• Wer kam in Wahrheit zu Jesus nach Bethlehem und brachte die berühmten Geschenke?

Im Griechischen gibt es 4 verschiedene Wörter, die in Deutschen Bibelübersetzungen häufig durcheinander gebracht werden.

  1. μάγος (magos, G3097). Auf Deutsch Magier, auf Englisch magi.

  2. επαοιδούς (epaoidous, G1883.3). Auf Deutsch Beschwörer, auf Englisch enchanters.

  3. γαζαρηνών (symmachus, G1048.1). Auf Deutsch Gazarener (Astrologen), auf Englisch: astrologers

  4. σοφοί (sophos, G4680. Auf Deutsch Weise, auf Englisch wise men.

Alle vier Begriffe kommen im Buch Daniel vor.

Die ersten beiden (magos, epaoidous) werden häufig paarweise genannt im Buch Daniel (1,20; 2,2.10.27; 4,7; 5,11):

Daniel 1,20
LXX Deutsch  Und in jeder Sache von Weisheit und Wissen, welche der König bei ihnen suchte, fand er sie zehnfach (überlegen) im Vergleich zu allen Beschwörern und Magiern, die in seinem ganzen Königreich waren.
FBÜ Und in jeder Sachen der Weisheit und des Verstandes, welche der König von ihnen ersuchte, befand er sie zehnmal größer als alle Beschwörer und Magier, die in seinem ganzen Königreich waren
ABP And in every discourse of wisdom and higher knowledge, as much as the king sought from them, he found them ten-times more than all of the enchanters, and the magi, the ones being in all of his kingdom.

Die ersten drei (magos, epaoidous, symmachus) stehen in Daniel 5,11 neben einer weiteren Gruppe, die wir noch nicht erwähnten, nämlich die Chaldäer:

Daniel 5,11
LXX Deutsch Es gibt in deinem Königreich einen Mann, in dem Gottes Geist ist, und in den Tagen deines Vaters wurde in ihm Wachheit und Verstand gefunden, und der König Nebudkadnezzar, dein Vater, setzte ihn ein als Leiter der Beschwörer, Magier, Chaldäer, Gazarener.
FBÜ  Es gibt einen Mann in deinem Königreich, in welchem Gottes Geist ist; und in den Tagen deines Vaters sind in ihm Munterkeit und Einsicht gefunden worden, und der König Nabuchodonosor, dein Vater, setzte ihn als Fürsten der Beschwörer, Magier, Chaldäer, Gazarener ein.
ABP There is a man in your kingdom in which is spirit of the holy God. And in the days of your father, vigilance, and understanding, and wisdom as wisdom of God, was found in him; and king Nebuchadnezzar your father placed him ruler of enchanters of magi of Chaldeans and of astrologers.

Und am Schluss das erste Wort (magos) in Kombination mit den letzten beiden (symmachus, sophos) :

Daniel 5,15
ABP And now there entered before me the wise men, magi, and astrologers, that they should read this writing, and the interpretation they should make known to me. But they were not able to announce to me.
FBÜ Und nun sind die Weisen, Magier, Gazarener vor mich hineingekommen, damit sie diese Schrift vorlesen und mir die Deutung kundtun.
LXX Deutsch Und nun sind vor mich die Weisen, Magier, Gazarener hereingekommen, damit sie diese Schrift läsen und mir ihre Deutung zu erkennen gäben, und sie konnten sie mir nicht berichten.
SCH2000 Nun sind die Weisen und Wahrsager vor mich geführt worden, um diese Schrift zu lesen und mir ihre Bedeutung mitzuteilen; sie waren aber nicht imstande, die Bedeutung der Worte zu erklären.
Hfa Eben habe ich meine Gelehrten, die mich beraten, und die Geisterbeschwörer kommen lassen. Sie sollten diese Schrift lesen und mir sagen, was sie bedeutet. Aber sie können es nicht.
GN  Ich habe meine Weisen und Wahrsager holen lassen, damit sie diese Schrift lesen und mir ihren Sinn deuten; aber sie können es nicht.
LUT2017 Nun hab ich vor mich rufen lassen die Weisen und Zauberer, damit sie mir diese Schrift lesen und kundtun sollen, was sie bedeutet; aber sie können mir nicht sagen, was das alles bedeutet.
EÜ2016 Man hat die Weisen und die Wahrsager vor mich gebracht, damit sie diese Schrift lesen und mir deuten. Sie konnten mir aber nicht sagen, was das Geschriebene bedeutet.
KJV And now the wise men, the astrologers, have been brought in before me, that they should read this writing, and make known unto me the interpretation thereof: but they could not shew the interpretation of the thing.

„Drei? Sagtest du eben drei? Aber, da sind ja nur zwei!“, werden jetzt einige Leser beanstanden. Ja, es sind drei im Griechischen Grundtext, der Septuaginta, aber nur zwei im Masoretentext, den heute die meisten Bibeln verwenden. Daran kann man erkennen, welche Bibeln in der Liste oben die Septuaginta verwenden und welche nicht. Aber das ist ein anderes Thema, das wir an anderer Stelle ausführlich behandeln. Wem das interessiert, wird dort viele spannende Beiträge dazu finden. Mir ging es hier nur darum, dass im Alten Testament immer unterschieden wird zwischen Weisen, Magiern, Beschwörern und Astrologen. Das sind verschiedene Wörter im selben Buch Daniel. Und das ist kein Zufall: denn alle diese Berufe kommen aus der babylonischen und persischen Kultur. Genauso übrigens wie die Männer, die Jesus in Bethlehem aufsuchten. Aber wie werden sie nun im Neuen Testament bezeichnet?

Der Apostel Matthäus schrieb nur einen Begriff, nämlich magos, von dem sich das Deutsche Wort Magier ableitet (Englisch: magi). Wie übersetzen aber die verschiedenen Bibeln diesen?

Matthäus 2,1
SCH2000 Als nun Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem
Hfa Jesus wurde in Bethlehem geboren, einer Stadt in Judäa. Herodes war damals König. Da kamen einige Sterndeuter aus einem Land im Osten nach Jerusalem
GN  Jesus wurde in Betlehem in Judäa geboren, zur Zeit, als König Herodes das Land regierte. Bald nach seiner Geburt kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem
LUT2017 Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen
ABP And Jesus having been born in Bethlehem of Judea, in the days of Herod the king, behold magi from the east came unto Jerusalem.
EÜ2016 Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem
NeÜ Als Jesus während der Herrschaft von König Herodes in Bethlehem, ‹einer Stadt› in Judäa, geboren war, kamen Sterndeuter aus einem Land im Osten nach Jerusalem.
NGÜ Jesus wurde zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem, einer Stadt in Judäa, geboren. Bald darauf kamen Sterndeuter aus einem Land im Osten nach Jerusalem.
NLB Jesus wurde in der Stadt Bethlehem in Judäa während der Herrschaft von König Herodes geboren. In dieser Zeit kamen einige Sterndeuter aus einem Land im Osten nach Jerusalem
DBU Als Jesus in Bethlehem geboren wurde, einer Ortschaft in der Provinz Judäa, damals zur Zeit des Königs Herodes, geschah es. Sterndeuter kamen aus dem weit entfernten Osten und gelangten bis nach Jerusalem. 
Als Jesus in Betlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes zur Welt gekommen war, da kamen Sterndeuter aus dem Morgenland nach Jerusalem
Jantzen Nachdem Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war in den Tagen des Königs Herodes – siehe!: Weise aus dem Osten trafen in Jerusalem ein.
FBÜ  Nachdem aber Jesus in Bethlehem in Judäa geboren worden war, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, Magier vom Osten kamen in Jerusalem an.
KJV Now when Jesus was born in Bethlehem of Judaea in the days of Herod the king, behold, there came wise men from the east to Jerusalem.

Das Ergebnis ist auffallend und überraschend gleichzeitig. Denn obwohl die wörtliche Übersetzung Magier wäre, kommen die in keiner Bibel vor. Dafür alle anderen Begriffe, für die es aber - wie ich bereits oben zeigte - eigene griechische Wörter gibt. Hätte Matthäus Sterndeuter oder Astrologen gemeint, so hätte er symmachus geschrieben. Hätte er Weise gemeint, so wäre das Wort sophos das bessere gewesen. Aber er tat es nicht, sondern wählte magos. Einzige Ausnahme, die ich fand, ist die Bibelübersetzung von Benjamin Fotteler, aber die ist nur einem sehr kleinen Kreis überhaupt bekannt. Auch auf Englisch schreibt nur die Apostolic Bible Polyglot magi. Die großen renommierten Bibeln vermeiden das Wort Magier auffällig einmütig als hätten sie sich abgesprochen. Aber sie haben sich auf der anderen Seite auf kein einheitliches Wort geeinigt, denn sie übersetzen durchaus unterschiedlich. Woran liegt das?

Zunächst könnte man glauben, dass es daran liegt, dass man heute in westlichen Ländern das Wort Magier anders versteht als damals. Heute bezeichnet man in den Industrieländern mit Magier eher Unterhaltungskünstler, die ihr Geld mit Zaubertricks und Illusionen verdienen, als mystische Männer, die mit okkulten Mächten arbeiten. Moderne Menschen assoziieren mit dem Wort Magier Showstars wie David Copperfield, Siegfried und Roy oder die Ehrlich Brothers. Zur Zeit von Daniel und auch noch zur Zeit von Jesu Geburt war das jedoch anders. Das Buch Daniel beschreibt wie der Babylonische Großkönig Nebukadnezzar alle weisen Männer um sich sammelte, um von ihrer Weisheit zu profitieren. Er sehnte sich nicht nach spektakulären Shows, sondern nach Weisheit und Antworten auf offene Fragen, wenn er Magier holte. Magier wurden befragt wegen ihrer übersinnlichen Kräfte, ihrer schwarzen und weißen Magie. Von dort holten sie sich ihre Erkenntnisse, anders als Sterndeuter, die man heute Astrologen nennt, die die Sterne befragten, und nochmal anders als die Sophisten, die ihre Weisheit aus ihrer breiten Bildung holten, dem Studium von Sprachen, Weisheitsliteratur, Geschichte und der Natur. So einer war Daniel, er wurde darin ausgebildet am Hof von Nebukadnezzar und war am Ende zehnmal weiser als alle die anderen.

Auf der anderen Seite kommen mystische Magier mit dämonischen Zauberkräften aber gerade auch in den aufgeklärten Industrieländern wieder sehr in Mode. In unzähligen Filmen, Romanen und Computerspielen treten zunehmend Magier auf, die genau solche okkulten Kräfte besitzen und einsetzen, wie es eben jene zur Zeit von Daniel und Jesus taten. Also könnte man den von Matthäus gewählten Begriff magos auch heute noch getrost mit Magier übersetzen und davon ausgehen, dass er richtig verstanden würde. Erst recht erhärtet sich diese Annahme, wenn man etwas weiter im Neuen Testament liest. Denn in der Apostelgeschichte steht:

Ein Mann aber, mit Namen Simon, befand sich vorher in der Stadt, der betrieb Magie und brachte das Volk von Samaria außer sich, indem er von sich selbst sagte, dass er etwas Großes sei. [Apostelgeschichte 8,9 ELB]

Hier steht im Grundtext mageuō (μαγεύω, G3096), das nur eine andere Zeitform von exakt dem Wort magos ist, das Matthäus und Daniel verwendeten. Doch plötzlich scheut sich keine Bibel mehr es mit Magie zu übersetzen. Alle Bibeln schreiben an der Stelle Magie oder Zauberei. Überprüfen Sie es doch bitte selbst und erklären sie uns, warum das Wort Magie in der Apostelgeschichte als passende Übersetzung betrachtet wird, im Matthäusevangelium aber nicht. Es kann also nicht an der Sprachkultur liegen. Dieses Argument fällt also weg.

Es hat in Wahrheit einen geistlichen Grund. Magie oder Zauberei hat Gott streng verboten. Auch der Umgang mit Magiern oder Zauberern ist jedem frommen Juden verboten. Deswegen scheint es für moderne Übersetzer nicht passend zu sein, wenn Magier, die als unreine, okkulte Sünder galten, vor dem reinen, heiligen Jesuskind erschienen und es beschenkten. Man kann aus sündigen Magiern auch schwer heilige drei Könige machen. Das sind Gegensätze. Bei Simon dem Magier aus der Apostelgeschichte ist das anders. Er war ein böser Mensch, der sich nicht wirklich bekehrte, sondern die Apostel reinlegte und am Ende von Petrus verflucht wurde. Das passt zu einem Magier. Erkennen Sie die Gedankengänge dahinter? Moderne Übersetzer schrieb ich, weil ältere Übersetzungen aus längst vergangenen Jahrhunderten tatsächlich noch Magier schrieben, zum Beispiel die Elberfelder von 1871:

Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen Herodes’, des Königs, siehe, da kamen Magier vom Morgenlande nach Jerusalem, welche sprachen...

Was war für die modernen Übersetzer nun eine passende Alternative zu Magier? Nun, die meisten griffen zu Sterndeuter, weil die Männer dem Bericht nach einem Stern folgten. Das scheint logisch. Menschlich gedacht. Doch Matthäus schrieb mit Absicht nicht symmachus, was Sterndeuter wären, sondern eben magos. Warum? In Wahrheit waren es keine Sterndeuter, denn die hätten daran Anstoß genommen, dass es sich gar nicht um einen echten Stern handelte, sondern Magier, die mit allem Übersinnlichen und Mystischen vertraut waren und sich darauf einließen. „Keinem echten Stern? Was soll das heißen?“ werden Sie jetzt vielleicht entrüstet fragen, „aber die Bibel schreibt doch eindeutig von einem Stern“. Tja, das ist eines der Probleme, das viele Leser haben, sie lesen und denken menschlich. Darum denken sie bei Stern nur an natürliche Sterne, wie sie jeder Astronom heute kennt. Und das hat schon viele Irrlehrer auf den Plan gerufen, die mit wissenschaftlichen Methoden anhand von Sternkarten das wahre Geburtsdatum von Jesus errechnen wollten. Sie scheitern kläglich, weil sie den Bericht falsch lesen, der auch noch tendenziös übersetzt ist. Darum wurden Sterndeuter oder Weise aus Magiern gemacht. In Wahrheit waren es aber weder richtige Sterndeuter noch Weise. Sie verhielten sich menschlich gesehen gar nicht weise, wenn man die Geschichte kritisch verfolgt. Matthäus wusste genau was er schrieb und warum. Wen interessiert das heute noch? Wer will sich von Matthäus unterweisen lassen, und wer fühlt sich hingegen bemüßigt, Matthäus zu belehren und ihm andere Worte in den Mund zu legen?

Ich bin immer wieder überwältigt, wie worttreu die frühen Christen die Apostel und den Rest der Heiligen Schrift zitierten. Sie schrieben alle magos. Einerseits kein Wunder, denn auch sie dachten, lehrten, lasen und schrieben auf Griechisch. Aber dennoch ist es ein klarer Hinweis, dass sie verstanden, dass die Apostel von magos sprachen und nicht von anderen persischen Gelehrten, für die es ja, wie schon erklärt, mehrere verschiedene Griechische Wörter zur Auswahl gab.

Die frühen Christen glänzten mit Gottesfurcht und Respekt vor ihren Lehrern, allen voran dem Meister Christus und Seinen Aposteln. Keiner der frühen Christen wagte, denen etwas hinzufügen oder sie umzudeuten oder gar zu belehren. Daher waren sie auch in der Lage, den wahren Sinn hinter den Berichten zu sehen und die Lehre der Apostel zu bewahren. Im Falle der Magier aus dem Osten empfehle ich daher die äußerst erhellende Predigt von Chrysostomus mit dem Titel „Die Magier und der Stern“.