Es gibt mehrere Judas in der Bibel. Der hier ist der Bruder des Herrn und schrieb einen biblischen Brief.
Von ihm wissen wir nicht sehr viel, außer dass er der fünftgeborene Sohn der Maria, Mutter Jesu, und somit der jüngste Bruder von Jesus war. Der erstgeborene ist Jesus, der zweitgeborene Jakobus der Gerechte. Jesus hatte aber noch mehrere Brüder und Schwestern, wie uns die Bibel berichtet:
Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder? Leben nicht auch alle seine Schwestern unter uns? Woher also hat er das alles? Und sie nahmen Anstoß an ihm. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat und in seiner Familie. Und er wirkte dort nicht viele Machttaten wegen ihres Unglaubens. (Mt 13,55-58)
Dass der Herr Jesus leibliche Geschwister hat, ergibt einen offenen Konflikt mit den Mariendogmen der Römisch-Katholischen-Kirche, weshalb diese weder Judas noch Jakobus als Brüder Jesus gelten lässt, obwohl sie sogar in den Römisch-Katholischen Bibeln bis heute so drin stehen. Ich ging darauf detailliert bei den Beschreibungen von Jesu ältesten Bruder Jakobus der Gerechte und dem Apostel Jakobus Sohn des Alphäus ein, weswegen ich hier darauf verzichte. Es sei nur darauf hingewiesen, dass von den Römisch-Katholischen Historikern bei Judas der selbe Trick angewandt wurde wie bei seinem Bruder Jakobus: er wurde mit einem gleichnamigen Apostel verschmolzen. In dem Fall traf es den Apostel Judas Thaddäus, der für die Lehre der RKK wie gerufen kam um einen Judas aus dem Hut zu zaubern, der kein leiblicher Bruder Jesu war. Dieses Unterfangen ist aber noch skurriler und unhaltbarer als Jakobus den Gerechten mit Jakobus dem Jüngeren zu einer Person zu verschmelzen: denn Judas beginnt seinen Judasbrief mit den Worten:
Judas, Knecht Jesu Christi und Bruder des Jakobus ..
Womit er klar macht, dass er Judas, der Bruder des Jakobus ist, und damit genau der Herrenbruder Judas. Es gibt zwar viele Judas in der Bibel aber nur einen, der einen Bruder namens Jakobus hat: und dieser ist der Bruder des Herrn Jesus. Thaddäus hat keinen Bruder namens Jakobus, aber einen Vater mit diesem Namen (Apg 1,13). Daher erscheint diese Zusammenlegung der beiden Männer noch krampfhafter konstruiert und ist rasch widerlegbar. Theologie und wahre Geschichte widersprechen einander leider allzuoft.
Verwechseln darf man den Herrenbruder Judas aber keinesfalls mit Judas Ischariot, der ein Jünger des Herrn war und ihn verriet, und wie eben schon ausgeführt auch nicht mit Judas Thaddäus, der ebenfalls ein Jünger des Herrn war. Wie alle anderen leiblichen Brüder von Jesus glaubte auch Judas nicht an seinen Bruder Jesus bevor er auferstanden war. Erst die Auferstehung Christi brachte seine Brüder zum Glauben. Sie hatten also im Vergleich mit den Jüngern Jesu, die jahrelang tagein tagaus mit dem Herrn zusammen lebten und von ihm persönlich unterwiesen und auch bevollmächtigt wurden, etwa Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen, einen Rückstand aufzuholen nach ihrer Bekehrung. Umso erstaunlicher, dass zwei leibliche Brüder Jesu sogar Lehrbriefe schrieben, die in den Bibelkanon aufgenommen wurden. Damit hoben sie sich von den meisten Aposteln, die nie ein biblisches Buch schrieben, ab.
Der kurze Judasbrief (er umfasst nur ein Kapitel mit 25 Versen) ist scharf formuliert und gegen alle Arten von Irrlehrern, falsche Brüder und andere Schandflecken in der Gemeinde gerichtet und gibt ein Zeugnis, wie die frühen Christen Gemeindezucht und ihren "allerheiligsten Glauben" untereinander lebten. Er reiht sich damit nahtlos an den Brief seines Bruders Jakobus, der ebensfalls wenig diplomatisch sondern scharf und klar die Lehre der Urgemeinde vorgibt und zur Heiligung und Glauben mit Werken mahnt. Erstaunlich, dass Judas trotz der enormen Kürze zwei Geschichten zitiert, die den modernen Bibellesern Schweißperlen auf die Stirn treiben, denn sie kennen diese Geschichten nicht mehr. Und damit gibt uns Judas viel Stoff zum Nachdenken, ob wir nicht viel Wissen und Tradition verloren haben und wir nicht wieder die alten Bücher und Geschichten lesen und lernen sollten, die die frühen Christen offenbar wie selbstverständlich kannten?
Die frühen Christen berichten nicht viel vom Herrenbruder Judas. Dennoch ist uns eine interessante Geschichte seiner Enkel erhalten geblieben in der Kirchengeschichte des Eusebius, die uns indirekt auch wiederum bestätigt, dass Judas tatsächlich der Bruder des Herrn Jesus war:
Auf des Domitian Befehl, die Nachkommen Davids hinzurichten, sollen nach einem alten Berichte einige Häretiker die Nachkommen des Judas, eines leiblichen Bruders unseres Erlösers, angezeigt haben mit dem Bemerken, sie stammen aus dem Geschlechte Davids und seien mit Christus selbst verwandt, Hegesippus berichtet darüber wörtlich also:
„Noch lebten aus der Verwandtschaft des Herrn die Enkel des Judas, der ein leiblicher Bruder des Herrn gewesen sein soll. Diese wurden als Nachkommen Davids gerichtlich angezeigt. Ein Evokatus führte sie vor Kaiser Domitian. Denn gleich Herodes fürchtete sich dieser vor der Ankunft Christi. Domitian fragte jene, ob sie von David abstammen. Sie bestätigten es. Sodann fragte er sie nach dem Umfange ihrer Besitzungen und nach der Größe ihres Vermögens. Sie antworteten, sie besäßen beide zusammen nur 9000 Denare, und davon gehöre jedem die Hälfte. Aber auch dieses Vermögen bestünde — so fügten sie bei — nicht in Geld, sondern im Werte eines Feldes von nur 39 Morgen, die sie mit eigener Hand bewirtschafteten, um davon die Steuern zu zahlen und ihren Lebensbedarf zu decken. Hierauf zeigten sie ihm ihre Hände und bewiesen durch die Härte ihrer Haut und durch die Schwielen, welche sie infolge ihrer angestrengten Arbeit an ihren Händen trugen, daß sie Handarbeiter waren. Als man sie über Christus und über die Art, den Ort und die Zeit seines Reiches fragte, antworteten sie, dasselbe sei nicht von dieser Welt und dieser Erde, es sei vielmehr ein himmlisches und englisches Reich, das erst am Ende der Welt kommen werde, wenn Christus in Herrlichkeit erscheinen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten und jedem nach seiner Gesinnung zu vergelten. Daraufhin verurteilte sie Domitian nicht, sondern verachtete sie als gemeine Leute. Er setzte sie in Freiheit und befahl, die Verfolgung der Kirche einzustellen. Sie aber erhielten nach der Freilassung, da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan.“ So berichtet Hegesippus.
Ähnlich berichtet auch Tertullian über Domitian. Er sagt: „Domitian, der mit Nero die Grausamkeit teilte, hatte einmal versucht, dessen Vorgehen nachzuahmen. Doch da er, wie ich glaube, noch etwas Verstand besaß, ließ er sehr rasch davon ab und rief die Verbannten wieder zurück.“ Als nach 15jähriger Regierung des Domitian Nerva die Herrschaft übernommen hatte, faßte der römische Senat den Beschluß, dem Domitian seine Ehrentitel zu entziehen und die ungerecht Verbannten nach Hause zurückzurufen unter Zurückerstattung ihres Vermögens. So berichten die damaligen Geschichtschreiber. Nach alter christlicher Überlieferung kehrte damals der Apostel Johannes aus seiner Verbannung auf der Insel zurück, um wieder seinen Aufenthalt in Ephesus zu nehmen.