Obrigkeiten in der Bibel sind keine Politiker, schon gar nicht demokratische Regierungen, sondern Patriarchen, Sippenoberhäupter, Statthalter und vor allem Könige. Einer der berühmtesten Könige in der Bibel ist David, König von Israel, der in Jerusalem seinen Palast hat. Von dort aus regiert er sein Volk und von dort aus führt er seine Kriege. Grundsätzlich macht er das alles weise und gerecht. Er ist ein beliebter, gottesfürchtiger, erfolgreicher König, der sogar von seinen Feinden respektiert wird. Doch eines Nachts kann er nicht schlafen, wandelt auf seinem Dach umher und beobachtet dabei zufällig eine Frau in einem anderen Haus beim Baden. Das Fenster ist offen, er kann alles gut sehen. Er lässt die Frau ausforschen, zu sich bringen, begehrt sie und verkehrt mit ihr. Das erste Problem: die Frau ist weder Teil des königlichen Harems (der übrigens zu der Zeit schon recht gut bestückt war) noch ledig, sondern Ehefrau eines Soldaten. Er begeht also Ehebruch, darauf steht die Todesstrafe. Das zweite Problem: die Frau wird von König David schwanger und meldet es ihm. Der heimliche Ehebruch wird also bald sichtbar werden. Der König muss sich etwas überlegen, um aus der Misere wieder heraus zu kommen. Zunächst versucht er, den Ehemann der Frau, der sich gerade in einem Krieg befindet, nach Hause zu holen und dazu veranlassen, mit seiner Frau zu schlafen. Dann könnte es so aussehen, als wäre die Frau von ihrem Gatten schwanger und David wäre aus der Nummer raus. Das gelingt aber nicht. Darum greift David zum Mittel der Verschwörung: er verschwört sich mit seinem obersten General gegen den arglosen Ehemann seiner heimlichen Geliebten und zukünftigen Mutter seines Kindes. Der brave Soldat soll an die vorderste Front gestellt und im gefährlichsten Moment im Stich gelassen werden sodass er fällt. Der General führt die Verschwörung wie geplant aus. Damit wird seine Frau schlagartig Witwe und kann von König David ganz offiziell geheiratet werden und das Kind des Königs ehrenhaft zur Welt bringen. Die Verschwörung war perfekt, niemand im Volk schöpfte Verdacht und alles schien wieder in Ordnung zu sein. Wenn da nicht ein gewisser „Verschwörungstheoretiker“ von Gott herbeigerufen worden wäre:
Und der Herr sandte Nathan, den Propheten, zu David, und Nathan ging zu David hinein und sprach zu ihm: Erstatte mir Bericht über folgenden Rechtsfall:
Zwei Männer lebten in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. Und der Reiche hatte sehr viele Schafe und Ziegen, aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Lämmchen, das er erworben hatte und hegte und aufzog, und es nährte sich zusammen mit ihm und mit seinen Söhnen auf dieselbe Weise: Von seinem Brot aß es und von seinem Becher trank es und auf seinem Schoß schlief es, und es war für ihn wie seine Tochter.
Ein Reisender kam aber zu dem reichen Mann, und er ersparte es sich, von seiner eigenen Schafherde und seiner Ziegenherde (etwas) zu nehmen und es für den fremden Mann zuzubereiten, der zu ihm gekommen war, und er nahm das Lämmchen des armen Mannes und schlachtete es und bereitete es dem Manne zu, der zu ihm gekommen war.
Und David wurde sehr zornig auf den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der Herr lebt, des Todes wert ist der Mann, der dieses getan hat, und dazu soll er das Lämmchen vierfach ersetzen, dafür, dass er ihm dies getan hat und worin er ihn nicht geschont hat.
Und Nathan sprach zu David: Du bist der Mann, der dies getan hat. So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe dich gesalbt zum König über Israel, und ich habe dich der Hand Sauls entrissen. Und ich habe dir den ganzen Besitz deines Herrn und seine Frauen in deinen Schoß gegeben und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben, und wenn es (noch) zu wenig ist, werde ich dir (noch) ebenso viel hinzufügen. Doch warum hast du den Herrn geringschätzig behandelt, das Böse vor ihm zu tun? Urias, den Chettäer, hast du mit dem Schwert erschlagen, und seine Frau hast du dir zur Frau genommen, und ihn hast du getötet durch das Schwert der Ammoniter. Und nun wird das Schwert von deinem Hause in Ewigkeit nicht weggenommen werden, weil du mich geringschätzig behandelt und die Frau Urias’, des Chettäers, dir zur Frau genommen hast. So spricht der Herr: Siehe, ich werde gegen dich Schlimmes aus deinem Haus wecken und werde deine Frauen nehmen vor dir und werde sie deinem Nächsten geben, und er wird schlafen mit deinen Frauen unter dieser Sonne (das heißt »am hellen Tag«). Denn du hast es im Verborgenen getan; ich aber will dies tun vor ganz Israel und unter dieser Sonne. (2.Kön 12, Septuaginta Deutsch; 2.Sam 12 in Bibeln nach dem Masoretentext)
Gott sieht und weiß alles, was jeder Mensch macht und kennt auch die geheimen Pläne und Gedanken aller Menschen, und genauso die Verschwörungen. Doch dabei bleibt es nicht. Gott ist nie untätig. Er enthüllt in dem Fall die Verschwörung dem Prophet Nathan und auch die Strafe, die Gott dafür festgesetzt hat. Denn eine Verschwörung findet ja nicht nur gegen Menschen statt, sondern wird aus sündigen Leidenschaften geboren (in dem Fall das Begehren der Frau eines anderen) und geht üblicher Weise mit schweren Sünden (in dem Fall Ehebruch und Mord) einher und ist damit immer auch gegen Gott gerichtet, der das bestraft. Aber Gott hat nie nur die Strafe im Sinn, sondern möchte vielmehr, dass der Mensch seine Sünde erkennt, sie zugibt, bereut und Buße tut. Mit Buße ist in der Bibel immer die Umkehr vom falschen Weg und das Betreten des rechten Weges gemeint. Und darum schickt Gott den Prophet Nathan zu David. Damit David erkennt, was er in den Augen Gottes hier verbrochen hat und das bereut und in Zukunft nie wieder macht. Und genau dafür gebraucht Gott einen Prophet, der David überführt und ihm sagt, was er getan hat und dafür sorgt, dass es öffentlich bekannt wird.
Wie reagiert nun David darauf? Ist David entrüstet und schimpft Nathan einen „Verschwörungstheoretiker“? Weist David diesen ungebetenen Kritiker als lieblosen Störenfried zurecht oder lässt ihn gar wegsperren? Oder sagt David reflexartig: „Beweise erst mal diese ungeheuerlichen Anschuldigungen, und wenn du das nicht kannst, werde ich dich wegen Verleumdung und üblicher Nachrede verurteilen!“? All das läge in der Macht eines Königs, der David ja war, und all das haben schon viele Herrscher und Regierungen vorher und nachher bis heute mit unliebsamen Kritikern getan. Das wäre der leichteste Weg gewesen. Jeder hätte, wenn es Aussage gegen Aussage steht, dem unbescholtenen, beliebten König geglaubt, dessen Wort über jedem Zweifel erhaben war. Die Sache hätte also böse ausgehen können für Nathan, so wie sie schon für viele andere Propheten, aber auch investigative Journalisten, „Verschwörungstheoretiker“ und andere Aufdecker ungesund ausging.
Und David sprach zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den Herrn.
Und Nathan sprach zu David: Und der Herr hat deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben. Aber weil du durch die Widersetzlichkeiten den Herrn sehr erzürnt hast durch diese Sache, wird dein Sohn, der dir geboren wurde, des Todes sterben.
Und Nathan ging weg in sein Haus.
Der überführte Verschwörer gibt seine Schuld zu und zeigt Reue. Das erspart David noch schlimmere Strafe für sich und seine Familie. Dennoch bleibt ein Teil der Strafe. Der Sohn des Ehebruchs wird todkrank und stirbt sieben Tage später. Das Volk erfährt von der Verschwörung, die heimliche Verschwörung, der Ehebruch und Mord, kommt ans Tageslicht und jeder weiß nun Bescheid. Damit muss David den Rest seines Leben leben. Er schrieb auch einen Psalm darüber als Aufarbeitung:
50 Auf das Ende hin; ein Psalm, bezogen auf David, als Nathan, der Prophet, zu ihm kam, nachdem er zu Bersabeea hineingegangen war.
Erbarme dich über mich, Gott, nach deinem großen Erbarmen, und nach der Fülle deines Mitleids wisch ab meine Gesetzesübertretung!
Wasche mich weiterhin rein von meiner Gesetzlosigkeit, und von meiner Sünde reinige mich!
Denn meine Gesetzlosigkeit erkenne ich, und meine Sünde ist stets vor mir.
Gegen dich allein habe ich gesündigt, und ich habe Böses vor dir getan, damit du recht behältst mit deinen Worten, und den Sieg davonträgst, wenn du gerichtet wirst.
Denn siehe, in Gesetzlosigkeiten bin ich empfangen worden, und in Sünden wurde schwanger mit mir meine Mutter.
Denn siehe, du liebst die Wahrheit, das Geheime und das Verborgene deiner Weisheit hast du mir offenbart.
Du wirst mich mit Ysop besprengen, und ich werde rein sein, du wirst mich reinwaschen, und ich werde weißer als Schnee sein.
Du wirst mich Jubel und Freude hören lassen, die erniedrigten Gebeine werden jubeln.
Wende dein Angesicht von meinen Sünden ab, und alle meine Gesetzlosigkeiten wisch ab.
Ein reines Herz schaffe in mir, Gott, und einen aufrichtigen Geist erneuere in meinem Inneren.
Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und deinen heiligen Geist nimm nicht hinweg von mir!
Gib mir den Jubel über dein Heil zurück, und durch einen Geist, der (mich) leitet, stütze mich!
Ich will die Gesetzlosen deine Wege lehren, und die Gottlosen werden zu dir umkehren.
Rette mich vor Bluttaten, Gott, Gott meiner Rettung! Meine Zunge wird über deine Gerechtigkeit jubeln.
Herr, du wirst meine Lippen öffnen, und mein Mund wird dein Lob verkünden.
Denn wenn du ein Opfer wolltest, gäbe ich es, an Ganzbrandopfern wirst du kein Wohlgefallen haben.
Ein Opfer für Gott ist ein verwundeter Geist, ein verwundetes und erniedrigtes Herz wird Gott nicht verachten.
Tue Gutes, Herr, nach deinem Gefallen an Sion, und die Mauern Jerusalems sollen aufgebaut werden.
Dann wirst du Gefallen haben am Opfer der Gerechtigkeit, an Dargebrachtem und Ganzbrandopfern.
Dann werden sie auf deinem Altar Jungstiere darbringen.
Dieser Psalm 50 (nach Zählung des MT ist es später Ps 51 geworden) wurde seitdem von sehr, sehr vielen Menschen gelesen und gesungen. Er wurde auch von den Aposteln und deren Schülern im frühen Christentum oft und gerne zitiert. Er enthält weltberühmte Sätze, die bis heute vielen Menschen bekannt sind, auch wenn die wenigsten den wahren Hintergrund, nämlich die oben beschriebene Verschwörung, kennen. Ohne den Prophet Nathan, der diese Verschwörung mutig und kompromisslos ans Tageslicht brachte, wäre dieser Psalm nie entstanden. Darum wird er auch namentlich genannt. Der Psalm wäre aber auch nie entstanden, wenn David sich nicht überführen und zur Buße bringen hätte lassen von Nathan, sondern ihn stattdessen als „Verschwörungstheoretiker“ beschimpft und mundtot gemacht hätte. Somit ist dieser Psalm ein biblisches Mahnmal für die Daseinsberechtigung von „Verschwörungstheoretikern“ und den richtigen Umgang mit ihnen. Wir müssen sie ehren, ihnen zuhören und ihre Botschaften überprüfen.
Aber die ganze Geschichte gibt uns auch wertvolle Anleitungen, wie wir wahre Boten Gottes, die Verschwörungen aufdecken, von jenen unterscheiden können, die nur Geschichten erfinden, um sich hervorzutun oder anderen zu schaden. Denn auch das gibt es. Das wäre dann die andere Art von Verschwörung, nämlich eine erfundene, um gute, ehrliche Menschen zu Fall zu bringen. Denn das ist letztendlich immer der Charakter einer Verschwörung: sie bringt die Guten zu Fall oder gar um, damit die Bösen ihre bösen Taten verschleiern können. Dabei können „die Bösen“ auch eigentlich Gute sein. David war ein guter, gottesfürchtiger König, der sich von seinen sexuellen Lustgefühlen zur Sünde verleiten ließ. Und das, obwohl er nicht mal einen Notstand hatte, wie ihm der Prophet Nathan auch unter die Nase rieb. David hatte viele Frauen, nahm aber einem armen Mann seine einzige Frau weg. Das ist doppelt unrecht. Es beweist aber, dass auch gläubige Männer Gottes von einem Moment auf den anderen schwere Sünden begehen und in Folge dann heimliche, todbringende Verschwörungen planen können, um von ihren eigenen Sünden abzulenken oder diese wieder „in Ordnung“ zu bringen. Aus Sünde entsteht aber nie Ordnung, sondern sie gebiert die nächste Sünde - und davor ist niemand gefeit, auch nicht der gerechteste und gottesfürchtigste König der Welt. Deswegen dürfen wir aber nicht blind diesen König verteidigen und seine Kritiker verunglimpfen als „Verschwörungstheoretiker“, sondern sollen beide prüfen anhand der Wahrheit Gottes. Dabei gilt ein biblisches Prinzip: Wer zieht einen Nutzen, einen Vorteil aus seiner Geschichte? Dieses Prinzip wird uns heute vom Zeitgeist mit Absicht schlecht geredet, weil es natürlich denen hilft, die Verschwörungen aushecken und umsetzen. Nathan hatte keinen Nutzen davon, wenn jeder seine Geschichte glaubt. Er hätte daran keinen Cent verdient, er wäre auch nicht stattdessen König geworden, er hätte auch keinen beruflichen Karrieresprung gemacht. Nathan diente allein Gott und der Wahrheit und setzte dafür sein Leben aufs Spiel. David hingegen hätte sehr davon profitiert, wenn er Nathan öffentlich als „Verschwörungstheoretiker“ lächerlich gemacht hätte. Dann hätte David weiterhin sein weiße Weste bewahrt, wäre als guter König im Ansehen gestiegen, und hätte in Zukunft viele weitere Verschwörungen bei jeder passenden Gelegenheit ungestört durchziehen können, denn niemand hätte Nathan je geglaubt, wenn er wieder eine Verschwörung aufdecken hätte wollen. Lernen wir die Moral aus dieser Geschichte?