• Aber weshalb folgte nicht das Volk den Magiern, sondern erschrak ebenso?
Die Ankunft der Magier bei Herodes
Die Ankunft der Magier bei Herodes

Wir dagegen sind kälter geworden als Asche, lebloser als die Toten;

und das obgleich wir das Beispiel des hl. Paulus vor Augen haben, der himmelhoch, ja über alle Himmel hin den Flug genommen, der stärker war als das stärkste Feuer, der über alles siegreich hinwegschritt, über Höhe und Tiefe, über Gegenwart und Zukunft, über das, was ist, und was nicht ist [Röm 8,38-39]. Sollte dir aber dieses Vorbild zu hoch sein, so wäre immerhin auch das schon ein Zeichen religiöser Trägheit.

Indessen wollen wir nicht miteinander streiten, sondern den hl. Paulus übergehen und die ersten Christen betrachten, die ihr Vermögen und ihren Besitz, ihre Sorgen und jedes irdische Geschäft von sich warfen und sich ganz Gott hingaben und Tag und Nacht der Verkündigung des Gotteswortes oblagen. So ist eben das geistige Feuer. Kein Verlangen nach irdischen Dingen läßt es aufkommen, sondern drängt unsere Liebe auf ein anderes Gebiet. Wen einmal diese Liebe erfaßt hat, der ist zu allem willig bereit, und müßte er sein ganzes Vermögen preisgeben, müßte er Reichtum und Ehrenstellen verachten, ja selbst sein Leben zum Opfer bringen. Die Glut dieses Feuers dringt in die Seele ein, verdrängt daraus alle Trägheit, und macht leichter als eine Feder, wen sie einmal ergriffen. Ein solcher schaut über alles Irdische hinweg und verharrt in innerer Zerknirschung, vergießt unaufhörliche Ströme von Tränen und schöpft aus all dem eine mächtige innere Freude. Denn nichts verbindet und einigt so sehr mit Gott als solche Tränen. Wohnte ein solcher auch mitten in Städten, er lebte doch gleich denen, die in der Wüste, auf den Bergeshöhen oder in einsamen Talschluchten wohnen; er achtet nicht auf die, so um ihn sind und wird seiner freudevollen Trauer niemals satt, ob er nun über seine eigenen Sünden weint oder über fremde. Darum hat Gott solche Menschen vor allen anderen glücklich gepriesen und gesagt: „Selig sind die Trauernden“ [Mt 5,4]. Ebenso sagt auch Paulus: „Freuet euch immerdar im Herrn“ [Phil 4,4] ; er meinte damit die Freude, die diesen Tränen entströmt. Wie die weltliche Freude nur Trauer in ihrem Gefolge hat, so sproßt aus den Tränen, die man um Gottes willen weint, nur immerwährende unversiegliche Freude.

So wurde auch die Hure heiliger als manche Jungfrauen, nachdem sie von diesem Feuer erfaßt worden. Denn da sie von heißer Reue erfüllt war, so entbrannte sie nur noch von Liebe zu Christus, löste ihre Haare auf, benetzte seine heiligen Füße mit Tränen, trocknete sie mit den eigenen Haaren und goß die Salbe darüber aus [Lk 7,37-38]. Das alles war aber nur der äußere Vorgang, was in ihrer Seele vorging, war noch viel inbrünstiger, und Gott allein hat es gesehen. Darum freut sich auch jeder mit ihr, der davon hört, ist glücklich ob ihrer Tat, und verzeiht ihr all ihre frühere Schuld. Wenn aber schon wir so urteilen, die wir doch böse sind [Luk 11,13] , so bedenke, was Gott in seiner Liebe ihr nicht verliehen haben wird und welche Gnaden ihr auch vor der Belohnung durch Gott ob ihrer Reue zuteil geworden sein müssen? Wie durch einen starken Regenguß die Luft gereinigt wird, so folgt auch auf die Tränen, die man vergießt, heitere Stille, und die Finsternis, die von der Sünde stammte, wird verscheucht. Und wie wir aus dem Wasser und dem Geiste gereinigt wurden, so werden wir von neuem gereinigt durch Reuetränen und durch das Bekenntnis vorausgesetzt, dass wir dies nicht bloß zur Schau tragen, um gesehen und geehrt zu werden. Wer nur darum Tränen vergösse, der verdiente meines Erachtens weit mehr Tadel, als wer sich mit Farben und Schminken herausputzt. Ich will nur solche Tränen, die man nicht aus Hochmut vergießt, sondern aus Demut, heimlich und im Verborgenen, wo niemand es sieht; Tränen, die still und geräuschlos fließen, die aus der Tiefe der Seele kommen, aus innerem Weh und Schmerz, die man nur Gottes wegen vergießt, so wie es bei Anna der Fall war. „Denn ihre Lippen", heißt es, „bewegten sich und ihre Stimme ward nicht gehört“ [1.Kön 1,13]. Aber ihre Tränen allein waren lauter als Trompetenklang. Darum hat auch Gott ihren Schoß geöffnet und den harten Felsen in fruchtbares Erdreich verwandelt.