Erfand Jesus diese Anrede Gottes? Oder übernahm Er sie aus den Apokryphen von einer Frau?
Gott wird mit sehr vielen Anreden und Ehrentiteln im Alten und Neuen Testament angesprochen. Manche sind häufig, andere selten. Für viele Bibelleser verwendet Jesus eine Anrede, die davor niemand gebrauchte. Sie irren, weil sie die Schrift nicht kennen.
Tobit 7,18 | Mt 11,25 |
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»Mut, mein Kind! Der Herr des Himmels und der Erde wolle dir Freude statt dieser deiner Trauer geben, fasse Mut, meine Tochter!« | Zu jener Zeit hob Jesus an und sagte: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen und es Unmündigen geoffenbart hast; |
Menge Bibel | Menge Bibel |
Jesus sprach in einem Gebet Seinen Vater im Himmel also exakt genauso an wie es nur eine Frau in den Apokryphen vor Ihm tat. Zufall?
Die Hintergrundgeschichte
Im Buch Tobit tröstet Edna ihre Tochter Sara. Sie soll auf Gott vertrauen. Erstaunlicherweise verwendet Edna aber statt einem bekannten Gottestitel den ungewöhnlichen Titel „Der Herr des Himmels und der Erde“. Warum erstaunlich? Warum ungewöhnlich? Weil niemand vor ihr im Alten Testament das je tat! Nirgendwo sonst steht dieser Gottestitel wortwörtlich so in der Schrift. Und doch weiß man sofort, wer damit gemeint ist. Christen kennen diesen Titel genau, denn er wird von Jesus wortwörtlich so formuliert. Und zwar in einem Gebet, wo Er sich direkt an Seinen Vater im Himmel wandte. Wie kommt aber Jesus auf diesen Titel, wenn niemand zuvor Gott so anredete in der Heiligen Schrift? Lukas verrät uns ein wichtiges Detail mehr als Matthäus, denn bei Lukas steht:
In eben dieser Stunde jubelte Jesus durch den heiligen Geist mit den Worten: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen und es Unmündigen geoffenbart hast; ja, Vater, denn so ist es dir wohlgefällig gewesen. (Lukas 10,21 MENGE)
Jesus hat sich den Titel also nicht ausgedacht, sondern durch den Heiligen Geist gesprochen. Und von demselben Geist hatte es Edna, die Frau des Raguel. Damit ist nicht nur bestätigt, dass das Buch Tobit vom Heiligen Geist inspiriert ist, sondern dass Jesus es zitierte und Seine Jünger darin lehrte. Wieder einmal.
Nach Jesus Christus war dieser Gottestitel gängig im Christentum und wurde sogar in der Mission eingesetzt. Zum Beispiel von Paulus in Athen auf dem Areopag:
Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde ist, wohnt nicht in Tempeln, die von Händen gemacht sind; er lässt sich auch nicht von Menschenhänden bedienen, als ob er etwas benötigen würde, da er doch selbst allen Leben und Odem und alles gibt. (Apostelgeschichte 17,24-25 SCH2000)
Übrigens flehte auch schon eine andere Frau aus einem anderen apokryphen Buch Gott mit einem sehr, sehr ähnlichen Titel an:
Ja, du Gott meines Vaters und Gott des Erbbesitzes Israels, du Herrscher des Himmels und der Erde, Schöpfer allen Wassers und König deiner ganzen Schöpfung, erhöre mein Flehen! (Judit 9,12 LUT2017)
Auf Griechisch sieht die Anrede „Herr des Himmels und der Erde“, die Jesus in den Evangelien verwendete, so aus:
κύριος τοῦ οὐρανοῦ καὶ τῆς γῆς
Der ganze Satz bei Tobit sieht so aus:
Θάρσει, τέκνον, ὁ κύριος τοῦ οὐρανοῦ καὶ τῆς γῆς δῴη σοι χάριν ἀντὶ τῆς λύπης σου ταύτης θάρσει, θύγατερ.
Auch für Leute, die nicht Griechisch können, ist zu erkennen, dass der Titel bei Tobit Buchstabe für Buchstabe gleich ist mit dem Wortlaut, den Jesus betete.
Der griechische Text bei Judith 9,12 ist aber so:
ναὶ ναὶ ὁ θεὸς τοῦ πατρός μου καὶ θεὸς κληρονομίας Ισραηλ, δέσποτα τῶν οὐρανῶν καὶ τῆς γῆς, κτίστα τῶν ὑδάτων, βασιλεῦ πάσης κτίσεώς σου, σὺ εἰσάκουσον τῆς δεήσεώς μου
Während Jesus und Edna von kýrios (κύριος) - also dem Herrn oder Herrscher - sprachen, sprach Judit vom déspota (δέσποτα) - dem Despoten, Gebieter oder Herrscher. Das ist ein feiner Unterschied, der für i-Tüpfelchenreiter daher nicht als wortwörtliches Zitat taugt. Trotzdem ist es auffällig, wie sehr sich zwei Frauen in zwei verschiedenen apokryphen Büchern in ihrer Anrede Gottes ähneln und mit Jesus übereinstimmen, und es aber niemand sonst so tat in der Schrift. Menschen, die die Apokryphen nicht kennen, entgeht diese Wahrheit Gottes völlig. Und so glauben Halbgebildete, die die Apokryphen nicht kennen, dass der Herr Jesus den Titel „Herr des Himmels und der Erde“ eingeführt hat und dass das daher eine urchristliche Anrede Gottes sei. Weit gefehlt. Sie wurde schon Jahrhunderte vorher von gottesfürchtigen Juden verwendet - aber nur in den Apokryphen überliefert.
Für die Menge Bibel ist der Unterschied zwischen Judit und Tobit so unwesentlich, dass sie beide Anreden übrigens wortgleich übersetzt:
Ja, ja, du Gott meines Vaters und du Gott deines Eigentumsvolkes Israel, Herr des Himmels und der Erde, Schöpfer des Weltmeeres, König deiner ganzen Schöpfung, erhöre du mein Gebet! (Judit 9,12 MENGE)
Somit hätten wir dann am Schluss praktisch zwei apokryphische Bücher, die Jesus Christus in seinem Gebet gleichzeitig zitiert.