• Aber wer nannte das Christuskind überhaupt Emmanuel?

Emmanuel oder Immanuel?

Brisantes Detail am Rande: ein paar Jahrhunderte später wussten die Juden nicht einmal mehr den richtigen Klang des Namens und sprachen ihn auch noch falsch aus, nämlich Immanuel statt Emmanuel. Diese falsche Aussprache hat sich über die Jahrtausende bis heute bei der Mehrheit der Juden und Christen durchgesetzt. Sie beruht auf einer falschen Vokalisierung der hebräischen Schrift im Mittelalter. Damals befürchteten die Juden, dass das Wissen über die Aussprache der hebräischen Buchstaben und Worte verloren gehen könnte und erfanden Vokalzeichen, die es in den Jahrtausenden davor nicht gab. Doch der Schritt erfolgte zu spät, denn die alte Aussprache war bereits in Vergessenheit geraten, und so erfand man ein neues Hebräisch mit neuer Aussprache.

Dabei wäre es so einfach gewesen, die richtige, ursprüngliche Aussprache zu bewahren. Man muss in Wahrheit nur in die Septuaginta sehen, um die richtige Aussprache der hebräischen Namen zu erlernen. Denn die gelehrten Juden, die im 2. Jahrhundert vor Christus die Septuaginta schrieben, kannten noch die alte hebräische Aussprache. Sie transkribierten die hebräischen Namen in die griechische Schrift dem Klang nach. So wurden die griechischen Buchstaben quasi die Lautschrift und liefern uns bis heute zuverlässig die richtige Aussprache der hebräischen Eigennamen in der Septuaginta. Weiter oben haben wir die Stelle aus Jesaja 7,14 bereits auf Griechisch zitiert. Der Name, um den es hier geht, ist das letzte Wort und fett gedruckt: εμμανουηλ. Und genauso schrieb ihn auch Matthäus auf Griechisch:

ιδου η παρθενος εν γαστρι εξει και τεξεται υιον και καλεσουσιν το ονομα αυτου εμμανουηλ ο εστιν μεθερμηνευομενον μεθ ημων ο θεος (Mt 1,23 Textus Receptus)

Wie spricht man ihn richtig aus? Die Antwort ist im Griechischen eindeutig, denn im Unterschied zum hebräischen Alphabet hat das griechische Alphabet auch Vokale. Und nicht nur das, sondern die Aussprache erfolgt nach strengen Regeln und ist nicht beliebig wie beim Althebräisch. Hier eine kleine Tabelle mit den gegenständlichen Buchstaben:

  ε μ μ α ν ο υ η λ
Name Epsilon My My Alpha Ny Omikron Ypsilon Eta Lambda
Großbuchstabe Ε Μ Μ Α Ν Ο Υ Η Λ
Aussprache E M M A N O U E L

Die richtige Aussprache lautet also E-M-M-A-N-OU-E-L, wobei das O und U im Klang zu einem U verschmelzen. Und genauso wird dieser Name dann auch mit lateinischen Buchstaben geschrieben in der Vulgata:

Propter hoc dabit Dominus ipse vobis signum : ecce virgo concipiet, et pariet filium, et vocabitur nomen ejus Emmanuel. (Jes 7,14 Vulgata)

Ecce virgo in utero habebit, et pariet filium : et vocabunt nomen ejus Emmanuel, quod est interpretatum Nobiscum Deus.. (Mt 1,23 Vulgata)

Es ist also seit über 2000 Jahren der richtige Name mit der richtigen Aussprache sowohl auf Griechisch als auch Latein überliefert worden. Dennoch wurde 1967 in den Loccumer Richtlinien (LR) festgelegt, dass der Name in deutschen Bibeln Immanuel geschrieben werden solle (Biblische Eigennamen im Vergleich der Schreibweisen). Diesen Richtlinien folgen die meisten Bibeln seither unkritisch (siehe Tabelle auf Seite 2 „Eine Frage des Grundtextes“, wo man z.B. bei Luther und Schlachter den Umschwung nach 1967 auf die LR sehen kann im NT). Heute hören die meisten Christen und Bibelverlage offenbar lieber auf die späten Juden anstatt auf die frühen Christen und die frühen Juden, die noch im zweiten Jahrhundert alle wussten, dass der Klang des Namens Emmanuel war, wie uns Tertullian überlieferte und den Juden schrieb. Die Juden sprachen den Namen damals noch nicht falsch aus und daher war das auch noch kein Streitthema zur Zeit von Tertullian. Die Juden hatten ein anderes Problem: sie konzentrierten sich bei dem Namen nur auf seinen Klang, nicht auf seine Bedeutung.

Bei den hebräischen Namen nur auf ihren Klang zu hören, ist eine oberflächliche Praxis, die allen Männern Gottes - egal ob im Alten oder Neuen Testament - stets fremd war. Immer schon stand bei hebräischen Namen ihre Bedeutung im Blickpunkt der Autoren der Schrift. Deswegen wird an vielen Stellen im AT und NT auf die Bedeutung der Namen hingewiesen. Auch Matthäus tat das, als er Jesaja zitierte. Er fügte die Namensbedeutung extra hinzu:

„... und sie werden seinen Namen Emmanuel heißen“, was verdolmetscht ist: Gott mit uns. (Mt 1,22-23 ELB)

Man soll den Namen also nicht bloß transkribieren (d.h. dem Klang nach in einer anderen Schrift bzw. Sprache schreiben), sondern auch verdolmetschen, das heißt übersetzen. Darauf weist uns der Apostel Matthäus in seinem Evangelium an der Stelle ja extra hin! Leider werden die meisten Namen in der Bibel aber nur transkribiert und verlieren in anderen Sprachen somit ihre Bedeutung. Das verleitet zu der oberflächlichen Lesart der Juden und damit geht aber auch der Sinn und die Erfüllung der Namen verloren.

Tertullian und alle anderen frühen Christen folgten jedoch den Aposteln und achteten sehr genau auf jede ihrer apostolischen Anweisungen und verstanden den Namen Emmanuel daher immer verdolmetscht „Gott mit uns“. Und so belehrte Tertullian die Juden, dass sie den Namen ebenfalls so verstehen müssten:

Erkundige dich also, ob diese Rede „Gott mit uns“ (das ist Emmanuel) allgemein auf Christus angewandt wird, seit das Licht Christi aufgegangen ist, und ich denke, du wirst es nicht leugnen. Denn die, die aus dem Judentum heraus an Christus glauben, signalisieren, wann immer sie Emmanuel sagen wollen, dass Gott mit uns ist; und so ist man sich einig, dass der, der immer als Emmanuel vorausgesagt wurde, bereits gekommen ist, weil das, was Emmanuel bedeutet, gekommen ist - das heißt, „Gott mit uns“.