• Welcher Stern war das überhaupt und wer folgte ihm?

Angestrengtes Studium und viel Gebet ist notwendig, um den Sinn der vorliegenden Stelle zu verstehen, um herauszufinden, wer diese Magier sind, woher sie kommen, wie und von wem sie dazu veranlaßt wurden, und was für ein Stern sie hergeführt?

„Nachdem Jesus geboren ward zu Bethlehem in Judäa in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Magier aus dem Morgenland nach Jerusalem und sagten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen, und sind gekommen, ihn anzubeten.“ [Mt 2,1-2 BKV]

Wenn es euch aber gefällt, wollen wir zuerst lieber hören, was die Gegner der Wahrheit vorzubringen haben. Denn sie hat der Teufel so sehr in seinem Banne, dass er sie auch hier wieder veranlaßte, gegen die Wahrheit ins Feld zu ziehen. Was sagen sie also? Siehe, so lautet ihr Einwand, auch bei der Geburt Christi ist ein Stern erschienen; das ist also ein Beweis, dass es mit der Astrologie seine gute Bewandtnis hat.

Warum hat also dann Christus die Astrologie verboten, wenn er doch nach deren Gesetz geboren wurde; warum hat er den Glauben an das Fatum verworfen, die bösen Geister zum Schweigen gebracht, den Irrtum verscheucht und alle derartigen Zauberkünste vernichtet? Und was ist es denn, das die Magier aus den Sternen selbst gelesen? Dass Christus der König der Juden sei? Aber er war ja nicht der König eines irdischen Reiches wie er selbst auch dem Pilatus geantwortet hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ [Joh 18,36]. Auch hat er sich gar nicht als König gezeigt. Keine Speerträger, keine Schildknappen, keine Pferde, keine Gespanne von Mauleseln, nichts dergleichen hatte er um sich. Dafür war sein Leben unansehnlich und arm, und nur 12 Männer aus dem gewöhnlichen Volk bildeten seine Begleitung.


Wenn sie aber auch gewußt hatten, dass er ein König ist, weshalb kommen sie überhaupt?

Denn die Aufgabe der Sternkunde besteht ja, wie man sagt, nicht darin, aus den Sternen zu sehen, dass jemand geboren ward, sondern aus der Stunde der Geburt die Zukunft vorherzusagen. Die Magier aber waren weder zugegen, solange die Mutter in Schwangerschaft war, noch kannten sie die Zeit der Geburt, und ebensowenig diente ihnen diese als Anhaltspunkt, aus der Bewegung der Sterne die Zukunft vorherzusagen. Im Gegenteil, sie hatten den Stern lange vorher in ihrem Lande erscheinen sehen, und kamen erst dann, das Kind zu sehen; ein Umstand, der sicher noch viel schwieriger zu erklären sein dürfte als das Frühere.

Denn was in aller Welt konnte sie dazu veranlassen, was konnten sie Gutes davon erwarten, einem König zu huldigen, der so weit entfernt war? Wenn es wenigstens ihr eigener, zukünftiger König gewesen wäre; aber selbst dann hätte ihr Verhalten kaum einen Sinn gehabt. Wenn in ihrem eigenen Königshause ein Kind geboren worden und sein königlicher Vater anwesend gewesen wäre, dann könnte wohl einer vernünftigerweise sagen, sie hätten den Vater ehren wollen, indem sie dem neugeborenen Kinde ihre Huldigung darbrachten, und hätten die Absicht gehabt, sich dadurch das besondere Wohlwollen des Königs zu sichern. In diesem Falle aber konnten sie unmöglich erwarten, das neugeborene Kind könne jemals ihr König werden, sondern höchstens der eines ganz fremden Volkes, das weit entfernt von ihrem eigenen Lande wohnte. Ja sie mußten sehen, dass es noch nicht einmal zum Manne herangewachsen war. Weshalb unternehmen sie also da eine so weite Reise, bringen Geschenke dar, und setzen sich bei all dem noch Gefahren aus? Als nämlich Herodes von ihnen hörte, erschrak er und auch das ganze Volk geriet bei dieser Nachricht in Aufregung [Mt 2,3]. Nun, das haben sie eben nicht vorausgesehen, meinst du. Aber das wäre ja eine Torheit! Denn wenn sie auch noch so einfältig gewesen wären, soviel mußten sie doch wissen, dass sie eine Stadt betraten, die bereits einen König hatte. Wenn sie also unter solchen Umständen mit einer solchen Botschaft kamen, und verlauten ließen, es sei noch ein anderer König da als der, der dort regierte, mußten sie da nicht tausendfache Todesgefahr wider sich heraufbeschwören? Und wie kamen sie vollends dazu, vor einem Kind ihr Knie zu beugen, das noch in Windeln lag? Wäre es wenigstens ein Mann gewesen, so könnte man sagen, sie hätten sich deshalb in offene Gefahr gestürzt, weil sie Hilfe von ihm erwarteten. Doch auch das wäre äußerst töricht gewesen, dass ein Perser, ein Barbar, einer der mit dem jüdischen Volke gar nichts zu tun hatte, sein Haus verlassen, seiner Heimat, seinen Verwandten und Bekannten entsagen und sich unter die Herrschaft eines fremden Königs stellen sollte.


Wenn aber schon das unbegreiflich gewesen wäre, so wäre das Folgende noch viel törichter. Und was wäre das?

Dass sie nach einer so langen Reise alsbald wieder fortgingen, kaum, dass sie das Kind angebetet und alle Welt in Schrecken versetzt hatten. Und welche königlichen Abzeichen hatten sie denn wahrgenommen? Eine armselige Hütte, eine Krippe, ein Kind in Windeln eingewickelt [Lk2,7], und eine arme Mutter. Wem haben sie aber da ihre Geschenke gebracht und weshalb?

War es vielleicht Gesetz und Brauch, alle Königskinder, die irgendwo auf die Welt kamen, so zu ehren? Oder hatten sie nichts anderes zu tun, als fortwährend in der Welt herumzureisen, um denjenigen, und wären sie auch niedrig und arm, ihre Huldigung darzubringen, von denen sie wußten, sie würden einmal Könige werden, und dies selbst dann, wenn dieselben noch in niedrigen, armseligen Verhältnissen lebten, und noch nicht einmal den Königsthron wirklich bestiegen hatten? Das wird doch wohl niemand behaupten wollen. Warum aber kamen sie zur Huldigung? Wenn aus irdischen Motiven, was konnten sie da wohl von dem Kinde und seiner armen Mutter erhoffen? Wenn aber der Zukunft wegen, woher konnten sie wissen, dass das Kind, das bei ihrer Huldigung in Windeln lag, sich das Geschehenen später noch erinnern werde? Und hätten sie auch erwartet, die Mutter werde es daran erinnern, sie hätten auch so nicht Lob, sondern Strafe verdient, weil sie dasselbe in offenbare Gefahr gebracht haben. Von diesem Augenblick an hat ja Herodes in seiner Bestürzung alles versucht und alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seiner habhaft zu werden. Wer eben einen Menschen, der von Jugend auf arm und einfach lebte, überall als zukünftigen König ausposaunt, der liefert ihn damit nur dem Tode aus, und verursacht ihm tausenderlei Gefahren. Siehst du also, wie viele Unmöglichkeiten sich ergeben, wenn wir diese Sache nur nach menschlichen Gesichtspunkten und nach gewöhnlicher Art beurteilen? Aber nicht bloß das, sondern noch viel mehr könnte man darüber sagen, was uns noch weit größere Rätsel aufgäbe.


Damit wir euch aber nicht durch Häufung von Schwierigkeiten verwirrt machen, so wollen wir jetzt an die Lösung der aufgeworfenen Fragen gehen, und dabei gleich mit dem Sterne den Anfang machen. Denn wenn wir einmal wissen, was das für ein Stern war, woher er kam, ob er nur ein gewöhnlicher Stern war, oder verschieden von den andern, ob es ein wirklicher oder nur ein scheinbarer Stern war, dann werden wir auch alles andere leicht verstehen.

Wer soll uns also das beantworten? Die Heilige Schrift selber. Dass nämlich dies kein gewöhnlicher Stern war, ja, wie mir scheint, überhaupt kein Stern, sondern eine unsichtbare Macht, die diese Gestalt angenommen hatte, das scheint mir zu allernächst aus dem Wege hervorzugehen, den er genommen hatte. Es gibt nämlich keinen einzigen Stern, der in dieser Richtung wandelte. Die Sonne, der Mond, und alle anderen Gestirne wandeln, wie der Augenschein lehrt, von Osten nach Westen; der aber kam von Norden nach Süden; denn das ist die Richtung von Persien nach Palästina.

Zweitens kann man dies auch aus der Zeit seines Erscheinens schließen. Denn nicht bei Nacht leuchtete er, sondern am hellen Tage, während die Sonne schien. Das geht über die Kraft eines Sternes, ja selbst über die des Mondes; denn obgleich dieser weit heller scheint als alle Sterne, so verschwindet er doch und wird unsichtbar, sobald der erste Sonnenstrahl erscheint. Dieser Stern jedoch hat durch die Macht seines eigenen Glanzes selbst die Strahlen der Sonne übertroffen, hat heller geschienen als sie, und trotz solcher Lichtfülle noch mächtiger geleuchtet.

Drittens kann man dies daran erkennen, dass er zuerst erscheint und dann wieder verschwindet. Auf dem Wege bis Palästina hat er den Magiern geleuchtet und sie geführt, nachdem sie aber in die Nähe von Jerusalem gekommen waren, verbarg er sich. Als sie dann aber den Herodes über den Zweck ihrer Reise unterrichtet und von ihm fortgegangen waren, da erschien der Stern von neuem. So bewegen sich aber Sterne nicht; das kann nur eine mit großer Einsicht begabte Kraft. Der Stern hatte ja nicht einmal seine eigene Wegrichtung, sondern jedesmal, wenn die Magier sich in Marsch setzen mußten, bewegte auch er sich vorwärts; wenn sie aber stille standen, stand auch er still und richtete sich ganz nach dem, wie sie es brauchten; gerade so wie die Wolkensäule, die dem jüdischen Heere zeigte, wann es rasten und wann es aufbrechen sollte [2.Mo 13,21].

Viertens kann man dies deutlich erkennen an der Art und Weise, wie der Stern sich zeigte. Er blieb nicht in der Höhe und zeigte von da aus den Ort, sonst hätten ihn ja die Magier auch gar nicht erkennen können; nein, er kam zu diesem Zweck herab in die Tiefe. Ihr wißt ja, dass ein Stern einen Ort nicht anzeigen kann, der so klein ist, dass gerade noch eine Hütte auf ihm Platz hat, oder vielmehr, dass er eben noch den Leib eines kleinen Kindes aufnehmen kann. Da er so unermeßlich hoch oben ist, ist er nicht geeignet, einen so eng begrenzten Ort zu bezeichnen und für die kenntlich zu machen, die ihn suchten. Das kann man ja auch beim Monde beobachten; obwohl er alle Sterne an Größe überragt, scheint er doch allen Bewohnern der Welt nahe zu sein, obwohl sie über einen so großen Teil der Erdoberfläche zerstreut leben. Wie hätte also unser Stern den schmalen Raum andeuten können, den die Krippe und die Hütte einnahmen, wenn er nicht von der Höhe herabgekommen und über dem Haupte des Kindes stehen geblieben wäre? Das wollte denn auch der Evangelist andeuten, da er sagte:

V.9: „Siehe, der Stern ging ihnen voran, bis er an dem Ort stille stand, an dem das Kind sich befand.“

Siehst du, mit wie vielen Gründen man beweisen kann, dass dies kein gewöhnlicher Stern war, und dass er sich nicht den Gesetzen der sichtbaren Schöpfung unterworfen zeigte?


Und nun! Weshalb erschien denn der Stern?

Um die Gefühllosigkeit der Juden etwas aufzuregen und ihnen jede Möglichkeit einer Entschuldigung für ihre Verblendung zu benehmen. Da nämlich der, der da kommen sollte, den Alten Bund auflösen wollte, und die ganze Welt einlud, ihm zu huldigen, und auch überall zu Wasser und zu Land angebetet werden sollte, so öffnete er von Anfang an auch den Heiden das Tor, weil er durch die Fremden die eigenen Stammesgenossen belehren wollte. Denn obwohl sie durch die Propheten fortwährend seine Ankunft hatten verkünden hören, gaben sie doch nicht recht darauf acht. Darum berief er Barbaren aus fernem Lande, damit sie den König suchten, der unter ihnen weilte, und aus persischem Munde mußten sie zuerst vernehmen, was sie von den Propheten nicht hatten lernen wollen. Dies geschah deshalb, damit sie einen möglichst starken Ansporn zum Gehorsam hätten, falls sie zur Einsicht kommen wollten, aber auch jeder Entschuldigung bar wären, wenn sie verstockt blieben. Oder was konnten sie dennoch als Entschuldigung vorbringen, nachdem sie trotz so vieler Propheten doch nicht an Christus glaubten und nun sehen müssen, wie die Magier auf die Erscheinung eines einzigen Sternes hin sich zu ihm bekennen und den Erschienenen anbeten?

Wie er es also mit den Niniviten machte, zu denen er den Jonas sandte [Jona 3,4-5], und wie er mit der Samariterin [Joh 4,1-30] und der Chananäerin [Mt 15,21-28] tat, so machte er es auch jetzt mit den Magiern. Denn deshalb hat er gesagt: „Die Einwohner von Ninive werden aufstehen zum Gericht, und die Königin des Ostens wird sich erheben und dieses Geschlecht verdammen“ [Mt 21,41]. Denn jene haben auf geringe Zeichen hin geglaubt, diese nicht einmal auf große. Warum aber führte der Herr die Magier durch eine solche Erscheinung?

Aber was hätte er anders tun sollen? Propheten zu ihnen schicken? Die Magier hätten den Propheten schwerlich geglaubt. Durch eine Stimme von oben zu ihnen reden? Sie hätten nicht darauf geachtet. Ihnen einen Engel senden? Auch auf einen solchen hätten sie schwerlich gehört. Darum hat Gott von all dem abgesehen, hat dafür ihrer Verfassung vollkommen Rechnung getragen und sie durch Dinge gerufen, an die sie gewöhnt waren. Darum zeigte er ihnen einen großen, von den andern verschiedenen Stern, der ihnen durch seine Größe wie durch die Schönheit seines Anblicks und die Richtung seines Laufes auffallen mußte. So hat es auch der hl. Paulus gemacht. Er hat mit den Griechen von ihrem Altar geredet und ihre Poeten als Zeugen angeführt: mit den Juden verhandelte er über die Beschneidung [Apg 15], und beginnt seinen Unterricht für die, die unter dem Gesetze lebten, mit den Opfern. Da nämlich jeder das liebt, womit er seit langem vertraut ist, so schlagen auch Gott sowie die Menschen, die er zur Rettung der Welt gesandt hat, diesen Weg ein. Glaube also nicht, es sei Gottes unwürdig gewesen, die Magier durch einen Stern zu rufen. Sonst verurteilst du damit auch den ganzen Alten Bund, die Opfer, die Reinigungen, die Neumondfeste, die Bundeslade, ja selbst den Tempel. Denn das alles hat in ihrer heidnischen Anhänglichkeit an das Sinnenfällige seinen Grund und Ursprung gehabt. Gleichwohl hat es Gott zur Rettung der Verirrten geduldet, dass er durch solche Dinge verehrt werde, durch die die Heiden die Dämonen verehrten; dabei hat er nur ein wenig daran geändert, um die Juden durch eine leichte Abkehr von ihren Gewohnheiten zu der höheren Weisheit zu führen. So hat er es denn auch bei den Magiern gemacht, die er aus Entgegenkommen durch einen Stern rief, um sie dann für Höheres empfänglich zu machen.

Nachdem also Gott sie geführt und geleitet und bis zur Krippe gebracht hat, verkehrt er nicht länger durch einen Stern mit ihnen, sondern durch einen Engel; und hebt sie so langsam auf eine höhere Stufe empor. Gerade so machte es Gott mit den Bewohnern von Askalon und Gaza. Als nämlich jene fünf Städte bei der Ankunft der Bundeslade von schwerer Plage getroffen wurden und keine Rettung aus dem drückenden Unheil finden konnten, beriefen sie ihre Wahrsager, hielten eine Versammlung ab und suchten Befreiung von jenem gottverhängten Verderben. Da befahlen die Wahrsager, man solle junge, ungezähmte Kühe, die zum erstenmal geboren hätten, vor die Bundeslade spannen und sie ohne Führer gehen lassen. Dadurch würde es offenbar, ob die Plage von Gott gesandt oder eine zufällig entstandene Krankheit sei. (Denn, sagten sie, wenn die Kühe das Joch zerbrechen, weil sie nicht daran gewöhnt sind, oder ihren blökenden Kälbern nachgehen, dann ist die Krankheit nur durch Zufall entstanden; gehen sie aber geradewegs voran, ohne auf das Plärren ihrer Jungen zu achten und ohne sich zu verirren, obwohl sie den Weg nicht kennen, dann ist es klar, dass Gottes Hand diese Städte heimgesucht hat). So also sprachen die Wahrsager, und die Bewohner jener Städte glaubten es und taten, wie sie geheißen waren. Und Gott zeigte sich auch hier wieder entgegenkommend, nahm die Entscheidung der Wahrsager an und hielt es seiner nicht unwürdig, mit deren Vorschlag Ernst zu machen, und ihren Ansprüchen den Schein der Glaubwürdigkeit zu geben [1.Sam 6,1-18].

Gerade dadurch ward ja seine Tat noch größer, dass sogar Heiden die Macht Gottes bezeugen mußten, und ihre Lehrer ihm Zeugnis gaben. Noch viele andere Fälle könnte man beobachten, in denen es Gott ähnlich gemacht hat. So hat er z.B. im Falle der Wahrsagerin [1.Sam 28] in einer Weise gehandelt, die ihr euch jetzt, nach dem bisher Gesagten, selber erklären könnt. Ich habe also all dies wegen des Sternes erwähnt; ihr selbst könntet aber noch mehr darüber sagen, denn: „Gib dem Weisen eine Gelegenheit, und er wird noch weiser sein“ [Spr 9,9].

Indes müssen wir wieder zum Anfang unserer Lesung zurückkehren. Wie lautete er doch?

„Als aber Jesus geboren ward zu Bethlehem in Judäa, in den Tagen des Königs Herodes, siehe da kamen Magier aus dem Morgenlande nach Jerusalem.“

Die Magier folgten dem Sterne, der sie führte; die Juden dagegen glaubten nicht einmal der Stimme der Propheten. Weshalb gibt uns der Evangelist aber auch die Zeit an und den Ort? „In Bethlehem“, sagt er, und „in den Tagen des Königs Herodes“; und weshalb fügt er auch noch dessen königliche Würde bei? Seine Würde deshalb, weil es auch einen anderen Herodes gab, der den Johannes hatte töten lassen; Jener war aber Tetrarch, dieser König. Den Ort und die Zeit fügt er aber bei, um uns an alte Prophetien zu erinnern.

Die eine davon stammt von Michäas, der da sagt: „Und du Bethlehem im Lande Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Juda's“ [Micha 5,1]. Die andere Prophetie erging durch den Patriarchen Jakob, der uns ganz genau die Zeit angibt und das große Wunderzeichen beschrieb, das sein Erscheinen begleitet. Er sagt: „Nicht wird die Herrschaft von Juda weichen, noch ein Führer fehlen aus seinem Stamme, bis derjenige kommt, der da auserwählt ist: und auf ihn harren die Völker“ [Gen 49,10].


Es lohnt sich aber auch, zu untersuchen, woher die Magier zu so hoher Einsicht kamen, und wer sie darauf hingewiesen hat?

Mir scheint nämlich, der Stern allein habe nicht alles getan, sondern es habe auch Gott selbst in ihren Seelen gewirkt, so wie er es bei Kyrus gemacht hat, den er dazu bewog, die Juden aus der Gefangenschaft zu entlassen [2.Chr. 36,22-23]. Das hat er aber nicht so getan, dass er dadurch dessen Freiheit beeinträchtigte; denn, auch als er den Paulus durch eine Stimme von oben rief, hat sich in gleicher Weise die Wirkung seiner Gnade wie dessen Gehorsam betätigt. Aber warum, fragst du, hat er dies nicht allen Magiern geoffenbart? Weil auch nicht alle bereit waren zu glauben, sondern diese waren bereitwilliger als alle anderen. Es sind ja auch Millionen Menschen zugrunde gegangen, und zu den Niniviten allein ward der Prophet gesandt; zwei Räuber hingen am Kreuze, der eine nur ward gerettet [Lk 23,39-43].

Bewundere also die Tugend dieser Magier, und zwar nicht sowohl, dass sie kamen, als vielmehr, dass sie dabei so furchtlos und unbefangen waren. Um nämlich nicht den Schein aufkommen zu lassen, als seien sie nur Betrüger, so erklären sie offen, wer sie geführt hat, wie weit sie herkommen, und geben ein Beweis ihrer Unerschrockenheit, indem sie sagen: „Wir sind gekommen, ihn anzubeten“, und dabei fürchten sie weder den Zorn des Volkes, noch die Tyrannei des Königs. Deshalb glaube ich, dass sie auch zu Hause die Lehrer ihrer Stammesgenossen wurden. Denn wenn sie sich hier nicht scheuten, so zu sprechen, so werden sie mit um so größerem Freimut in ihrem eigenen Lande geredet haben, zumal nachdem sie noch die Mitteilung des Engels und das Zeugnis des Propheten erhalten hatten. [Chrysostomus, Kommentar zum Evangelium des Matthäus (BKV) Sechste Homilie. Kap. II, V.1-3]

Doch das ist eine andere Geschichte, die uns Die Legenda Aurea erzählt.