• War Jakob ein falscher Prophet?

Wer die Geschichte nicht kennt ...

... wiederholt ihre Fehler. Dieser Spruch hat sich leider schon allzuoft bewahrheitet. Einer dieser Fehler ist, dass man glaubt, dass jeder hebräische Text das Alte Testament besser und zuverlässiger wiedergibt als die griechische Septuaginta, weil das Alte Testament ja ursprünglich auf Hebräisch geschrieben wurde. Doch das ist ein fataler Trugschluss, der schon sehr früh begangen wurde.

Bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. erlag Hieronymus diesem Irrtum. Er war mit der Übersetzung der Bibel auf Latein beauftragt worden und zog für das Alte Testament erstmals in der Geschichte des Christentums nicht mehr die Septuaginta heran, sondern den hebräischen Text, den die Juden seiner Zeit hatten. Wir wissen heute nicht mehr wie und warum die Juden es schafften, Hieronymus von der Zuverlässigkeit ihres Textes zu überzeugen sodass er ihn der Septuaginta vorzog, doch wir wissen, was das für weitreichende Auswirkungen auf das Christentum und die christliche Lehre hatte. Es war ein Fehler, den Hieronymus vermeiden hätte können, wenn er aus der Geschichte gelernt hätte.

Denn im 3. Jahrhundert, also ein Jahrhundert vor Hieronymus, gab es einen Aufruhr im frühen Christentum, weil manche Christen sich von dem neuen hebräischen Text verwirren ließen und zu glauben begannen, dass er besser sei als die griechische Septuaginta. Damals waren das noch Einzelfälle von ungefestigten Christen, die nicht gut unterwiesen waren. Einer davon wandte sich per Brief an den Experten seiner Zeit in Sachen Schrift und bekam eine klare aber beschämende Antwort, ebenfalls per Brief. Den Brief haben wir Gott sei Dank heute noch. Wir übersetzten ihn auf Deutsch: Ein Brief von Origenes an Africanus. Dieser Brief ist ein historischer Zeitzeuge, der uns beweist, dass alle christlichen Gemeinden noch im 3. Jahrhundert n. Chr. selbstverständlich die Septuaginta verwendeten als Wort Gottes und dass die christlichen Lehrer die hebräischen Schriften der Juden als Fälschungen erkannten und ablehnten. Auch schon im zweiten Jahrhundert wurde das festgestellt und thematisiert, etwa von Irenäus, der einige Bücher gegen die Irrlehren schrieb und sich darüber ärgerte, dass einige Leute zu glauben begannen, dass wenn sie Hebräisch lernten und lasen dem Wort Gottes näher seien. Das war schon im zweiten Jahrhundert ein Unsinn. Und erst Recht im dritten.

Doch im 4. Jahrhundert begann man diesen Unsinn zu glauben und in die neue christliche Bibel, die Vulgata, auf Latein aufzunehmen. Dazu muss man wissen, dass im zweiten Jahrhundert die ungläubigen Juden begannen, sich einen hebräischen Text des Alten Testaments zu erstellen, weil sie die Septuaginta verschmähten. Denn mit der Septuaginta bewiesen die Christen, dass Jesus Christus der verheißene Messias war und dass die Juden ihn aber nicht erkannten. Als Reaktion darauf lehnten die antichristlichen Juden die Septuaginta ab. Sie war aber seit Jahrhunderten die Heilige Schrift der Juden gewesen! Die Christen hatten sie von den Juden übernommen und nun distanzierten sich die Juden davon und veröffentlichten plötzlich ein hebräisches Altes Testament, das es davor nie gab, und dass an tausenden Stellen von der Septuaginta abwich. Deswegen gab es wie gesagt im 3. Jh. Diskussionen im Christentum und der ebenfalls genannte Origenes studierte die unterschiedlichen Textabweichungen seiner Zeit 28 Jahre lang. Er schrieb Bücher über seine Erkenntnisse und verteidigte die LXX als wahres, inspiriertes Wort Gottes. Die Septuaginta lag immerhin in allen apostolischen Gemeinden auf und wurde gelehrt. Die große Wende kam dann, wie ebenfalls schon erwähnt, mit Hieronymus und seiner Vulgata im 4. Jahrhundert.

Und im 6. Jahrhundert kamen schließlich die Masoreten ins Spiel. Sie sammelten und standardisierten alle ihnen vorliegenden hebräischen Schriften und konstruierten daraus den sogenannten Masoretentext. Die Masoreten dokterten bis zum 10. Jh an ihrem Text herum. Heute folgen fast alle modernen Bibeln dem Masoretentext, der übrigens immer noch weiterentwickelt wird, und deswegen weichen die modernen Alten Testamente an der gegenständlichen Stelle (und vielen anderen, die wir in anderen Beiträgen besprechen), von der Septuaginta ab.

Die Septuaginta hingegen wurde im 3. Jh vor Christus aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt. Damals war das Alte Testament noch vollständig auf Hebräisch erhalten (was zur Zeit Christi längst nicht mehr der Fall war und schon gar nicht später) und noch dazu im Originalwortlaut. Daher ist die LXX zur Zeit Christi die Heilige Schrift gewesen und auch heute noch die zuverlässigste Version, weil sie auf dem ältesten, noch unverfälschten Text basiert.

Noch unverfälscht?

Ja, genau. Es gab nämlich im Judentum nach dem Tod von Jesus Christus ein unübersehbares Bestreben, alle Stellen im Alten Testament, die auf Jesus als den Christus hindeuten, zu „bereinigen“. Das Judentum nach Christus war und ist eindeutig tendenziös was die Ablehnung der christlichen Lehre und Schriftauslegung betrifft. Und die späteren Masoreten folgten dieser Tendenz.

Auf der anderen Seite hatte das Judentum vor Christi Geburt keinen Anlass Jesus Christus abzulehnen. Sie kannten Ihn ja gar nicht und noch weniger Seine Schriftauslegung. Daher ist die Septuaginta in Sachen Voreingenommenheit über jeden Verdacht erhaben. Niemand dachte im 3. oder 2. Jh. vor Christus daran, die Schrift redaktionell anzupassen, um die Bezüge zu Jesus abzuschwächen oder unsichtbar zu machen.

Doch ab dem 2. Jahrhundert nach Christus war das unbestritten eine Triebfeder im Judentum, das Jesus Christus ablehnte und großes Interesse daran hatte, dass Er keinesfalls der wahre Messias sein kann. Dieses Interesse ist bis heute ungebrochen im Judentum. Immer mehr Rabbis versuchen zu beweisen, warum Jesus Christus nicht der verheißene Messias sein kann. Sie tun das anhand des Masoretentextes.

Daher sind die masoretischen Texttraditionen keinesfalls näher am Original als die Septuaginta, die von unvoreingenommenen hebräischen Gelehrten aus allen Stämmen Israels in aller Ruhe aus den Originalschriftrollen übersetzt wurde.