Erstens wäre es nicht das erste Mal, dass nur einer die Wahrheit sagt und alle anderen Lügen verbreiten. Da fällt mir spontan jene Geschichte ein, wo Gott einen Lügengeist in den Mund aller Propheten im Land legte mit Ausnahme von Micha. Der Prophet Micha wusste als einziger die Wahrheit, die anderen 400 gaben den Königen einstimmig den selben Tod bringenden, falschen Rat und glaubten aber, sie lägen richtig. Genau so etwas nennt die Schrift Verblendung. Sie empörten sich sogar über Micha und schlugen ihn, weil er ihnen auch noch ins Gesicht sagte, dass der Herr ihnen einen Lügengeist gegeben hatte. Wem sollten die Könige glauben? Es steht eine Aussage gegen 400. Wem hättest du geglaubt? 400 offiziell von der Regierung empfohlene Experten, die alle das selbe sagen, oder einem Querdenker aus dem Untergrund, der von der Regierung geächtet wird und der sie alle der Lüge bezichtigt und das Gegenteil rät? Du kannst die Geschichte im ersten Buch Könige (1.Könige 22) nachlesen. Sie hat mehr mit unserer Bibelstelle zu tun, als es für dich vielleicht auf den ersten Blick aussieht, und sie wiederholte sich seither immer wieder. Auf beides komme ich später nochmal zurück.
Zweitens war Irenäus nicht der einzige, der Paulus richtig lesen konnte, sondern alle guten Lehrer vor und nach ihm konnten und können das. Er hatte es von einem solchen guten Lehrer gelernt und unterwies andere darin. Das ist ja der springende Punkt und das Wesen der gesunden Lehre der Apostel: sie wird von einem fähigen Lehrer zum nächsten weiter gegeben. Weil das Paulus wusste, dass das erstens nicht jeder kann und zweitens eine richtige Unterweisung unerlässlich ist, lehrte er selbst nach diesem Grundsatz und schärfte ihn seinem besten Schüler ein:
Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das vertraue treuen Menschen an, die fähig sein werden, auch andere zu lehren. (2.Tim 2,2).
Das zeigt, wie die richtige Lehre - und damit das richtige Lesen der Schrift - weitergeben wurde und beantwortet nebenbei automatisch die Frage, die sich viele angesichts der schwierigen Sätze von Paulus stellen:
„Wieso hat Paulus denn so missverständlich geschrieben, hätte er es nicht idiotensicher formulieren können als guter Lehrer?“
Die Antwort gab Paulus durch seine Praxis: er schrieb nicht nur, sondern er trug seine Lehre höchstpersönlich mündlich vor, vor vielen Zeugen, und vertraute sie treuen und fähigen Menschen an. Das ist der einzige Weg, wie man sicherstellen kann, dass die richtige Lehre richtig verstanden und weitergegeben wird. Und das war immer der Weg, den Christus ging. Es lief immer nur nach diesem Prinzip in der Heiligen Schrift ab. Das ging vom 1. bis zum 4. Jh unterbrechungsfrei so bis zu Johannes Chrysostomus. Sieh, was der über den gegenständlichen Wortlaut von Paulus in 2.Kor 4,4 zu sagen weiß:
Was heißt aber: „Der Gott dieser Welt“? Die Anhänger der Irrlehre des Marcion behaupten, es sei der Demiurg darunter zu verstehen, der bloß gerecht, aber nicht gut sei; denn sie nehmen irgend einen Gott an, der zwar gerecht sei, aber dem die Güte fehle. Die Manichäer dagegen meinen, es sei hier vom Teufel die Rede, und sie berufen sich auf diese Worte, um einen anderen Urheber der Schöpfung außer dem wirklichen einzuführen; sehr unverständig! Denn so finden wir es häufig in der Schrift, daß sie „Gott“ sagt nicht mit Rücksicht auf die Würde dessen, der wirklich so genannt wird, sondern mit Bezug auf die Schwäche derer, die sich unterordnen; so wenn sie den Mammon „Herr“ nennt und den Bauch „Gott“. Aber deswegen ist weder der Bauch Gott noch der Mammon Herr, außer für jene, die sich freiwillig unter sie beugen. Wir aber sagen, es sei mit diesen Worten auch nicht der Teufel gemeint, sondern vielmehr der wahre Gott aller Dinge, und daß also zu lesen sei: „Den Sinn der Ungläubigen dieser Welt hat Gott geblendet.“ Denn nur die gegenwärtige Welt hat Ungläubige, nicht auch die künftige. Wenn aber einer auch anders liest, etwa: „Der Gott dieser Welt,“ so hat auch das keinen Anstoß; denn das würde Gott nicht ausschließlich als Herrn nur dieser Welt erweisen. So wird er ja auch „der Gott des Himmels“ genannt, ohne daß er bloß Gott des Himmels ist; und wir sagen: „Der Gott des heutigen Tages,“ ohne mit diesem Ausdrucke Gottes Herrschaft auf diesen einen Tag beschränken zu wollen; auch wird er der Gott Abrahams genannt und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, und doch ist er nicht bloß ihr Gott. Und so könnte man in den heiligen Schriften noch viele derartige Zeugnisse finden. (Johannes Chrysostomus (344-407), Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV), Achte Homilie., II.)
Siehst du, dass noch im vierten Jahrhundert Lehrer vorhanden waren, die Paulus richtig lesen konnten? Chrysostomos las Paulus exakt so wie es Irenäus tat und auch er weiß, dass die Gnostiker diese Stelle falsch lesen und bezeichnet sie klar als Irrlehrer. Chrysostomos verrät uns auch Namen. Die Marcioniten behaupten, dass „der Gott dieser Welt“ der Demiurg sei - so nannten die Gnostiker den Schöpfergott. Der ist aber nicht der Vater im Himmel.
Die Irrlehre der sogenannten Gnosis glaubte an verschiedene Götter. Kurz gesagt: einen schlechten Schöpfergott im Alten Testament und einen guten Vatergott im Neuen Testament. Erster ist der Demiurg, der bloß gerecht aber nicht gut ist, zweiter der gütige, barmherzige Vater im Himmel. Vielleicht erkennst du schon die Parallelen zu gewissen christlichen Vorstellungen heute über den Gott im AT und NT? Die Manichäer dagegen identifizierten „den Gott dieser Welt“ mit dem Teufel selbst. „Sehr unverständig“ bezeichnet das Chrysostomus. Auch dazu gibt es heute erschreckende Parallelen. Darauf komme ich gleich noch mal. Beide Gruppen waren Gnostiker. Das ist nämlich das Wesen der Gnosis, über das sich bereits Irenäus lang und breit ausließ, dass die Gnostiker zwar alle Irrlehrer waren, aber in ihrer Verirrung auch noch untereinander uneins waren. Und so wimmelte es in der Gnosis von verschiedensten, widersprüchlichen Lehrmeinungen, die alle zusammen nur eines gemeinsam hatten: sie waren falsch. Manche lasen die Apostel, andere nicht, aber keiner war ein Jünger von ihnen, keiner folgte ihnen nach, aber alle hatten sie eine Meinung über die Apostel. Daran erkennt man bis heute die Geisteskinder der Gnosis: eine Vielzahl an Meinungen aber sie alle widersprechen der Lehre der Apostel. Die Gnostiker waren weder untereinander eins, noch eins mit den Aposteln.
Jesus und die Apostel aber waren untereinander vollkommen eins und geboten diese Einheit ihren Gemeinden. Und so waren die frühen Christen eins mit den Aposteln.
Wir haben also bereits zwei große Zeugen, aus zwei verschiedenen Jahrhunderten, die eins sind in der Lehre und die beide Paulus auf die selbe Weise lesen, nämlich richtig. Sie beide stimmen darüber ein, dass hier Paulus gar nicht über „den Gott dieser Welt“ schreibt, sondern über „die Ungläubigen dieser Welt“. Und sie beide spotten über jene, die „einen Gott dieser Welt“ herauslesen wollen und dann auch noch den falschen. Denn das ist der nächste Schritt. Wenn man schon einen „Gott dieser Welt“ lesen will, wer ist damit gemeint? Auch hier ergibt sich damals wie heute das selbe Bild: Jene, die Paulus falsch lesen, sehen hier alle möglichen minderwertigen Gottheiten, sogar den Teufel, nur nicht den einzig wahren Gott. Irenäus und Chrysostomus hingegen stimmen aber auch darin überein, dass Paulus an der Stelle mit dem Wort „Gott“ wirklich den Allmächtigen meinte und das alle rechtgläubigen Gemeinden das ebenso tun (das werde ich weiter unten noch näher ausführen). Beide waren übrigens östliche Lehrer. Das heißt, sie lebten in dem Gebiet, wo die Apostel die ersten Gemeinden gründeten, wuchsen in diesen Gemeinden auf, hatten Griechisch als Muttersprache, lasen die Apostel in der Originalsprache und waren unterwiesen worden in der Lehre der Apostel. Merke dir das.
Drittens stört mich eigentlich schon die Frage, denn sie bewertet, und zwar die Bibelgesellschaften und deren Übersetzer als „gut“. Aber sind sie das? Wer sagt, dass sie alle gut sind? Nach welchem Maßstab? Umgekehrt könnte man fragen: „Wie können Übersetzer gut sein, die falsch lesen und den Sinn von Paulus verdrehen?“ Ich fand sogar einige Übersetzungen, die noch einen gehörigen Schritt weiter in die Irre gehen, und wörtlich Satan in diese Stelle hineinschreiben (siehe Tabelle oben). Damit zeigen sie ja nicht nur, dass sie Satan mit Gott verwechseln, sondern machen sich obendrein der Bibelfälschung schuldig, denn Paulus schrieb nicht Satan an dieser Stelle! Dieses Wort haben die Übersetzer eigenwillig hinzugefügt. Einen Satz falsch zu lesen und in Folge dann falsch zu übersetzen ist das Eine, aber dann noch ein Wort einzufügen, das die Auslegung vorwegnimmt, ist das Andere. Übersetzer sollen übersetzen und nicht auslegen. Hier haben die Übersetzer nicht nur ihre Kompetenz überschritten sondern ihren Mangel an Gottesfurcht offengelegt. Denn Gott hat es streng verboten, auch nur ein Wort hinzuzufügen. Wer mit Gottesfurcht an das Wort Gottes herangeht, hat höchsten Respekt vor jedem einzelnen Wort und wagt es nicht, eigenmächtig etwas wegzulassen oder hinzuzufügen. Aber Gottlose haben keine Gottesfurcht und keinen Skrupel, Texte ihrem Verständnis anzupassen. Daraus ergibt sich die nächste Frage:
„Wie gut kann eine Bibelgesellschaft sein, die keine gottesfürchtigen Übersetzer hat?“