Während dem aufmerksamen Betrachten der obigen Tabelle fragt sich womöglich der eine oder andere Leser:

Ist der Textus Receptus wirklich überliefert oder hinzugedichtet?

Nestle-Aland behaupten ja, dass ihr Text der ursprüngliche sei und alle nicht darin enthaltenen Wörter und Sätze später hinzugedichtet wurden. So schreiben das auch alle Bibeln, die NA vertrauen, in ihre Fußnoten und Anmerkungen. So kann man die Sache natürlich auch drehen und so tun, als wäre der kurze Text das Original und alle anderen hätten den Text durch Hinzufügen verlängert. Was ist aber nun die Wahrheit?

Die Wahrheit liegt wie so oft in der Geschichte und der richtigen Überlieferung. Immerhin ist der Textus Receptus ja nach seiner Benennung der überlieferte Text. Demnach muss er sich bei den frühen Christen finden. Findet man also die Passagen des Textus Receptus, die bei Nestle-Aland fehlen, bei den Schriften der frühen Christen, wäre bewiesen, dass der TR tatsächlich der richtige überlieferte Text ist und NA hingegen nur auf einen viel späteren (also jüngeren), verfälschten und verkürzten Text baut. Letzteres ist ja der Vorwurf der Verfechter des TR in Richtung NA. Sehen wir uns also ein paar der fehlenden Verse an, ob sie von den frühen Christen zitiert wurden.

Apg 8,37:

Die Sch2000 schreibt den Vers so:

Da sprach Philippus: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so ist es erlaubt! Er antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist!

Bei NA fehlt dieser Vers komplett und somit fehlt er auch in allen Bibeln, die NA vertrauen.

Irenäus, 2. Jh., kennt den Vers aber, denn er schreibt:

..., wie der Eunuch selber glaubte und die Taufe begehrte mit den Worten: „Ich glaube, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (Irenäus, Gegen die Häresien (BKV), Drittes Buch, 12. Kapitel: Die Predigten der Apostel, 8.)

Damit wäre eigentlich schon bewiesen, dass der TR richtig überliefert wurde und die Behauptung von NA, dass dieser Vers nicht im Originaltext war sondern erst später hinzugedichtet wäre, eine Lüge ist. Denn Irenäus überliefert uns den Wortlaut im 2. Jahrhundert. NA beruft sich aber auf Textzeugen aus dem 4., 5. und 6. Jahrhundert. Wer hat also die früheren, ursprünglicheren Textzeugen?

Aber auch Cyprian von Karthago, 3. Jh., kennt diesen Vers:

Allerdings ist in der Apostelgeschichte von jenem Eunuchen die Rede, der alsbald von Philippus die Taufe erhielt, weil er von ganzem Herzen gläubig geworden war. (Cyprian von Karthago, Leben des Cäcilius Cyprianus von Diakon Pontius, 3.)

That he who believes can immediately obtain (i.e., pardon and peace). In the Acts of the Apostles: “Lo, here is water; what is there which hinders me from being baptized? Then said Philip, If thou believest with all thine heart, thou mayest.” (Cyprian Three Books of Testimonies Against the Jews. book III,  Testimony XLIII, 43)

Auf Deutsch:

Dass der, der glaubt, sofort Vergebung und Frieden erlangen kann. In der Apostelgeschichte heißt es: "Siehe, hier ist Wasser; was hindert mich daran, mich taufen zu lassen? Da sprach Philippus: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kannst du es.

NA ist also nachweislich falsch, der TR hingegen gut überliefert.

1. Joh 5,7

Die Schlachter 2000 übersetzt ihn so:

Denn drei sind es, die Zeugnis ablegen im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist, und diese drei sind eins

Der fett markierte Großteil dieses Verses fehlt bei NA und löste einen bis heute anhaltenden „Expertenstreit“ aus und bekam sogar einen eigenen Namen: Komma Johanneum. Der Textus Receptus hat die drei Himmelszeugen aber und er ist der einzige Bibelvers, der die Dreieinigkeit unbestreitbar bezeugt. Der nachfolgende Vers 8 enthält auch drei Zeugen, es ist aber nicht die Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und Geist, sondern von Geist, Wasser und Blut:

und drei sind es, die Zeugnis ablegen auf der Erde: der Geist und das Wasser und das Blut, und die drei stimmen überein. (V8)

Bevor wir wieder untersuchen ob die frühen Christen diese heute umstrittenen drei himmlischen Zeugen überlieferten, sei noch auf ein wichtiges Detail hingewiesen: Die sich scheinbar wiederholende Formulierung „diese drei sind eins“ in Vers 7 und 8 sind im Grundtext aber nicht exakt gleich, sondern verschieden! Daran erkennt man erstens, welche Übersetzer genau arbeiten und zweitens, welcher Vers in Wahrheit zitiert wurde von den frühen Christen.

Die besagte Formel sieht im Griechischen Grundtext so aus:

Vers 7: και οι τρεις εις εν εισι
Vers 8: και οι τρεις εις το εν εισιν

Man muss nicht Griechisch verstehen um zu erkennen, dass der Satzteil in Vers 8 zwar auf den ersten Blick ähnlich wie in Vers 7 aussieht, aber eindeutig länger ist. Die SCH2000 übersetzt das so:

Vers 7 und diese drei sind eins 
Vers 8 und die drei stimmen überein

KJV, Geneva, Bishops, Webster übersetzen das so:

Vers 7 and these three are one
Vers 8 and these three agree in one

Martin Luther übersetzte die beiden Formulierungen so:

Vers 7: und diese drei sind eins
Vers 8: und die drei sind beisammen

Es ist also klar auf Griechisch, Deutsch und Englisch zu erkennen, dass es ähnliche aber doch verschiedene Formulierungen sind. Welche haben nun Nestle-Aland und seine Anhänger und welche überlieferten die frühen Christen?

Bei Nestle-Aland fehlt wie gesagt der Teil in Vers 7 und sie schreiben exakt den richtigen Wortlaut von Vers 8:

καὶ οἱ τρεῖς εἰς τὸ ἕν εἰσιν

Bibeln die Nestle-Aland folgen übersetzen die Passage in Vers 8 so:

und die drei sind einstimmig (ELB)

und diese drei sind auf das Gleiche ausgerichtet. (ZÜ)

Die Aussagen dieser drei Zeugen stimmen überein. (GN)

Während es im Vers 7 also um eine echte Dreieinigkeit geht, wo die drei eins sind, geht es in Vers 8 darum, dass drei übereinstimmen oder auf das Gleiche ausgerichtet sind. Das sind zwei völlig verschiedene Aussagen. Die kann man also gut unterscheiden somit sofort dem richtigen Vers zuordnen.

Cyprian von Karthago schreibt 

The Lord says, “I and the Father are one;” and again it is written of the Father, and of the Son, and of the Holy Spirit, “And these three are one.” (The Treatises of Cyprian, Treatise I. On the Unity of the Church, Kap 6)

Auf Deutsch:

Der Herr sagt. "Ich und der Vater sind eins“ Und wiederum, steht über den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist geschrieben:" Und diese drei sind eins!

Hier zitiert Cyprian eindeutig den Satz aus Vers 7, denn er schreibt: es steht ... geschrieben und trifft exakt die Formulierung „und diese drei sind eins!“ Darauf weist auch der englische Übersetzer in seiner Erläuterung hin:

Scrivener says candidly, “It is hard to believe that 1 John v. 7 was not cited by Cyprian;” and again, “The African writers Vigilius of Thapsus (at the end of the fifth century) and Fulgentius (circa 520) in two places expressly appeal to the three heavenly Witnesses.” So, too, Victor Vitensis, in the notable case of the African king of the Vandals. The admission of Tischendorf is also cited by Scrivener. Tischendorf says, “Gravissimus est Cyprianus (in Tract. de Eccles. Unitate), Dicit Dominus, Ego et Pater unum sumus (Joann. x. 30); et, iterum, de Patre, Filio, et Spiritu Sancto, scriptum est, Et tres unum sunt.” Tischendorf adds the testimony of this epistle to Jubaianus. And Scrivener decides that “it is surely safer and more candid to admit that Cyprian read it in his copies, than to resort to,” etc., the usual explainings away. To this note of this same erudite scholar the reader may also turn for satisfaction as to the reasons against authenticity. But primarily, to meet questions as to versions used by Cyprian, let him consult the same invaluable work (p. 269) on the Old Latin before Jerome. I have added an important consideration in a note to the Anonymous Treatise on Baptism, which follows (infra), with other documents, in our Appendix. (Elucidations XVII)

Auf Deutsch:

Scrivener sagt freimütig: "Es ist schwer zu glauben, dass 1. Johannes 5, 7 nicht von Cyprian zitiert wurde", und weiter: "Die afrikanischen Schriftsteller Vigilius von Thapsus (am Ende des fünften Jahrhunderts) und Fulgentius (um 520) berufen sich an zwei Stellen ausdrücklich auf die drei himmlischen Zeugen." So auch Victor Vitensis in dem bemerkenswerten Fall des afrikanischen Königs der Vandalen. Das Eingeständnis von Tischendorf wird auch von Scrivener zitiert. Tischendorf sagt: "Gravissimus est Cyprianus (in Tract. de Eccles. Unitate), Dicit Dominus, Ego et Pater unum sumus (Joann. x. 30); et, iterum, de Patre, Filio, et Spiritu Sancto, scriptum est, Et tres unum sunt." Tischendorf fügt das Zeugnis dieses Briefes an Jubaianus hinzu. Und Scrivener beschließt, dass "es sicherlich sicherer und ehrlicher ist, zuzugeben, dass Cyprian ihn in seinen Kopien gelesen hat, als auf die üblichen Erklärungen zurückzugreifen" usw. Auf diese Notiz desselben gelehrten Gelehrten kann sich der Leser auch berufen, um sich über die Gründe zu informieren, die gegen die Echtheit sprechen. Vor allem aber sollte er zur Klärung der Frage nach den von Cyprian benutzten Versionen dasselbe unschätzbare Werk (S. 269) über das alte Latein vor Hieronymus zu Rate ziehen. Ich habe eine wichtige Überlegung in einer Anmerkung zu dem anonymen Traktat über die Taufe hinzugefügt, das zusammen mit anderen Dokumenten in unserem Anhang folgt

Dieser erwähnte Anhang weist genau auf das hin, was ich bereits weiter oben tat: Cyprian zitiert die Formulierung aus Vers 7, nicht aber aus Vers 8. Daher ist bewiesen, dass er Vers 7 kannte und zitierte und dass dieser Vers also schon im 3. Jahrhundert bekannt war. Das zerreißt eigentlich schon alle Behauptungen von NA und deren Geistesbrüdern. Aber es gibt noch einen Textzeugen aus dem 3. Jahrhundert:

Moreover, I think also that we have not unsuitably set in order the teaching of the Apostle John, who says that “three bear witness, the Spirit, and the water, and the blood; and these three are one.” (3. Jh, A Treatise on Re-Baptism by an Anonymous Writer., Kap 19)

Auf Deutsch:

Ich glaube auch, dass wir die Lehre des Apostels Johannes nicht unpassend eingeordnet haben, der sagt, dass „drei Zeugnis geben, der Geist, das Wasser und das Blut, und diese drei sind eins”. 

Der Autor dieser Zeilen ist anonym, aber dessen Herkunft wird von den seriösen Historikern auf das 3. Jahrhundert zur Zeit Cyprians datiert. Er ist höchstwahrscheinlich sogar ein Antwortbrief auf einer der Briefe Cyprians, erwähnt hier zwar nicht die drei Himmlischen Zeugen aus Vers 7 sondern die drei Zeugen aus Vers 8, aber mit der wortwörtlichen Dreieinigkeitsformulierung aus Vers 7! Und das ist schon bemerkenswert. Diese Formel war also bekannt. Sie ist aber nur in 1. Johannes 5 Vers 7 überliefert und nur im Textus Receptus!

Auf das Zeugnis von zwei oder drei Zeugen ist eine Sache bestätigt, so lautet das göttliche Prinzip. Und diese zwei haben wir hier, ein Jahrhundert vor dem ältesten Textzeugen der NA-Fraktion.

 

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  • T
    • Textus Receptus

      Der Textus Receptus (kurz TR) ist der Grundtext des Neuen Testamentes der Bibeln der Reformation, der Täufer und der Erweckungsbewegung.

    • TR

      TR ist die Abkürzung für Textus Receptus