• Feierten die frühen Christen Jesu Geburtstag und wenn ja, wann?
Die Anbetung der Hirten, Gerard v. Honthorst, 17.Jh

Doch ich will euch einen Beweis beibringen, der noch deutlicher und überzeugender ist. Jetzt merkt auf, ich bitte euch, denn ich muß euch eine weitläufige Untersuchung vortragen und alte Gesetze anführen, damit euch meine Rede in jeder Beziehung verständlicher werde.

Bei den Juden bestand ein altes Gesetz - doch ich will weiter ausholen. Als Gott das Volk der Hebräer von dem Elend in Ägypten, und von der Tyrannei des fremden Königs befreit hatte, waren sie noch von einem Reste heidnischer Vorstellungen beherrscht; sie ließen sich nämlich von der Pracht der sichtbaren Dinge noch gleichsam bezaubern, und bewunderten namentlich große und schöne Tempel über die Maßen. Im Hinblick auf diese ihre Schwäche ließ ihnen Gott einen Tempel bauen, der nicht bloß durch Kostbarkeit des Materials und kunstvolle Ausstattung, sondern auch in Rücksicht auf Plan und Bauart alle Tempel der Welt in Schatten stellen mußte. Gott machte es hier ähnlich wie ein zärtlich liebender Vater mit seinem Sohne, wenn dieser sich nach langer Zeit dem Vater wieder zuwendet, nachdem er sich inzwischen mit lasterhaften Menschen, mit Verführern und Wüstlingen umhergetrieben und ein üppiges, schwelgerisches Leben geführt hat. Wie nämlich ein solcher liebevoller Vater dem Sohne noch größern Überfluß an Gütern zuweis’t, die er mit Ehren und ohne Sorgen besitzen und genießen soll, damit nicht der Sohn, etwas kurz gehalten, wieder seiner frühern Verhältnisse gedenkt und sie zurückwünscht: so wollte auch Gott den Juden, weil er ihre leidenschaftliche Vorliebe für äussere Schönheit kannte, das Herrlichste und Prachtvollste zur Verfügung stellen, damit sie sich nie nach Ägypten und nach Dem, was sie dort gesehen hatten, zurücksehnen möchten. Deßhalb ließ er den Tempel bauen nach dem Bilde der ganzen, der sinnlichen und übersinnlichen Welt.

Die Welt besteht aus Himmel und Erde, und dazwischen ist dieses Firmament, das wir sehen, als Scheidewand aufgerichtet: ähnlich ließ er auch den Tempel einrichten. Auch diesen Tempel theilte er in zwei Abtheilungen, und ließ dazwischen einen Vorhang anbringen; der Raum ausserhalb des Vorhanges sollte für Jedermann zugänglich, dagegen der innere Raum für Alle - den Hohenpriester allein ausgenommen - unnahbar und unsichtbar sein. Das ist nicht lediglich meine Ansicht; nein der Tempel war in der That als ein Abbild der ganzen Welt eingerichtet. Zum Beweise höret nur, was Paulus sagt, indem er von der Himmelfahrt Christi redet: „Denn nicht in ein mit Händen gemachtes Heiligthum, ein Abbild des wahren, ist Christus eingegangen.“ Damit zeigt er, daß dieses Heiligthum ein Abbild des wahren Heiligthums ist. Und daß auch der Vorhang das Allerheiligste von dem äussern Heiligthum trennte, so wie dieser Himmel Das, was darüber ist, trennt von Allem, was hier auf Erden ist, auch Das gibt er zu verstehen, indem er den Himmel einen Vorhang nennt. An einer andern Stelle nämlich, wo er über die Hoffnung spricht, daß wir an ihr einen sichern und starken Anker für unsere Seele besitzen, fügt er hinzu: „und der hineindringt in das Inwendige des Vorhanges, wohin als Vorläufer für uns eingegangen ist Jesus, über den Himmel in die Höhe.“ Siehst du, wie er den Himmel einen Vorhang nennt?

Ausserhalb des Vorhanges befanden sich nun der Leuchter, der Tisch und ein eherner Altar für die Schlacht und Brandopfer. Im Innern aber, hinter dem Vorhange, war die Bundeslade, ganz mit Gold überzogen, mit den Gesetzestafeln, dem goldenen Mannabecher, dem grünenden Stab Aarons und mit dem goldenen Altar, der nicht für Schlacht und Brandopfer, sondern nur für Rauchopfer bestimmt war. Jenen äussern Theil durften Alle betreten, den innern nur der Hohepriester. Auch dafür will ich euch wieder ein Zeugniß beibringen. Paulus sagt wie folgt: „Es hatte also allerdings das erste Zelt Gerechtsame des Gottesdienstes und das weltliche Heiligthum, (weltliches Heiligthum nennt er das äussere Zelt, weil alle Welt dort eintreten durfte), in welchem die Leuchter waren und der Tisch und die Vorlage der Brote. Hinter dem zweiten Vorhange aber war ein Zelt, genannt das Allerheiligste, enthaltend ein goldenes Rauchfaß und die Lade des Bundes, ganz mit Gold überzogen, in welcher ein goldener Becher mit dem Manna, und der Stab Aaron’s, der geknospet hatte, und die Tafeln des Bundes, und über derselben waren Cherubim der Herrlichkeit, überschattend die Sühnstätte. Indem nun Dieß also eingerichtet war, gingen in das vordere Gezelt allezeit die Priester, wenn sie die Opferhandlungen vollzogen, in das zweite aber einmal im Jahre einzig der Hohepriester, nicht ohne Blut, welches er darbringt für seine und des Volkes Vergehungen.“

Siehst du, daß nur der Hohepriester hineingeht, und nur einmal im ganzen Jahre?

Was hat Das nun, sagt ihr, mit dem heutigen Tage zu thun?

Geduldet euch ein wenig, und werdet nicht unruhig. Denn wir sind bis auf den letzten Grund der Sache zurückgegangen; und nun kommen wir bald zum Ziele, wo ihr Alles ganz leicht begreifen werdet.

Allein damit meine Rede nicht zu lange dunkel bleibt, und euch nicht durch ihren Mangel an Klarheit bei dieser Ausführlichkeit überdrüssig macht, will ich euch schon sagen, warum ich Das alles vorgebracht habe. Was ist also der Grund?

Als Maria empfing, waren es sechs Monate, daß Elisabeth den Johannes empfangen hatte. Wenn wir nun wissen, was für ein Monat dieser sechste Monat war, dann wissen wir auch, wann Maria empfangen hat. Wenn wir Das wissen, können wir auch leicht berechnen, wann sie geboren hat, indem wir nämlich von der Zeit der Empfängniß an um neun Monate weiter zählen. Woher werden wir nun wissen, welches der sechste Monat der Schwangerschaft der Elisabeth war? Zuerst müssen wir wissen, wann sie empfangen hat. Und woher werden wir erfahren, in welchem Monat sie empfangen hat? Wenn wir wissen, wann Zacharias, ihr Mann, jene frohe Botschaft erhalten hat. Und wie wird uns Das wieder bekannt? Aus der heiligen Schrift.

Denn das heilige Evangelium sagt, daß der Engel dem Zacharias die frohe Botschaft in das Allerheiligste brachte, und dort über die Geburt des Johannes zu ihm redete. Wenn wir nun aus der heiligen Schrift mit Bestimmtheit nachweisen, daß der Hohepriester einmal im Jahre und zwar allein in das Allerheiligste hineinging, und ferner, wann, in welchem Monat er dieses eine Mal hineinging, dann haben wir offenbar die Zeit gefunden, in welcher Zacharias jene frohe Botschaft erhielt. Dann wird auch der Zeitpunkt, wo Elisabeth empfing, Allen ersichtlich sein. Daß nun der Hohepriester nur einmal im Jahre in das Allerheiligste hineinging, Das hat uns Paulus schon gesagt, und Dasselbe verkündigt uns Moses, indem er erzählt wie folgt: „Und der Herr redete zu Moses und sprach: „Sage Aaron, deinem Bruder, daß er die ganze Zeit nicht betrete das Heiligthum, welches innerhalb des Vorhanges vor der Sühnstätte ist, die über der Lade des Zeugnisses ist, auf daß er nicht sterbe.“ Und wiederum: „Und kein Mensch sei in dem Zelte des Zeugnisses, wenn er hineingeht in das Heiligthum, um zu flehen, bis er herauskommt, und er wird flehen für sich selbst und für sein Haus, und für die ganze Gemeinde der Kinder Israels. Und er wird flehen über der Sühnstätte vor dem Angesichte des Herrn.““

Daraus geht also hervor, daß er nicht zu jeder beliebigen Zeit in das Allerheiligste einging, und daß, während er drinnen war, Niemand mit ihm in Berührung kommen durfte, sondern Alle draussen, ausserhalb des Vorhanges stehen mußten. Das behaltet nur ganz genau im Gedächtnisse. Es erübrigt nämlich noch zu zeigen, zu welcher Zeit er in das Heiligthum einging, und daß er Das ganz allein, einmal des Jahres that.

Woraus läßt sich Das nachweisen? Aus dem selben Buche; denn so heißt es dort: „Im siebenten Monat, am zehnten des Monats, sollt ihr strenge sein gegen euch selbst, und keine Arbeit verrichten an demselben, sowohl der Eingeborne als der Fremdling, der bei euch weilt. Denn an diesem Tage wird eure Versöhnung statt haben, euch zu reinigen von allen euren Sünden; vor dem Herrn sollt ihr gereinigt werden. Das soll der große Sabbath, Ruhe für euch sein; und strenge sollt ihr sein gegen euch selbst. Das soll immerdar Verpflichtung für euch sein. Und die Sühnung soll der Priester vollziehen, der da gesalbt ist, und dessen Hände geweiht sind, um das Priesterthum zu verwalten nach seinem Vater. Er soll das heilige Gewand anziehen, und sühnen das Allerheiligste und das Zelt des Zeugnisses und den Altar sühnen, und sühnen die Sünden der Priester und die ganze Gemeinde sühnen. Und Das soll euch immerdar Gesetz sein, die Sühnung zu vollziehen für die Kinder Israels wegen aller ihrer Sünden. Einmal im Jahre soll es geschehen, wie der Herr dem Moses befohlen hat.“

Von dem Laubhüttenfest ist hier die Rede. Dann nämlich, und nur dann im ganzen Jahre ging der Hohepriester in das Allerheiligste hinein; Das wurde auch deutlich erklärt in den Worten: „einmal im Jahre soll Das geschehen.“

Wenn also zur Zeit des Laubhüttenfestes der Hohepriester, und zwar er allein in das Allerheiligste eingeht, nun, so habe ich noch zu zeigen, daß damals der Engel dem Zacharias erschien, als dieser in dem Allerheiligsten war. Er war allein und brachte eben das Rauchopfer dar, als ihm der Engel erschien. Nun geschieht es aber nur dieses eine Mal, daß der Hohepriester, und zwar er allein hineingeht. Doch es steht Nichts im Wege, daß wir die Worte  der heiligen Schrift selbst vernehmen. „Es war in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, ein Priester mit Namen Zacharias, und sein Weib, aus den Töchtern Aarons, und ihr Name war Elisabeth. Es begab sich aber, während er Priesterdienst that in der Ordnung seiner Reihe vor Gott, da kam er nach der Sitte des Priesterthums durch das Loos daran, daß er, eingetreten in den Tempel des Herrn, zu räuchern hatte. Und die ganze Menge des Volkes war betend draussen zur Stunde des Rauchopfers. (Hier erinnert euch, Geliebte, jenes Zeugnisses, das da besagt: Und kein Mensch soll in dem Zelte des Zeugnisses sein, wenn er in das Allerheiligste hineingegangen ist, um zu sühnen, bis er wieder herauskommt.) Und es erschien ihm ein Engel des Herrn, stehend zur Rechten des Rauchopferaltars.“

Es heißt nicht: des Schlacht oder Brandopferaltars, sondern des Rauchopferaltars; denn der Altar welcher draussen stand, Das war der Altar für Schlacht und Brandopfer; aber der Altar im Innern, Das war der Rauchopferaltar. Hieraus, und aus dem Umstande, daß der Engel ihm allein erschien, und auch aus der Bemerkung, daß draussen das Volk stand und auf ihn wartete, aus alledem folgt mit Gewißheit, daß er in das Allerheiligste eingetreten war. „Und Zacharias erschrack bei dem Anblick, und Furcht überfiel ihn. Es sprach aber zu ihm der Engel: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört worden, und dein Weib Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und seinen Namen sollst du Johannes nennen. Und das Volk wartete auf Zacharias, und sie wunderten sich bei seinem langen Verweilen. Als er aber hinausging, winkte er ihnen und konnte nicht reden.“ Siehst du, daß er im Innern, hinter dem Vorhang war? Da also erhielt er die frohe Botschaft.

Die Zeit dieser Verkündigung war aber die Zeit des Laubhüttenfestes und der Fasten; denn auf das Fasten beziehen sich die Worte: Seid strenge gegen euch selbst. Dieses Fest wird von den Juden aber gefeiert gegen Ende des Septembers. Das werdet ihr mir auch bezeugen können; denn ich habe damals viele ausführliche Reden gegen die Juden gehalten, in denen ich ihr Fasten als ein verkehrtes und unzeitiges bekämpfte. Das war also auch die Zeit, wo Elisabeth, des Zacharias Weib empfing; „und sie verbarg sich fünf Monate hindurch, denn sie sagte: Also hat mir der Herr gethan in Tagen, da er darauf sah, meine Schmach unter den Menschen hinwegzunehmen.“ Nun ist es an der Zeit, zu zeigen, daß Elisabeth den Johannes im sechsten Monat in ihrem Schooße trug, als Maria die frohe Botschaft von ihrer Empfängniß erhielt. Hier der Beweis: Gabriel erschien ihr und sprach: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott; und siehe, du wirst empfangen und gebären einen Sohn, und seinen Namen sollst du Jesus nennen.“ Da sie aber erschrack und über das Wie Auskunft begehrte, da antwortete der Engel und sprach zu ihr: „Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten; deßhalb wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden. Und sieh, Elisabeth, deine Verwandte, auch sie hat in ihrem Alter einen Sohn empfangen, und Dieß ist der sechste Monat für sie, die unfruchtbar heißt; denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“

Wenn also gegen Ende des Monats September, wie gezeigt worden, Elisabeth empfangen hat, dann müssen wir von diesem Monate an die sechs folgenden Monate hinzurechnen. Das sind die Monate: Oktober, November, Dezember, Januar, Februar, März. Im sechsten Monate war es, daß Maria empfing; zählen wir wieder um neun Monate weiter, so kommen wir auf den gegenwärtigen Monat. Der erste Monat nach der Empfängniß Mariä war also der April, dann folgt der Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember, und Das ist der gegenwärtige Monat, in welchem wir dieses Fest feiern.