• Feierten die frühen Christen Jesu Geburtstag und wenn ja, wann?
Die Anbetung der Hirten, Gerard v. Honthorst, 17.Jh

Seien wir also nicht undankbar gegen unsern Wohlthäter! Laßt uns alle vielmehr ihm Alles darbringen, was wir nur aufbringen können: Glaube, Hoffnung, Liebe, Mäßigkeit, Almosen, Gastfreiheit.

Und Dasselbe, was ich euch noch vor Kurzem an’s Herz gelegt, Das will ich euch heute wieder und Das werde ich euch unaufhörlich an’s Herz legen. Was ist Das denn? Wenn ihr zu diesem wahrhaft furchtbaren und göttlichen Gastmahle, zu dem heiligen Geheimniß hinzutreten wollet, dann kommt mit Furcht und Zagen, mit reinem Gewissen, unter Gebet und Fasten, und hütet euch wohl zu lärmen, mit den Füßen zu stampfen und den Nachbar zu stoßen! Das wäre ja heller Wahnsinn und würde nicht geringe Verachtung bekunden. Daher läßt Gott über Diejenigen, welche sich so benehmen, große Strafen und Züchtigungen kommen. Bedenke doch, o Mensch, was Das für ein Opfer ist, dessen du dich theilhaftig machen, was für ein Gastmahl, dem du dich nahen willst. Erwäge, daß du — Staub und Asche — den Leib und das Blut Christi empfängst.

Wenn euch der Kaiser zu einem Gastmahl ladet, seid ihr bei Tisch von ehrerbietiger Furcht erfüllt und nehmet von den aufgetragenen Speisen nur schüchtern und schweigend; hier aber ruft euch Gott der Herr an seinen Tisch und bringt auf diesen Tisch seinen eingebornen Sohn! Engel des Himmels stehen dabei, voll Furcht und Zagen; die Cherubim verhüllen ihr Angesicht; zitternd rufen die Seraphim: Heilig, heilig, heilig ist der Herr; — und du — verantworte dich doch — du schreist und lärmst bei diesem hochheiligen Gastmahl! Weißt du nicht, daß in diesen Augenblicken die Seele voll heiliger Ruhe sein soll? Da ist die Fülle stillen Friedens vonnöthen, da ist Lärm, Zorn und Verwirrung nicht an der Stelle; denn dadurch wird die Seele des Gastes verunreinigt. Wie können wir von Gott Nachsicht erwarten, wenn wir nach so vielen und so großen Sünden auch nicht einmal in dem Augenblicke, wo wir zu diesem heiligen Mahle hinzutreten, von jenen unsinnigen Leidenschaften frei sind?

Was ist denn überhaupt nothwendiger als die Theilnahme an diesen heiligen Geheimnissen? Oder was regt uns auf, daß wir so eilig sind, daß wir unsere Seele und ihre Anliegen vergessen und zu den Sorgen für das Fleisch und die Welt hinstürmen? Laßt uns doch nicht, ich bitte und beschwöre euch, den Zorn Gottes gegen uns erregen! Das, was uns hier geboten wird, ist eine heilsame Arznei für unsere Wunden, ein unerschöpflicher Reichthum, ein Mittel, das Himmelreich zu gewinnen. Darum wollen wir nur mit großer Ehrfurcht hinzutreten, wollen zugleich auch Dank sagen, uns niederwerfen, unsere Sünden bekennen, trauernd unser Elend beweinen und andauernd inständige Gebete zu Gott emporsenden.

So laßt uns zuerst unser Inneres reinigen und dann ruhig und gemessen, in geziemender Ordnung hinzutreten; es ist ja der König des Himmels, dem wir uns nahen. Wenn wir dann die heilige und makellose Opferspeise empfangen haben, dann wollen wir sie ehrerbietig küssen, voll Liebe betrachten und unser Herz entzünden, damit wir nicht zum Gerichte und zur Verdammung zusammenkommen, damit sie uns vielmehr gereiche zur Heiligung der Seele, zur Liebe und Tugend, zur Versöhnung mit Gott, zum dauerhaften Frieden, zur Theilnahme an zahllos vielen Gütern und Gnaden, auf daß wir uns selbst heiligen und den Nächsten erbauen.

Das sage ich unablässig, und Das werde ich zu sagen niemals aufhören. Was könnte es euch auch nützen, gleichgültig und gedankenlos hieher zu laufen, ohne etwas Heilsames zu vernehmen? Oder was brächte es für einen Gewinn, wenn ich immer nach euern Wünschen und Gelüsten predigen würde? Die Zeit dieses Lebens ist kurz, meine Theuern! Wir wollen fasten, wachen, uns versöhnen, gegen Jedermann eine eifrige und aufrichtige Liebe an den Tag legen und in allen Dingen uns der Gottseligkeit befleissen. Und wenn wir das Wort Gottes anhören müssen, wenn wir beten, wenn wir kommuniziren oder irgend ein anderes Werk dieser Art vornehmen müssen, dann soll es immer mit banger Ehrfurcht geschehen, damit wir uns nicht durch unsere Nachläßigkeit den Fluch zuziehen. „Denn verflucht ist Jeder,“ so sagt die Schrift, „der das Werk Gottes nachläßig verrichtet.“

Lärm und zorniges Benehmen ist ein Frevel gegen dieses heilige Opfer. Es zeugt von einer Verachtung ohne Gleichen, wenn man mit beflecktem Herzen sich Gott dem Herrn naht. Höre, was von solchen Menschen der Apostel sagt: „Wenn Jemand den Tempel Gottes verdirbt, wird ihn der Herr verderben.“ Laßt uns also wohl zusehen, daß wir nicht den Herrn erzürnen, statt ihn zu versöhnen. Laßt uns deßhalb zu diesem Mahle hintreten mit großer Vorsicht, in vollkommener Ordnung, frei von leidenschaftlicher Aufregung, unter Gebet und mit zerknirschtem Herzen, auf daß wir auch dadurch unsern Herrn Jesus Christus versöhnen und theilhaft werden können seiner Verheissungen, durch die Gnade und Liebe dieses unseres Herrn Jesu Christi. Ihm und zugleich dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ehre, Macht, Herrlichkeit, jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen.

Chrysostomus Orationes Ausgewählte Reden (BKV), Auf Weihnachten (In diem natalem)