpfung“ gemacht. (Irenäus von Lyon (130-202) , Gegen die Häresien (BKV), Fünftes Buch, 1. Kapitel)

Wenn wir wissen wollen, wie Gott wirklich ist, müssen wir uns also von Jesus belehren lassen. Jesus selbst formulierte das so:

Niemand erkennt den Vater als nur der Sohn und der, welchem der Sohn es offenbaren will. (Mt 11,27)

Dazu müssen wir zuallererst in die Bibel schauen, denn sie enthält viele Bücher, die uns die Wahrheit über Jesus sagen, Sein Leben, Seine Lehre, eben alles, was Er uns über den Vater offenbart. Allen voran die vier Evangelien. Matthäus berichtet von einer aufschlussreichen Begebenheit: 

Und siehe, da brachten sie einen Gelähmten zu ihm, der auf einer Liegematte lag. Und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben! Und siehe, etliche der Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Dieser lästert! Und da Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr Böses in euren Herzen? Was ist denn leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben!, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Sohn des Menschen Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben — sprach er zu dem Gelähmten: Steh auf, nimm deine Liegematte und geh heim! Und er stand auf und ging heim. Als aber die Volksmenge das sah, verwunderte sie sich und pries Gott, der solche Vollmacht den Menschen gegeben hatte. (Mt 9,2-8)

Es ist eine wahre Begebenheit aus dem sehr frühen Wirken Jesu, die uns auch noch zwei andere Evangelisten überlieferten (Markus 2,1-12 und Lukas 5,17-26). Was aber fällt auf? Noch bevor Jesus den Gelähmten von seiner Krankheit heilt, vergibt Er ihm unaufgefordert seine Sünden! Einfach so! Da wird niemand geschlagen, niemand gekreuzigt, fließt kein Blut. Die Begebenheit spielt sich auch nicht nach Jesu Kreuzigung ab, sondern viele Jahre davor! Wenn man weiß, wie lange Jesus wirklich lehrte (das haben wir in diesem Beitrag erörtert), ist das umso erstaunlicher. Jesus hatte es also gar nicht eilig ans Kreuz zu gehen, damit er Sünden vergeben kann. Er vergab sie schon lange davor, einfach so. Mit Absicht: „Damit ihr aber wisst, dass der Sohn des Menschen Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben“. Diese Lektion haben leider bis heute viele nicht verstanden. Jesus hatte von Gott die Vollmacht bekommen, auf Erden Sünden zu vergeben. Und das völlig unabhängig von der Kreuzigung, die Jesus hier ja nicht mal mit einer Silbe erwähnt und die erst viel später stattfinden sollte. Jesus brauchte sie nicht zur Sündenvergebung. Denn wer allein vergibt in Wahrheit die Sünden? Gott allein! Und auch Gott braucht dazu kein Blutvergießen und schon gar nicht Jesu Blut! Denn bereits im Alten Testament vergab Gott Sünden ohne Blutvergießen, Jahrtausende vor Jesu Opfertod.

Nebenbei bemerkt wollte Gott auch die Tieropfer eigentlich nicht und verschmähte Er diese Opfer sogar des öfteren und nahm sie gar nicht an. Das kann man alles im Alten Testament nachlesen. Hier exemplarisch nur paar Stellen:

Samuel aber sprach zu Saul: Hat der HERR dasselbe Wohlgefallen an Schlachtopfern und Brandopfern wie daran, dass man der Stimme des HERRN gehorcht? Siehe, Gehorsam ist besser als Schlachtopfer und Folgsamkeit besser als das Fett von Widdern! (1.Sam 15,22)

Doch du bist der Gott, der Sünden vergibt, der barmherzig und mitleidig, langmütig und voll Erbarmen ist (Esdras 19,17)

Welcher Gott ist wie du, ein Gott, der Vergehen wegnimmt und Gottlosigkeit übergeht bei den Übriggebliebenen seines Erbbesitzes. Er hielt nicht fest zum Zeugnis seinen Zorn, weil er Gefallen hat an Erbarmen. (Micha 7,18)

Denn Erbarmen will ich und nicht Opfer, Gotteserkenntnis eher als Rauchopfer. (Hosea 6,6)

Wie kann also ein Gott, der Gefallen hat an Erbarmen, gleichzeitig Gefallen haben an Folter, Blutvergießen und Mord?

Jesus selbst zitierte Hosea und wies Seine Zuhörer an:

Geht aber hin und lernt, was das heißt: »Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer« (Mt 9,13)

Lernen wir daraus? Wie kann ein Gott, der Erbarmen will und nicht Opfer, den unbarmherzigen Opfertod seines Sohnes wollen? Gar nicht! Nirgendwo in der Bibel wird man auch nur einen Satz finden, der sagt, dass Gott an der grausamen Hinrichtung seines Sohnes Gefallen hatte (allen, die an der Stelle Jesaja 53,10 vorbringen möchten, empfehle ich zuerst zu überprüfen, ob der Wortlaut, den sie kennen, überhaupt von Gott ist. Wie das geht, zeige ich hier, wo ich jeden Vers aus Jesaja 53 prüfe und beweise, welcher Text vom Heiligen Geist bestätigt ist: Herr, wer glaubte unserer Botschaft?) und erst danach endlich den Menschen ihre Sünden vergeben konnte. Wieso wird die Geschichte dann aber heute oft so erzählt? Und warum musste Jesus dennoch so grausam leiden und sterben? Wieso verhinderte Gott das dann nicht, wenn Er es nicht wollte?

Das sind sehr gute Fragen und auf alle gibt uns das Wort Gottes die richtigen Antworten. Es lohnt sich also, dranzubleiben.