Die frühen Christen  zitierten unzählige Male aus den im vorigen Kapitel genannten Büchern, die heute alle als Apokryphen bezeichnet werden. Das ist den heutigen Christen oft nicht einmal bekannt. Den Juden damals war es aber umso bekannter und es gefiel ihnen nicht und spitzte sich zu einem Konflikt zu. Um ca. 180 n. Chr. gab es zwischen Juden und Christen eine Herausforderung. Die Christen verkündeten mittlerweile seit über 100 Jahren äußerst erfolgreich und emsig mit der Septuaginta die Botschaft vom Königreich Gottes und dessen König Jesus Christus.

Das war schon zur Zeit von Paulus den Juden ein Ärgernis (Apg. 17,17) wurde aber für sie mittlerweile unerträglich, da die Septuaginta jahrhundertelang die Heilige Schrift der Juden war! Nun aber wurden sie mit ihrer eigenen Heiligen Schrift von den Christen nicht nur missioniert sondern auch noch belehrt. Die Juden wollten nicht mehr die gleiche Schrift wie die Christen haben und sie stießen sich zunehmend an der Griechischen Sprache, der Sprache der Heiden. Deshalb gaben sie eine neue Schrift in Auftrag. In dieser neuen hebräischen Übersetzung, dem Masoretentext, wurden bei der Gelegenheit viele messianische Verse gestrichen oder umformuliert, die eindeutig auf die Person Jesus Christus hinwiesen und mit denen die Christen die Juden widerlegten und überführten. So wie es schon Paulus tat (z.B. Seht, ihr Verächter!). Wir vergleichen die Septuaginta mit dem Masoretentext in vielen unserer Beiträge. Hier ist die Übersicht: Septuaginta versus Masoretentext.

So gab es nun den Masoretentext für die Juden und die Septuaginta für die Christen.

Im ersten Moment könnte man meinen, dass der Konflikt damit gelöst war und beide Seiten friedlich getrennt ihrer Wege gingen. Dem war aber nicht so!

Nun behaupteten die Juden, dass die Christen mit der Septuaginta ein unechtes, korrumpiertes Altes Testament hätten und dass nur sie, die Juden, das einzig richtige besäßen. Dazu muss man wissen, dass die Juden jedes Buch aus ihrem Alten Testament hinauswarfen, von dem sie glaubten, dass es ursprünglich nicht in Hebräisch geschrieben war. Sie glaubten anscheinend, dass Gott nur auf Hebräisch sprach und dass daher nur Bücher, die original hebräisch waren, Gottes Wort seien. Die Juden widersprachen sich mit dieser Argumentation aber selbst, denn sie warfen auch Bücher hinaus, die sehr wohl ursprünglich hebräisch waren, wie etwa Jesus Sirach, dessen Eliminierung aus dem masoretischen Kanon auch im Judentum für heisse Diskussionen sorgte. Und die Juden gaben erneut eine griechische Übersetzung ihres Alten Testaments in Auftrag, so wie schon im 2. Jahrhundert vor Christus, als dann die Septuaginta daraus wurde. Diesmal waren es aber nicht mehr 70 Gelehrte aus ganz Israel, die übersetzten, sondern nur noch ein einziger, der noch dazu ein Proselyt war, ein gewisser Aquila. Wie tief sind die Ansprüche der Juden gesunken über die Jahrhunderte! Aquila übersetzte den hebräischen Masoretentext ins Griechische für die vielen Juden, die gar kein Hebräisch konnten. Die Juden hatten also erst recht wieder ein griechisches Altes Testament, das aber erheblich von dem bisherigen, der Septuaginta, abwich. Aber es gefiel ihnen. Aquilas Übersetzung war in kurzer Zeit sehr beliebt und anerkannt im Judentum.

Die Christen entgegneten hinwiederum, dass die Juden das Alte Testament absichtlich verfälscht und verändert hatten, indem sie Verse strichen, sogar ganze Bücher entfernten, und dass die Juden demnach eine unvollständige, korrumpierte Fassung hätten.

Der Streit erreichte im dritten Jahrhundert einen neuen Höhepunkt und sorgte für Irritation auf beiden Seiten. Einigen Juden gefiel ihr neuer Weg nicht, denn in ihren Augen war immer noch die Septuaginta das inspirierte Wort Gottes, und auf der anderen Seite begannen manche Christen an der Septuaginta zu zweifeln und hielten Aquila für die richtigere Fassung. Das rief einen bestimmten Mann auf den Plan.

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