• Auch bekannt als: Tatian der Assyrer
  • Lehrer: Justin der Märtyrer
  • Wirkungsperiode: 2.Jahrhundert
  • Todesjahr: 170
Tatian

Er wurde vom vielbeachteten Apologeten des Christentums, der einen der besten Lehrer seiner Zeit hatte, nach dessen Tod zum berüchtigten Häretiker.

Der Apologet Tatian wurde als Kind syrisch redender Eltern nach seinem eigenen Zeugnisse im „Lande der Assyrier“ (d. i. im Gebiete des mittleren Tigris und seiner Zuflüsse) geboren. Aber griechische Lehrer waren es, die seine Erziehung besorgten und den Jüngling nach dem Zuge der Zeit vorwiegend mit griechischer Rhetorik und Philosophie bekannt machten.

Zuerst als Lernender, dann nach dem Beispiel seiner Meister als professioneller Sophist, als Deklamator und Wanderlehrer, durchzog er die damalige Kulturwelt von Ost nach West, den gräzisierten Orient, das eigentliche Hellas und Italien. Wie viele andere von der Frage nach dem Zweck und Ziel unseres Daseins lebhaft beunruhigt, suchte auch Tatian die Wahrheit zunächst im phantastischen Wirrsal der verschiedensten Götterkulte und im geheimnisvollen Dunkel griechischer Mysterien, erst in reifen Jahren, wie er selbst erzählt, in der befreienden Schlichtheit des Christentums. Wann und wo sein Übertritt zu dieser „barbarischen Philosophie“ erfolgte, läßt sich nicht feststellen: aber in Rom war er nach glaubwürdigen Zeugnissen schon Schüler des Justins, der zwischen 163 und 167 den Märtyrertod erlitt, und Lehrer des späteren Antignostikers Rhodon, dessen öffentliches Auftreten von Eusebius in die Regierungszeit des Kaisers Commodus (180-192) verlegt wird.

Rechtgläubig freilich blieb Tatian, wie Irenäus versichert (siehe unten), nur solange sein bewunderter Lehrer Justin der Märtyrer lebte. Im Orient aber, in den er nach dem Tode Justins zurückgekehrt war, hat er sich ketzerischen Lehren zugewandt und wurde Führer der sog. Enkratiten, die unter anderem die Ehe und den Fleisch- und Weingenuß als sündhaft verwarfen. (Text aus der BKV)

Irenäus beschreibt den Abfall von Tatian so:

So stammen beispielsweise von Saturninus und Markion die sogenannten Enkratiten oder Enthaltsamen, welche die Pflicht der Ehelosigkeit verkünden. Damit verwerfen sie die alte Einrichtung Gottes und klagen den ungerechterweise an, der Mann und Weib zur Erhaltung des Menschengeschlechtes geschaffen hat. Ihre sogenannten Seelischen also, welche die Ehelosigkeit eingeführt haben, sind undankbar gegen Gott, der alles gemacht hat. Tatian, der Schüler Justins, brachte diese Gotteslästerung auf. Solange er bei Justin war, hat er nichts Derartiges gelehrt; erst nach dessen Märtyrertode trennte er sich von der Kirche, wollte als großer Lehrer gelten, wurde hochmütig und aufgeblasen, als ob er etwas besseres als die andern wäre, und stellte seine Sonderlehren auf. Nun erdichtete er sich ähnlich wie die Valentinianer Äonen und erklärte ähnlich wie Markion und Saturninus Ehe wie Unzucht als gleich verderblich. Aus sich selbst aber behauptete er, auch Adam sei nicht gerettet worden. (Irenäus, Gegen die Häresien (BKV), Erstes Buch, 28. Kapitel: Tatian, die Enkratiten und andere)

Lügnerisch also ist der, welcher diese Lehre oder vielmehr diese Unwissenheit und Blindheit zuerst aufgebracht hat, der Tatian, der zwar zum Kompendium aller Häresien geworden ist, wie wir gezeigt haben, dies aber aus sich selbst erfunden hat, um vor den andern etwas Neues beizubringen. Leeres spricht er, glaubensleere Hörer sammelt er um sich, trachtet nach dem Rufe eines Lehrers und bedient sich beständig des Paulinischen Wortes: „In Adam sterben wir alle“ , übersieht aber, daß „wie die Sünde überhandnahm, auch die Gnade überschwenglich wurde“ . Bei diesen klaren Beweisen mögen alle, die von ihm abstammen und über Adam streiten, erröten, gleich als ob sie etwas Großes gewonnen hätten, wenn jener nicht gerettet würde. Das kann ihnen ebensowenig nützen, wie es der Schlange nützte, daß sie den Menschen verleitete. Zwar brachte sie ihn zur Sünde und hatte an ihm einen Anlaß und ein Objekt für ihren Abfall, Gott aber hat sie nicht besiegt. So erreichen auch die, welche dem Adam das Heil absprechen, nichts anderes, als daß sie sich zu Häretikern machen, die von der Wahrheit abfallen, und sich als Anwälte der Schlange und des Todes offenbaren. (Irenäus, Gegen die Häresien (BKV), Drittes Buch, 23. Kapitel: Auch Adam ist erlöst worden)