Alle anderen offenen Einwände und Fragen sind nicht neu, sondern sorgten wie schon gesagt früh für Streit. So überliefert uns zum Beispiel Tertullian bereits im 2. Jahrhundert:
Dementsprechend sagen die Juden: Lasst uns diese Voraussage des Jesaja anfechten und einen Vergleich anstellen, ob auf den bereits gekommenen Christus erstens der Name, den Jesaja vorausgesagt hat, und zweitens die Zeichen davon die er von ihm angekündigt hat, zutreffen.
Jesaja sagt also voraus, dass er Emmanuel genannt werden soll, und dass er später die Macht von Damaskus und die Beute von Samaria gegen den König der Assyrer einnehmen wird. „Nun“, sagen sie, „dieser (Christus) von euch, der gekommen ist, wurde weder bei diesem Namen genannt, noch hat er Krieg geführt.“ (An Answer to the Jews, Chapter IX. Aus dem Englischen übersetzt)
Dass Jesus nicht Krieg führte, störte tatsächlich bereits viele Juden als Jesus noch unter ihnen als Mensch lebte und wirkte. Sie erwarteten einen kriegführenden Messias. Und das lag unter anderem an jenem Satz im Buch Jesaja, der ein Kapitel später geschrieben steht:
denn bevor das Kind lernt, Vater oder Mutter zu rufen, wird man das Vermögen von Damaskos und das Raubgut von Samarien in Besitz nehmen vor dem König der Assyrer. (Jesaja 8,4 LXX Deutsch)
Die Juden verschmolzen diese Prophezeiung mit jener aus Kapitel 7 Vers 14 (siehe oben) und sagten, sie passen alle zusammen nicht auf Jesus. Und das machen bis heute viele Juden. Doch sie wurden bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. von den frühen Christen deswegen belehrt. So setzt Tertullian seine Rede gegen die Juden fort:
Wir hingegen meinen, dass sie ermahnt werden sollten, sich auch den Kontext dieses Abschnitts in Erinnerung zu rufen. Denn beigefügt ist die Auslegung von Emmanuel - „Gott mit uns“ -, damit ihr nicht nur den Klang des Namens, sondern auch den Sinn beachten könnt. Denn der hebräische Laut, der Emmanuel ist, hat eine Deutung, die lautet: Gott mit uns. Erkundige dich also, ob diese Rede „Gott mit uns“ (das ist Emmanuel) allgemein auf Christus angewandt wird, seit das Licht Christi aufgegangen ist, und ich denke, du wirst es nicht leugnen. Denn die, die aus dem Judentum heraus an Christus glauben, signalisieren, wann immer sie Emmanuel sagen wollen, dass Gott mit uns ist; und so ist man sich einig, dass der, der immer als Emmanuel vorausgesagt wurde, bereits gekommen ist, weil das, was Emmanuel bedeutet, gekommen ist - das heißt, „Gott mit uns“. (An Answer to the Jews, Chapter IX. Aus dem Englischen übersetzt)
Die frühen Christen ermahnten die Juden also, dass sie erstens den Kontext beachten müssen wenn sie die Schrift lesen und zweitens nicht nur auf den Klang der Worte, sondern auf deren Bedeutung, die übrigens eine hebräische ist (und daher den Juden geläufig sein sollte!), achten müssen. Es erscheint irgendwie skurril, dass die Christen den Juden praktisch Nachhilfe in der hebräischen Sprache geben mussten, aber es war so. Die Juden lasen den Namen Emmanuel nur dem Klang nach, und erwarteten daher, dass der Messias diesen Namen ebenso nach dem Klang bekommen würde. Jesus klingt aber anders als Emmanuel und daher sagten die Juden, die Prophezeiung passt nicht.