Über das Alter Jesu tummeln sich nur so die verschiedensten Meinungen. Und da darf man mit Recht fragen: Was stimmt? Genau dieser Frage wollen wir hier nachgehen, indem wir uns anschauen, welche Meinungen es gibt, worauf diese gegründet sind, und was die frühen Christen zu diesem Thema sagen.
Einleitend muss man eine allgemeine Betrachtung anstellen, wie man das Alter eines Menschen bestimmt. Dazu gibt es zwei moderne Methoden: Erstens macht man das anhand der Geburts- und Sterbeurkunde. Im Fall von Jesus Christus gibt es weder noch. Die zweite Methode wäre die wissenschaftliche Untersuchung des Leichnams, der Zähne oder wenigstens der Knochen. Auch diese gibt es von Jesus Christus aus gutem Grund nicht. Was bleibt also übrig? Man sucht andere Anhaltspunkte und stellt anhand von Vermutungen Berechnungen an, die man aber eher nur vage Schätzungen nennen kann. Was auf den ersten Blick wie Wissenschaft aussieht, entpuppt sich bald als Spekulation.
Wenn man heute im Internet zu diesem Thema recherchiert, findet man hauptsächlich, dass Jesus zwischen 30 und 33 n. Chr. gestorben sein soll. Viele gehen dann anscheinend davon aus, Jesus wäre genau im Jahre 0 geboren und so kommt es zu dem heute beliebten Alter von 33 Jahren. Ich schreibe deswegen in der Möglichkeitsform da ich, trotz intensiver Recherche keine Begründung dafür fand, wie man auf das Alter 33 kommt. Vielmehr fand ich, wie schon oben erwähnt, Er sei im Jahre 33 n. Chr. gestorben, aber zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren. Man muss kein Rechengenie sein, um auf einen Blick sehen zu können, dass man mit diesen Zahlen nicht so leicht auf 33 kommt. So wird gesagt, Jesus muss zwischen 33 und 40 Jahren gewesen sein, als er gekreuzigt wurde.
Aber was sind denn die Begründungen für das Todesjahr 30-33 n. Chr.? Die Begründungen sind folgende:
- Paulus konvertierte ca. 33 n. Chr. zum Christentum und, wie wir wissen, war Jesus schon längst gekreuzigt als sich Paulus bekehrte. Worauf aber diese Jahreszahl begründet ist, haben wir nicht gefunden. Somit ist dies keine stichfeste Begründung. Und außerdem fehlt eine Angabe, wie viele Jahre zwischen Jesu Kreuzigung und der Bekehrung von Paulus zu berechnen ist.
- Sie beziehen sich auf das Alter bei Jesu Taufe, das gemäß Lukas ungefähr 30 Jahre war (Lk 3, 23), im Zusammenhang mit der Stelle in Daniel 9, 24-27. Da sie aber einfach eine Stelle aus dem Zusammenhang rausreißen und für ihre Lehre verdrehen, ist dies nicht einmal ansatzweise ein Grund. Um Daniel so wie sie das wünschen auszulegen, braucht man übrigens die richtige Übersetzung, denn mit der Septuaginta kann diese Stelle nicht so leicht für diese Lehrmeinung verdreht werden.
- Die Wissenschaft hat im Gestein in der Nähe von Jerusalem herausgefunden, dass es zwischen 26 und 36 n. Chr. ein schweres Erdbeben gegeben hat. Ihre Ergebnisse verglichen sie dann mit den Texten aus dem neuen Testament, dem jüdischen Kalender und weiteren astronomischen Daten. Daraus errechneten sie für den Todestag Jesu den 3. April 33. Wie wir wissen bebte nach Jesu Tod die Erde (Mt 27, 54). So sind das die ersten Zahlen, die eine nachvollziehbare Begründung haben. Aber auch diese Zahlen sind zum einen Teil Annahmen und zum anderen fand ich keine Angaben welche Stellen sie aus dem neuen Testament heranzogen und welchen astronomischen Zahlen sie diesen zuordneten. So ist das zwar schon eine bessere Begründung, aber noch keine befriedigende.
- Pontius Pilatus vollzog sein Amt als Statthalter angeblich von 26-36 n. Chr. Diese Zahlen kommen mir bekannt vor. Aja das Erdbeben hatte genau dieselben Zahlen. War er vielleicht das Erdbeben? Nein! Spaß beiseite. Aber warum treibe ich einen Spaß mit den Zahlen? Weil auch hier keine Beweise vorliegen. Dazu sollte man erwähnen, dass die historische Existenz von Pontius Pilatus von etlichen modernen Historikern sogar lange bezweifelt wurde, weil sie keinen archäologischen Hinweis dafür fanden. Die Textzeugen der biblischen Autoren, frühen Christen und Historiker wie Josephus reichten ihnen offenbar nicht. Sie wollten etwas ausgraben können und in Händen halten. Dann fand man bei Ausgrabungen 1961 einen Ziegelstein in Cäseräa mit dem passenden Namen und Titel. Und schon will man auf einmal genau wissen, wann Pilatus amtierte? Es sind eher Vermutungen.
Was kann man also zu dem Datum 30-33 n. Chr. sagen? Es gibt keine Beweise. Es wird vielmehr mit unbegründeten Begründungen begründet. Ein bisschen verwirrend vielleicht, aber lasst das mal durch den Kopf gehen. Auf den ersten Blick scheint das alles doch ganz logisch und wissenschaftlich, aber anstatt Fragen zu beantworten, werden noch mehr Fragen aufgeworfen! (Wer meint, er habe Beweise für eine der Begründungen, der kann uns gerne umgehend kontaktieren).
Warum aber kommt man nicht zu akzeptablen Ergebnissen? Weil man die Sache falsch angeht und die falschen Leute fragt bzw. das Falsche sucht. Wieso verbeißen wir uns nach 2000 Jahren auf geschätzte Daten und probieren diese verkrampft zu beweisen? Selbst die Rechnung ist nicht korrekt, dass Jesus im Jahre 0 geboren sein soll. Es ist längst bekannt, dass der Mönch, der diese Jahreszahl im Mittelalter ausrechnete, es zwar gut meinte, sich aber irrte. Jesus muss viel früher geboren worden sein als „im Jahr des Herrn“, sonst gehen sich die geschichtlichen Ereignisse in der Bibel rund um Seine Geburt alle nicht aus, etwa der Kindermord in Bethlehem. Aber Hauptsache wir schreiben das Jahr 2022 „nach Christus“ und halten das für gegeben. Es ist so typisch Mensch.
Wie aber haben es die frühen Christen gelehrt und verstanden?
Irenäus, der Schüler Polykarps von Smyrna, dessen Lehrer der Apostel Johannes war, also einer, der noch die Worte Johannes persönlich hörte, schrieb fünf Bücher gegen die Häresien (Irrlehren). Unser Glück ist es, dass schon damals Irrlehren über das Alter Jesu im Umlauf waren, denn so haben wir einen frühchristlichen Beweis und eine Begründung wie alt Jesus wurde. Lest weiter und staunet.
Eine damals beliebte Irrlehre zu dem Alter von Jesus kam von den Gnostikern. Sie meinten, Jesus wurde mit 30 Jahren getauft und lehrte daraufhin nur noch ein weiteres Jahr. Irenäus schreibt darüber folgendes:
Sehr verwundern muß man sich jedoch, wie die, welche von sich behaupten, daß sie die tiefsten Geheimnisse Gottes gefunden hätten, in den Evangelien nicht geforscht haben, wie oft nach der Taufe der Herr zur Osterzeit nach Jerusalem hinaufgestiegen ist, wie es bei den Juden Sitte war, jedes Jahr zu dieser Zeit aus allen Gegenden in Jerusalem zusammenzukommen und dort das Osterfest zu feiern. Das erstemal zog er zum Osterfeste hinauf, wie er zu Kana in Galiläa Wasser in Wein verwandelte, bei welcher Gelegenheit geschrieben steht: „Und viele glaubten an ihn, da sie die Zeichen sahen, welche er wirkte“. So ist bei Johannes, dem Jünger des Herrn, zu lesen. Nachdem er von dort sich zurückgezogen, findet man ihn in Samaria wieder, wo er mit der Samaritanerin das Gespräch hatte und den Sohn des Hauptmannes von ferne durch sein Wort heilte, indem er sprach: „Geh hin, dein Sohn lebt!“. Darauf stieg er zum zweitenmal wiederum zum Osterfeste hinauf nach Jerusalem, als er den Gichtbrüchigen, der achtunddreißig Jahre am Schwemmteiche gelegen hatte, heilte, indem er ihm befahl, aufzustehen, sein Bett zu nehmen und zu gehen. Darauf zog er auf das andere Ufer des Galiläischen Meeres, sättigte dort mit fünf Broten jene große Menge, die ihm dorthin gefolgt war, wobei noch zwölf Körbe mit Brosamen übrig blieben. Als er dann Lazarus von den Toten auferweckt hatte und die Pharisäer ihm nachstellten, zog er sich nach der Stadt Ephrem zurück, von wo aus er sich sechs Tage vor dem Osterfest nach Bethanien begab, um von dort nach Jerusalem hinaufzusteigen, das Osterlamm zu essen und am Tage darauf zu leiden. Daß aber diese drei Osterfeste nicht ein Jahr sind, wird ein jeder wohl zugeben. Sollten aber die, welche alles zu wissen sich brüsten, nicht wissen, daß der Monat, in welchem der Herr das Pascha gefeiert und gelitten hat, nicht der zwölfte, sondern der erste ist, dann mögen sie es von Moses lernen. Falsch also ist ihre Erklärung vom Jahr und vom zwölften Monat, und sie müssen entweder diese oder das Evangelium verwerfen. — Wie hätte außerdem der Heiland nur ein Jahr gepredigt? (https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1306/versions/gegen-die-haresien-bkv/divisions/324, Irenäus gegen die Häresien, 2. Buch 22, 3)
Wir erfahren hier also, dass die Gnostiker sich einbildeten, dass sie die tiefsten Geheimnisse Gottes kannten, aber nicht mal die Evangelien vollständig lasen. Das hört sich für mich sehr modern an. Jedenfalls erfahren wir hier von Irenäus, dass die Gnostiker das Alter von Jesus anhand der Dauer Seiner Lehrtätigkeit ausrechneten, die sie zum Alter bei Seiner Taufe addierten. Klingt auf den ersten Blick wie ein Plan. Er scheitert aber daran, dass sie der Meinung waren, dass Jesus nur ein einziges Jahr lang lehrte (heute vertreten übrigens immer noch einige Menschen diese Meinung). Diese Meinung leiteten sie aus ihrer Zahlenmystik ab, und demnach musste Jesus im zwölften Monat Seiner Lehrtätigkeit sterben - doch das ist sicher falsch, nämlich viel zu kurz. Den ersten Beweis, warum Jesus nicht nur ein Jahr gelehrt haben konnte, liefert uns Irenäus im vorigen Abschnitt: Jesus war nach Seiner Taufe mindestens 3-mal beim Osterfest. Das Osterfest fand aber nur einmal im Jahr statt. Dies steht alles in der Bibel. Vielleicht denken nun ein paar von euch, wenn Jesus mit ungefähr 30 Jahren getauft wurde und dreimal das Osterfest feierte, dann kommt das mit den 33 Jahren ja gut hin. Seht euch an, was Irenäus weiter schreibt:
Mit dreißig Jahren wurde er getauft, dann kam er in dem für einen Lehrer richtigen Alter nach Jerusalem, so daß er mit Recht von allen Lehrer sich nennen hörte. Denn nicht schien er ein anderer zu sein, als er war, wie es die möchten, die ihn als eine bloße Erscheinung auffassen, sondern was er war, das schien er auch.
Da er also als Lehrer auftrat, hatte er auch das Alter des Lehrers, indem er die menschliche Natur weder verschmähte, noch überholte, noch in sich das Gesetz des menschlichen Geschlechtes aufhob, sondern jedes Alter durch die Ähnlichkeit mit ihm heiligte. Ist er doch gekommen, um alle zu retten, alle, die durch ihn für Gott wiedergeboren werden, die Säuglinge und die Kleinen, die Kinder, die Jünglinge und die Greise. So durchlebte er jedes Lebensalter, wurde den Säuglingen zuliebe ein Säugling und heiligte die Säuglinge; wurde den Kindern zuliebe ein Kind und heiligte die, welche in diesem Alter stehen, indem er ihnen das Vorbild der Frömmigkeit, der Gerechtigkeit und des Gehorsames gab; wurde den Jünglingen zuliebe ein Jüngling, wurde ihnen ein Vorbild und heiligte sie für den Herrn. So wurde er auch den Männern zuliebe ein Mann, um allen ein vollkommener Lehrer zu sein, nicht nur, indem er die Wahrheit vortrug, sondern auch dem Alter nach, indem er auch die Männer heiligte, indem er ihnen zum Vorbild wurde. Und schließlich schritt er auch zum Tode, damit er, der Erstgeborene aus den Toten, auch selbst in allem den Vorrang behaupte. Er, der Fürst des Lebens und der erste von allen, wollte auch allen voranleuchten.
Um aber ihre Phantasterei in betreff des „Gnadenjahres des Herrn“ zu bestätigen, sagen sie, er habe nur ein Jahr gepredigt und im zwölften Monat gelitten. So vergessen sie ihre eigne Lehre, der Mensch müsse alles durchmachen und streichen aus seinem Leben das notwendigste und ehrenvollste Alter, jenes nämlich, in dem er als Lehrer allen voranleuchtete.
Wie soll er denn Schüler haben, wenn er nicht gelehrt hat? Denn als er zur Taufe kam, hatte er die Dreißig noch nicht vollendet, so nämlich gibt Lukas seine Jahre an, indem er schreibt: „Jesus aber war ungefähr ins dreißigste Jahr gehend“. Nach der Taufe hat er nur noch ein Jahr gepredigt und gelitten, nachdem er das dreißigste Jahr vollendet hatte? Damals war er erst ein Jüngling, der das Alter der Reife noch nicht erreicht hatte.
Allgemein aber gilt das dreißigste Jahr erst als der Anfang der Reife, die sich bis in das vierzigste Jahr erstreckt. Vom vierzigsten bis zum fünfzigsten Jahr reicht das Alter der Vollendung, welches unser Herr hatte, als er lehrte. Das bezeugen das Evangelium und die Priester in Kleinasien, die es so von Johannes, dem Schüler des Herrn, empfangen haben. Dieser aber blieb mit ihnen zusammen bis zu den Zeiten Trajans. Manche aber von ihnen haben nicht nur Johannes, sondern auch andere Apostel gesehen und dieses ebenso von ihnen empfangen und sind dafür Zeugen. Wem soll man nun mehr glauben? Ihnen oder dem Ptolemäus, der die Apostel niemals gesehen hat, ja nicht im Traume einmal zu den Füßen eines Apostels gesessen hat? (https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1306/versions/gegen-die-haresien-bkv/divisions/325; Irenäus gegen die Häresien 2. Buch 22, 4. u. 5.
Diese Frage sollten wir uns auch stellen: Wem soll man nun mehr glauben? Menschen, die Jahrtausende später leben und weder Jesus noch Seine Apostel je persönlich sahen, aber dafür „die Wissenschaft“ verkörpern, die sich oft selbst widerspricht oder jedenfalls irrt, oder den frühen Christen, die noch die Aposteln sahen oder von deren Schülern persönlich unterrichtet wurden und die die Kultur und Sprachgepflogenheiten der Juden zur Zeit Jesu kannten und miterlebten?
Irenäus war der Schüler eines direkten Schülers des Apostel Johannes und kannte noch jede Menge Leute, die ebenfalls Johannes sahen und von ihm unterrichtet wurden und konnte so auf deren Wissen und Lehre unterbrechungsfrei zurück greifen. So erfahren wir nun von ihm einige interessante Fakten, die in der damaligen Zeit galten. So galt man bis zum 30. Lebensjahr als ein Jüngling. Das war damals „allgemein“ bekannt. Heute offenbar nicht mehr. Danach fing man erst an zu reifen bis man zur Vollendung kam, die mit den 40er Jahren begann und bis zum 50. reichte. In diesem letzten Reifestadium befand sich Jesus, das heißt, Er muss mindestens 40 Jahre alt gewesen sein. Aber das ist ja noch nicht alles:
Haben doch die Juden selbst, die damals mit unserm Herrn Jesus Christus sich stritten, ganz offenkundig dieselbe Ansicht gehabt. Als nämlich der Herr zu ihnen sprach: „Abraham, euer Vater, frohlockte, meinen Tag zu sehen, er sah ihn und freute sich“, da antworteten sie ihm: "Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?“. So spricht man zutreffenderweise von dem, der die fünfundvierzig schon überschritten, das fünfzigste Jahr aber noch nicht erreicht hat, aber immerhin nicht mehr weit davon entfernt ist. Von einem, der erst dreißig Jahre alt ist, müßte man doch sagen: „Du bist noch nicht vierzig Jahre alt.“ Die ihn einer Lüge überführen wollten, die werden ihm doch nicht so viele Jahre mehr zulegen, als er offensichtlich hatte, sondern sein Alter möglichst genau angeben, sei es, daß sie es genau aus den amtlichen Listen wußten, oder sei es, daß sie ihn nach dem Augenschein für älter als vierzig, nicht bloß als dreißig halten mußten. Man kann doch vernünftigerweise nicht annehmen, daß sie ihm zwanzig Jahre hinzulogen, indem sie nachweisen wollen, daß er zu Abrahams Zeiten noch nicht gelebt habe. Wie sie ihn sahen, so sprachen sie auch. Wie er aber aussah, so war er auch der Wahrheit nach. Also war er nicht mehr weit von fünfzig, und deswegen sprachen sie zu ihm: „Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?“ Folglich hat er nicht bloß ein Jahr gepredigt, und im zwölften Monat gelitten. (https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-1306/versions/gegen-die-haresien-bkv/divisions/327; Irenäus gegen die Häresien 2. Buch 22, 6.)
Und da haben wir den nächsten Beweis, dass Jesus auf die 50 zuging! Und noch dazu ein ziemlich schlagender. Ich wundere mich, warum da noch niemand anderer draufgekommen ist? Denn die Stelle in Johannes 8, die Irenäus als Zeuge anführt, ist doch ein wirklich eindeutiges Zeugnis und lasen wohl schon viele Millionen Bibelleser. Es geht darum. dass Jesus meinte Er habe Abraham schon gesehen, woraufhin die Juden sich empörten und meinten: „Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?“ Dies ist deswegen ein Beweis, dass Jesus über 45 Jahre alt war, da die Juden Ihn als einen Feind und großen Heuchler ansahen und deswegen machten sie die Zeitspanne so kurz wie möglich. Wieso sollte man seinem Feind, den man der übertreibenden Lüge bezichtigen möchte, 20 Jahre schenken? Dann hätten sie doch gesagt „Du bist noch keine 40!“ Oder „Du bist gerade mal 30 geworden!“
Und so hat Irenäus die Irrlehren besiegt und bloßgestellt, mit der Bibel! Es ist das Problem von uns Menschen, dass wir oft ganz falsch und verkehrt suchen, manchmal vielleicht aus Unwissenheit. Oft vielleicht aber auch aus Stolz und Hochmut. Und so erheben sich heute viele „Christen“ gerade über Irenäus, weil sie sich einbilden, sie wüssten besser wie alt Jesus war und spotten über das aus ihrer Sicht unglaubwürdige hohe Alter, das Irenäus lehrte. Dabei übersehen sie aber, von welcher Qualität seine Argumente sind, und von welcher ihre eigenen. Denn sind wir uns ehrlich: welche Argumente haben wir denn für das angebliche Alter von 33 Jahren? Viele Christen meinen, weil sie das glauben, was die Mehrheit der anderen Christen, Historiker oder Bibelkommentatoren glauben, sei das schon ein gutes Argument. Und Irenäus stünde mit seiner Meinung demgegenüber schließlich alleine da. Aber stimmt das?
Erstens sollte nach der Lesung der Texte von Irenäus jeder erkennen können, dass Irenäus eben nicht allein da steht, sondern sich auf viele andere beruft, praktisch alle Priester in Kleinasien, die Johannes kannten. Und er beruft sich auf seinen Lehrer. Das ist genau das biblische Prinzip der Lehre der Apostel. Ich erinnere mich, wie Paulus an Timotheus schrieb:
Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und was dir zur Gewissheit geworden ist, da du weißt, von wem du es gelernt hast. (2.Tim 3,14)
Es kommt also nicht darauf an, dass man mit der Mehrheit der Wölfe heult, sondern dass man von dem richtigen Lehrer lernt. Und den hatte Irenäus. Und bei dessen Lehre blieb Irenäus treu sein Leben lang und gab sie an seine Schüler weiter ganz nach Paulus Vorbild und Anweisung:
Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das vertraue treuen Menschen an, die fähig sein werden, auch andere zu lehren. (2. Tim 2,2)
Zweitens war Irenäus also nicht irgendwer, sondern einer der besten und geachtetsten Lehrer des Christentums seiner Zeit, einer Zeit, die noch sehr nahe an der Zeit der Apostel war und wo die Lehre noch unverfälscht weiter gegeben wurde - gerade auch wegen Irenäus!
Und drittens gibt es noch andere Quellen, die wir zu dem Thema befragen können.
Zum Beispiel den ersten christlichen Historiker überhaupt: Eusebius von Cäseräa. Er hat eine zehnbändige Kirchengeschichte geschrieben, die von der Geburt Jesu bis zu Kaiser Konstantin reicht. Eusebius kann uns zwar auch weder Jesu Geburts- noch Todesdatum nennen, und somit auch nicht Sein genaues Alter, aber er gibt uns einen sehr wertvollen Hinweis:
Die göttliche Schrift erzählt, daß Jesus seine ganze Lehrtätigkeit unter den Hohenpriestern Annas und Kaiphas entfaltet habe; sie will sagen, daß die ganze Zeit seiner Lehrtätigkeit sich völlig abgewickelt habe in den Jahren, welche zwischen die Amtstätigkeit dieser beiden Männer fiel. Da Jesus unter dem Hohenpriester Annas seine Tätigkeit begann und noch bis zur Herrschaft des Kaiphas wirkte, beträgt die Zwischenzeit nicht ganz vier Jahre. Weil nämlich damals bereits die Bestimmungen des Gesetzes außer Kraft waren, so bestand nicht mehr der Brauch, daß die gottesdienstlichen Funktionen lebenslänglich und auf Grund der Abstammung übertragen wurden. Von den römischen Statthaltern wurden bald diese, bald jene mit der hohenpriesterlichen Würde betraut, welche sie aber nicht länger als ein Jahr bekleideten. Josephus berichtet, daß nach Annas noch vier Hohepriester nacheinander bis Kaiphas gefolgt seien. In der gleichen Schrift seiner „Altertümer“ sagt er: „Valerius Gratus entzog die priesterliche Würde dem Ananus und erklärte zum Hohenpriester Ismael, den Sohn des Phabi. Auch diesen setzte er bald wieder ab und ernannte Eleazar, den Sohn des Hohenpriesters Ananus, zum Hohenpriester. Nach Verlauf eines Jahres enthob er auch diesen seiner Stelle und übergab die hohepriesterliche Würde Simon, dem Sohne des Kamith. Doch auch dieser behielt die Würde nicht, und Josephus, der auch Kaiphas genannt wird, wurde sein Nachfolger.“ Daraus folgt, daß die ganze Zeit der Lehrtätigkeit unseres Erlösers nicht ganz vier Jahre betrug; denn von Annas bis Kaiphas haben vier Hohepriester in vier Jahren je ein Jahr lang Dienst getan. Die evangelischen Berichte bezeichnen also mit Recht Kaiphas als Hohenpriester des Jahres, in welchem unser Erlöser gelitten hat; aus ihnen ergibt sich auch, daß sie bezüglich der Zeit, da Christus lehrte, nicht im Widerspruch mit den vorliegenden Mitteilungen stehen. (Eusebius von Caesarea, Historia Ecclesiastica, Kirchengeschichte (BKV), Erstes Buch, 10.Kap)
„Ha!“, höre ich dich jetzt schon triumphieren, „Siehst du, wie auch Eusebius nie und nimmer auf ein Alter von über 40 Jahren kommt? Denn er schreibt eindeutig, dass Jesus nicht ganz vier Jahre lang lehrte. Also war Jesus bei seiner Kreuzigung demnach etwa 34 und das passt ja fast perfekt zu den heute allgemein anerkannten 33 Jahren.“ Darauf kann ich nur sagen: „Freu dich nicht zu früh!“ Denn ich sagte nicht, dass Eusebius uns die richtige Zeit liefert, sondern einen sehr wertvollen Hinweis. Eusebius weist uns nämlich auf die beiden Hohepriester hin, die Jesu Lehrtätigkeit markieren, und nennt uns seine Quelle: den jüdischen Historiker Josephus! Und der ist tatsächlich eine sehr wertvolle Quelle, die nicht nur zeitlich näher an Jesus ist, sondern auch ein wenig genauer als Eusebius. Eusebius zitiert zwar Josephus korrekt im Wortlaut, aber nicht vollständig.
Flavius Josephus, der gar kein Christ war sondern Jude, zählt nämlich nicht nur die Hohepriester sorgfältig auf, sondern auch die römischen Landpfleger, die die Hohepriester ein- und absetzten, und gibt uns damit erst den richtigen Zeitrahmen:
Als Quirinius des Archelaus Vermögen sequestriert und die Einschätzung, die in das siebenunddreißigste Jahr nach dem Siege des Cäsars über Antonius bei Actium fiel, zu Ende geführt hatte, setzte er den Hohepriester Joazar, der mit dem Volke in Streit geraten war, von Amt und Würden ab und übertrug die Stelle an Ananus, den Sohn des Seth.
Übrigens ereignete sich unter dem Landpfleger Coponius, der, wie besagt zugleich mit Quirinius geschickt worden war folgender Vorfall [..] Bald darauf kehrte Coponius nach Rom zurück, und es folgte ihm im Landpflegeramte Marcus Ambivius, unter dessen Amtsführung des Herodes Schwester Salome aus dem Leben schied.
Der folgende Landpfleger war Annius Rufus, unter dessen Verwaltung der Cäsar Augustus, der zweite römische Alleinherrscher, starb, nachdem er siebenundfünfzig Jahre, sechs Monate und zwei Tage, und zwar vierzehn Jahre mit Antonius gemeinschaftlich regiert und siebenundsiebzig Jahre gelebt hatte.
Auf Augustus folgte in der Regierung Tiberius Nero, der Sohn der Julia, als der dritte römische Alleinherrscher. Von diesem wurde Valerius Gratus als Landpfleger nach Judäa geschickt, nachdem Annius Rufus abberufen worden war. Valerius Gratus entsetzte den Hohepriester Ananus seines Amtes und übertrug dasselbe an Ismaël, den Sohn des Phabi, entzog aber auch diesem bald die Würde wieder und verlieh sie Eleazar, dem Sohne des Hohepriesters Ananus. Kaum ein Jahr später ward auch Eleazar abgesetzt, und Kamiths Sohn Simon trat an seine Stelle. Diesem folgte wieder nach einem Jahre Joseph, der auch Kaiaphas hieß. Gratus war elf Jahre lang Landpfleger von Judäa, als er abberufen wurde und Pontius Pilatus das Amt übernahm. (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, Achtzehntes Buch, Zweites Kapitel, leicht gekürzt)
Was erfahren wir nun von Josephus, was wir von Eusebius nicht erfahren haben? Zur besseren Verdeutlichung habe ich eine Tabelle gemacht:
Anmerkung | Landpfleger in Judäa | Hohepriester in Jerusalem |
---|---|---|
Quirinius (Vermögensschätzer) | Coponius | Ananus (Annas, bzw. Hannas) |
Herodes Schwester Salome stirbt | Marcus Ambivius | |
Kaiser Cäsar Augustus stirbt | Annius Rufus | |
Tiberius Nero wird neuer Kaiser | Valerius Gratus (11 Jahre im Amt) | Ismaël |
Eleazar, Sohn des Ananus | ||
Simon | ||
Joseph, der auch Kaiaphas hieß | ||
Pontius Pilatus |
Der Römer, der den Hohepriester Ananus einsetzte, war Quirinius, der zur selben Zeit in Judäa war wie der damalige Landpfleger Coponius. Ananus, wird in der Bibel Hannas gennant, Eusebius nennt ihn Annas, und ist laut dem Lukasevangelium (3,2) im Amt zur Zeit von Jesu Taufe. Auch das führt Eusebius richtig aus. Was aber Eusebius verschweigt ist, dass dieser Ananus (Hannas) erst von dem Landpfleger Valerius Gratus des Amtes enthoben wurde. Dazwischen waren aber noch zwei andere Landpfleger im Amt. Wie lange die drei in Summe im Amt waren, geht aus dem Text nicht heraus, aber wohl sicherlich etliche Jahre. Die Fußnoten bei Josephus lassen auf eine Dauer von 8 Jahren schließen von Coponius bis Valerius Gratus. Der Hohepriester Hannas war also während dieser langen Zeit im Amt und vielleicht noch ein bisschen mehr, ganz entgegen der Darstellung von Eusebius, der behauptet, dass damals alle Hohepriester nur jeweils ein Jahr im Amt waren. Dem widerspricht auch die Amtszeit der Nachfolger von Hannas, die alle von dem selben Landpfleger, nämlich immer noch Valerius Gratus, eingesetzt wurden: vier Männer an der Zahl. Josephus verrät uns sogar die Zeitspanne, während der Valerius Gratus amtierte: 11 Jahre! In diesen 11 Jahren setzte Valerius Gratus also vier Hohepriester ein. Das geht sich mit je einem Jahr für jeden Priester niemals aus! Die müssen länger im Amt gewesen sein. Und wenn man genau liest, schreibt Josephus ja auch nur von zweien wie lange sie im Amt waren: „Kaum ein Jahr später ward auch Eleazar abgesetzt“ und „Diesem folgte wieder nach einem Jahre Joseph, der auch Kaiaphas hieß“. Die anderen beiden waren wohl oder übel länger im Amt, damit sich in 11 Jahren 4 Priester ausgehen, vielleicht waren es ja auch 5 Priester in den 11 Jahren, denn wann Hannas abgesetzt wurde, wissen wir aus dem Text ja auch nicht exakt. War es gleich zu Beginn der Amtszeit von Gratus (was die wahrscheinlichere Variante ist) oder später? Letztendlich egal, denn auch 5 Hohepriester in 11 Jahren widersprechen ganz klar der Behauptung von Eusebius, dass jeder nur 1 Jahr hatte.
Also entpuppt sich auch der große Eusebius am Ende als einer, der eher spekuliert anstatt dass er seine Quellen vollständig liest. Denn er hätte die 11 Jahre doch sehen können und müssen, die Josephus nennt. War er so sehr in die Idee verliebt, dass jeder Hohepriester nur ein Jahr im Amt war, dass er sie gar nicht anhand von seinen Quellen wie Josephus überprüfte? Das enttäuscht mich ein wenig, aber es beweist wieder einmal, dass wir alles prüfen sollen und das Gute behalten. Aber man kann Eusebius zugute halten, dass er erstens auf Josephus verweist und zweitens immerhin auf „nicht ganz vier Jahre“ Lehrtätigkeit von Jesus kommt, und damit doch unbequem länger ist als die heutige übliche Erzählung und damit ein bisschen näher der Wahrheit.
Aber die 11 Jahre passen auf der anderen Seite hervorragend zu Irenäus Angaben, denn sie markieren doch die Zeit, in der Jesus lehrte! Denn Jesus begann zur Zeit von Hannas zu lehren und wurde zur Zeit von Kajaphas hingerichtet. Übrigens nicht mehr unter Valerius Gratus, sondern erst unter Pontius Pilatus, der also noch später im Amt war. Also müssen wir noch zusätzlich Zeit zu den 11 Jahren dazu rechnen, denn Pilatus kommt ja danach und ich weiß nicht genau, wie lange Pilatus bereits im Amt war, als er Jesus verurteilte. Lukas nennt das fünfzehnte Jahr der Regierung von Kaiser Tiberius. Das wäre dann ca. das vierte Amtsjahr von Pilatus nach meiner Tabelle, denn Tiberius setzte zuerst Valerius Gratus ein und „Gratus war elf Jahre lang Landpfleger von Judäa, als er abberufen wurde und Pontius Pilatus das Amt übernahm.“
Je mehr man sich die Sache ansieht, desto klarer wird, dass nur Irenäus recht haben kann. Denn Jesus kann locker 10, 11, 12 Jahre oder sogar länger gelehrt haben, wenn man sich die Zeitspanne ansieht von Valerius Gratus bis Pontius Pilatus, und noch länger, wenn man sich die Zeitspanne ansieht von Hohepriester Hannas bis Kajaphas! Denn Hannas war schon lange vor Gratus im Amt und daher könnte Jesus auch schon früher getauft worden sein, noch vor der Amtszeit von Gratus. Die Angaben in den Evangelien lassen den Spielraum jedenfalls zu, den Irenäus lehrt.
Zusammenfassung bis hierher:
Die Heilige Schrift nennt uns folgende wichtige Eckdaten:
- Jesus wurde zur Zeit von Hohepriester Hannas getauft und war damals ungefähr 30 Jahre alt
- Jesus wurde zur Amtszeit von Hohepriester Kaiaphas und Pontius Pilatus zum Tod durch Kreuzigung verurteilt und hingerichtet.
Wir haben also zu beiden Geschichtsereignissen je zwei Eckpunkte, die beide erfüllt werden müssen.
Betrachtet man die Hohepriester und Landpfleger von Judäa, die uns der Historiker Flavius Josephus angibt, und geht man davon aus, dass der Landpfleger Valerius Gratus bei seinem Amtsantritt oder kurz danach den alten Hohepriester Hannas absetzte und durch Ismaël ersetzte, was durchaus plausibel ist, so muss man zwangsläufig eine Zeitspanne von mindestens 11-12 Jahren zwischen Hannas und Kaiaphas ansetzen, denn Pontius Pilatus muss da ja auch noch mit hinein genommen werden. Das ergibt eine Zeit von über 11 Jahren von Jesu Taufe bis Jesu Tod. Eher mehr.
Und damit sind alle heutigen Angaben, wonach Jesus nur 3 Jahre hatte, unlogisch und viel zu kurz. Sie sind auch durch nichts belegt. Stattdessen werden die Ausführungen von Irenäus, der lehrte, dass Jesus deutlich über 40 Jahre alt war und auf den Fünfziger zuging, viel plausibler. Darüber hinaus belegte Irenäus seine Lehre auch noch biblisch und mit Zeitzeugen. Hinzukommt, dass Irenäus sich direkt auf Johannes beruft, der immerhin in all diesen gegenständlichen Jahren Jesus persönlich kannte und begleitete und also besser als alle „Experten“ heute Bescheid wissen musste.
Warum machen die Irrlehren alle Jesus jünger?
Zu guter Letzt fällt es mir auf, dass es schon ein gemeinsames Merkmal aller Irrlehren sein dürfte, dass sie Jesus viel jünger machen, als Er tatsächlich war. Die Frage ist, warum sie das tun und was das geistlich zu bedeuten hat?
Auch da muss man nicht lange suchen, denn auch diese Frage wird von Irenäus bereits beantwortet: wenn Jesus zu jung ist, gilt Er nicht als vollwertiger Lehrer, und kann daher als Meister (Rabbi) nicht ernstgenommen werden. Außerdem fällt seine Vorbildwirkung für die älteren Männer flach.
Tatsächlich fällt mir auf, dass die meisten Christen, die ich kenne, Jesus nicht als Lehrer wahrnehmen. Sie brauchen Jesus gar nicht als Lehrer. Sie verkünden nur, dass Jesus kam um zu sterben am Kreuz und wieder aufzustehen. Dafür hätte Jesus wirklich viel weniger Zeit gebraucht. Reduziert man also die Lebenszeit von Jesus, reduziert man damit automatisch die Zeit Seiner Lehrtätigkeit und verändert damit den Schwerpunkt weg von der Lehre hin zum billigen Glauben nur an das Kreuz. Und genau das zeichnet ja wirklich die meisten Irrlehren damals wie heute aus: sie wollen und brauchen keine Lehrer, sind eher unwillig eingestellt gegenüber Lehre, ja sogar lehrfeindlich. Ihnen reicht es, wenn man verkündet, dass Jesus gestorben und auferstanden ist. Das ist für sie das Evangelium. Demgegenüber steht aber das Zeugnis der Apostel, die viele Jahrzehnte Tag für Tag lehrten und lehrten und lehrten. Und sie lehrten viel mehr als nur die Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Auch die vielen und langen Lehrbriefe wären eigentlich überflüssig, ginge es im Evangelium nur um Jesu Tod am Kreuz.
Wenn man aber weiß, dass Jesus selbst das Evangelium predigte - und zwar deutlich über 10 Jahre lang bevor Er gekreuzigt wurde - und die ganze Zeit über lehrte und Jünger ausbildete, damit sie andere lehren, dann lautet das Evangelium schon anders. Und dann machen die Evangelien, deren größter Teil ja die Lehrtätigkeit von Jesus beschreiben, einen anderen Sinn. Dann werden Sätze wie:
Da antwortete Jesus und sprach: O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? (Mt 17,17)
Jesus spricht zu ihm: So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich noch nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen: Zeige uns den Vater? (Joh 14,9)
auf einmal viel stimmiger. Denn wenn Jesus nur ein bis drei Jahre bei ihnen gewesen wäre, wirken diese Sätze eher lächerlich. Auch das Schlusswort von Johannes in seinem Evangelium wirkt übertrieben, wenn Jesus nur kurz gelehrt haben soll:
Das ist der Jünger, der von diesen Dingen Zeugnis ablegt und dies geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.
Es sind aber noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat; und wenn sie eines nach dem anderen beschrieben würden, so glaube ich, die Welt würde die Bücher gar nicht fassen, die zu schreiben wären. Amen. (Joh 21,24-25)
Johannes legt also großen Wert darauf, dass sein Zeugnis glaubwürdig und wahr ist. Das wäre es aber nicht, wenn Jesus nur ein paar Monate gelehrt und gewirkt hätte. Wie weiter oben zitiert, fragte auch schon Irenäus sichtlich fassungslos: „Wie hätte außerdem der Heiland nur ein Jahr gepredigt?“ Er kann es gar nicht verstehen, wie man die Lehrtätigkeit des Heilandes dermaßen verkürzen könnte, dass sie in ein Jahr passt. Das ist schon bemerkenswert, denn heutige Lehrer kommen mit weniger Zeit aus und glauben, sie hätten alles gesagt. Und sie lehren nicht mal täglich, so wie es Jesus, Seine Apostel und auch Irenäus noch taten. Drei Jahre machten die Aussage von Johannes übrigens auch nicht viel glaubwürdiger, denn auch 3 Jahre Tätigkeit kann man wohl in Bücher schreiben, die die Welt fassen könnte. Aber bei 10-15 Jahren sieht das schon anders aus! Da kommt schon viel mehr zusammen. Und immerhin war Johannes es, der selbst am längsten von allen Jüngern lebte und lehrte. Und er war der Lehrer des Lehrers von Irenäus, auf den sich Irenäus bezieht. Hier schließt sich der Kreis. Glauben wir Zeugen, die Jesus in die Welt schickte, damit sie die Wahrheit verkünden und Lehrer ausbilden? Dann wird der „Missionsauftrag“ eigentlich zum Lehrauftrag und bekommen Jesu letzte Worte ein anderes Gewicht:
Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit! Amen. (Mt 28,18-20)
Und dann wird auch klar, warum sich die Urgemeinde vom ersten Tag an so verhielt wie geschrieben steht:
Und sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und in den Gebeten. (Apg 2,42)